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PRESSEKONFERENZ/1475: Kanzlerin Merkel und der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto, 09.06.2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Mexiko-Stadt - Freitag, 9. Juni 2017
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Vereinigten Mexikanischen Staaten, Enrique Peña Nieto

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


P Peña Nieto: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Ihre Exzellenz, die Bundeskanzlerin von Deutschland Angela Merkel, herzlich willkommen heißen. Ich danke für Ihren Besuch im Rahmen des dualen Jahres. Dieser Besuch ist nun der Abschluss des dualen Jahres. Ich möchte mich für diese intensive Zusammenarbeit bedanken.

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir gerade die Möglichkeit für einen Dialog mit Frau Bundeskanzlerin Merkel und mit Mitgliedern ihrer offiziellen Delegation hatten. An erster Stelle müssen wir sagen, dass Deutschland einer der wichtigsten Partner für Mexiko ist. Deutschland ist der größte Handelspartner Mexikos in der Europäischen Union. Das Handelsvolumen beläuft sich auf fast 18 Milliarden Dollar.

Heute gibt es mehr als 1900 Unternehmen, die in Mexiko sind und dazu beitragen, dass es mehr als 120 Arbeitsplätze gibt. Mexiko ist sehr froh darüber, dass deutsche Unternehmen dafür gesorgt haben, dass diese Projekte in Mexiko stattfinden. In diesem Sinne bin ich dankbar für die Unterstützung Deutschlands für die Aktualisierung des Globalabkommens zwischen Mexiko und der Europäischen Union.

Ich hatte auch die Möglichkeit, mit Kanzlerin Merkel darüber zu sprechen, dass ihr Besuch in einem wichtigen Moment gekommen ist, einem Moment, in dem es sehr wichtig ist, die Werte zu verteidigen, die wir teilen: Demokratie, Freihandel, Umweltschutz und Menschenrechte. Ich habe ihr gegenüber ausgedrückt, dass Mexiko die Führungsposition und die Vision Deutschlands unterstützt, die man auch wieder beim bevorstehenden G20-Gipfel sehen wird, dessen Gastgeber Deutschland ist. Wir haben weiterhin den Freihandel als einen Motor des wirtschaftlichen Wachstums betont, ebenso die Welthandelsorganisation als eine Achse des multinationalen Systems.

Im Umweltbereich habe ich Frau Kanzlerin Merkel bestätigt, dass Mexiko uneingeschränkt das Abkommen von Paris unterstützt und wir auch den Schutz der Biodiversität in unseren Ländern unterstützen.

Ein Thema, das für Deutschland und für Mexiko sehr wichtig ist, ist die Konsolidierung des Rechtsstaats. Ich habe mir ihr darüber gesprochen, was Mexiko im Bereich der Menschrechte, unserer Arbeit zur Stärkung der Institutionen und dabei, dass auch dem Gesetz Geltung verschafft wird, an Fortschritten erzielt hat. Ich habe mich auch für die Unterstützung der GIZ bedankt, was die Erreichung der Agenda 2030 und die Erfüllung der Millenniumsentwicklungsziele betrifft.

Ich habe meine Anerkennung dafür ausgesprochen, dass Deutschland eine führende Position im Bereich der dualen Ausbildung hat. Ich habe mich für die Unterstützung bei der Implementierung des mexikanischen Modells für duale Ausbildung bedankt, das es gestattet, dass junge Menschen studieren und ausgebildet werden, und dass sie dies sowohl in einem Klassenzimmer mit theoretischer Ausbildung tun als auch die Möglichkeit haben, in Unternehmen praktisch ausgebildet zu werden und sich weiterzubilden.

Das duale Jahr Mexiko-Deutschland begann mit einem meinerseitigen Besuch in Deutschland im Jahr 2016 und schließt nun mit dem Besuch von Bundeskanzlerin Merkel. Man muss sagen, dass diese gemeinsamen Anstrengungen, die wir unternommen haben und im Rahmen derer sich 2,3 Millionen Deutsche an mehr als 200 Aktivitäten beteiligt haben - im Bereich der Kultur, im akademischen Bereich und im Unternehmensbereich -, die von Mexiko in mehr als 40 deutschen Städten organisiert wurden, dazu geführt haben, dass mehr Deutsche unsere Kultur und unsere Geschichte kennenlernen. Das hat sich dann auch in einem Anstieg der Zahl der deutschen Touristen widergespiegelt, die in unser Land kommen.

Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass Mexiko als Gastland zur Hannover Messe für das Jahr 2018 eingeladen wurde. Das ist die wichtigste Industriemesse der Welt. Mexiko betont noch einmal seine Bereitschaft, unsere Beziehungen zu verstärken und auf mehr Wohlstand für unsere Bürger hinzuarbeiten.

Ihre Exzellenz, Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie können darauf zählen, dass wir unsere gesamte Regierung und Mexiko uns engagieren, um in diese Richtung weiterzuarbeiten. Ich bin mir sicher, dass das G20-Treffen in Hamburg dieses Jahr erfolgreich sein wird, ebenso wie die Messe in Hannover nächstes Jahr. Ich hoffe, dass die Anstrengungen, die wir unternehmen, und diese Bekräftigung unserer freundschaftlichen Bande sowie auch die Erzeugung von Kooperation bzw. die Verstärkung von Kooperationsmechanismen dazu führen werden, dass der Handel zwischen beiden Nationen Wohlstand und Wohlergehen für unsere Gesellschaften bringen werden.

Frau Bundeskanzlerin Merkel, ich möchte Sie auf das Herzlichste willkommen heißen und hoffe, Sie fühlen sich wie zu Hause. Vielen Dank!

BK'in Merkel: Sehr geehrter Herr Präsident, ich möchte mich ganz herzlich für den freundschaftlichen und warmen Empfang bedanken, den Sie uns, mir und meiner Delegation, hier gegeben haben. Wir sind sehr gerne nach Mexiko gekommen, nachdem Sie im April des vergangenen Jahres in Deutschland waren.

Ich glaube, in den letzten Jahren hat sich die Zusammenarbeit zwischen Mexiko und Deutschland sehr stark intensiviert. Ein Beispiel dafür ist auch die Tatsache, dass wir das deutsch-mexikanische bzw. das mexikanisch-deutsche Jahr gefeiert haben, und morgen werden wir seinen Abschluss begehen. Nach allem, was ich gehört habe, war dies ein sehr erfolgreiches Jahr, in dem nicht nur die Politiker miteinander gesprochen haben, sondern sich vor allen Dingen auch die Menschen in unseren Ländern besser kennengelernt und wir mehr über die Kulturen erfahren haben. Das ist von besonderer Bedeutung.

Der Bundesaußenminister war vor Kurzem hier. Die binationale Kommission hat getagt. Wir haben in unserer Delegation auch Vertreter der Wirtschaft, die natürlich die Zusammenarbeit mit Mexiko auch noch einmal intensivieren wollen. Sie haben es gesagt: 1900 deutsche Unternehmen sind in Mexiko engagiert. Sie haben mir auf dieser Reise gesagt, dass sie sich hier wohlfühlen und dass sie wissen, dass ihre Interessen berücksichtigt werden. Ich glaube, sie tragen auch dazu bei, dass die mexikanische Entwicklung gut voranschreiten kann. Wir sind auch beeindruckt von vielen Reformen, die Sie angestoßen haben, gerade auch im wirtschaftlichen Bereich, die das Investitionsklima deutlich verbessert haben.

Wir freuen uns, dass in Mexiko gerade auch das duale Berufsausbildungssystem solche Fortschritte gemacht hat, und wollen hierbei von deutscher Seite aus auch weiter unterstützend tätig sein. Es gibt nach dem deutsch-mexikanischen Jahr eine gute Chance, auch im nächsten Jahr einen Schwerpunkt in der deutsch-mexikanischen Zusammenarbeit zu setzen, wenn nämlich Mexiko Gastland in Hannover sein wird. Wir haben eben besprochen, dass man eventuell auch überlegen könnte, junge Leute aus Mexiko, die hier eine Berufsausbildung machen, mit deutschen Berufsauszubildenden zusammenzubringen, um auch auf der Hannover Messe noch einmal zu zeigen, von welch großem Wert eine gute Ausbildung für junge Menschen ist.

Wir laden alle mexikanischen Unternehmen ein, die im Bereich und im Spektrum der Hannover Messe als der größten weltweiten Industriemesse tätig sind, teilzunehmen. Wir werden auch schauen, dass wir gerade im Zusammenhang mit den digitalen Herausforderungen eng mit Mexiko zusammenarbeiten.

