Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


PRESSEKONFERENZ/1421: Kanzlerin Merkel und der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe, 20.03.2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Hannover - Montag, 20. März 2017
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe

Thema: Besuch des Ministerpräsidenten von Japan/Eröffnungsrundgang auf der CeBIT

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich hier in Hannover zuerst aus aktuellem Anlass etwas zum Thema Türkei sage, bevor ich dann auf unsere bilateralen Gespräche eingehe.

Mein Satz, dass die Nazivergleiche vonseiten der Türkei aufhören müssen, gilt, und zwar ohne Wenn und Aber. Leider müssen wir feststellen, dass diese Vergleiche nicht aufgehört haben. Wir werden nicht zulassen, dass der Zweck die Mittel immer wieder heiligt und jedes Tabu fällt, ohne Rücksicht auf das Leid derer, die im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden.

Deshalb will ich noch einmal an die Verbalnote des Auswärtigen Amtes erinnern, die wir vor wenigen Tagen abgesandt haben. Die Bundesregierung hat in dieser Verbalnote vor wenigen Tagen der Türkei unmissverständlich mitgeteilt, dass Auftritte türkischer Politiker hier in Deutschland nur dann stattfinden können, wenn sie auf der Grundlage der Prinzipien des Grundgesetzes erfolgen. Anderenfalls - so formuliert die Verbalnote - behält sich die Bundesregierung vor, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich einer Überprüfung der mit dieser Note erteilten Genehmigungen.

Ich sage das, um noch einmal daran zu erinnern und deutlich zu machen, dass das nach wie vor so gilt, wie wir es in der Verbalnote formuliert haben.

Jetzt komme ich zu dem Anlass unserer Pressekonferenz. - Ich möchte Shinzo Abe, meinen Kollegen aus Japan, hier noch einmal ganz herzlich begrüßen. Wir freuen uns, dass Sie gestern bei der Eröffnung der CeBIT dabei waren und wir heute den gemeinsamen Rundgang machen konnten. 118 Firmen aus Japan - der größte Ausstellungsstand eines Gastlandes, den wir jemals auf der CeBIT hatten -, das kann sich nicht nur sehen lassen; vielmehr haben wir heute auch sehr interessante japanische Firmen kennengelernt.

Das Konzept nicht nur von Industrie 4.0 - wo wir zusammenarbeiten können - sondern auch von Society 5.0, das in Japan vorangetrieben wird, kann für Deutschland Anregung sein. Deshalb freue ich mich, dass die Wirtschaftsminister, Frau Zypries und Herr Seko, auch die Hannoveraner Erklärung unterzeichnet haben und hier die Kooperation für die Zukunft beschrieben haben, und zwar sowohl in den Bereichen der Mobilität als auch in den Bereichen der Vernetzung von Dingen, also des Internets der Dinge. Ich denke, wir können unsere Kooperation auch auf die Bereiche Bildung und lebenslanges Lernen ausweiten.

Deutschland und Japan haben in den Gesprächen, die wir anschließend hatten, noch einmal betont, dass wir eine Vielzahl von gemeinsamen Interessen und vor allen Dingen auch gemeinsamen Grundlagen unseres Handelns haben. Dazu gehört die Überzeugung, dass sich eine Welt der Digitalisierung, eine Welt des 21. Jahrhunderts, auch vernetzen muss, und dass sich nicht nur die Dinge vernetzen müssen, sondern dass auch die Staaten barrierefrei kooperieren müssen. Dazu gehört eben das klare Bekenntnis zum freien Handel ohne Barrieren. Deshalb setzen beide Länder, Deutschland und Japan, auch große Kraft auf den Abschluss des EU-Japan-Freihandelsabkommens. Wir sind hier in einer entscheidenden Phase der Verhandlungen. Deutschland wird die Europäische Kommission bei diesen Verhandlungen unterstützen. Der Ministerpräsident wird ja noch nach Brüssel fahren, um unter anderem darüber zu sprechen.

