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PRESSEKONFERENZ/1300: Regierungspressekonferenz vom 9. September 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 9. September 2016

Regierungspressekonferenz vom 9. September 2016

Themen: Atomwaffenversuch in Nordkorea, Termine der Bundeskanzlerin (Begegnung der Bundeskanzlerin mit der den Staats- und Regierungschefs Litauens, Zyperns, Portugals, Maltas und Lettlands im Bundeskanzleramt, Kabinettssitzung, Gespräch mit Vertretern der Initiative "Wir zusammen", "M100 Media Award", informelles Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs sowie der Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission in Bratislava), Vergabe von Visa, mögliche Erhöhung des Kindergeldes, Spekulationen in der Presse über eine Teilnahme der Bundeskanzlerin am CSU-Parteitag, Abstimmungsverhalten Deutschlands in der Open-ended Working Group on Nuclear Disarmament (OEWG), Forderung des bayerischen Innenministers nach Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan, Reform der Erbschaftssteuer, Vernichtung der Reststoffe syrischer Chemiewaffen in Munster, Sommerfest der "Bild"-Zeitung

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Dubel (BMWi), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Plate (BMI), Nannt (BMVg)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Ich möchte Ihnen zum Thema Nordkorea für die Bundesregierung mitteilen, dass wir den jüngsten Atomwaffenversuch dieses Landes mit aller Entschiedenheit verurteilen, auch und gerade mit Blick darauf, dass dieser Atomwaffenversuch bei Weitem nicht die einzige Provokation Nordkoreas in diesem Jahr war - ich erinnere an die jüngsten Raketenabschüsse -, und mit Blick darauf, dass die nordkoreanische Regierung offensichtlich und in unverantwortlicher Weise eine weitere Destabilisierung in Nordostasien herbeizuführen versucht.

Die Bundesregierung fordert Nordkorea mit allem Nachdruck auf, den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates Folge zu leisten. Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnern im Rahmen der EU dafür ein, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin entschieden, geschlossen und unmissverständlich auf jede neuerliche Provokation durch Nordkorea reagiert.

Frage: Herr Schäfer, wird der nordkoreanische Botschafter einbestellt, und, wenn ja, was sagen Sie dem?

Schäfer: Davon können Sie ausgehen. Heute ist - vielleicht ist das auch der Anlass dieses Testes - der Nationalfeiertag dieses Staates. Sie können gewiss sein, dass das, was Herr Seibert für die Bundesregierung gerade gesagt hat, den Nordkoreanern in unmissverständlicher Weise mit auf den Weg gegeben wird. Deutschland gehört ja zu den wenigen Staaten, die überhaupt noch diplomatische Beziehungen mit dem Regime in Nordkorea unterhalten. Deshalb ist das eine gute und geeignete Gelegenheit, das auch aus Anlass dieses Tages und der Ereignisse der letzten Nacht in aller Deutlichkeit zu tun.

Zusatzfrage: Sie bestellen den Botschafter ja öfter ein. Kommen denn Ihre Mahnungen, Warnungen und Bitten auf der anderen Seite an?

Schäfer: Die internationale Gemeinschaft reagiert auf die Provokationen Nordkoreas regelmäßig sehr geschlossen. Ich weiß nicht, ob Sie das heute Morgen oder in der Nacht schon mitverfolgt haben: Vom amerikanischen Präsidenten Obama über das chinesische Außenministerium, die südkoreanische Präsidentin und viele andere ist die Reaktion sehr geschlossen und sehr klar. Deutschland bewegt sich da, ich glaube, in guter Gesellschaft der internationalen Staatengemeinschaft mit all der Kritik, die wir an Nordkorea äußern.

Worauf es jetzt ankommt - auch darauf hat Herr Seibert gerade hingewiesen - , ist, dass die Staatengemeinschaft das Richtige tut, nämlich das nicht so im Raum stehen lässt. Deutschland ist zurzeit nicht Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, der das richtige und entscheidende Gremium dafür ist, die richtigen Antworten auf diese eklatanten Verstöße gegen das Völkerrecht durch Nordkorea zu geben. Ich gehe davon aus, dass gerade die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, aber auch der Sicherheitsrat insgesamt ein Interesse daran haben, schnellstmöglich zusammenzutreten, um gemeinsam zu beraten, was die richtige Antwort auf diese Provokationen Nordkoreas ist.

Zusatzfrage: Die Frage war, wie die nordkoreanische Seite reagiert, wenn Deutschland, wenn Sie den Botschafter einbestellen. Also: Was sagt Ihnen die nordkoreanische Seite?

Schäfer: In der Vergangenheit war es so, dass der nordkoreanische Botschafter dann auf der Linie seines Staates und seines Regimes antwortet und die Vorwürfe zurückweist. Ich gehe davon aus, dass das auch heute wieder der Fall sein wird. Alles andere dürfte für ihn auch persönlich kein ganz einfaches Unterfangen sein, vermute ich einmal.

Mit der Einbestellung ist auch nicht unbedingt die Erwartung verbunden, dass, nur weil der Botschafter heute zu uns in das Auswärtige Amt kommt und von der Bundesregierung die Meinung gesagt bekommt, sich dann alles ändert - das wäre nun wirklich naiv -, sondern worauf es ankommt, ist, dass die internationale Gemeinschaft geschlossen steht. Deutschland ist ein Teil davon.

Politisch gesprochen, glaube ich, steht und fällt vieles mit der Haltung der Volksrepublik China, die großen Einfluss auf die Ereignisse und Entwicklungen, auch die politischen, in Pjöngjang hat. Die ersten Äußerungen aus China stimmen uns zuversichtlich, dass es auch unter Beteiligung und mit Mitwirkung Chinas im Sicherheitsrat gelingen kann, all das zu tun, was auch aus unserer Sicht notwendig ist, um so etwas in der Zukunft zu verhindern.

StS Seibert: Die öffentlichen Termine der kommenden Woche: Wir hatten das schon angekündigt, aber ich will noch einmal kurz aufgreifen, was am Sonntagabend passieren wird. Da setzt die Bundeskanzlerin ihre Reihe von Gesprächen in Vorbereitung auf das informelle Treffen von Bratislava fort. Konkret: An diesem Sonntagabend um 18 Uhr werden im Kanzleramt zu einem Arbeitsabendessen die litauische Präsidentin Grybauskaite, Zyperns Präsident Anastasiades, Portugals Premierminister Costa, der maltesische Premierminister Muscat und der lettische Ministerpräsident Maris Kucinskis erwartet.