Wir haben auch über die Situation der Menschenrechte und gerade die Notwendigkeit der journalistischen Freiheiten gesprochen. Demokratien können nur leben, wenn Meinungsfreiheit herrscht, und diejenigen, die diese Meinungsfreiheit ganz stark verkörpern, sind Journalisten, die unabhängig arbeiten. Ich freue mich, dass doch viele Verstärkungsmaßnahmen unternommen wurden, um den Schutz von Journalisten zu gewährleisten. Wo immer wir hierbei hilfreich sein können, wollen wir das auch sein.

Wir arbeiten ja schon im Bereich der Rechtsstaatsförderung zusammen und haben diese Zusammenarbeit im letzten Jahr auch noch einmal ausgebaut. Wir wissen, wie dramatisch es natürlich ist, wenn Menschen verschwinden. Dass hier auch wirklich Strafen verhängt werden und dass das geahndet und gesühnt wird, ist von ganz großer Bedeutung. Deshalb arbeiten wir hierbei auch mit der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft, aber auch mit Verbänden, die sich um die Opfer kümmern, eng zusammen.

Wir haben dann natürlich neben den bilaterale Fragen über die Agenda gesprochen, die uns als G20-Gastgeber miteinander verbindet. Ich bedanke mich für das klare Bekenntnis zum Freihandel. Hier haben wir ja verschiedene Projekte. Unsere Unternehmen verfolgen natürlich sehr aufmerksam die Verhandlungen im NAFTA-Bereich, und ich bedanke mich dafür, dass Sie die Belange auch der ausländischen Unternehmen in Mexiko hierbei genauso einbeziehen wie die Belange der Unternehmen, die aus Mexiko kommen.

Wir haben aber auch ein großes europäisches Projekt, das Globalabkommen. Wir sind mit Ihnen der Meinung - Deutschland wird sich hierfür auch einsetzen -, dass wir zügig verhandeln und versuchen sollten, noch in diesem Jahr die Verhandlungen abschließen zu können. Dieses Globalabkommen enthält auch ein erneuertes Freihandelsabkommen, geht aber in seiner Breite doch weit darüber hinaus. Es geht also auch um breite politische Zusammenarbeit.

Wir freuen uns auch, dass wir im Bereich des Pariser Abkommens und des Klimaschutzes zusammenarbeiten können. Das Klimasekretariat in Bonn wird ja von einer Mexikanerin geleitet, Frau Espinosa. In Deutschland wird in diesem Herbst ja die Klimarahmenkonventionskonferenz stattfinden, weil die Fidschi-Inseln sie in diesem Klimasekretariat in Bonn veranstalten. Ich glaube, das wird auch noch einmal eine sehr gemeinsame Haltung ergeben.

Wir haben uns über die G20-Agenda ausgetauscht. Hierbei gibt es ein hohes Maß an gemeinsamer Arbeit Mexikos und Deutschlands. Ich bedanke mich auch ausdrücklich dafür, dass Sie uns in unserer Vorbereitungsarbeit sehr unterstützen. Wir waren uns einig, dass wir gemeinsam natürlich einen Beitrag dazu leisten wollen, in einer unruhigen Welt durch die Arbeit der G20 auch ein Stück Stabilität zu erzeugen.

Ich darf also zusammenfassend sagen: ein guter Stand der bilateraler Beziehungen, viele internationale Dinge.

Wir haben natürlich auch über die Situation in Ihrem Umfeld gesprochen. Es ist nicht nur so, dass Europa vor Herausforderungen im Zusammenhang mit illegaler Migration steht, sondern Mexiko tut das genauso. Hunderttausende machen sich jedes Jahr aus Mittelamerika auf den Weg, und wir haben darüber gesprochen, wie wir aus Illegalität bessere Legalität machen können, auch zum Schutz der Flüchtlinge. Das erfordert immer wieder gemeinsame Zusammenarbeit mit anderen Ländern, auch wenn das zum Teil schwierig ist. Aber es ist wichtig, immer wieder miteinander zu sprechen und zu versuchen, durch Gespräche auch die unterschiedlichen Meinungen auszugleichen. Ich danke also für sehr interessante und intensive Gespräche heute.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident, die Frage geht an beide. Wie schaut es nach der Entscheidung von Präsident Trump, die Neuverhandlung des NAFTA-Abkommens wieder aufzunehmen, damit aus, was die Verhandlung von bilateralen Vereinbarungen zwischen Mexiko und Deutschland hierzu beitragen könnten, dass man die negativen Effekte, die durch die Beendigung des Freihandelsabkommens

Dann zu den Vorteilen dieses dualen Jahres, von denen Sie erzählt haben: Was für konkrete Vorteile bleiben? Was bleibt für die Zukunft von so einem dualen Jahr, wie es jetzt stattgefunden hat?