Wir haben uns intensiv über die Situation in der Europäischen Union ausgetauscht. Ich habe auf unsere Vorhaben im Zusammenhang mit dem 60-jährigen Jubiläum der Römischen Verträge hingewiesen und deutlich gemacht, dass wir nicht nur die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien führen wollen, sondern dass wir parallel unsere Kooperation innerhalb der Europäischen Union in bestimmten Bereichen intensivieren wollen. Dazu gehört auch der digitale Binnenmarkt. Von japanischer Seite wurde noch einmal sehr klar geäußert, dass Japan ein immenses Interesse an einer starken und kräftigen Europäischen Union hat und die Kooperation mit dieser Europäischen Union auch voranbringen wird.

Wir haben natürlich über die G20-Präsidentschaft Deutschlands und über die Agenda, bei der Japan ein großer Unterstützer ist, gesprochen - wir haben ja schon bei der G7-Agenda sehr intensiv miteinander gesprochen. Wir haben über das Minsker Friedensabkommen gesprochen. Japan ist sozusagen Russlands Nachbar von der anderen Seite, als es die Europäische Union ist, hat aber auch ein Interesse daran, dass dieses Abkommen umgesetzt wird; denn wir wollen natürlich auch Möglichkeiten haben, Sanktionen abzubauen, wenn das Minsker Abkommen umgesetzt wird. Schließlich wollen wir Russland als internationalen Akteur durchaus auch in vielen Konfliktlösungen einbeziehen.

Ich bedanke mich für die Unterstützung unserer Agenda für das G20-Treffen. Ich freue mich, dass wir uns in diesem Halbjahr - oder fast in diesem Halbjahr - noch zweimal sehen werden, nämlich bei der G7 und bei der G20. Ich darf sagen, dass in den letzten Jahren unsere Kooperation doch sehr viel intensiver geworden ist, und zwar sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch im kulturellen Bereich. Japan wird in Deutschland durchaus auch über seine Kultur informieren, sodass wir uns auch insgesamt besser kennenlernen - was ich ausdrücklich begrüße.

Noch einmal herzlichen Dank, lieber Shinzo, dass du heute hier in Hannover unser Gast bist.

MP Abe: Nach dem bilateralen Gipfeltreffen in Schloss Meseberg im Mai 2016 ist dies nun mein vierter Besuch in vier aufeinanderfolgenden Jahren in Deutschland. Hannover besuche ich zum zweiten Mal; das erste Mal war anlässlich der Hannover Messe 2008 als Sonderbeauftragter des Premierministers, weil Japan damals Partnerland war. Auch diesmal wurde ich von der Bundeskanzlerin Merkel und der deutschen Bevölkerung sehr herzlich empfangen, wofür ich mich bedanken möchte.

Bei unserem Gespräch im Mai 2016 hat Angela mich eingeladen, Japan als Partnerland der diesjährigen CeBIT zu vertreten. Die Teilnahme Japans an der CeBIT 2017 ist Symbol für die enge und qualitativ hohe japanisch-deutsche Zusammenarbeit. Mit Unterstützung von 18 Unternehmen Japans können wir auf der weltgrößten Informations- und Kommunikationsmesse stolz unsere Hochtechnologie präsentieren.

Gestern konnten wir zwischen den beiden Wirtschaftsministern unsere Partnerschaftsabkommen auch in den Bereichen des IoT weiter vertiefen. Das sind ja Dinge, die die vierte industrielle Revolution voranbringen. Das zeigt wirklich unsere enge Partnerschaft. Japan und Deutschland verfügen beide über das gleiche technologische Vermögen.

Der freie Handel, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sind Grundwerte, die beide Länder teilen. Als führende Nationen in Asien beziehungsweise in Europa sind wir wichtige Partner im Hinblick auf viele Herausforderungen, denen sich die internationale Gemeinschaft neu stellen muss.

Japan braucht ein starkes Europa, und dieses starke Europa ist auch für die Welt sehr wichtig. Die EU hat vielerlei Probleme überwunden und die Integration vorangetrieben. Damit Europa weiterhin stark integriert und stark nach vorn geht, möchte Japan dazu, falls möglich, seinen Beitrag leisten. Insbesondere im Hinblick auf protektionistische Tendenzen müssen Japan und Deutschland weiterhin gemeinsam die Fahne des freien Handels hochhalten, auch gerade, weil die Welt jetzt eher in Richtung Nabelschau geht.