Weiter geht es am Mittwoch, um 9.30 Uhr, wie immer, mit dem Treffen des kabinetts unter Leitung der Bundeskanzlerin.

Am Mittwochabend ab 19.30 Uhr wird sich die Bundeskanzlerin mit Vertretern der Initiative "Wir zusammen" zu einem Gespräch im Kanzleramt treffen. Diese sehr aktive Initiative ist einer von mehreren Zusammenschlüssen in der Wirtschaft in Bezug auf die Flüchtlingsintegration. Zu dieser konkreten Initiative gehören Unternehmen aller Größenordnungen. Das reicht von DAX-Unternehmen bis hin zu Mittelständlern und Handwerksbetrieben. Die Bundeskanzlerin würdigt diese Initiative und möchte nun von deren Teilnehmern mehr über ihr Engagement, ihre Aktivitäten für eine Integration von Flüchtlingen in die Arbeitswelt erfahren.

Der nächste Termin ist am Donnerstagabend. Die Bundeskanzlerin wird bei der Verleihung des "M100 Media Award" in Potsdam eine Rede halten. Dieser Award wird jährlich an Persönlichkeiten verliehen, die sich für Demokratie sowie Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen. Der diesjährige Preisträger ist der Ihnen allen wahrscheinlich bekannte italienische Autor Roberto Saviano. Sie kennen möglicherweise sein Buch "Gomorrha - Reise in das Reich der Camorra". Die Laudatio auf den Preisträger hält "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo.

Am Freitag, dem 16. September, wie hier schon oft erwähnt, findet das informelle Treffen der 27 verbleibenden EU-Staats- und Regierungschefs sowie der Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission in Bratislava statt. Am 29. Juni hatte es im selben Format in Brüssel ein Treffen gegeben. Die Teilnehmer hatten damals erklärt, dass eine Phase der politischen Reflexion beginnen soll, damit man Impulse für die Weiterentwicklung der EU der 27 Mitgliedstaaten geben kann. Es bestand Einigkeit, dass bei dieser Reflexion, bei diesen Impulsen den Staats- und Regierungschefs eine führende Rolle zukommt. In diesem Sinne werden die Staats- und Regierungschefs in Bratislava miteinander sprechen.

Geplant ist zunächst die Begrüßung durch den slowakischen Ministerpräsidenten Fico auf der Burg Bratislava gegen 10 Uhr, eine erste Arbeitssitzung, ein Familienfoto gegen 13 Uhr, ein informelles Mittagessen an Bord eines Schiffes, das auf der Donau unterwegs ist, danach eine kurze Besichtigung des Kunstmuseums Danubiana Meulensteen und eine zweite Arbeitssitzung am Nachmittag. Das alles endet dann mit einer gegen 18.30 Uhr angesetzten Pressekonferenz, bei der sich die Bundeskanzlerin den Fragen der Medien stellen wird.

Vielleicht noch ein Wort zu diesem Bratislava-Treffen. Die Bundeskanzlerin hat - wir haben das hier häufig dargelegt - an einzelnen Terminen vor diesem informellen Treffen mit fast allen Mitgliedstaaten sowie natürlich mit den Präsidenten der europäischen Institutionen gesprochen. Sie hat damit die Gespräche, die Ratspräsident Tusk mit den Mitgliedstaaten zur Vorbereitung dieses Treffens führt, unterstützt. Im Zentrum des Bratislava-Treffens steht also der informelle Austausch über die Zukunft der EU-27.

Ich möchte dazusagen, dass Bratislava nicht der Endpunkt dieses sogenannten Reflexionsprozesses ist, sondern dass er natürlich in den kommenden Monaten weitergeführt wird. Bratislava ist also kein informelles Treffen, von dem bereits Entscheidungen oder Beschlüsse zu erwarten sind. Das wird sich bis in das Jahr 2017 ziehen.

So viel dazu.

Frage: Ich würde gerne zu dem Treffen im Kanzleramt mit der Initiative "Wir zusammen" etwas fragen. Die Zahlen der beschäftigten Flüchtlinge in der Wirtschaft sind ja relativ dürftig. Herr Seibert, was wird denn die Kanzlerin dort vorschlagen? Will man sich auf eine Zielmarke verständigen? Was ist da geplant? Oder wird es nur einen Austausch dessen geben, was bisher so dürftig anläuft?

StS Seibert: Ich habe es dargelegt: "Wir zusammen" sind namhafte Unternehmen in Deutschland - und ihre Mitarbeiter, muss man dazu sagen -, die engagiert den Integrationsprozess stützen und fördern. Das heißt, dass diese Begegnung natürlich auch eine Würdigung dieses Engagements ist. Die Bundeskanzlerin geht grundsätzlich erst einmal offen, zuhörend und fragend in eine solche Begegnung. Sie will erfahren: Welche Erfahrungen machen die Unternehmen bei diesem Engagement? Wo tun sich auch Schwierigkeiten bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt auf? Welche möglicherweise bürokratischen Hindernisse sind da beiseitezuräumen? Das heißt, wo könnte auch die Politik in dem Sinne tätig werden, dass es leichter werden soll, Flüchtlinge in den Arbeitsprozess zu integrieren, wovon ja letztlich beide Seiten - sowohl die Flüchtlinge als auch die aufnehmende Gesellschaft - etwas haben. Das ist zunächst einmal das Ziel: ein Erfahrungsaustausch, ein Lernen von dem, was die Unternehmen und Betriebe in den letzten Monaten da erlebt haben, und deren Anregungen aufnehmen.

Zusatzfrage: Ich hätte gerne gewusst, ob der Bundeswirtschaftsminister teilnimmt und inwiefern das Bundeswirtschaftsministerium in diesem Prozess involviert ist.

Dubel: Ich kann Ihnen gerne sagen: Der Bundeswirtschaftsminister persönlich wird nicht teilnehmen. Das BMWi wird aber durch die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Zypries vertreten sein.

Frage: Herr Seibert, wie zufrieden ist denn die Bundeskanzlerin mit dem bisherigen Engagement der deutschen Unternehmen von groß bis klein?