Frau Bundeskanzlerin, könnten Sie noch kurz das Ergebnis der vorgezogenen Wahl in Großbritannien kommentieren? Wie wird sich diese mangelnde Mehrheit auswirken, die Theresa May jetzt hat? Wie wird sich das auf den Brexit auswirken?

P Peña Nieto: Zu den ersten Fragen, die bezüglich der Neuverhandlung des jetzigen Freihandelsabkommens mit den USA formuliert wurden: Ich habe zu diesem Thema einiges gesagt. Ich habe im Gespräch mit Frau Merkel gesagt, welche Bedeutung diese Beziehung mit den USA für Mexiko hat. Diese Verhandlung wird mit unseren beiden Partnern, den USA und Kanada, stattfinden, und wir sind bereit für diese Verhandlung. Diese Neuverhandlung wird sicherlich gegen Mitte August geschehen.

Wir haben einen ständigen Dialog und sehen mit Optimismus dieser Möglichkeit entgegen, dieses Freihandelsabkommen zu modernisieren, sodass dann auch noch ausstehende Themen integriert werden können, an die man vor 22 oder 23 Jahren nicht dachte, als dieses Freihandelsabkommen in Kraft trat, weil sie damals kein Thema waren. Es ist also eine Herausforderung und auch eine große Chance für Mexiko, dass man dieses Freihandelsabkommen mit den USA aktualisieren können wird.

Was die Ergebnisse des dualen Jahres betrifft: Da gab es ja ganz viele Aktivitäten, kulturelle Aktivitäten und akademische Aktivitäten. Ich glaube, dass das sicherlich die Möglichkeit für eine Annäherung zwischen den Unternehmen gegeben hat, sodass diese erfahren wollen, welche "windows of opportunity" es für mexikanische Unternehmen in Deutschland und für deutsche Unternehmen in Mexiko gibt. Ich habe auch mehrmals wiederholt, dass deutsche Unternehmen daran interessiert sind, weiterhin in Mexiko zu investieren und sich noch aktiver in unserem Land zu engagieren. Sie sehen Mexiko als ein zuverlässiges Land für Investitionen an.

Was wir uns für die Zukunft vorstellen, was die Ergebnisse des dualen Jahres "Mexiko in Deutschland" und "Deutschland in Mexiko" betrifft: Wir hoffen, dass es auch zu einem größeren Handelsaustausch führen wird. Unser Handelsvolumen beläuft sich jetzt auf 18 Milliarden Dollar, und wir sind uns sicher, dass wir durch die Aktualisierung des Freihandelsabkommens und des Globalabkommens mit der EU sicherlich ein noch größeres Handelsvolumen zwischen beiden Seiten erreichen werden.

BK'in Merkel: Ich will zu den Verhandlungen im Rahmen von NAFTA nur sagen, dass es ja erst einmal eine gute Nachricht ist, dass man miteinander spricht und versucht, auch Verbesserungen zu erreichen, wo es notwendig ist. Ich wünsche den beteiligten Ländern Kanada, den USA und Mexiko natürlich sehr viel Erfolg.

Ich will auch das unterstreichen, was der Präsident gesagt hat: Zum Beispiel habe ich heute gelernt, dass der Energiebereich im NAFTA-Abkommen noch gar nicht berücksichtigt ist. Inzwischen hat sich die Situation der Energieversorgung in den Ländern aber ganz wesentlich verändert, sowohl in Kanada als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich wünsche diesen Gesprächen also sehr viel Erfolg, und ich bedanke mich dafür, dass man auch die Anliegen der deutschen Unternehmen ganz einfach mit berücksichtigt.