Gerade jetzt müssen Japan und Europa auch in Zusammenarbeit mit den USA diese Fahne des freien Handels hochhalten. Deshalb würde ich mich freuen, wenn das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA zwischen Japan und der EU frühzeitig zum Abschluss kommen könnte, weil das eine gute Botschaft in die Welt aussenden wird. Ich hoffe - darüber waren Angela und ich einer Meinung -, dass wir frühzeitig zu einem Abschluss der Rahmenbedingungen kommen werden.

Zu der regionalen Situation: Wir teilen die Ansicht, dass der Versuch der einseitigen Änderung des Status Quo in Ostasien und in Europa die internationale Ordnung erschüttert. Nordkorea fordern wir auf, die nuklearen und ballistischen Raketenprogramme einzustellen. Ich habe heute erklärt, welche Gefahren dies mit sich bringt. Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland müssen wir Nordkorea dazu bringen, dass es entsprechend der Beurteilung des UN-Sicherheitsrats seine Haltung ändert.

Wir werden in Bezug auf die Verschleppung unserer Bürgerinnen und Bürger durch Nordkorea versuchen, die UN auf eine Lösung zu drängen. Auch diesbezüglich habe ich Unterstützung von Frau Merkel bekommen.

Japan und Europa müssen weiter stark und vereint zusammenarbeiten. Hier müssen dann auch die USA mit ins Boot geholt werden, damit wir unsere Zusammenarbeit trilateral weiter stärken. Auch hierbei sind wir beide einer Meinung gewesen.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass wir im Mai in Italien im Rahmen des G7-Treffens zusammentreffen werden. Wir teilen die gemeinsamen Grundwerte. Die G7 müssen auf der G20-Konferenz gut zusammenarbeiten, und Angela und ich werden das natürlich forcieren. Auch beim G20-Gipfel in Hamburg, bei dem Angela den Vorsitz hat, werden wir versuchen, die Ergebnisse von G7 auf G20 zu übertragen. Damit G20 in Hamburg ein Erfolg wird, wird Japan alles leisten und dort unterstützen, wo wir können.

Auch künftig werde ich mit der Frau Bundeskanzlerin, die Europa und die Welt anführt, weiterhin Hand in Hand die japanisch-deutsche Zusammenarbeit forcieren, weil Japan und Deutschland die Verantwortung für den Erhalt und die Entwicklung des Friedens und des Wohlstandes der internationalen Gemeinschaft tragen.

Frage: Eine Frage an den Premierminister. Beim G7-Gipfel im Mai in Taormina wird es notwendig sein, die Geschlossenheit der G7 zu demonstrieren. Was die Administration Trump - Stichwort "America first" - angeht, gibt es Befürchtungen, was Protektionismus und eine Konfrontation in Bezug auf Einwanderungspolitik angeht. Auf der G20-Finanzministertagung in Baden-Baden konnte wegen des Widerstands der USA keine Einigung in Sachen Protektionismus erzielt werden. Wie kann in dieser Situation die Geschlossenheit der G7-Staats- und -Regierungschefs vorbereitet werden? Wie möchten Sie auf Präsident Trump einwirken?

PM Abe: Ich habe letztens die USA besucht und habe innerhalb von zwei Tagen Gespräche mit Präsident Trump über unterschiedliche Themen geführt. Dabei habe ich dem Präsidenten in Bezug auf das Gipfeltreffen der G7 gesagt, dass die USA wieder ihre Führungskraft in Anspruch nehmen müssen und dass dies sehr wichtig ist. Ich habe bereits fünf Mal an einem G7-Gipfeltreffen teilgenommen. Du, Angela, hast wahrscheinlich doppelt so oft wie ich an diesen Treffen teilgenommen.

