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PRESSEKONFERENZ/1213: Regierungspressekonferenz vom 2. Mai 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 2. Mai 2016
Regierungspressekonferenz vom 2. Mai 2016

Themen: Transatlantisches Freihandelsabkommen, Absage der Reise des Bundeswirtschaftsministers in den Iran, Medienberichte über die Einsetzung eines neuen deutschen Botschafters im Iran, mögliche Verlängerung von Grenzkontrollen, Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze, als vermisst gemeldete unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland, Untersuchung des US-Angriffs auf ein Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Kundus, Überprüfung von CO2-Werten durch das Kraftfahrt-Bundesamt, Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamtgesetz, Novelle des Sexualstrafrechts, Überlegungen hinsichtlich eines möglichen Einsatzes deutscher Soldaten im Rahmen der Nato in Litauen

Sprecher: StS Seibert, Braams (BMWi), Reinhard (BMEL), Fichtner (BMUB), Fischer (AA), Plate (BMI), Nannt (BMVg), Strater (BMVI), Malachowski (BMJV)


Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: An das Wirtschaftsministerium: Wie sind die Veröffentlichungen zu TTIP aus Ihrer Sicht zu beurteilen? Herr Gabriel hat letzten Oktober im Deutschen Bundestag wörtlich gesagt, er habe gemeinschaftlich mit seinem österreichischen Kollegen Matthias Fekl ein paar Dinge durchgesetzt, und dazu gehöre, dass es bei TTIP keine privaten Schiedsgerichte geben werde. War der Minister da einfach schlecht informiert oder hat er da bewusst gelogen?

Braams: Vielen Dank für die Frage. Lassen Sie mich ein paar einordnende Sachen sagen.

Zunächst nehmen wir natürlich zur Kenntnis, dass die Dokumente aus den TTIP-Verhandlungen von Greenpeace Niederlande geleakt werden sollen und gerade zur Stunde vorgestellt werden. Ich kann Ihnen keine Aussagen zu Echtheit, Herkunft oder Inhalt der Dokumente machen; dazu liegen mir keine Angaben vor und dazu kann ich keine Angaben machen.

Ich kann Ihnen aber natürlich darstellen, was die Position der Bundesregierung in den Verhandlungen ist. Wie gesagt handelt es sich bei den betroffenen Dokumenten offensichtlich um Textvorschläge, um Forderungen. Forderungen sind keine Ergebnisse. Verhandlungspositionen sind Verhandlungspositionen der einzelnen Seiten - sowohl die US-Seite als auch die EU-Seite haben natürlich Verhandlungspositionen. Verhandlungspositionen sind keine Ergebnisse.

Zu den klaren Linien in den Verhandlungen der Bundesregierung und des Bundeswirtschaftsministeriums: Wie schon mehrfach erläutert und wie auch im Verhandlungsmandat der EU-Kommission dargelegt, wird die Bundesregierung kein Verhandlungsergebnis unterstützen, das Schutzstandards absenken könnte. Die EU wird keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben. Das Vorsorgeprinzip gilt; es ist im EU-Recht verankert und wird daher weiter gelten. Bei der Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden werden unsere EU-Verfahren und -zuständigkeiten nicht eingeschränkt werden. Das Gleiche gilt bezüglich der in den Berichten geäußerten Debatten zu genmanipulierten Lebensmitteln. Hormonfleisch wird es nicht geben. Ebenso wenig wird die EU ihre Regelung zur Kennzeichnung von genetisch veränderten Produkten abändern.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat vor der Hannover Messe und auch auf der Hannover Messe auf seine Positionierung hingewiesen. Er hat auch darauf hingewiesen, dass die Verhandlungslage zwischen den USA und der EU-Kommission schwierig ist, und er hat zum Punkt private Schiedsgerichte auch ganz deutlich gemacht, dass er einem Freihandelsabkommen, welches private Schiedsgerichte enthält, nicht zustimmen wird. Zum Punkt Schiedsgerichte haben der Bundeswirtschaftsminister und die Bundesregierung eine Position eingebracht - die mittlerweile auch in CETA Niederschlag gefunden hat -, wie öffentliche Schiedsgerichte errichtet werden können, aber er hat immer deutlich gemacht - und das ist auch weiterhin die Position -: Es wird keine privaten Schiedsgerichte geben.

Es ist gelungen, diese Position über Schiedsgerichte mit öffentlichen Richtern und Berufungsinstanzen auf EU-Ebene einzubringen. Die EU hat diese Position und diese Vorschläge von Deutschland übernommen, sie in ihr Verhandlungsmandat aufgenommen und in der zwölften Verhandlungsrunde eine Position zum Thema private Schiedsgerichte in die Verhandlungen eingebracht. Dazu gibt es keine Ergebnisse; das war auch kurzfristig nicht zu erwarten. Das ist aber die Position, und darauf bezieht sich das. Es ging also um die Geltendmachung einer neuen EU-Position zum Thema Schiedsgerichte.

Zusatzfrage: Das heißt, wenn durch seine Worte bei mir damals der Eindruck entstanden ist, dass dieser Vorschlag bereits in den USA auf Zustimmung gestoßen sei, dann lag das an mir und nicht an ihm?

Braams: Es ist klar, dass das Thema Schiedsgerichte von der EU erstmals in der zwölften Verhandlungsrunde - das ist die letzte Verhandlungsrunde vor der jetzt am Freitag abgeschlossenen - eingebracht werden konnte. Das Ziel war, eine EU-Position zu Schiedsgerichten zu formulieren - mit öffentlichen Gerichten, mit öffentlichen Richtern, mit Berufungsinstanzen. Die konnte erst nach langen Prozessen und langem Einwirken von Bundeswirtschaftsminister Gabriel auf EU-Ebene durchgesetzt werden und als EU-Position in die zwölfte Verhandlungsrunde eingebracht werden. Dazu gibt es, wie gesagt, die Verhandlungsposition der EU - die auch unsere ist -; es gibt dadurch derzeit aber kein Ergebnis in den Verhandlungen um TTIP.

Ich möchte aber auch noch einmal darauf verweisen: Es gibt Ergebnisse und Fortschritte bei CETA. Die CETA-Texte sind veröffentlicht. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat auch diesbezüglich im Interview vor der Hannover Messe und auf der Hannover Messe klar gemacht: CETA definiert die Messlatte für ein Abkommen, und unter dieser Messlatte wird es keine Zustimmung geben. Das heißt, CETA ist die Messlatte auch für die weiteren Verhandlungen zu TTIP.