Was bleibt von so einem dualen Jahr? Wenn ich höre, dass 3,5 Millionen Menschen miteinander in Verbindung gekommen sind, dann bedeutet das natürlich, dass Kontakte geknüpft wurden, dass Museen anders zusammenarbeiten können und dass Musiker im Rahmen von Konzerten miteinander Kontakt haben. So etwas vergisst man ja nicht, sondern aus so etwas entstehen dann von alleine auch weitere bilaterale Aktivitäten in ganz vielen Bereichen - von der Kunst über das Erlernen der Sprache bis zum Studieren und vielen anderen Dingen. Deshalb glaube ich, dass das einfach wichtig ist. Vielleicht ist mancher Mexikaner ja auch neugierig auf Deutschland geworden und kommt uns einmal als Tourist besuchen, vielleicht kommen Mexikaner zu uns, um zu studieren, und vielleicht sind junge deutsche Menschen bereit, hier in Mexiko etwas zu tun. Ich glaube also, das dient einfach dazu, dass sich unsere Völker auch ohne ein annonciertes Jahr einfach mehr füreinander interessieren, und dafür war das aus meiner Sicht ein sehr, sehr guter Startschuss.

Was Großbritannien anbelangt, so sage ich hier aus der Sicht der deutschen Bundeskanzlerin, aber auch aus Sicht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union: Wir sind auf die Verhandlungen für den Brexit vorbereitet. Wir haben gesagt: Wir warten bis zu dieser Wahl in Großbritannien selbstverständlich ab. Aber jetzt werden diese Gespräche mit Großbritannien in den nächsten Tagen beginnen. Wir werden uns darum bemühen, die Interessen der 27 Mitgliedstaaten zu vertreten. Großbritannien wird seine Interessen vertreten. Gleichzeitig sagen wir, dass wir natürlich weiterhin ein guter Partner von Großbritannien bleiben wollen. Großbritannien ist Teil Europas, auch wenn Großbritannien in Zukunft nicht mehr Teil der Europäischen Union sein wird. Großbritannien ist Mitglied der NATO. Wir haben also auch sehr viele gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen. In diesem Geist werden wir diese Verhandlungen führen, aber natürlich auch unter Durchsetzung der Interessen der 27 Mitgliedstaaten, die in Zukunft die Europäische Union ausmachen werden.

Frage: Herr Präsident, welchen politischen und wirtschaftlichen Stellenwert messen Sie Beziehungen zur EU und Deutschland nach den doch weniger freundlichen Ansagen Trumps Ihrem Land gegenüber bei? Hat sich vor allem der Ton in den letzten Wochen möglicherweise ein bisschen abgemildert?

In dem Zusammenhang beantworten Sie bitte auch die Frage, welche Rolle für Sie Angela Merkel gerade in dieser schwierigen Beziehung zu den USA einnimmt.

Frau Bundeskanzlerin, an Sie habe ich die Frage: Welche Chancen ergeben sich durch Trumps Anti-Mexiko-Rhetorik zumindest zu Beginn seiner Amtszeit für die EU und speziell auch für Deutschland?

BK'in Merkel: Ich kann gerne beginnen. Welche Chancen? - Ich glaube, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko vernünftig und gut miteinander zusammenarbeiten. Deshalb haben wir darüber heute auch gesprochen, gerade über die Fragen von NAFTA, die wir eben behandelt haben.

Gleichzeitig aber gibt es gute Gründe dafür, dass sich Mexiko auch stark für den europäischen Markt und für die Beziehungen zur Europäischen Union interessiert. Wir leben in einer multipolaren Welt, und wir wollen in dieser Welt halt auch nicht nur einseitige Kontakte haben, sondern wir wollen vielseitige Kontakte haben. Unser G20-Motto ist ja "Eine vernetzte Welt gestalten", und dazu gehören gute Beziehungen zwischen den großen Wirtschaftspartnern, natürlich auch zwischen Mexiko - Mexiko ist eine große Volkswirtschaft - und einem anderen großen Markt, dem europäischen Markt.

Es gibt ja im Übrigen zwischen der EU und Mexiko schon seit Langem ein Freihandelsabkommen. Aber wir haben eben noch nicht so ein intensives Globalabkommen. Deshalb glaube ich, dass es eine große Chance ist, die auch im beiderseitigen Interesse ist - also eine klassische Win-win-Situation -, wenn Mexiko und die EU auch gut zusammenarbeiten. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass man gut zwischen Mexiko und der EU zusammenarbeiten kann, dass die EU gut mit den Vereinigten Staaten von Amerika zusammenarbeiten kann, dass Mexiko auch gut mit den USA zusammenarbeiten kann und dass wir alle dadurch gewinnen - in einer offenen Welt, die glaubt, dass es solche Win-win-Situationen gibt.