Ich habe dem Präsidenten von meinen Erfahrungen berichtet. Die Erwartung ist da, dass die USA eine Führungsrolle spielen, und das habe ich ihm auch erläutert. Präsident Trump hat mir konzentriert zugehört. Vorhin habe ich auch der Frau Bundeskanzlerin gesagt, dass wir international eine Tendenz des Protektionismus und der Nabelschau sehen. Was wir aber brauchen, ist ein fairer und freier Handel, der nach wie vor wichtig ist. Aber andererseits sehen wir zum Beispiel auch Bemühungen in Nordkorea, die nuklear-ballistische Entwicklung zu forcieren. Wir sehen die internationale Ordnung erschüttert. Dabei ist es wichtig, dass die G7-Staaten, die die gemeinsamen universellen Werte teilen, sich noch mehr vereinen und ein wirklich starkes Signal in Bezug auf die Sicherheit und die Wirtschaft in die Welt aussenden.

Die G7 ist die Gruppe, die die gemeinsamen Universalwerte teilt, und deshalb muss die G7 diese Rolle übernehmen. Dabei müssen, so denke ich, die USA Engagement und Führungskraft zeigen. Ich werde weiterhin zusammen mit der Frau Bundeskanzlerin versuchen, im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Japan, Europa und den USA die Probleme und Fragen der internationalen Gemeinschaft zu lösen. Wir werden versuchen, dies gemeinsam gegenüber den USA erläutern und sie davon überzeugen, dass das wichtig ist.

Ich werde von hier aus nach Paris, Brüssel und Rom reisen, werde dort die jeweiligen Regierungschefs treffen und werde das auch dort betonen. Durch diese Europa-Reise möchte ich dazu beitragen, für das G7-Gipfeltreffen in Taormina die Zusammenarbeit zwischen uns, Europa und der G7 zu stärken, um konkrete Lösungen für die internationalen Probleme und Herausforderungen zu finden und den Zusammenschluss der G7 zu stärken.

Frage: Eine Frage sowohl an den Ministerpräsidenten als auch an die Bundeskanzlerin. Deutschland und Japan sind die Länder, die sich nach 1945 aufgrund ihrer Geschichte militärisch am stärksten zurückgehalten haben. Nun werden die beiden Länder ausgerechnet deswegen von den USA kritisiert. Es wird eingefordert, dass sie militärisch mehr tun. Glauben Sie auch, dass es Zeit ist, das Verhalten zu ändern? Haben Sie beide das Gefühl, dass Sie den USA eigentlich Geld für den Schutz schulden, den die USA beiden Ländern bisher gewährt hat?

Frau Bundeskanzlerin, ich habe den Türkei-Teil nicht ganz verstanden. Was heißt das, was Sie gesagt haben? Heißt das, dass keine Auftritte türkischer Minister in Deutschland mehr möglich sind, oder heißt es, dass zum Beispiel die Verhandlungen im Rahmen des EU-Zollabkommens mit der Türkei jetzt eingefroren werden?

BK'in Merkel: Ich habe es, was die Türkei anbelangt, angesichts der Lage für sinnvoll gehalten, einfach noch einmal zu wiederholen, was in der Verbalnote steht. Sie kennen das. Insofern heißt das erst einmal, das noch einmal in seinem vollen Umfang in Erinnerung zu rufen, nicht mehr und nicht weniger.

Was die Frage der deutschen Geschichte anbelangt - ich will hier für Deutschland sprechen -, so ist es natürlich so, dass die historische Entwicklung ja darauf ausgerichtet war, nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal wieder ein Deutschland zu haben, das sich in die internationale Staatengemeinschaft integriert. Die Europäische Union und die europäische Vereinigung haben dabei eine zentrale Rolle gespielt. Die Nato hat dabei eine zentrale Rolle gespielt.

Natürlich hat sich die Rolle Deutschlands schon verändert, wenn ich einmal an die Auseinandersetzungen Anfang der Neunzigerjahre im Zusammenhang mit dem ehemaligen Jugoslawien denke. Damals haben wir Prozesse vor dem Bundesverfassungsgericht über Schiffe auf der Adria geführt. Wenn Sie sich unser heutiges Engagement anschauen, dann sehen Sie, dass Deutschland ein Vierteljahrhundert später eine völlig andere Rolle spielt.