Frage: Herr Seibert, handelt der Bundeswirtschaftsminister bei den TTIP-Verhandlungen eigentlich auf eigene Verantwortung, oder ist das Verhandeln von Herrn Gabriel und die Entscheidung, möglicherweise auszusteigen, nur in Abstimmung und mit Zustimmung der Bundeskanzlerin möglich?

Zweite Frage: Bedauert die Bundesregierung, dass Dokumente, die geheim gehalten werden sollen, an die Öffentlichkeit kommen, oder begrüßen Sie das, weil das vielleicht ein bisschen die Diskussion in der Öffentlichkeit entkrampfen könnte?

StS Seibert: Zu Ihrer ersten Frage: Es verhandelt die Europäische Kommission mit den USA für ihre Mitgliedstaaten.

Ich kann eigentlich nur dem vollkommen beistimmen, was die Kollegin aus dem Wirtschaftsministerium gesagt hat. Ich kann hier zur Authentizität dieser Dokumente auch nichts beitragen. Es ist ein normaler Vorgang bei Verhandlungen - und wir sind in Verhandlungen -, dass beide Seiten unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen und auch unterschiedliche Forderungen haben, die dann im Laufe der Verhandlungen in einen Ausgleich zu bringen sind. Auch die europäische Seite hat eine Vielzahl von Punkten, die wir durchsetzen wollen. Man kann es gar nicht genug betonen: Verhandlungspositionen sind keine Verhandlungsergebnisse.

Die Grundüberzeugungen sind genannt worden. Ich glaube, das kann und muss jeder wissen: Wir wollen die hohen sozialen, ökologischen, rechtlichen Standards auf breiter Flur festschreiben und bewahren; das hat die Bundesregierung von Anfang an geleitet, und da pflichten uns im Übrigen alle unsere europäischen Partner uneingeschränkt bei.

Zusatzfrage: Mich würde noch interessieren, ob Sie es begrüßen oder bedauern, dass Dokumente an die Öffentlichkeit gekommen sind.

Noch einmal zur ersten Frage, weil mir das noch nicht ganz klar ist: Wer entscheidet letztendlich über die deutsche Position zu TTIP, der Bundeswirtschaftsminister oder die Bundeskanzlerin?

StS Seibert: Zu Ihrer ersten Frage: Die Bundesregierung nimmt das zur Kenntnis.

Zur zweiten Frage: Wie gesagt, die Europäische Kommission verhandelt für ihre Mitgliedstaaten. Da werden Fragen aufgeworfen, die ganz unterschiedliche Ressorts betreffen; insofern haben natürlich auch das Landwirtschaftsministerium oder das Umweltministerium Interessen daran. Die werden eingebracht als eine Position der Bundesregierung, aber natürlich hat das Bundeswirtschaftsministerium eine besondere Zuständigkeit.

Frage: Herr Seibert, anders gefragt: Sind Sie persönlich als BPA-Leiter, als TTIP-Chefwerbemann froh, dass jetzt ein paar Dokumente öffentlich wurden?

StS Seibert: Wenn, dann bin ich hier - wie Sie ja wissen und wie wir auch schon oft besprochen haben - für Informationen zuständig, auch in meiner Tätigkeit an der Spitze des Bundespresse- und Informationsamtes, das, wie Sie wissen, keine Werbeagentur ist. Im Übrigen kann ich nur sagen: Wir nehmen das zur Kenntnis.

Zusatzfrage: Gefährden die Leaks den Verhandlungserfolg?

StS Seibert: Es ist mir nicht möglich, das zu beurteilen. Wir alle in der Bundesregierung haben, so wie es die Bundeskanzlerin anlässlich des Treffens mit US-Präsident Obama ausgedrückt hat, ein großes Interesse daran, dass es zum zügigen Abschluss eines ehrgeizigen TTIP-Abkommens kommt. Das ist ein zentrales Vorhaben im Rahmen der transatlantischen Beziehungen, es ist eine Chance, Globalisierung zu gestalten. Deswegen werden wir im Rahmen dessen, was wir als deutsche Bundesregierung tun können, sicherlich alles dazu beitragen, dass diese Verhandlungen vorankommen.

Frage: Herr Seibert, ich habe noch nicht ganz verstanden, worin genau die Verhandlungsstrategie der EU besteht, die ja auch von der deutschen Bundesregierung getragen wird. Steckt darin auch die Einschätzung, dass man auch mit einem Scheitern rechnen muss, sagen Sie also auch, dass man lieber kein Abkommen als ein schlechtes Abkommen abschließen müsste?

An das Wirtschafts- beziehungsweise Agrarministerium: Schließen Sie völlig aus, dass es einen Deal nach dem Motto "Erleichterungen beim Export von Automobilen gegen Standards im Agrarbereich" geben könnte?

StS Seibert: Ich glaube, die Haltung der Bundesregierung wird sehr klar in dem Satz, den die Bundeskanzlerin ausgesprochen hat: Wir halten den zügigen Abschluss eines ehrgeizigen TTIP-Abkommens für ein sehr wichtiges Projekt. Zur Verhandlungsstrategie im Einzelnen müssten Sie sich an die Europäische Kommission richten, die ja diese Verhandlungen mit den USA führt. Ich kann hier nur noch einmal diese Grundüberzeugungen, die uns dabei leiten, wiederholen.

Braams: Ich kann mich auch nur dem anschließen, was Herr Seibert gesagt hat. Nach zwei Jahren Verhandlung sind jetzt 13 von 25 bis 30 Kapiteln verhandelt. Alle diese Themenfelder müssen weiterverhandelt werden. Es liegen weiter schwierige Themen vor uns. Schwierige Themen müssen mit der gebotenen Sorgfalt verhandelt werden, das gilt für alle Themen - das gilt für die Zollthemen, insbesondere aber auch für die Agrarthemen. Es geht um ein ausgewogenes Abkommen, das hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel immer gesagt. Er setzt sich dafür ein, hier gute Standards zu definieren, aber es geht eben Substanz vor Schnelligkeit und es geht auch darum, ausgewogene Ergebnisse in all diesen Bereichen zu erreichen.

Reinhard: Ich kann mich meinen Vorrednern auch nur anschließen und möchte nur noch ergänzen, dass sich Bundesminister Schmidt heute Morgen im Interview mit "B5 aktuell" zu genau diesem Punkt geäußert und gesagt hat, dass Lebensmittelsicherheit und Vorsorgeprinzip für die EU kein Tauschobjekt gegen gemeinsame Technikstandards sind.