P Peña Nieto: Ich würde noch einmal das unterstreichen, was ich bereits im Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel sagte, nämlich wie wichtig für Mexiko die Beziehung zu den Ländern Nordamerikas, den USA und Kanada, ist. Ich hatte gesagt, dass diese geografische Nähe, also die Nachbarschaft mit den USA, dazu geführt hat, dass wir in den USA einen strategischen Partner haben. Das ist, glaube ich, gegenseitig der Fall. Es gibt ja nicht nur Handel zwischen Mexiko und den USA sowie zwischen den USA und Mexiko - davon hängen ja Tausende von Arbeitsplätzen in beiden Ländern ab -, sondern wir haben eine sehr relevante Kooperation im Bereich der Migration und im Bereich der Sicherheit. Wir sind aufgrund des Dialogs, den wir mit der neuen Regierung der USA und mit der Regierung von Kanada haben, zuversichtlich, dass wir, sobald die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen beginnen, die Möglichkeit finden werden, das zu modernisieren, zu deeskalieren und neue Chancen für die drei Länder zu finden, die im Rahmen dieses Abkommens Partner sind, sodass die Wettbewerbsfähigkeit von ganz Nordamerika steigt und auch unsere Produktivität steigt.

Gleichzeitig hatte ich auch angesprochen, wie relevant das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union ist, und gesagt, dass ich respektvoll um die Unterstützung Deutschlands dafür ersucht habe, dass das Globalabkommen zwischen der Europäischen Union und Mexiko so schnell wie möglich und bis Ende dieses Jahres geschlossen werden kann. Diese Verhandlungen sind bereits alle im Gange, und das ist ganz zweifelsfrei auch für Mexiko relevant; denn das wird das Handelsvolumen zwischen Mexiko und der Europäischen Union sowie in die andere Richtung noch sehr viel mehr vergrößern. Das ist letztlich eine Bestätigung dessen, dass Mexiko an den Freihandel glaubt und dass der Freihandel für Mexiko ein Motor für die Entwicklung unserer Gesellschaften ist. Wir glauben an den Freihandel; das ist ein Motor für uns.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie fragen, welche Erwartungen Deutschland hegt, was den Rechtsrahmen in Mexiko mit den Strukturreformen anbetrifft. Erwarten Sie, dass die Investitionen in dem Land größer werden?

Ich möchte Sie auch etwas zum Thema Governance im Vorfeld des G20-Gipfels fragen: Was ist Ihre Meinung zum Thema Populismus? Glauben Sie, dass populistische Regierungen ein Hindernis oder ein Risiko für die globale Integration sind?

Was halten Sie insbesondere und spezifisch von der Situation in Venezuela?

Präsident Peña Nieto, jetzt, da Sie von dem Dokument sprechen und ja schon darauf drängen, dass es vor Jahresende fertig sein soll, damit das Globalabkommen zwischen Mexiko und der EU aktualisiert wird: Ist darüber gesprochen worden, was da justiert werden muss? Was muss da geändert werden? Das stammt ja aus dem Jahr 2000, und gemäß dem, was da besprochen wurde, muss es ja aktualisiert werden.

BK'in Merkel: Das sind recht umfangreiche Fragen. - Ich glaube, dass der Präsident und die mexikanische Regierung sehr mutige Schritte gegangen sind und weiterhin gehen werden, um einfach auch der privaten Wirtschaft mehr Chancen zu geben, sich in Mexiko zu engagieren. Dafür ist es natürlich sehr wichtig, und das geschieht auch, dass transparente Ausschreibungen stattfinden und dass dann auch eine Gleichbehandlung der Unternehmen gegeben ist, die sich darum bewerben. Hinsichtlich dieses Rechtsrahmens sind in den letzten Jahren sehr deutliche Fortschritte erzielt worden, die ich persönlich für sehr wichtig halte. Ich muss mich hier natürlich auch an die Resonanz aus unserer Wirtschaftsdelegation halten, und da gibt es sehr viele positive Kommentare zu der Entwicklung, die es gibt. Nicht umsonst ist Mexiko ja jetzt auch als Partnerland zur Hannover Messe eingeladen worden, weil wir einfach glauben, dass sich hier vieles tut. Die Bemühungen Mexikos - zu diversifizieren, moderne Produktionsstrukturen zu bekommen und die Digitalisierung, die unsere Arbeitswelt noch einmal ganz verändern wird, aufzunehmen -, sind alles gute Nachrichten.