Aber das ist ein Prozess, und es ist ein Prozess, der auch von den Vereinigten Staaten von Amerika historisch so gewollt war - mit Recht, wie ich sagen würde. Diesen Prozess können wir nicht einfach von einem Tag auf den anderen abstreifen, sondern er wird sich weiterentwickeln. Deshalb sind wir ja auch im Geleitszug aller zu den Schlussfolgerungen von Wales gekommen. Deshalb hat Bundeskanzler Schröder bereits 2002 das Zwei-Prozent-Ziel mit ins Auge gefasst.

Ich will das, was die Bundesverteidigungsministerin gestern gesagt hat, noch einmal unterstreichen: Dabei geht es ja nicht nur um Beiträge zur Nato, sondern dabei geht es auch um europäische Beiträge, zum Beispiel in Afrika. Dabei geht es um UN-Missionen. Es geht um Verteidigung als solche. Kein einziger Mitgliedstaat der Nato gibt sein gesamtes Verteidigungsbudget in die Nato. Es geht also um Verteidigungsausgaben insgesamt, und die sind nicht von einem Tag auf den anderen von der geschichtlichen Entwicklung loszulösen. Aber die Entwicklung hat sich in den letzten 25 Jahren dargestellt, und sie wird sich auch in Zukunft darstellen.

Im Übrigen geht es um Sicherheit im umfassenden Sinne, wie ich auch in Washington schon gesagt habe. Entwicklungshilfe, Bekämpfung von Fluchtursachen, politische Lösungen für Konflikte - das sind auch Beiträge zu mehr Sicherheit. Verteidigungsausgaben sind kein Selbstzweck, sondern sie sind eine Säule eines umfassenden Sicherheitskonzepts.

MP Abe: In den USA habe ich ja mit Präsident Trump oder auch mit dem Herrn Secretary of State gesprochen und unsere Bemühungen in Hinsicht auf unsere Verteidigung, die Selbstverteidigung, besprochen. Wir haben in Japan sehr viele US-Soldaten, sehr viele Marinesoldaten. Sie sind unter anderem auch dazu da, Japan zu beschützen. Das ist ihre Pflicht. Aber diese Soldatinnen und Soldaten der USA sind auch dazu da, von Japan aus für den Schutz im asiatisch-pazifischen Raum zu agieren. Das sind also sozusagen Interessenvertreter der USA im asiatischen-pazifischen Raum. Der japanisch-amerikanische Sicherheitspakt gilt nicht nur für Japan und Amerika, sondern es geht darum, dass wir hinsichtlich der internationalen Aufgaben gemeinsam agieren. Die Kosten der US-stationierten Menschen bezahlen wir. Sie werden zu 70 Prozent von Japan getragen. Wie gesagt: Diese Soldatinnen und Soldaten schützen nicht nur das Interesse Japans, sondern auch das US-Interesse. Es geht auch darum, dass sie von dort aus in den Nahen Osten entsandt werden. Das habe ich zum Beispiel der neuen amerikanischen Administration erklärt, und ich hoffe, dass sie das auch verstanden hat.

Bevor meine zweite Administration zustande gekommen ist, hat Japan zehn Jahre hintereinander seine Verteidigungskosten pro Jahr um ein Prozent abgesenkt. Aber jetzt, in meiner zweite Administration, haben wir das pro Jahr immer um etwa fünf Prozent erhöht.

Wir haben ein neues Sicherheitsgesetz in Japan eingeführt. In Japan wurde ich dafür sehr stark kritisiert, und es gab sehr viele Gegenstimmen. Aber durch diese neue Gesetzgebung können wir jetzt zum Schutz Japans auch die US-Amerikaner unterstützen. Das heißt, wir haben unsere Aufgabe schon vergrößert. Wir haben 25 Jahre an Peace Keeping Operations für den Frieden und die Stabilität in der Welt teilgenommen. Wir haben also schon immer unseren Beitrag für die internationale Gemeinschaft geleistet. Ich habe auch den Eindruck, dass die USA das verstanden haben.

Sicherheitspolitik ist ja keine Sache, bei der nur die eine Seite Gewinne oder Vorteile hat, sondern es ist eine Sache, aus der man gegenseitig Vorteile, Gewinne und Nutzen ziehen muss. Letztendlich ist das für die gesamte Region wichtig und für beide Nationen.