Zusatzfrage: Das heißt, die Agrarstandards, die wir gegen Massentierhaltung, gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel usw. haben, sind nicht verhandelbar?

Reinhard: Ich habe den Worten des Ministers da nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, Sie wiesen auf die besondere Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers bei der Festlegung der deutschen TTIP-Position hin. Können Sie mir die etwas näher beschreiben? Sollte der wesentliche Verhandlungsführer, Herr Gabriel, der Meinung sein "Das wird nichts mehr", wer entscheidet dann darüber: Herr Gabriel oder die Bundesregierung in einem Kabinettsbeschluss oder die Kanzlerin?

StS Seibert: Das ist ja zunächst einmal eine vollkommen hypothetische Frage. Sie sehen die Bundesregierung vollkommen geeint in der Überzeugung, dass TTIP für uns Deutsche wie für uns Europäer ein wichtiges Projekt ist. Ich verweise noch einmal darauf, dass gerade wir Deutschen ein ganz besonderes Interesse an einer offenen Wirtschaft haben. Wir sind auf offene Märkte angewiesen, wir haben weltweit die vielleicht offenste Volkswirtschaft. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab; in der Industrie ist es sogar jeder zweite Arbeitsplatz. Unser Interesse daran, Globalisierung zusammen mit dem anderen großen Wirtschaftsraum Vereinigten Staaten von Amerika mitzugestalten, liegt auf der Hand. Das ist die einhellige Haltung der Bundesregierung, und mit dieser Haltung versuchen wir das zu tun, was wir können, um auf ein gutes Ende dieser Verhandlungen hinzuarbeiten. Über andere Verläufe werde ich hier jetzt nicht spekulieren.

Zusatzfrage: Und worin besteht die besondere Zuständigkeit - um Sie zu zitieren - von Herrn Gabriel?

StS Seibert: Er ist der Bundeswirtschaftsminister, und der Handel fällt nach meinen Informationen in sein Ressort.

Frage: Herr Seibert, haben Sie im BPA die Möglichkeit, Frau Braams, haben Sie im BMWi die Möglichkeit, die jetzt geleakten Dokumente mit echten Dokumenten zu vergleichen, um festzustellen, ob sie denn echt sind? Oder kennen Sie die Dokumente genauso wenig wie wir?

StS Seibert: Ich kenne das nicht, was heute Vormittag offensichtlich vorgestellt werden soll. Es wäre mir auch schwergefallen, mir das schon in der Viertelstunde vor der Regierungspressekonferenz erarbeitet zu haben. Das ist aber auch nicht die Aufgabe des Bundespresseamtes. Die Aufgabe des Bundespresseamtes ist, über die deutsche - und in diesem Fall auch die europäische - Freihandelspolitik zu informieren und den Bürgern Informationen an die Hand zu geben, anhand derer sie bewerten können, warum es für uns von Vorteil ist, wenn wir dieses Freihandelsabkommen erzielen.

Braams: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich hatte ja gesagt: Uns liegen derzeit keine Informationen zu Herkunft, Echtheit oder Inhalt vor. Somit kann ich diese Frage nicht beantworten.

Zusatzfrage: Apropos Informationen an die Hand geben: Herr Seibert, werden Sie jetzt vielleicht damit anfangen, als BPA über die Gefahren und Risiken, die jetzt ja auch in diesen Dokumenten zu finden sind, zu informieren? Oder wollen Sie die Bevölkerung weiterhin nicht ängstigen?

StS Seibert: Wir wollen die Bevölkerung weiterhin über die Haltung der Bundesregierung informieren. So ist auch die Aufgabe des Bundespresseamtes zu verstehen.

Frage: Herr Seibert, was glauben Sie denn, wie lange es dauern wird, bis Sie diese öffentlich zugänglichen Dokumente aus dem Internet mit den Ihnen vorliegenden vergleichen können? Haben Sie das überhaupt vor?

Zweitens an das Bundesumweltministerium: Herr Fichtner, Ihr Haus war ja bisher eines der Häuser, in dem die kritischen Stimmen zu TTIP gelegentlich auch einmal nach außen gedrungen sind, vor allem die Sorge, ob REACH, also die Chemikalienrichtlinie, in der derzeitigen Form unter TTIP Bestand haben kann. Genau darauf zielen ja nach dem, was bisher bekannt ist, die USA tatsächlich ab. Sehen Sie sich damit in der Kritik bestätigt? Teilen Sie die in allen Punkten geäußerte vollkommen geeinte Meinung der Bundesregierung auch in dieser Frage?

Fichtner: Das Bundeswirtschaftsministerium hat ja eben schon die Bedingungen genannt, unter denen die Bundesregierung einem Abkommen zustimmen würde. Dazu zählte zum Beispiel, dass Umweltstandards nicht abgesenkt werden dürfen; auch das Stichwort Vorsorgeprinzip fiel, ebenso wie das Stichwort private Schiedsgerichte, die es nicht geben dürfe. Das sind auch die Punkte gewesen, die die Umweltministerin in der Vergangenheit genannt hatte; insofern finden wir uns in diesen Bedingungen wieder.

StS Seibert: Das Bundespresseamt sieht es nicht als seine Aufgabe an, jetzt geleakte Dokumente mit anderen zu vergleichen. Wir konzentrieren uns auf die Aufgabe, die wir haben.

Zusatzfrage: Wir haben ja nun aber als Presse keine Möglichkeit dazu, weil die Dokumente nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich sind. Wäre das nicht eine Serviceleistung, die Sie als Bundespresseamt gegenüber der Presse, die ein Interesse daran hat, diese Informationen zu bekommen, möglicherweise leisten könnten?

StS Seibert: Ganz grundsätzlich gesprochen sehen wir es nicht als unsere Aufgabe an, vertrauliche Dokumente aus Verhandlungsprozessen herauszugeben.

Frage: Herr Seibert, das Wirtschaftsministerium hat jetzt ja noch einmal klar gemacht, dass private Schiedsgerichte eine rote Linie sind - TTIP wird es nicht geben, wenn es private Schiedsgerichte hat. Ist das richtig? Ist es die Haltung der ganzen Bundesregierung, dass es TTIP ohne öffentliche Schiedsgerichte nicht geben wird?