Was Governance anbelangt, so ist es natürlich vor allen Dingen wichtig, dass es auch im gesamten Staatsgebiet von Mexiko Strukturen gibt, innerhalb derer sozusagen gegen die Korruption gearbeitet wird und auch Transparenz herrscht. Wir wissen, dass der Kampf gegen die organisierte Kriminalität eine große Herausforderung ist, und deshalb wollen wir, wo immer wir das tun können, Mexiko in diesem Kampf auch unterstützen; denn Unternehmen siedeln sich ja immer lokal an und müssen dort auch auf einen guten Rechtsrahmen hoffen können. Dass hier auch gerade staatsanwaltschaftliche Tätigkeiten gestärkt werden und dass sich die föderale Regierung auch für mehr Sicherheit einsetzt, das sind wichtige und notwendige Maßnahmen.

Was Populismus anbelangt, so ist es so, dass Versuche, komplizierte und komplexe Dinge - unsere vernetzte Welt ist ein durchaus komplexes Gebilde - mit ganz einfachen Antworten zu lösen, immer wieder schiefgegangen sind und nicht erfolgreich waren. Deshalb glaube ich an diese kurzen, einfachen Antworten nicht. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen in unseren Ländern - egal, wo das ist, ob in der Europäischen Union oder auf anderen Kontinenten - den Eindruck haben, dass die Politik sie alle im Blick hat. Deshalb spielt das Thema des inklusive Wachstums inzwischen ja auch so eine zentrale Rolle, weil es natürlich auch Globalisierungsentwicklungen gegeben hat, bei denen die Menschen nicht gefühlt haben, dass das für sie wichtig und richtig ist, sondern sich als Verlierer gefühlt haben. Aber wie antworte ich auf so etwas? - Indem ich eben Win-win-Situationen erzeuge, indem ich zeige, dass alle Vorteile haben können. Ansonsten wird das nur zu Enttäuschungen führen.

Was Venezuela anbelangt, so habe ich natürlich sehr auf den Präsidenten gehört. Die Situation ist besorgniserregend. Aber auch hier können wir nur immer wieder versuchen, mit dem Versuch von Gesprächen Einfluss zu nehmen. Aber für die Menschen in Venezuela selbst ist die Situation schon eine extrem schwierige, und die Lösungen, die sich da anbieten, sind auch nicht einfach. Wir sind also alle sehr besorgt - ich kann das jedenfalls für mich sagen - über die Situation, wie sie sich in Venezuela im Augenblick darstellt.

P Peña Nieto: Bezüglich der Frage nach der Aktualisierung des Globalabkommens mit der EU möchte ich sagen, dass das ein Abkommen ist, in dem ja drei zentrale Themen berücksichtigt sind:

Zum einen geht es um das Freihandelsabkommen, über das gerade verhandelt wird. Wir haben uns nicht über Details unterhalten, denn dies war ja keine Verhandlungsrunde, sondern wir konzentrieren uns auf das, was die Europäische Union bedeutet. Das wird ja dann auch im Wirtschaftsministerium näher verhandelt werden. Es werden dann ja auch Unternehmensvertreter an den Verhandlungen beteiligt sein.

Dann geht es um das Thema der Kooperation. Da gibt es auch Themen, die wir angehen können und sollen, um uns zugunsten der Kooperation der Regionen zusammenzutun.

Drittens geht es um den politischen Bereich. Dabei geht es darum, die institutionellen Kapazitäten zwischen den Ländern zu stärken und gemeinsame Werte zu verteidigen, zum Beispiel Demokratie, Freiheiten und Respekt vor den Grundrechten.

All diese Themen sind jetzt Teil dieser Verhandlungen, sind Gegenstand dieser Verhandlungen. Darüber kann man dieses Globalabkommen erneuern. Dieser wirtschaftliche Austausch, die Kooperation sowie der politische Austausch zwischen Mexiko und der Europäischen Union - das möchte ich wiederholen - sollten doch mehr wachsen, diverser werden und für mehr Wachstum sowohl Europas als auch Mexikos sorgen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte an die Frage zum Brexit anschließen: Befürchten Sie, dass durch die Wahlschlappe von Frau May in Großbritannien Verzögerungen in den Brexit-Verhandlungen entstehen? Könnte das nach hinten hinausgeschoben werden?

Sie haben sicherlich auch über internationale Sicherheitspolitik gesprochen. Könnten Deutschland oder die EU aus Ihrer Sicht in der Krise um Katar eine Vermittlerrolle einnehmen?

Eine ganz kurze Frage an den Herrn Präsidenten: Herr Präsident, würden Sie eine stärkere Rolle Deutschlands und der Kanzlerin in der internationalen Politik befürworten?

BK'in Merkel: Zu Großbritannien sage ich jetzt erst einmal: Wir von unserer Seite sind verhandlungsbereit. Wir haben uns sozusagen vorbereitet. Wir haben die Leitlinien fertiggestellt. Wir haben den Termin bestimmt. Ich gehe nach dem, was ich heute auch von der Premierministerin gehört habe, davon aus, dass auch Großbritannien seinen Verhandlungsplan einhalten will. Wir wollen zügig verhandeln. Wir wollen innerhalb des Zeitrahmens verhandeln. Deshalb glaube ich, dass zur Stunde nichts dagegen spricht, dass diese Verhandlungen so, wie das auch beschlossen und verabredet wurde, beginnen können - vonseiten der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der europäischen Institutionen auf jeden Fall. Aber ich habe auch von anderer Seite nichts anderes gehört.

Zum Zweiten, zu Katar: Die Situation, die wir im Augenblick sehen, ist natürlich durchaus beunruhigend. Wir wünschen uns natürlich, dass gerade die Staaten des Golf-Kooperationsrats miteinander zusammenarbeiten. Deutschland hat in diesem Zusammenhang keine Vermittlerrolle inne, aber wir werden aus unserem deutschen Interesse heraus darauf achten, dass in der Region die Balancen vernünftig gehalten werden. Natürlich muss überall dagegen vorgegangen werden, wenn es Erkenntnisse darüber gibt, dass Terrorismus unterstützt wird. Wir haben dem Terrorismus den Kampf angesagt. Das wird auch ein Thema beim G20-Gipfel sein. Dort muss offen darüber gesprochen werden.

Aber wir müssen sehen, dass die politische Lösung von Konflikten, die auch im ureigenen europäischen Interesse liegt - zum Beispiel, was die Situation in Syrien angeht, die Situation in Libyen angeht oder aber auch die Situation im Irak angeht -, nicht gelingen wird, wenn bestimmte Akteure überhaupt nicht mehr ins Gespräch einbezogen werden. Dazu gehört Katar, dazu gehört die Türkei und dazu gehört der Iran. Ich weiß von vielen Dingen, in denen uns Meinungen trennen, aber es wird nur dann politische Lösungen geben, wenn alle miteinander in Kontakt sind. Darauf drängen wir, dafür setzen wir uns ein, und diese Bemühungen werden wir natürlich auch fortsetzen.

P Peña Nieto: Ich möchte noch einmal das wiederholen, was ich bereits vorher sagte: Mexiko erkennt die politische Führungsposition von Kanzlerin Merkel nicht nur in Europa in verschiedenen Bereichen. Wir glauben an die Öffnung im Handel, an den Freihandel. Wir glauben an demokratische Gesellschaften, an die Verteidigung der Menschenrechte. Das ist eine Vision, die uns gemein ist.

Ich habe vor Kurzem auch gesagt, dass wir Frau Merkel herzlich willkommen heißen. Wir danken für diese offene Einstellung gegenüber Mexiko, für den Dialog und die Kooperation in verschiedenen Bereichen, sodass wir uns mit Themen beschäftigen und Probleme lösen können. Deutschland hat Kooperationen in verschiedenen Bereichen angeboten, und wir sind zuversichtlich, dass die politische Unterstützung Deutschlands für die Motorisierung des Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union zu einem merklichen Anstieg des Handelsvolumens zwischen Mexiko und Deutschland führen wird. Ich möchte wiederholen, dass Deutschland unter den EU-Ländern der wichtigste Handelspartner Mexikos ist.

Wir sind sehr dankbar dafür, dass Sie nach Mexiko gekommen sind und wünschen Ihnen viel Erfolg in Ihrer Arbeit, die ja bevorsteht, was den G20-Gipfel in Hamburg betrifft. Ich bedanke mich für die Einladung, dass Mexiko das Gastland bei der Hannover Messe im nächsten Jahr sein wird. Vielen Dank!

Freitag, 9. Juni 2017

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der
Vereinigten Mexikanischen Staaten, Enrique Peña Nieto, am 09.06.2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2017

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