Frage: Eine Frage an Bundeskanzlerin Merkel: Sie waren letztens in Washington und haben Präsident Trump gesprochen. Sie haben über die Flüchtlingspolitik und über Handel gesprochen. Anscheinend hatten Sie große Meinungsunterschiede. Können Sie bis zu G7 im Mai die Kluft schließen?

Mit Nordkorea gibt es die balistisch-nukleare Problematik. Werden Sie bis zu G7 etwas dazu vorbereiten können?

BK'in Merkel: Das Thema Nordkorea müssen wir gemeinsam vorbereiten. Ich denke, dass der japanische Premierminister auch mit dem italienischen Premierminister Paolo Gentiloni sprechen wird, um für Taormina eindeutige Signale zu setzen. Aber wir unterstützen natürlich die japanische Position, dass inklusive der Umsetzung der Sanktionen alles getan werden muss, um Nordkorea in die Schranken zu weisen und ein Ende der Raketentest zustande zu bringen. Denn sie sind eine Gefährdung des Weltfriedens. Das ist eine Situation, die weit über die regionale Bedeutung hinausreicht. Ich denke, bei der G7 gibt es große Einigkeit darüber, was wir da tun müssen.

Wir haben ein sehr intensives und durchaus auch gutes Gespräch mit Präsident Trump auch über die Fragen, die Sie angesprochen haben, gehabt. Natürlich sind die Sichtweisen unterschiedlich. Das wird sich durch ein erstes Gespräch auch nicht verändern. Der Präsident hat in unserem Gespräch aber sehr deutlich gemacht, dass er gegen Isolationismus und für freien, aber eben auch fairen Handel ist. Jetzt müssen wir durchbuchstabieren, was das für unsere jeweiligen Länder bedeutet. Ich denke, die G7 ist dafür eine gute Gelegenheit. Ob wir dort alle Probleme klären können, weiß ich nicht und kann es auch nicht voraussagen. G7 ist sicherlich ein wichtiger Punkt, um zu schauen, was man dann auch bei G20 tun kann. Aber ich denke, dass es wichtig ist, dass wir diese Gespräche immer wieder führen.

Japan und Deutschland sind durchaus für Fairness im Handel. Wir wollen ja nicht einseitig Gewinne machen. Wir glauben einfach nur, dass es für beide Seiten besser ist. Ich habe in Washington vom letzten Handelsabkommen der Europäischen Union gesprochen, das wir mit Südkorea abgeschlossen haben. Damals gab es auch von europäischer Seite viele, viele Bedenken, ob das zum Beispiel für unsere Automobilindustrie richtig ist. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es sowohl für Südkorea als auch für die Arbeitsplätze in Europa gut war. Das muss unser Bestreben sein und nicht, dass einer gewinnt - ich denke, der Ministerpräsident hat das eben gesagt -, sondern dass beide Seiten gewinnen. In diesem Geist werden wir verhandeln.

Frage: Auch eine Frage an Sie beide, und zwar zum Thema des Brexits: Die britische Regierung hat heute bekanntgegeben, dass die Premierministerin am 29. März den EU-Austritt ihres Landes verkünden werde. Frau Bundeskanzlerin, droht die Bekanntgabe dieses Termins nicht möglicherweise doch, den in Rom stattfindenden Jubiläumsgipfel zu überschatten?

Herr Ministerpräsident, was bedeutet der Brexit für Ihre Beziehungen zu Großbritannien?

Wenn Sie erlauben, will ich noch ganz kurz zum Freihandel nachfragen. Sie haben das deutsch-japanische Bekenntnis zum Freihandel betont. Frau Bundeskanzlerin, mit dem chinesischen Präsidenten haben Sie auch schon öfter zu dem Thema telefoniert. Kann man das auch ein bisschen als Reaktion und möglicherweise auch als eine Drohgebärde gegenüber Herrn Trump verstehen, falls er sich beim Freihandel nicht so einmütig zeigt, also nicht nachgeben wird?