StS Seibert: Wir sind in Verhandlungen. Die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums hat die Position zu Schiedsgerichten noch einmal dargelegt, und ich habe dem nichts hinzuzufügen. Die Bundesregierung arbeitet darauf hin, dass es TTIP gibt - in einer ehrgeizigen und umfassenden Form.

Frage: Herr Seibert, nur noch eine Verständnisfrage: Informiert das BPA über die Haltung der Bundesregierung zu TTIP oder über das TTIP-Abkommen? Das sind ja zwei verschiedene Dinge.

StS Seibert: Über das TTIP-Abkommen jetzt schon zu informieren fiele schon deswegen schwer, weil die Verhandlungen noch laufen. Wir informieren über die Haltung der Bundesregierung, die Argumente der Bundesregierung, warum TTIP aus unserer Sicht für ein exportorientiertes Land wie die Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung ist. Wir versuchen Informationen zu geben, warum so viele Arbeitsplätze in Deutschland davon abhängen. Wir versuchen natürlich auch, auf Ängste und Sorgen in der Bevölkerung einzugehen. So verstehe ich unsere Aufgabe. Das gilt im Übrigen für alle Politikbereiche.

Frage: Noch einmal an das Wirtschaftsministerium: Frau Braams, ist jetzt eigentlich mit der Veröffentlichung der Dokumente die Geschäftsgrundlage entfallen, dass Sie diese Unterlagen geheim halten müssen beziehungsweise dass nur bestimmte Personengruppen diese Unterlagen einsehen dürfen, ohne sich Aufzeichnungen zu machen? Schlicht gefragt: Kann man die Geheimniskrämerei dann nicht fallen lassen?

Braams: Vielen Dank für die Frage. - Zum Punkt Transparenz möchte ich noch einmal klarstellen: Die Bundesregierung und das Bundeswirtschaftsministerium haben sich immer für Transparenz eingesetzt. Nicht zuletzt auf Druck der Bundesregierung und des Bundeswirtschaftsministeriums hat die Kommission Ende 2014 das Verhandlungsmandat und dann die Verhandlungsposition zugänglich gemacht. Seit der elften Verhandlungsrunde stellt die Kommission einen Bericht über die Verhandlungsposition der EU-Seite online. Das gleiche Maß an Transparenz ist natürlich auch von der US-Seite gewünscht, aber das ist eben Sache der US-Seite.

Zu Ihrer Frage, welche Verhandlungsdokumente wo einsehbar sind: Es ist bekannt, dass die konsolidierten Dokumente im eingerichteten TTIP-Leseraum zugänglich sind. Auch das ist das Ergebnis von langen und schwierigen Verhandlungen der EU-Seite mit der US-Seite. Die Bedingungen sind dort definiert, dass eben im TTIP-Leseraum Zugang für Regierungsvertreter sowie für Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats besteht. Das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen müssen, weil diese Verhandlungen das Ergebnis der Transparenzöffnungen sind, die in harten Verhandlungen zwischen der EU-Seite und der US-Seite erreicht werden konnten.

Frage: Ich habe zwei Fragen zum Thema Iran, erst einmal an das Wirtschaftsministerium: Frau Braams, waren es ausschließlich gesundheitliche Gründe, aus denen Herr Gabriel seine Reise in den Iran abgesagt hat, oder gab es irgendwelche anderen Gründe, auch vor dem Hintergrund des politischen Drucks, den es im Iran gab?

Braams: Es waren ausschließlich gesundheitliche Gründe. Wir hatten gestern in einer Pressemitteilung darüber informiert: Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat gestern Vormittag mit dem iranischen Wirtschafts- und Finanzminister telefoniert und sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass er die Reise aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung kurzfristig absagen muss. Das deutsch-iranische Wirtschaftsforum - nicht die Sitzung der gemischten Wirtschaftskommission, sondern das deutsch-iranische Wirtschaftsforum - wird wie geplant stattfinden. Die Leitung übernimmt der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer.

Bundesminister Gabriel hat zugleich seinen Wunsch deutlich gemacht, die fünfte Sitzung der gemischten deutsch iranischen Wirtschaftskommission nachzuholen. Das soll zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Einen genauen Termin kann ich Ihnen aber noch nicht mitteilen

Zusatzfrage: Herr Fischer, es gab am Freitag Meldungen darüber, dass der Vizechef des BND neuer Botschafter im Iran wird. Ist es üblich, dass ein BND-Chef Botschafter in einem Land wird? Welche Signale senden Sie mit dieser Entsendung an den Iran, wenn Sie einen geschassten Geheimdienstler jetzt als Botschafter in ein Land wie den Iran schicken?

Fischer: Sie wissen, dass wir Personalentscheidungen ganz grundsätzlich nicht kommentieren. In diesem Fall will ich eine klitzekleine Ausnahme machen und Ihnen sagen, dass es bei dem hier in Rede stehenden Kollegen seit Anfang des Jahres feststeht, dass er turnusmäßig auf einen anderen Posten wechseln wird. Aber mehr kann ich Ihnen dazu hier derzeit nicht sagen.

Frage: Herr Fischer, können Sie uns sagen, was Herrn Klor-Berchtold als Iran-Botschafter qualifiziert?

Fischer: Sie haben gehört, dass ich mich dazu geäußert habe, dass seit Anfang des Jahres feststeht, dass er turnusmäßig auf einen anderen Posten wechseln wird. Sie haben mich nicht von dem Posten reden gehört, und das werde ich auch nicht tun, weil wir, wie gesagt, Personalentscheidungen ganz grundsätzlich nicht kommentieren. Aber das, was ich gesagt habe, sollte, glaube ich, ausreichend sein.

Zusatz: Die Bundesregierung informiert grundsätzlich nicht darüber, warum sie jemanden als Botschafter ernennt oder nicht.

Fischer: Das ist etwas anderes. Aber sozusagen ganz grundsätzlich ist es so, einmal unabhängig von der von Ihnen angesprochenen Personalie, dass die Ernennung eines Botschafters oder einer Botschafterin ein längerer Vorgang ist, der verschiedene Stufen durchlaufen muss. Erst dann, wenn dieser Vorgang vollständig abgeschlossen ist, werden wir uns dazu öffentlich verhalten.

Frage: Herr Fischer, dementieren Sie diesen Medienbericht?

Fischer: Ich habe dem, was ich bis jetzt gesagt habe, nichts weiter hinzuzufügen.

Frage: Wissen Sie schon, wen das AA jetzt zum BND schickt?

Fischer: Nach meiner Kenntnis ist es so, dass der von Ihnen angesprochene Kollege weiterhin an seinem Dienstposten ist. All die Fragen, die sich möglicherweise ergeben werden, werden wir zu gegebener Zeit klären.

Frage: Herr Plate, gestern war zu hören, dass die Bundesregierung beziehungsweise der Bundesinnenminister die Initiative ergriffen hat, um in Brüssel eine Verlängerung der Grenzkontrollen nach dem 12. Mai zu erreichen. Der Brief soll nun heute nach der Abstimmung fertig sein. Ist das so? Ist der Brief abgeschickt worden? Wie wird vor allem begründet, dass, obwohl der Flüchtlingsandrang nachgelassen hat, die Grenzkontrollen verlängert werden sollen?

Plate: Vielen Dank für die Frage. Sie haben das im Wesentlichen richtig, aber nicht ganz präzise wiedergegeben. Es ist ja in der Tat auf eine Initiative des Bundesinnenministers zurückgegangen, dass sich einige Staaten an die EU-Kommission wenden werden, um dort dafür zu werben, dass die EU den Weg dafür frei macht, gegebenenfalls zu weiteren Grenzkontrollverlängerungen über den 12. Mai hinaus zu kommen. Das Schreiben ist nach meinem letzten Kenntnisstand noch nicht herausgegangen. Es ist ein Schreiben, das auch mit einigen anderen Innenministerien anderer EU-Staaten verfasst wurde. Die Feinabstimmung war - jedenfalls zuallerletzt, als ich das Haus verlassen habe - noch nicht abgeschlossen. Ich gehe aber davon aus, dass das Schreiben heute herausgehen wird.

Hinsichtlich der Begründung war ja schon in den Medien zu lesen, und das kann ich auch gerne bestätigen, dass ein zentraler weiterer Aspekt neben den Aspekten, die Sie genannt haben, nämlich den Flüchtlingszahlen, auch der effektive Schutz der Außengrenzen ist. Das ist ja nicht weiter überraschend, weil das sozusagen schon immer zu den Leitlinien gehört hat, die aus unserer Sicht maßgebend für die Frage waren, ob man auf Grenzkontrollen an den Binnengrenzen verzichten kann oder nicht. Beim Schutz der Außengrenzen ist schon einiges erreicht worden. Es ist ja schon immer nach der Idee von Schengen die Voraussetzung dafür, dass man im Inneren keine Grenzkontrollen braucht, gewesen, dass die Grenzkontrollen an den Außengrenzen des Schengen-Raums effektiv sind. Übrigens auch in dem Interview, in dem der Minister gegenüber dem ORF so verstanden worden ist, als kündige er das Ende der Grenzkontrollen an, hat er bereits gesagt - diejenigen, die das bis zum Ende angehört haben, werden das zur Kenntnis genommen haben -, dass die Frage, ob man darauf verzichten kann, von vielen Faktoren abhängt, insbesondere auch davon, ob wir überzeugt sind, dass der Schutz der Außengrenzen bis zum 12. Mai so effektiv funktioniert, dass wir dann auf Grenzkontrollen verzichten können. Die Überzeugung, dass das schon der Fall ist, ist nicht mit einer solchen Definitivität und Klarheit gegeben, sodass wir uns in der Tat entschieden haben, bei der EU-Kommission dafür zu werben, dass man die Grenzkontrollen noch verlängern kann.

StS Seibert: Vielleicht darf ich ganz kurz auch noch etwas hinzufügen: Das, was jetzt geschieht und was sich in diesem Brief der europäischen Mitgliedstaaten, den Deutschland auch initiiert hat, ausdrückt, kann ja niemanden überraschen, der die letzten Monate verfolgt hat. Ich erinnere noch einmal an die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin im Deutschen Bundestag am 16. März vor dem damaligen Europäischen Rat. Darin hat sie für die Bundesregierung den Fahrplan der Europäischen Kommission begrüßt. Dieser Fahrplan, den sie sehr ehrgeizig nannte, sah vor, bis Ende dieses Jahres, Ende 2016, alle temporären Kontrollen wieder aufzuheben. Dafür, sagte die Bundeskanzlerin damals schon, müssen natürlich die Bedingungen erfüllt sein. Konkret gesprochen müssen wir bis dahin die Situation an den europäischen Außengrenzen in den Griff bekommen haben. Genau wie Herr Plate sagte, ist da vor allem in der Ägäis ein erheblicher Fortschritt gemacht worden. Aber mit Blick auf das ganze Mittelmeer ist offensichtlich, dass auch noch einiges zu tun ist. Insofern ist der Brief der europäischen Mitgliedstaaten ganz im Sinne der Absichten, die die Kanzlerin schon in ihrer Regierungserklärung vor eineinhalb Monaten skizziert hat.

Frage: Herr Seibert, würden Sie mir zustimmen, dass es sich hierbei dann um eine Art vorsorgliche Initiative handelt, weil ja im Moment über die Ägäis wenige Flüchtlinge nach Europa kommen? Dieser Türkei-Deal scheint ja insofern seine Absichten zu erfüllen und zu funktionieren.

StS Seibert: Gut, wir haben hier ja für die Bundesregierung schon mehrfach festgestellt, dass die Umsetzung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens, soweit sie bisher angelaufen ist, gut angelaufen ist und dass die Zahl der illegalen Migranten, die von der Türkei auf die griechischen Inseln kommen, tatsächlich ganz erheblich reduziert worden ist. Aber wenn man vom Schutz der Außengrenzen spricht, dann kann man den Blick auch nicht auf die Ägäis verengen. Wir wissen, dass es andere Bereiche des Mittelmeers gibt, hinsichtlich derer wir noch nicht davon sprechen können, das erreicht zu haben, was wir jetzt vielleicht in der Ägäis erreicht haben, und deswegen ist noch einiges zu tun. So ist, glaube ich, der Brief gut begründet.

Frage: Herr Seibert, das BMI hat die Öffentlichkeit darüber informiert, dass deutsche Grenzbeamte seit Jahresbeginn 309 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an der Einreise nach Deutschland gehindert haben beziehungsweise die Einreise verweigert haben. Geht Grenzschutz für die Kanzlerin vor Kindeswohl?

StS Seibert: Ich schlage vor, dass wir dazu erst einmal das Bundesinnenministerium hören.

Zusatz: Ich wollte die Haltung der Kanzlerin!

StS Seibert: Ich schlage trotzdem vor, dass wir erst einmal das Bundesinnenministerium hören.

Plate: Ich möchte ganz kurz gerne etwas dazu sagen: Das geht ja auf eine sehr, sehr lange Antwort auf eine Kleine Anfrage zurück. In der Tat kann ich bestätigen, dass die Zahl richtig ist. Es hat ja seit Beginn der Grenzkontrollen schon immer Zurückweisungen an der Grenze gegeben.

Ich möchte vielleicht noch einmal in Erinnerung rufen, in was für Fällen das geschehen ist: Das ist in den Fällen geschehen, in denen die Personen, die an der Grenze angetroffen worden sind, mitgeteilt haben, gar nicht Schutz in Deutschland in Anspruch nehmen zu wollen. Das hängt damit zusammen, dass wir einfach rechtliche Voraussetzungen für die Einreise in das Bundesgebiet haben. Entweder sind diese Voraussetzungen im Sinne von entsprechenden Einreisepapieren erfüllt, und dann kann man einreisen, oder man kann einreisen, wenn man Schutz begehrt. Das folgt im Prinzip aus dem europäischen Flüchtlingsrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention. Wenn weder die eine noch die andere Voraussetzung gegeben ist, also weder Einreisepapiere noch ein Schutzbegehren vorliegen, dann erfolgt eine Zurückweisung an der Grenze. Das hängt nicht mit dem Alter der betroffenen Personen zusammen.

StS Seibert: Ich glaube, daraus geht hervor, was die Begründung für diese rechtlichen Maßnahmen ist und dass das nicht in irgendeinem Widerspruch zum Kindeswohl steht.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Verständnisfrage, Herr Plate. Wenn da unbegleitete Minderjährige, die die Sprache nicht verstehen, von Grenzbeamten in einer fremden Sprache gefragt werden "Möchtet ihr hier Schutz und Asyl beantragen", wenn die das nicht verstehen und wenn dann keine Antwort von denen kommt, dann sagt der Grenzbeamte "Na, dann musst du wieder zurückgehen".

Herr Seibert, ich stelle noch einmal die Frage: Geht Grenzschutz vor Kindeswohl? Genießen Kinder an der deutschen Grenze keinen besonderen Schutz?

Plate: Ich darf vielleicht noch einmal darauf eingehen. Das gibt mir die Gelegenheit, das noch ein bisschen klarer zu machen, weil Sie ja offenbar davon ausgehen, dass, wenn solche Personen nichts sagen, dann davon ausgegangen wird, dass sie keinen Schutz begehren. Richtig ist aber, und damit möchte ich noch einmal auf das verweisen und daran erinnern, was ich gerade gesagt habe: Wenn Personen mitteilen - das ist eine aktive Mitteilung, kein Verschweigen -, dass sie keinen Schutz in Deutschland wollen - eine solche Mitteilung setzt voraus, dass es offenbar sprachlich zu einer Verständigung gekommen ist -, dann erfolgt eine Zurückweisung an der Grenze. Das ist in der Tat unabhängig vom Alter. Das sind häufig Fälle, in denen die Personen zum Beispiel sagen, dass sie nach Skandinavien möchten. Das setzt, noch einmal gesagt, voraus, dass es sprachlich offensichtlich zu einer Verständigung gekommen ist, und dann gilt für Minderjährige das Gleiche wie für Volljährige. Dann muss nach dem geltenden Recht eine Zurückweisung an der Grenze erfolgen.

StS Seibert: Ich denke, dass Herr Plate die Gründe für dieses Vorgehen jetzt sehr klar erklärt hat. Ich verweise auf Zehntausende - wenn es nicht noch mehr sind - von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die sich in Deutschland aufhalten und die sowohl von den Behörden wie auch von unzähligen ehrenamtlichen Mitarbeitern mit großer Humanität hier im Lande behandelt werden.

Zusatzfrage: Herr Plate, unter den unbegleiteten Minderjährigen, die schon in Deutschland sind, gibt es, glaube ich, auch mehrere tausend, die verschwunden sind. Haben Sie die mittlerweile gefunden?

Plate: Noch einmal, ohne jetzt sozusagen zu viel Zeit der anderen Kollegen in Anspruch nehmen zu wollen, weil hierzu ja schon mehrfach in extenso vorgetragen worden ist: Die sind ja nicht verschwunden. Das ist eine zugespitzte Formulierung, die häufig zu lesen war. Richtig ist, dass das Personen sind, die im Einklang mit dem geltenden Recht vom betreuenden Jugendamt als vermisst gemeldet worden sind, und dass in aller Regel dann keine Abmeldung bei der Polizeidienststelle, bei der die Vermisstenmeldung eingegangen ist, erfolgt, wenn diese Personen wieder auftauchen. Warum? - Weil der typische Fall der ist, dass die Minderjährigen zu Familienangehörigen im Bundesgebiet weiterreisen und dass, wenn sie dort angekommen sind, dort dann einfach keine weiteren Schritte in Richtung von Polizeidienststellen erfolgen, weil die Familienmitglieder und die Minderjährigen häufig gar nicht wissen, dass überhaupt eine Vermisstenmeldung erfolgt ist.

Konkret zu wieder Aufgetauchten oder Fällen, in denen die Vermisstenanzeige dann explizit zurückgenommen worden ist, kann ich jetzt keine Zahlen präsentieren, zumal das ja, wie Sie sicherlich wissen, auch in Zuständigkeit der jeweiligen Landespolizeien erfolgt.

Zusatzfrage: Ich habe eine Frage zu Afghanistan und der Untersuchung des US-Militärs in Sachen "Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen". Herr Nannt, beschäftigt sich die Bundeswehr mit diesem Fall? Kommen Sie dabei zum selben Ergebnis wie das US-Militär, dass das kein Kriegsverbrechen war?

Nannt: Ich kann dazu nichts weiter beitragen. Dafür bin ich der falsche Ansprechpartner, weil wir jetzt nicht in die Untersuchung eingeschlossen waren.

Zusatzfrage: Herr Fischer, beschäftigt sich das Auswärtige Amt mit diesem Kriegsverbrechen oder - laut US-Militär - keinem Kriegsverbrechen in Afghanistan?

Fischer: Ich habe dem, was Herr Nannt gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Das Ministerium will die CO2-Daten offenbar noch einmal gesondert auswerten, die bei der Nachmessung ermittelt wurden. Werden für diese Auswertung noch zusätzliche, neue Messungen gemacht? Kann man sich das so vorstellen? Haben Sie schon konkrete Hinweise auf CO2-Überschreitungen vorliegen?

Strater: Zur letzten Frage: Es gibt noch keine Hinweise. Wir haben ja am Wochenende mitgeteilt, dass die CO2-Werte, die jetzt im Rahmen des Prüfverfahrens bei den Nachuntersuchungen ermittelt wurden, noch einmal gesondert bewertet werden. Diesbezüglich ist das Kraftfahrt-Bundesamt mit weiteren Prüfungen beauftragt worden. Die Ergebnisse werden dann in einem eigenen Prüfbericht veröffentlicht werden, aber dazu gibt es momentan nichts.

Zusatzfrage: Kann man schon in etwa sagen, wann das sein wird?

Strater: Das kann ich im Moment nicht sagen.

Frage: Herr Strater, können Sie uns sagen, wie viele Vertreter oder Manager von Automobilkonzernen im April im Verkehrsministerium zu Gast waren?

Strater: Nein, das kann ich nicht sagen.

Zusatzfrage: Können Sie uns das nachreichen?

Strater: Nein.

Zusatzfrage: Warum nicht?

Strater: Es ist ja nicht meine Aufgabe, zu zählen, wer im Ministerium ein und aus geht. Sie spielen wahrscheinlich auf die Frage der Nähe unseres Hauses zur Industrie an. Da verweise ich auf das, was der Minister am Wochenende in der "Süddeutschen Zeitung" dazu gesagt hat, und ich empfehle, das noch einmal im Wortlaut nachzulesen. Er hat zu der Frage, inwiefern die Aufklärung hier betrieben wird, wortwörtlich - ich lese es einfach noch einmal vor, auch wenn Sie es selbst lesen können - gesagt: "Die Treffen mit der Branche waren keine Kaffeekränzchen. Wenn der Verkehrsminister einen riesigen Rückruf erwirkt, künftig Doping-Tests bei Autos durchführt und die Offenlegung der Software anordnet, ist klar, dass die andere Seite nicht in Partystimmung ist." Ich glaube, das drückt es ganz gut aus.

Frage: Herr Strater, ich bin etwas verwundert, dass CO2-Daten jetzt noch einmal extra geprüft werden müssen. Ist das nicht gleich bei den ersten Prüfungen gemessen worden, also nicht nur Stickoxidwerte, sondern auch die CO2-Werte?

Strater: Prüfgegenstand der Nachuntersuchungen war die Suche nach unzulässigen Abschalteinrichtungen bei Dieseln, wie sie bei VW verwendet worden sind, sowie die NOx-, also die Stickoxid-Prüfwerte. Diese Themen haben wir auch in einem Gesamtbericht veröffentlicht. Auch weitere Prüfungen im Zusammenhang mit zeitabhängigen Abschaltungsvorrichtungen werden jetzt noch einmal durchgeführt. Nach dem Vorliegen dieser Ergebnisse werden auch diese veröffentlicht werden.

Die CO2-Werte, die im Rahmen des Prüfverfahrens ermittelt wurden, werden gesondert bewertet. Wir haben immer gesagt, dass es auch das Thema CO2 gibt; das ist also grundsätzlich nichts Neues. Wir sagen jetzt eben nur: Die Ergebnisse werden in einem eigenen Prüfbericht veröffentlicht werden. Das haben wir am Wochenende schon mitgeteilt.

Zusatz: Dann wäre es aber doch logischer gewesen, wenn man nicht nur gesagt hätte, dass man jetzt sozusagen die Stickoxid-Sünder ausfindig gemacht hat, sondern gleich gesagt hätte "Da gibt es auch welche, die bei den CO2-Werten tricksen".

Strater: Diese Formulierung würde ich jetzt nicht verwenden. Ich weiß auch gar nicht, welche Ergebnisse dabei herauskommen werden. Insofern mache ich mir Ihre Aussage nicht zu eigen. Ich sage nur, dass die Ergebnisse, die jetzt im Zusammenhang mit der Bewertung von CO2-Messungen gefunden werden, in einem eigenen Prüfbericht veröffentlicht werden.

Frage: Herr Plate, vor einer Woche hatte ich nach den Auswirkungen des Urteils zum BKA-Gesetz gefragt. Damals konnten Sie noch nicht sagen, was sie im Ministerium daraus schlussfolgern. Können Sie uns jetzt sagen, was nicht mehr konkret angewendet werden darf? Was dürfen das BKA und andere deutsche Behörden nicht mehr tun, und was darf nur noch mit Einschränkungen passieren?

Plate: Das kann ich gern tun. Ich muss zwar vorwegschicken, dass das Urteil noch immer nicht abschließend ausgewertet ist. Aber ich habe, Ihrem Interesse folgend, eine Vorabauswertung mitgebracht.

Ich möchte zunächst darstellen, was das BKA nach dem Urteil gar nicht mehr tun kann. Zwei Normen des Bundeskriminalamtgesetzes hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 20. April für nichtig erklärt. Das heißt, diese Normen können gar nicht mehr angewendet werden.

Dabei handelt es sich zum einen um die Regelung zur Wohnraumüberwachung, allerdings lediglich bezogen auf die Überwachung der Wohnung von Kontakt- und Begleitpersonen. Das Verfassungsgericht hat hier eine Erstreckung der Norm unmittelbar auf Dritte als unverhältnismäßig angesehen. Die Angemessenheit einer Wohnraumüberwachung sieht das Bundesverfassungsgericht nur als gewahrt an, wenn sie von vornherein ausschließlich auf Gespräche der gefahrverantwortlichen Zielperson selber gerichtet ist. In dem Zusammenhang hat das Gericht gleichzeitig auch klargestellt, dass durch eine Wohnraumüberwachung in der Wohnung der Zielperson auch ganz unbeteiligte Dritte erfasst werden können, wenn dies unvermeidbar ist, und zur Überwachung der Zielperson sogar Wohnraumüberwachung in Wohnungen Dritter durchgeführt werden dürfen, wenn der konkretisierte Verdacht vorliegt, dass sich die Zielperson zur Zeit der Maßnahme in der Wohnung des Dritten aufhält.

Zum anderen ist die Regelung des 20v Abs. 6 Satz 5 BKA-Gesetz für nichtig erklärt worden. Diese Vorschrift hat ein Absehen von der Löschung der Daten auch nach Zweckerfüllung vorgesehen, soweit die Daten zur Verfolgung von Straftaten oder zur Verhütung oder Vorsorge für die künftige Verfolgung einer Straftat mit erheblicher Bedeutung erforderlich sind. Sie erlaubte nach Auffassung des Verfassungsgerichts die Speicherung der Daten im Hinblick auf eine Nutzung zu neuen, nur allgemein umschriebenen Zwecken, für die das BKA-Gesetz nach Auffassung des Verfassungsgerichts keine Ermächtigungsgrundlage enthält.

Diese beiden Vorschriften können gar nicht angewendet werden.

Einschränkungen gibt es bei einer ganzen Reihe von Maßnahmen. Die betreffenden Normen gelten mit den Maßgaben, die das Verfassungsgericht aufgestellt hat, fort und können mit diesen Maßgaben weiterhin angewendet werden. Um die Einhaltung dieser Maßgaben kümmert sich das BKA unmittelbar.

Das betrifft, erstens, die langfristige Observation, das Abhören oder Aufzeichnen des außerhalb von Wohnungen nicht öffentlich gesprochenen Wortes, den Einsatz von Vertrauenspersonen und den Einsatz verdeckter Ermittler. Diese Normen gelten mit der Maßgabe fort, dass sie nur durch ein Gericht angeordnet werden dürfen. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung einer entsprechenden Maßnahme durch die zuständige Abteilungsleitung im BKA oder deren Vertretung getroffen werden. In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

Soweit sich, zweitens, die Befugnisnormen des BKA auf die Straftatenverhütung im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus stützen, hat das Verfassungsgericht die Maßgabe bei der Auslegung der Norm aufgestellt, dass eine hinreichend konkretisierte Gefahr in dem Sinne vorliegen muss, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter bestehen. In Bezug auf terroristische Straftaten können verdeckte Ermittlungsmaßnahmen auch dann angeordnet werden, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, aber das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Dies sei etwa denkbar, wenn eine Person aus einem Ausbildungslager für Terroristen im Ausland in die Bundesrepublik einreist.

Drittens. Eine weitere Verwendung von Daten nach 20v Abs. 4 Satz 1 BKA-Gesetz oder eine Übermittlung nach 20v Abs. 5 und 14 Abs. 1 BKA-Gesetz aus Wohnraumüberwachungen ist nur bei Vorliegen einer dringenden Gefahr und aus Onlinedurchsuchungen nur bei Vorliegen einer im Einzelfall drohenden Gefahr für die jeweils maßgeblichen Rechtsgüter zulässig.

Ich bitte um Nachsicht, dass das ein langer und komplizierter Text war. Ich habe mich aber, weil er sehr detailreich ist, gezwungen gesehen, ihn ausnahmsweise zu verlesen.

Zusatzfrage: Können Sie sagen, wie viele Wohnraumüberwachungen jetzt gestoppt wurden?

Plate: Zu konkreten Ermittlungsmaßnahmen kann ich schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht Stellung nehmen. Sie laufen unter der Federführung der Justiz. Schon deshalb kann ich für die Exekutive während laufender Maßnahmen nichts dazu sagen.

Frage: Herr Malachowski, am Wochenende haben die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Union den Druck auf den Minister erhöht, beim Sexualstrafrecht noch nachzubessern. Meine erste Frage: Fühlt sich Herr Maas noch als Herr des Verfahrens oder als Getriebener?

Meine zweite Frage: Wann kann man mit solchen Nachbesserungen rechnen? Könnte er nicht jetzt gleich sagen, dass er das in dem Sinne nachbessert, "Nein bleibt nein" klarer ins Gesetz zu schreiben, um damit möglicherweise die Luft rauszulassen?

Malachowski: Voran gesagt: Der Minister hat in seiner Rede vergangenen Donnerstag anlässlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag sehr deutlich gemacht, dass die Verschärfung des Sexualstrafrechts notwendig ist, um eklatante Schutzlücken zu schließen, und dass wir alles tun müssen, um Frauen besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Er hat auch sehr deutlich gemacht, dass es dabei bleibt, dass wir als Ministerium für weitere Verschärfungen im parlamentarischen Verfahren offen sind.

Der Gesetzentwurf befindet sich gerade im parlamentarischen Verfahren. Also ist der Deutsche Bundestag derzeit, wenn man das so nennen will, Herr des Verfahrens. Ich nehme an, dass der Entwurf jetzt dem Rechtsausschuss zugeleitet und dass dort weiter darüber verhandelt wird. Das ist der derzeitige Stand.

Zusatzfrage: Ich mein, es war von einer Expertenkommission die Rede, die ihn berät. Wie kann man sich das vorstellen? Wie wird das miteinander synchronisiert?

Malachowski: In der Tat gibt es eine Expertenkommission, die, denke ich, bis Herbst dieses Jahres tagt. Dabei geht es aber um den gesamten 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches. Bei dem in Rede stehenden Gesetzentwurf geht es, meine ich, konkret um 177 und 179. Die Expertenkommission schaut sich hingegen den ganzen Abschnitt an.

Frage: Eine kurze Frage an Herrn Nannt zu deutschen Soldaten in Litauen beziehungsweise an der russischen Grenze. Ist unter den Modellen, die Sie prüfen, auch ein Modell, nach dem es möglich ist, dass Deutschland keine deutschen Soldaten nach Litauen schickt?

Nannt: Ich denke, das Thema ist am Freitag ausführlich behandelt worden. Ich habe zu Herrn Schäfers und Herrn Flosdorffs Aussagen am Freitag keine Ergänzungen zu machen.

Zusatzfrage: Sie sagten ja, dass das ein Modell ist, das Sie gerade prüfen. Dann muss es ja noch andere geben.

Können Sie uns den Unterschied zwischen einer dauerhaften Stationierung und einer dauerhaften Rotation erklären?

Nannt: Sie wiederholen gerade die Fragen von dem Kollegen vom Freitag.

Zuruf: Nein.

Nannt: Wie gesagt: Wir haben uns dazu ausführlich geäußert. Es gibt auch keine weiteren Punkte zu den Aussagen von Freitag, die ich jetzt ergänzen könnte.

Montag, 2. Mai 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 2. Mai 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/05/2016-05-02-regpk.html;jsessionid=8E2198B84775CD9EBDDA8773F4083D76.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2016

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