StS Seibert: Zunächst einmal handelt es sich bei "Wir zusammen" um eine Initiative, die man begrüßen und loben muss und von der man möglicherweise erfahren kann, warum es noch nicht auf breiterer Front gelungen ist, schnell eine Integration in den Arbeitsmarkt herzustellen. Es gibt da viele gute Ansätze. Es gibt Praktika. Wir haben auch politisch viel gemacht. Die Arbeitsagenturen haben jetzt fast flächendeckend, jedenfalls in den allermeisten Arbeitsagenturbezirken, die Vorrangprüfung ausgesetzt. Das heißt, da ist bereits viel geschehen, administrativ und politisch.

Nun ist unser Ziel, nicht zu kritisieren, sondern unser Ziel ist, gemeinsam darauf hinzuarbeiten, dass die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt noch schneller und noch zahlreicher gelingt. Aber wie gesagt: Es gibt viele gute Ansätze, die sicherlich auch die Teilnehmer dieses abendlichen Treffens berichten werden und auf denen man dann vielleicht auch aufbauen kann.

Zusatzfrage: Ist in irgendeiner Art und Weise eine Presseinformation geplant? Wird sie nachher vor die Mikros treten? Können wir alle zu Hause bleiben?

StS Seibert: Nein. Das ist ein internes Gespräch, das die Bundekanzlerin führt.

Schäfer: Ich möchte eine Berichterstattung in den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland zu konsularischen Fragen, zu der Vergabe von Visa zum Anlass nehmen, um nur zwei Sätze zu sagen. Es ist auch in der Überschrift und leider auch in Äußerungen vonseiten von Abgeordneten der Opposition davon die Rede, dass es einen illegalen Handel mit Terminen in den Visastellen deutscher Botschaften gegeben haben soll. Da ist die Rede von unhaltbaren Zuständen, von bewusster Duldung. Ich möchte dazu ausdrücklich sagen, dass ich alle diese Vorwürfe in aller Form zurückweisen möchte.

Gerade in den Regionen, die uns auch hier intensiv beschäftigt haben, nämlich im Nahen und Mittleren Osten, tun die Kolleginnen und Kollegen unglaublich viel - Überstunden, Wochenenddienste, Schichtdienste, unter ganz schwierigen logistischen, räumlichen und auch Sicherheitsbedingungen - , um das zu tun, was unsere Aufgabe ist, nämlich Einreiseerlaubnisse für Deutschland und für den Schengen-Raum auch im Bereich der Familienzusammenführung zu erteilen.

Jeder Vorwurf von illegalen Aktivitäten wird von uns sehr ernst genommen und nachrecherchiert. Ich kann von keinem einzigen Fall berichten, in dem das, was heute in einigen Zeitungen behauptet wird, zutreffen würde.

Richtig ist, dass wir überall dort Schwierigkeiten haben, wo die Nachfrage nach Visa das kurzfristig vorhandene Angebot an Bearbeitungskapazitäten übersteigt. Das ist insbesondere in den von mir angesprochenen Auslandsvertretungen im Nahen und Mittleren Osten der Fall. Darüber haben wir an dieser Stelle schon sehr häufig gesprochen.

Die Terminvergabesysteme, die weltweit im Einsatz sind, um das Management der unterschiedlichen Formen der Vorsprache von Antragstellern zu regeln, haben wir schon seit Jahren implementiert. Das ist ein wichtiges und richtiges Instrument, um mit dem zumindest kurzfristig existierenden Missverhältnis zwischen mehr Nachfrage als Bearbeitungskapazitäten umzugehen. Wir entwickeln das weiter.

Ich möchte, wie gesagt, an dieser Stelle nur ausdrücklich sagen: Ich wäre sehr dankbar dafür, wenn nicht einfach pauschale Urteile erhoben würden, die zudem noch völlig unsubstanziiert sind. Wir stellen uns der öffentlichen Kritik - das ist völlig selbstverständlich - hier und in allen anderen Fragen, aber bitte doch Kritik, die substanziiert ist und nicht einfach so von illegalem Handel spricht. - Vielen Dank.

Frage: Ich habe zwei kurze Fragen, Herr Schäfer. Wie heißt das Terminvergabesystem? Was ist das für eines?

Schäfer: Ich habe keine Ahnung, wie das heißt. Das ist ein Terminvergabesystem, das die IT-Abteilung des Auswärtigen Amtes mit Bordmitteln entwickeln und das ein Roll-out schon vor mehreren Jahren erfahren hat. Wir sind ganz grundsätzlich mit dem System sehr zufrieden. Wie bei jeder IT-Anwendung gibt es hier und da berechtigte Verbesserungsvorschläge, hier und da vielleicht auch kleine Hick-ups in der Anwendung.

Das, was zurzeit passiert, ist eine weitere Verbesserung, nämlich der Versuch, die Anwenderfreundlichkeit dieser Systeme zu verbessern, indem jemand, der von uns einen Termin braucht, um eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland zu erlangen, nicht ständig auf der Website nach neuen Terminen suchen muss, sondern einmal seine Daten eingibt und das System dann selbstständig einen für den Antragsteller optimalen Termin heraussucht. Ich glaube, das ist eine Verbesserung im Sinne der vielen hunderte, tausende, ja, zehntausende Antragsteller. Aber das heißt überhaupt nicht, dass das System, wie es vorher existiert hat, nicht funktioniert hätte und dass es nicht schon damals dienstleistungsorientiert und im Sinne unseres Anspruchs, eine gute Dienstleistung auch in diesen Fällen zu bieten, funktioniert hätte.

Zusatzfrage: Ich habe von den Kollegen heute gelernt, dass die durchschnittliche Wartezeit für einen Vorsprechtermin in der libanesischen Botschaft bei 15 Monaten liegt. Ist diese Zahl falsch? Wenn ja, wie ist die durchschnittliche Wartezeit für einen Vorsprechtermin im Libanon? Könnten Sie uns die durchschnittlichen Wartezeiten für die Botschaften und Konsulate in der Türkei, im Libanon und im Kosovo nennen?

Schäfer: Ich nehme an, Sie meinen nicht die libanesische Botschaft - denn dazu könnte ich gar nichts sagen -, sondern Sie meinen im Zweifel die deutsche Botschaft in Beirut, oder?

Zusatz: Ja.

Schäfer: Super. Dann habe ich die Frage auch verstanden. - Leider ist es nicht ganz so einfach, diese Frage zu beantworten. Das hängt schlicht und ergreifend damit zusammen, dass es für unterschiedliche Kategorien von Antragstellern unterschiedliche Wartezeiten gibt. Da gibt es die Familienzusammenführung, die uns hier an dieser Stelle schon ziemlich intensiv beschäftigt hat. Da gibt es auch andere Formen der Einreise, nämlich die Einreise zum Studium, die Einreise zur Heirat, die Einreise für touristische Zwecke, für Geschäftsvisa usw. Das heißt, es gibt nicht eine Zahl, die ich Ihnen für die Auslandsvertretungen in der Region nennen könnte.

Aber Sie haben recht: Die Wartezeiten in einigen unserer Auslandsvertretungen - dazu gehört auch Beirut - sind zu lang. Das hat einfach damit zu tun, dass die Nachfrage nach den Einreiseerlaubnissen, nach den Visa das Angebot in einer Weise übersteigt, dass wir das nicht kurzfristig egalisieren können. In den letzten Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter in den einschlägigen Auslandsvertretungen, allen voran in Beirut, mit dem Ziel der Erhöhung der Bearbeitungskapazitäten, ich glaube, verfünffacht worden. Inzwischen haben wir eine dreistellige Zahl von konsularischen Mitarbeitern in diesen Auslandsvertretungen im Einsatz, die nichts anderes tun, als diese Anträge zu bearbeiten. Damit ist es uns gelungen, Fortschritte zu erzielen.

Aber Sie haben recht - Ihre Frage deutet das jedenfalls an -: Auch in Beirut sind die Wartezeiten noch deutlich zu lang, und daran arbeiten wir.

Vorsitzender Mayntz: Was ist mit den anderen Ländern, nach denen er gefragt hatte?

Schäfer: Da gilt das Gleiche. Das, was der Kollege in seiner Frage unterstellt hat, ist richtig, nämlich dass die Wartezeiten in Beirut besonders lang sind. Das liegt einfach daran, dass es für die vielen tausende, ja, zehntausende Flüchtlinge aus Syrien bei allen logistischen, verkehrsmäßigen und sonstigen Schwierigkeiten, die sie haben, im Zweifel noch immer am einfachsten ist, an unsere Botschaft in Beirut zu gelangen als überall sonst. Deshalb ist dort der Nachfragedruck ganz besonders hoch.

In Beirut haben wir auch ganz besonders viel getan. Ich will nur noch einmal daran erinnern, dass Beirut gleichzeitig ein Hotspot der Sicherheitsrisiken ist. Das heißt, das ist nicht einfach so wie in Wanne-Eickel oder in Zehlendorf, dass man da ein Büro aufmacht und dann jeder kommen darf, sondern es bedarf umfangreicher sicherheitsmäßiger, logistischer und sonstiger Vorbereitungen, auch der Absprachen mit der jeweiligen Gastregierung, um die Kapazitäten in der gewünschten Weise erhöhen zu können.

Zusatzfrage: Müssen auch Menschen in der Türkei oder im Kosovo mehr als ein Jahr auf einen Vorsprechtermin warten?

Schäfer: Das glaube ich nicht.

Zusatzfrage : Sondern?

Schäfer: Ich habe die Zahlen nicht parat.

Vorsitzender Mayntz: Wenn Sie sie haben, würde uns das interessieren.

Frage: Frau Tiesenhausen, es gibt Berichte, dass das Kindergeld um 2 Euro erhöht werden soll. Stimmt das? Warum nicht 1 Euro, warum nicht 3 Euro?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann Ihnen sagen, dass wir gerade in einem Prozess sind, die Entlastungen, die der Minister am Dienstag in seiner Haushaltsrede angekündigt hat, jetzt schnell umzusetzen. Ziel ist, einen Beschluss im Kabinett und dann auch im Parlament zu fassen, damit die Bürger diese Entlastung schon im nächsten Jahr spüren.

Ich kann Ihnen jetzt keine Angaben zu genauen Werten machen. Ich kann Ihnen aber erklären, worum es geht. Es geht insgesamt um mehrere Komponenten. Es geht darum, dass wir gesetzlich regelmäßig überprüfen, wie hoch das Existenzminimum ist. Daraus leitet sich dann ab, dass der Grundfreibetrag in der Steuer und auch der Kinderfreibetrag angehoben werden. Politisch damit verbunden - nicht zwingend gesetzlich nötig - ist auch die Frage der Anhebung des Kindergeldes, die in einem Sinnzusammenhang steht.

Des Weiteren geht es auch noch um den Aspekt der kalten Progression. Sie wissen, dass wir hierzu regelmäßig einen Bericht vorlegen. Auch da geht es darum zu schauen: Wie hat sich die Lage entwickelt? Wir wollen damit einen dauerhaften und regelmäßigen Abbau der kalten Progression erreichen.

Diese beiden Prozesse laufen jetzt. Wir sind in der Ressortabstimmung. Auch hat es schon Gespräche mit den Fraktionen gegeben. Wir streben an, hier schnell zu Ergebnissen zu kommen.

Aber noch einmal: Zu einzelnen Werten und zum konkreten Zeitplan kann ich mich jetzt noch nicht äußern.

Zusatzfrage: Wir beziehungsweise Sie reden ja in letzter Zeit sehr viel über Entlastungen. Plant Ihr Ministerium dann auch Belastungen, also neue Belastungen, zum Beispiel für das obere Prozent, also die Superreichen? Können die mit einer höheren Besteuerung Ihrerseits rechnen?

von Tiesenhausen-Cave: Sie kennen den hier immer wieder gerne zitierten Satz aus dem Koalitionsvertrag, dass Steuererhöhungen nicht vorgesehen sind.

Frage: Für einzelne Punkte gibt es in den Zeitungs-, Medienberichten schon sehr konkrete Zahlen, beispielweise die Erhöhung des Grundfreibetrags um 170 Euro nächstes Jahr und um 200 Euro im Jahr 2018. Kinderfreibetrag, Steuergrenzen usw. - das alles klingt so, als wenn Ihr Haus bereits genaue Vorstellungen hat. Können Sie irgendetwas dazu sagen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann nur noch einmal unterstreichen, dass wir derzeit in der Ressortabstimmung sind. Ich habe Ihnen auch gesagt, worum es geht. Es ist ja kein Geheimnis - das hat der Minister am Dienstag gesagt -: Hierbei geht es um Entlastungen. Der Minister hat für das Jahr 2017 ein Volumen von insgesamt 2 Milliarden Euro schon am Dienstag erwähnt. Wir würden jetzt den Prozess anstreben, nicht nur Entscheidungen für das Jahr 2017, sondern auch bereits für 2018 zu treffen.

Aber noch einmal: Was das jetzt ganz konkret für den Einzelnen, für die Freibeträge, für das Kindergeld bedeutet, ist auch noch Gegenstand von Abstimmungen. Deswegen kann ich Ihnen jetzt zu einzelnen Zahlen hier noch nichts sagen.

Zusatzfrage: Wenigstens etwas zu der Zahl von 6,3 Milliarden Euro Entlastungsvolumen insgesamt?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe dem, was ich gerade gesagt, jetzt nichts mehr hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, können Sie bestätigen, dass es ein Telefonat der Bundeskanzlerin mit Seehofer gab und dass es dabei auch um die Teilnahme der Bundeskanzlerin am CSU-Parteitag ging?

StS Seibert: Schon Ihre Frage macht überdeutlich, dass es um Parteiangelegenheiten und nicht um Regierungshandeln geht. Deswegen bin ich definitiv nicht der richtige Ansprechpartner.

Zusatz: Es ging darum, die Bundeskanzlerin in dieser Funktion einzuladen.

StS Seibert: Erstens gibt es sehr regelmäßige Kontakte, Gespräche und Begegnungen der Bundeskanzlerin mit dem bayerischen Ministerpräsidenten. Zweitens gebe ich über diese vertrauliche Begegnungen und Gespräche keine Auskunft. Drittens halte ich das nichtsdestoweniger für eine Parteifrage.

Frage: Das Thema Atombomben haben wir vorhin schon angesprochen, aber ich würde gern zur Rolle Deutschlands in Sachen Atombomben kommen. Herr Schäfer, bei der Abstimmung in der Unbefristeten Arbeitsgruppe zur nuklearen Abrüstung in Genf hat Deutschland gegen die Empfehlung votiert, mit Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen zu beginnen.

Ich habe das AA vor genau einem Monat hier in der Bundespressekonferenz um eine Stellungnahme gebeten. Damals sagten Sie:

"Die Bundesregierung steht für eine atomfreie Welt und wird sich in allen Foren, die es dazu gibt, in denen das Thema debattiert wird, dementsprechend positionieren und sich dafür einsetzen. ... Unsere Haltung ist hier ... ganz klar."

Dann haben Sie wiederholt:

"Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Welt eine atomfreie Welt ist. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass wir bei dieser Abstimmung genau diese Position vertreten werden."

Warum haben Sie diese Position doch nicht vertreten?

Schäfer: Erst einmal: Das Wort "Sie" haben Sie hoffentlich großgeschrieben und im Plural gemeint. Ich habe Ihnen diese Antwort nicht gegeben.

Zuruf: Frau Chebli war es.

Schäfer: Unabhängig davon ist diese Antwort richtig. In dieser Arbeitsgruppe ist ein Vorschlag zur Abstimmung gestellt worden, der aus unserer Sicht nicht die angemessene Reaktion auf eine Welt mit Atomwaffen ist.

Das steht in überhaupt keinem Widerspruch zu dem Anspruch der Bundesregierung und ihrem festen politischen Ziel, Atomwaffen von dieser Erde zu verbannen. Das, was dort vorgeschlagen worden ist, besteht darin, möglichst schnell einen Vertrag zu verabschieden, der die Existenz von Atomwaffen per se ächtet. Es ist durchaus möglich, dass es eine Mehrheit in der Staatengemeinschaft geben mag, die diesem Vorschlag zuzustimmen bereit wäre.

Das ist aber nur auf den ersten Blick ein wirklicher Fortschritt. Denn alle diejenigen Staaten, von denen wir wissen und von denen wir annehmen müssen, dass sie im Besitz von Atomwaffen sind, werden einem solchen Vertrag niemals beitreten. Das heißt, das ist, wenn Sie so wollen, eher ein gesinnungsethischer Ansatz: Gut gemeint, aber in der Sache ist absolut nichts erreicht.

Der Bundesregierung geht es darum, etwas zu tun, was in der Realität umsetzbar und machbar ist. Das bedeutet für uns, dass wir uns an das halten, was es bereits gibt, und zwar seit Jahrzehnten, nämlich den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Das ist ein Vertragstext, mit dem Staaten, die Atomwaffen besitzen, und Staaten, die solche nicht besitzen, miteinander vertragliche Beziehungen eingegangen sind. Das Entscheidende an diesem Vertrag ist, dass dieser Vertrag "safe guards" enthält, also Mechanismen, mit denen die jeweiligen Verpflichtungen der Atomwaffenstaaten, aber auch der Nicht-Atomwaffenstaaten überprüfbar und auch sanktionierbar sind.

Das ist bei einem Vertrag, der möglicherweise eine Mehrheit der Staaten findet, aber gerade diejenigen nicht wird überzeugen können, die Atomwaffen besitzen, eben nicht der Fall. Deshalb ist die große Sorge der Bundesregierung, dass ein solcher Vertrag dazu führt, das existierende System und Regime für den Umgang mit Atomwaffen, das auch das politische Ziel verfolgt, diese Atomwaffen mit der Zeit von dieser Erde verschwinden zu lassen, zu entwerten und zu entkernen. Das ist der entscheidende Grund dafür, dass sich die Bundesregierung dafür entschieden hat, dem Vorschlag in der Offenen Arbeitsgruppe nicht zuzustimmen.

Zusatzfrage: Ich habe Sie so verstanden, dass die Nichtalkoholiker den Alkoholikern den Alkohol wegnehmen wollen, aber dass das nicht der richtige Weg ist. Wie wollen Sie, wie will Deutschland als sozusagen "Halbalkoholiker" durch die nukleare Teilhabe den Alkoholikern den Alkohol wegnehmen?

Schäfer: Der Nichtverbreitungsvertrag lohnt mal eine Lektüre. Dieser Nichtverbreitungsvertrag datiert bereits Jahrzehnte zurück. Er verpflichtet alle Mitgliedsstaaten - dazu gehören alle offiziellen Atomwaffenstaaten - dazu, nicht nur den Bestand an Atomwaffen zurückzufahren, sondern irgendwann auch auf die Nutzung, den Einsatz und auf militärische Doktrinen unter Einbeziehung von Atomwaffen ganz zu verzichten. Deshalb kann auch ein amerikanischer Präsident Obama - Atomwaffenstaat, Mitgliedsstaat des Nichtverbreitungsvertrages - politisch sagen: Ja, wir, die Vereinigten Staaten von Amerika, sind auch für "Global Zero". Wir wollen, dass die Atomwaffen als ein Instrument der Kriegführung verschwinden.

Ich denke, es gibt keinen Weg an einem pragmatischen Vorgehen vorbei. Das sind aus Sicht der Bundesregierung das Gespräch, Verhandlungen, Rüstungskontrolle, Abrüstungsgespräche in Genf und in New York bei den Vereinten Nationen oder auch direkt zwischen Partnern, die uns dem Ziel von "Global Zero" näherbringen.

Sie haben sicherlich verfolgt, dass der Außenminister in den vergangenen Wochen einen rüstungskontrollpolitischen Vorschlag gemacht hat, der nur konventionelle Waffen in Europa betrifft, also eine Reform des KSE-Vertrages und anderer OSZE-Dokumente wie des Wiener Dokuments, des Open-Skies-Dokuments und anderer. Das hindert uns aber nicht daran, parallel dazu insbesondere bei unseren Partnern in Washington und auch in Moskau immer wieder darauf zu drängen, dass das Thema des Umgangs mit Atomwaffen und auch abrüstungspolitische Fragen im Zusammenhang mit Atomwaffen weiter auf der Tagesordnung stehen.

Wir haben abrüstungspolitische Verträge zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und - damals noch - der Sowjetunion, an die sich Russland heute gebunden fühlt, aus den 80er-Jahren, den INF-Vertrag, der den Einsatz und die Nutzung nuklearer Mittelstreckenraketen gänzlich bannt und verbietet. Das ist der richtige Weg: im Weg von Verhandlungen zwischen den Atomwaffenstaaten, für die wir uns einsetzen und an denen wir gern teilhaben, wenn das gewollt ist, voranzukommen, aber nicht durch einen Vertrag, der etwas deklariert, aber in der Sache garantiert nichts bringen wird.

Frage: Meine Frage richtet sich vermutlich an Herrn Schäfer und Herrn Plate. Der bayerische Innenminister hat gefordert, Flüchtlinge ohne Bleiberecht auch nach Nordafghanistan abzuschieben. Ist das generell möglich, oder wird Nordafghanistan als eine Gegend eingeschätzt, in die man keine Flüchtlinge zurückschieben kann?

Plate: Ich hatte ja schon öfter zum Thema von Afghanistan und Abschiebung vorgetragen. Afghanistan ist ein Land, dessen Sicherheitsbedingungen ziemlich unterschiedlich sind, je nach dem, wohin genau man schaut. Zu den konkreten Regionen möchte ich, ehrlich gesagt, nicht Stellung beziehen. Das ist alles in Dokumenten nachzulesen, die allerdings eingestuft sind.

Richtig ist, dass das sehr unterschiedlich ist. Es gibt Bereiche, wo es vergleichsweise stabil ist. Das ist - so weit kann ich vielleicht gehen - vor allen Dingen im Bereich größerer Städte der Fall. Richtig ist, dass man sich das aber natürlich immer genau anschauen muss, bevor man eine Abschiebung durchführt. Es gab dieses Jahr schon einige Abschiebungen von Afghanen nach Afghanistan - nach letztem Stand, der mir bekannt ist, 18. Daran sieht man: Es ist nicht sehr viel, aber ein paar sind es doch.

Aus unserer Sicht liegt der Schwerpunkt von Rückführungen mit Afghanistan im Bereich der freiwilligen Rückkehr. Die Zahlen in diesem Bereich sind in diesem Jahr stark angestiegen. Wenn es Sie interessiert, kann ich Ihnen das gern sagen: Nach Afghanistan sind im ersten Halbjahr 2305 Personen freiwillig zurückgekehrt. Das sind nur diejenigen, die mit dem sogenannten REAG/GARP-Programm gefördert zurückgekehrt sind. In Wirklichkeit dürften es am Ende also ein paar mehr sein, weil einige auf Förderung ganz verzichten oder sich aus Programmen bedienen, auf die der Bund keinen überblicksartigen Zugriff hat.

Das ist es, was ich dazu zu sagen habe.

Zusatzfrage: Noch eine Nachfrage: Herr Herrmann verweist auch auf das Engagement der Bundeswehr im Norden Afghanistans. Wie viele Bundeswehrsoldaten sind dort noch? Ich dachte, wir wären dort nicht mehr. Aber es kann sein, dass ich damit falsch liege. Dort findet nur noch Ausbildung statt, Herr Nannt, oder?

Nannt: Ja, natürlich. Wir machen dort die Ausbildungsmission im Rahmen von Resolute Support. Wollen Sie die Zahlen haben? Ich müsste sie kurz heraussuchen.

Zusatz: Der eigentliche Einsatz, auf den sich Herr Herrmann bezieht, ist ja schon länger abgeschlossen.

Nannt: Wir haben jetzt den Einsatz im Rahmen von Resolute Support. Vorher hatten wir den Einsatz im Rahmen von ISAF. Natürlich stehen unterschiedliche Punkte dahinter, was in diesem Einsatz geleistet wird. Aber grundsätzlich läuft der Einsatz dort. Derzeit setzen wir nach aktuellem Stand etwa 850 deutsche Soldaten bei Resolute Support ein.

Schäfer: Ich glaube, man muss jedenfalls klar sagen: Der Einsatz der deutschen Bundeswehr in Afghanistan, in Kabul und dann auch im Norden, dient ja nicht dem Ziel, jedenfalls nicht direkt dem Ziel, die Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern oder Menschen aus Afghanistan möglich zu machen, sondern er dient dem politischen Ziel, Afghanistan zu stabilisieren und zu verhindern, dass Afghanistan erneut zu einem Hort, einer Heimstatt, einer Brutstätte des internationalen Terrorismus wird. Dazu braucht nach Einschätzung der gesamten internationalen Gemeinschaft Afghanistan bis auf Weiteres die Hilfe der internationalen Gemeinschaft unter Beteiligung Deutschlands. Dazu sind wir bereit. Das tun wir im Geleitzug mit unseren amerikanischen Partnern und vielen anderen, die im Norden des Landes und überall der afghanischen Regierung und den afghanischen Sicherheitskräften bei deren ernsthaften Bemühungen, für Sicherheit im Land zu sorgen, zur Seite stehen. Das gelingt hier und da gut, anderswo nicht so gut, weil sie mit der Insurgenz zu kämpfen haben. Aber es gibt - so glauben wir - eine regional sehr unterschiedliche Sicherheitslage. Dazu hat Herr Plate schon alles Notwendige gesagt.

Plate: Vielleicht noch einen Satz zur Einordnung, um zu zeigen, dass das jetzt nichts ganz Neues ist. Am 3. und 4. Dezember letzten Jahres hat eine Innenministerkonferenz stattgefunden, auf der einvernehmlich festgestellt worden ist, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nicht grundsätzlich einer Rückkehr ausreisepflichtiger afghanischer Staatsangehöriger entgegensteht.

Frage : Zwei Verständnisfragen, einmal an Herrn Plate: Sie hatten von großen Städten gesprochen, in denen es einigermaßen sicher ist. Ist Kabul für Sie auch eine große Stadt? Da gab es in dieser Woche allein drei Anschläge mit über 30 Toten und Hunderten Verletzten innerhalb von 24 Stunden.

Herr Nannt, das Planungsamt der Bundeswehr spricht von einem strategischen Vakuum in Afghanistan. Mich würde interessieren: Was ist die Zielvorgabe für die Bundeswehr in Afghanistan?

Plate: Ich fange vielleicht an. Ich bitte um Verständnis, dass ich hier zu einzelnen, konkreten Regionen in Afghanistan aufgrund der Einstufung der Dokumente, aus denen sich im Einzelnen die Haltung der Bundesregierung über die Sicherheitslage in Afghanistan ergibt, nicht Stellung nehmen kann.

Aber was ich vielleicht doch zur Einordnung sagen kann: Die Frage der Sicherheit ist nicht nur pauschal nach Gebiet zu beantworten, sondern auch mit Blick auf die konkret zurückzuführende Person. Also es ist zum Beispiel schon denkbar, dass in einer Region eine bestimmte Minderheit verfolgt wird, sodass ein Rückkehrpflichtiger, der dieser konkreten Minderheit angehört, natürlich nicht in diese Region zurückgeführt werden kann, möglicherweise aber jemand anders, der dieser Minderheit nicht angehört, sehr wohl in diese Region zurückgeführt werden kann.

Das möchte ich vielleicht - sozusagen als Leitgedanken - als Antwort auf die Frage geben, wo es sicher sein kann und wo nicht. Das lässt sich nicht ganz pauschal - Region a) ja, Region b) nein - beantworten, so wie Sie sich das vielleicht wünschen, weil das dann ein bisschen einfacher wäre.

Nannt: Die Informationen, die Sie gerade gefragt haben, können Sie - noch einmal als Hinweis - sehr gut auch auf unseren Seiten nachlesen, weil wir da sehr ausführlich zum Afghanistan-Einsatz berichten.

Aber vielleicht noch einmal ganz kurz: Hier geht es natürlich um Ertüchtigung der Partner, also der afghanischen Sicherheitskräfte. "Resolute Support" ist ja diese Mission, in der es um "train, assist and advice", also Beratung, geht.

Wie es auch Herr Schäfer gerade gesagt hat, haben wir natürlich weiterhin ein großes Interesse daran - auch die Afghanen haben ein großes Interesse daran -, dass sie in ihren Fähigkeiten weiter unterstützt und ausgebildet werden. Da sind wir vor Ort und leisten dort einen wichtigen Beitrag. Er ist dringend notwendig.

Frage: Zurück zu Bratislava: Ich würde gern von Herrn Seibert wissen, ob auch der spanische Ministerpräsident zu den Gesprächen mit Bundeskanzlerin Merkel eingeladen worden ist.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin ist selbstverständlich auch mit dem spanischen Ministerpräsidenten, der ja seit geraumer Zeit geschäftsführender Ministerpräsident ist, im Gespräch. Aber er nimmt jetzt nicht an diesen Terminen persönlich teil. Das hat aber mit der Suche nach einer Regierungsbildung in Spanien zu tun. Aber der Kontakt zwischen der Bundeskanzlerin und Herrn Rajoy ist da. Er wird regelmäßig gepflegt.

Frage: Ich habe noch einmal eine Nachfrage an Frau von Tiesenhausen zur Erbschaftssteuerreform. Hat das Verfassungsgericht jetzt eigentlich schon eine konkrete Nachfrist gesetzt? Ist das Ende September? Falls es so ist, kann man die einhalten?

von Tiesenhausen-Cave: Bei der Erbschaftssteuer muss ich Sie prozessual darauf hinweisen, dass ja gestern zum ersten Mal der Vermittlungsausschuss zusammengetroffen ist. Im Vermittlungsausschuss sitzen der Bundestag und der Bundesrat. Was das Verfassungsgericht sich vorstellt, müssen Sie beim Verfassungsgericht erfragen. Ich kann für die Bundesregierung nur sagen: Wir sehen jetzt diesen Prozess im Vermittlungsausschuss - da ist ja eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden; der wird konstruktiv begleitet -, aber die Bälle liegen bei den beiden Kammern des Parlamentes Bundestag und Bundesrat.

Zusatzfrage: Und Ihnen ist keine Nachfrist bekannt?

von Tiesenhausen-Cave: Nein.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt und an das Verteidigungsministerium - je nachdem, wer antworten möchte. Es geht um die Vernichtung der Restbestände der Chemiewaffen in Munster. Ich würde gern wissen, wann das abgeschlossen sein soll?

Die zweite Frage, wie da Deutschlands Beitrag im Vergleich zu anderen Nationen steht. Werden jetzt diese Restbestände nur in Deutschland unschädlich gemacht, oder gibt es auch andere Länder, die sich daran beteiligen?

Schäfer: Dazu haben sich ja die Verteidigungsministerin und der Außenminister schon geäußert. Kann ich davon ausgehen, dass Sie die Presseerklärung der beiden Ministerien schon zur Kenntnis genommen haben? - Ja.

Vielleicht von mir aus ergänzend nur so viel: Wir haben zum Glück mit der GEKA, einem Unternehmen im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums, ein weltweit bekanntes und sehr renommiertes Unternehmen, das in der Lage ist, mit solchen toxischen Stoffen umzugehen. Deshalb war es für die Bundesregierung, für die beiden verantwortlichen Minister, im Grunde eine Selbstverständlichkeit, auf Bitte der libyschen Regierung und auf Bitte der OVCW, der Organisation für die Vernichtung chemischer Waffen, die technischen Fähigkeiten der GEKA in Munster für diesen Zweck bereitzustellen.

Es handelt sich dabei - ich glaube, das muss man sagen, damit niemand in der Bevölkerung Angst bekommt - nicht um chemische Waffen im engeren Sinne, sondern um Grundstoffe, die für die Produktion von chemischen Waffen eingesetzt werden können. Die GEKA hat in jeder Hinsicht die technische Expertise, mit diesen Stoffen umzugehen, sie umweltverträglich unschädlich zu machen. Das war - man kann wirklich sagen - internationales Teamwork, diese Stoffe aus Libyen durch das Mittelmeer an der Straße von Gibraltar vorbei über Bremen nach Niedersachsen, nach Munster, zu bringen. Dänische Schiffe haben diese Stoffe transportiert. Sie können sich vorstellen, dass dafür bestimmte Sicherheits- und Umweltschutzstandards erforderlich sind. Andere Partner, die Amerikaner und andere mehr, haben dabei geholfen, dieses Gesamtwerk zu vollenden. Nun liegen die Sachen in Munster und werden da in relativ kurzer Zeit entsorgt und beseitigt werden können.

Für uns ist das - politisch gesprochen - ein Beitrag zum politischen Prozess in Libyen. Dass in Libyen und damit auch über Libyen hinaus solche Kampfstoffe nicht weiter zu Giftgas oder anderen giftigen Kampfstoffen verarbeitet werden können, ist für uns ein wichtiger Beitrag zu etwas mehr Sicherheit in einer unruhigen Region und deshalb auch ein Beitrag zur Sicherheit Europas.

Nannt: Herr Schäfer hatte jetzt schon die hohe Expertise der GEKA herausgestellt. Das kann ich jetzt nicht anders sagen.

Vielleicht noch einmal zur Menge als Ergänzung: Es sind insgesamt 500 Tonnen toxische Chemikalien. Einen Zeitraum, bis wann es so weit ist, kann ich Ihnen nicht sagen.

Zusatzfrage: Ich habe Sie jetzt richtig verstanden, dass diese Restbestände nur in Deutschland vernichtet werden?

Schäfer: Dieser Teil der Bestände: Ja. Aber es gibt mehr, die auch anderswo übernommen werden.

Ich zitiere einmal aus der Presseerklärung von heute Morgen. Da heißt es:

"Die USA haben für diesen Teil der Vernichtung beträchtliche finanzielle Unterstützung geleistet. Dänemark" - das hatte ich schon gesagt - "hat den Transport der Chemikalien von Libyen nach Deutschland übernommen. Auch Kanada, Finnland, Großbritannien, Italien, Malta und Spanien haben zum erfolgreichen Verlauf der Mission beigetragen."

Daran mögen Sie sehen, dass es wirklich im Interesse der ganzen internationalen Gemeinschaft ist, dass diese gefährlichen Stoffe unschädlich gemacht werden und die Sicherheit, die Gesundheit und das Leben der Menschen in Libyen nicht mehr gefährden können.

Frage: Kurze Lernfrage: Hat dieses dänische Schiff von Libyen nach Deutschland Geleitschutz bekommen? Wie wurde das gesichert? Das würde mich interessieren.

Nannt: Ich kann Ihnen sagen: Es handelt sich ja - so wie Herr Schäfer das auch gerade gesagt hat - nicht um Giftgase oder Kampfstoffe, sondern um Chemikalien. Sie wurden in Verantwortung von Dänemark transportiert.

Zusatzfrage: Ohne Geleitschutz?

Nannt: Mir ist nicht bekannt, ob Geleitschutz dort war.

Wie gesagt: Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil das nicht von Seiten der Bundeswehr war. Das ist mir nicht bekannt.

Frage : Mich würde von allen Sprechern interessieren - die "Bild"-Zeitung hat in dieser Woche ein Sommerfest gefeiert -, welche Mitglieder der Bundesregierung nicht bei diesem Sommerfest waren.

StS Seibert: Ein Blick auf die letzte Seite der "Bild"-Zeitung würde reichen, damit Sie das zusammenzählen können, wer alles da war. Das ist doch jetzt hier nicht unsere Aufgabe, wenn ich das einmal sagen darf. Sie können sich doch auch jederzeit an die "Bild"-Zeitung, die eingeladen hat, wenden.

Zusatzfrage : Erstens. Ich kaufe mir nicht die "Bild"-Zeitung. Zweitens gehe ich nicht zum Sommerfest. Darum ist die Frage berechtigt, wer nicht da war. Anscheinend waren fast alle da. Ich will auf Nummer sicher gehen, nicht dass ich sage, es waren alle da. Deshalb möchte ich wissen, wer nicht da war.

Vorsitzender Mayntz: Gibt es irgendwelche Erkenntnisse? - Von hier aus jetzt nicht.

Nannt (zur Vernichtung der Restbestände der Chemiewaffen in Munster): Ich habe noch eine Ergänzung. Ich habe eine Information von meinen fleißigen Mithelfern bekommen.

Es gab Geleitschutz durch andere Staaten, und die Vernichtung ist bis zum Dezember (2017) geplant.

Vorsitzender Mayntz: Dann haben wir das auch geklärt. Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende.

Freitag, 9. September 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 9. September 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/09/2016-09-09-regpk.html;jsessionid=FCCC372D2E63A6169A2FA8FE45EC3D88.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2016

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