BK'in Merkel: Es geht nicht um Drohungen. Es geht darum, dass wir im Interesse unserer Länder versuchen, die Globalisierung gut zu gestalten. Dabei sind wir alle Partner. Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz im G20-Format. Deshalb habe ich im Sinne der Vorbereitung natürlich auch mit dem chinesischen Präsidenten gesprochen. Ich will nur noch einmal daran erinnern, dass meine Reise ja wegen des Schneefalls in Washington von Anfang der Woche auf Ende der Woche verschoben wurde. Es war also eine Reihenfolge der Gespräche - dann mit dem chinesischen Präsidenten -, die so am Anfang gar nicht intendiert war. Manchmal wird in solche Abfolgen auch eine Menge hineingelegt.

Also noch einmal: Es geht darum, wie wir am besten kooperieren können. Jedes Land hat seine Interessen. Da die EU und Japan jetzt in einer entscheidenden Phase der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen sind und da wir hier auf der CeBIt sind, auf der es um Digitalisierung geht, bei der 50 Milliarden Dinge miteinander vernetzt werden, wäre es seltsam, wenn wir nicht auch über die Handelsbeziehungen sprächen. Wir können ja nicht weltweit alle Dinge miteinander vernetzen, aber uns beim Handel wieder Barrieren aufbauen. Das erscheint mir gerade im Zeitalter der Digitalisierung als nicht sehr sinnvoll.

Aber Sie können davon ausgehen, dass die Interessen zwischen Japan und der EU zum Teil durchaus noch unterschiedlich sind. Dabei geht es wieder um Automobilindustrie und um landwirtschaftliche Fragen. Japan hat seine Interessen. Die europäischen Länder haben ihre Interessen. Das sind also auch harte Verhandlungen, so wie es mit Kanada war und wie es mit anderen Ländern sein wird.

Zu Ihrer ersten Frage: Die britische Premierministerin hat mit uns doch immer mit ganz offenen Karten gespielt. Wir wissen ja, dass dieser Austrittsantrag kommt. Sie hat immer gesagt, dass er bis Ende März gestellt wird. Nichts anderes tut sie jetzt. Wir haben Rom immer auch mit Blick auf die Tatsache vorbereitet, dass es diesen Austrittsantrag geben wird. Das haben wir gewusst. Deshalb treffen sich dort die 27 Mitgliedsstaaten. Deshalb setzen wir dort den Prozess von Bratislava fort. Ob der Antrag einen Tag vorher oder drei oder sieben Tage hinterher kommt, spielt überhaupt keine Rolle.

Wir haben in den nächsten Jahren in Europa zwei Spuren, auf denen wir arbeiten. Die eine Spur ist die Spur des Austritts Großbritanniens mit all dem, was das bedeutet, und der zukünftigen Beziehungen mit Großbritannien, wenn man die Austrittsbedingungen kennt. Die zweite Spur ist: Wie können wir die Zusammenarbeit der 27 kräftigen, festigen und für das 21. Jahrhundert sozusagen wetterfest machen? Worauf müssen wir uns konzentrieren, und wo können wir gegebenenfalls Veränderungen vornehmen, wo die Subsidiarität den Mitgliedsstaaten mehr Spielräume gibt? Das ist die andere Aufgabe. Beide Spuren verlaufen sozusagen parallel. Auf beiden wird gearbeitet werden müssen.

Rom ist ein Treffen der 27. Es beschäftigt sich mit der Zukunft der Europäischen Union in den nächsten etwa zehn Jahren.

MP Abe: Zu unserer Beziehung zu China: Wir möchten natürlich unseren Handel weiter ausbauen. China ist unser größter Handelspartner. Aber gleichzeitig wünschen wir auch Freiheit und die Fairness im Handel. Das ist doch sehr wichtig.

In diesem Rahmen muss auch das geistige Eigentum geschützt werden. Die Frage ist, wie wir die nationalen Unternehmen von China in Staatseigentum bewerten sollen. Letztendlich geht es darum, Fairness und eine Handelsstrukturaufsicht zu erhalten. Es geht darum, dass beide diese Regeln wirklich achten und beachten sowie investieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Beide müssen die Regeln zum Arbeiten und zum Geschäftemachen beachten. Das ist doch sehr wichtig.

Montag, 20. März 2017

*

Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem japanischen
Ministerpräsidenten Shinzo Abe am 20. März 2017 in Hannover
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/03/2017-03-20-pk-merkel-abe.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang