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PRESSEKONFERENZ/1197: Regierungspressekonferenz vom 13. April 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut

Mitschrift Pressekonferenz - Mittwoch, 13. April 2016
Regierungspressekonferenz vom 13. April 2016

Themen: Kabinettssitzung (Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-Mission EUTM Mali und der Operation EUNAVFOR ATALANTA, Gesetzentwurf zur Änderung des GAK-Gesetzes, Gesetzentwurf zur Änderung des Wiener Übereinkommens, Nationales Reformprogramm 2016, Stabilitätsprogramm 2016, strategische Sozialberichterstattung 2016, Flucht und Migration - aktueller Stand bei der Rückkehr/Rückführung von Ausreisepflichtigen), Äußerungen von Jan Böhmermann und anderen über den türkischen Präsidenten, Entwicklung der Lage um eine in Russland verurteilte ukrainische Hubschrauberpilotin, islamischer Extremismus in der Bundeswehr, Forderung des Generalsekretärs der CSU nach Einführung eines Islamgesetzes, Vorschlag zur Beweislastumkehr im Rahmen einer verbesserten Bekämpfung organisierter Kriminalität, Wiederaufnahme der Prüfrunde über die Erfüllung der Auflagen im Zuge des Hilfsprogramms für Griechenland, Zehn-Punkte-Plan des Bundesfinanzministers gegen Steuerbetrug, Parlamentswahlen in Syrien, Flüchtlings- und Asylpolitik, Soforthilfe für Libyen, Rentenniveau

Sprecher: StS Seibert, Baer-Henney (BMJV), Dimroth (BMI), Schäfer (AA), Susteck (BMVI), Nannt (BMVg), Jäger (BMF), Daldrup (BMAS)


Vors. Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, zunächst habe ich Ihnen, was die Kabinettssitzung anbelangt, über den Beschluss der Bundesregierung zu berichten, zwei Beteiligungen bewaffneter deutscher Streitkräfte an EU-Missionen zu verlängern. Es geht um die EU-geführte Ausbildungs- und Beratungsmission in Mali sowie die EU-geführte Anti-Piraterie Operation ATALANTA vor Somalia. Beide Mandate sollen bis zum 31. Mai 2017 verlängert werden und stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestages.

Kurz ein paar Worte zu Mali:

Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Stabilisierung Malis von zentraler Bedeutung für die Sicherheit und die humanitäre Lage in Westafrika, in Libyen und bei den Nachbarn in der Region. Das bleibt also Schwerpunkt des deutschen Engagements in der Sahel-Region und ist überhaupt eine zentrale Aufgabe unserer Afrikapolitik.

Seit Beginn der internationalen Bemühungen konnte erreicht werden, dass 80 Prozent der Binnenvertriebenen in Mali an ihre Heimatorte zurückgekehrt sind. Vollständig ist aber der ungehinderte Zugang zu allen Regionen für die humanitäre Hilfe und auch für die Entwicklungszusammenarbeit noch nicht gewährleistet. Wir haben unverändert ein großes Interesse daran, Terrorismus, organisierte Kriminalität und Verarmung zu bekämpfen. Das sind alles Phänomene, die mittelfristig auch starke Auswirkungen auf Europa haben können. Deswegen gehen wir mit europäischen und internationalen Partnern dagegen vor. Mit der deutschen Beteiligung an der Ausbildung der malischen Streitkräfte wird ein erheblicher Beitrag zur Wahrung der territorialen Einheit und zum Ausbau tragfähiger staatlicher Sicherheitsvorsorge in Mali geleistet.

Der Einsatz ist nach dem EU-Ratsbeschluss vom März dieses Jahres in den Kernaufgaben der Mission weiterentwickelt worden. Ein Schwerpunkt ist es künftig, die malischen Streitkräfte auch dezentral auszubilden. Bisher fand das in der Nähe der Hauptstadt Bamako in Koulikoro statt. Jetzt wird das Missionsgebiet bis zum Nigerbogen einschließlich der Städte Gao und Timbuktu ausgeweitet. Damit tragen wir dem gegenwärtigen malischen Bedarf besser Rechnung, denn das sind Städte, die ihrerseits wichtige Stationierungsorte für die malischen Streitkräfte sind.

Der planmäßige Führungswechsel in der Mission von Deutschland an Belgien, der ab Juli 2016 erfolgt, lässt für unsere deutschen Kräfte eine Konzentration auf den Ausbildungsauftrag zu. Das ermöglicht, dass die Personalobergrenze für diesen Einsatz von bisher 350 auf künftig 300 deutsche Soldatinnen und Soldaten verringert wird.

Ein paar Worte zu ATALANTA, der Mission vor der somalischen Küste:

Auch künftig unverändert ist hier Hauptauftrag die Pirateriebekämpfung und der Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms und der Mission AMISOM der Afrikanischen Union. Der letzte Entführungsfall eines Handelsschiffs am Horn von Afrika liegt nun schon vier Jahre zurück. Das ist ein Erfolg genau dieser dauerhaften Präsenz internationaler Seestreitkräfte in der Region. Mit dem deutschen Beitrag wird der umfassende strategische Ansatz der EU für das Horn von Afrika unterstrichen. Es ist eine sinnvolle Ergänzung der deutschen Beteiligung an anderen Missionen: der Ausbildungs- und Beratungsmissionen EUCAP NESTOR und EUTM Somalia sowie weiterer Instrumente unserer Außenpolitik in der Region. Unser vorrangiges Ziel am Horn von Afrika bleibt es, afrikanische Eigenverantwortung zu stärken und die afrikanischen Partner bei dem Aufbau eigener und auch selbsttragender Fähigkeiten zur Krisenbewältigung zu unterstützen.

Erstmals hat die EU auch auf Anregung der Bundesregierung eine grundlegende strategische Überprüfung dieser Mission ATALANTA vorgenommen. Im Ergebnis haben sich die Mitgliedstaaten darauf geeinigt, das EU-Mandat ATALANTA weiter zu verlängern, aber die militärische Präsenz im Seegebiet zu reduzieren und sie flexibel an Schwankungen der Pirateriebedrohung anzupassen. Vor diesem Hintergrund wird bei diesem Mandat die Personalobergrenze für die deutsche Beteiligung von bisher 950 auf 600 Soldatinnen und Soldaten abgesenkt.

Nächster Punkt im Kabinett war der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des GAK-Gesetzes. GAK, falls Sie es nicht wussten, ist die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.

Zur Verbesserung der Agrarstruktur ist es erforderlich, die ländlichen Räume in ihrer Gesamtheit integriert als Lebens-, Wirtschafts-, Erholungs- und Naturräume zu sichern und weiter zu entwickeln. Die Fördermaßnahmen, die in diesem Gesetz bisher enthalten sind, reichen nicht mehr aus, die Ziele zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in diesen ländlichen Räumen zu erreichen. Die Sicherung der Leistungsfähigkeit ländlicher Gebiete wird deshalb als Ziel der GAK-Förderung neu aufgenommen. Neben den bestehenden Maßnahmen einer markt- und standortangepassten Landbewirtschaftung wird es in Zukunft auch um eine umweltgerechte Vorgehensweise gehen.

Jetzt kommt etwas, was sich vielleicht aus dem Titel in seiner Bedeutung noch nicht ganz erschließt, aber von großer Bedeutung ist: Das ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Artikel 8 und 39 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr. Dieses sogenannte Wiener Übereinkommen ist der völkerrechtliche Vertrag, der den Straßenverkehr durch internationale Standardisierung der Verkehrsregeln sicherer machen sollte.

Als dieser 1968 beschlossen wurde, hat man vorgesehen, dass jedes Fahrzeug einen Fahrzeugführer haben muss, der das Fahrzeug zu jedem Zeitpunkt beherrscht - anderes war damals, 1968, vermutlich auch nicht vorstellbar. Mit Hinblick auf assistiertes und in der Zukunft vielleicht auch immer mehr automatisiertes Fahren ist jetzt allerdings eine Veränderung notwendig. Deswegen sieht die Änderung vor, dass Systeme, welche die Führung eines Fahrzeugs beeinflussen, als zulässig erachtet werden. Voraussetzung ist, dass diese Systeme den einschlägigen technischen Regelungen der Vereinten Nationen entsprechen oder dass sie so gestaltet sind, dass der Fahrer sie jederzeit übersteuern oder abschalten kann. Diese Änderung sorgt damit für mehr Rechtssicherheit - sowohl im Hinblick auf schon im Verkehr befindliche Assistenz oder automatisierte Systeme als auch auf deren Entwicklung.

Die Bundesregierung hat heute das Nationale Reformprogramm 2016 beschlossen. Darin stellt sie die Strukturreformen vor, die wir im kommenden Jahr zu ergreifen beabsichtigen. Es ist die Antwort der Bundesregierung auf die Europäische Kommission, die ihre Sicht im Länderbericht vom 26. Februar dieses Jahres dargestellt hatte.

Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Kommission, dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss kein übermäßiges Ungleichgewicht darstellt. Ein großer Teil dieses Überschusses ist durch Faktoren begründet, die kurzfristig kaum durch wirtschafts- oder finanzpolitische Maßnahmen in Deutschland beeinflusst werden können. Ich nenne den günstigen Kurs des Euro, die niedrigen Rohstoffpreise, aber auch ganz fundamentale Faktoren wie die demografische Entwicklung.

Die Bundesregierung richtet ihre Wirtschaftspolitik auf nachhaltiges Wachstum und Investitionen aus. Dieses Nationale Reformprogramm enthält eine Auflistung der von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen. Erwähnen möchte ich die deutlich erhöhten Investitionen des Bundes, die Entlastung der Länder und Kommunen, um deren Investitionsspielraum zu erhöhen, die besonderen Anstrengungen, die die Bundesregierung übernimmt, um die privaten Investitionen zu fördern und die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen.

Das Kabinett hat heute die Aktualisierung des deutschen Stabilitätsprogramms beschlossen. Deutschland hat seine öffentlichen Finanzen auf ein solides Fundament gestellt. Der Staatshaushalt, also der aggregierte Haushalt von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen, ist jetzt schon das vierte Jahr in Folge annähernd ausgeglichen. Deutschland hält die nationalen wie die europäischen Fiskalregeln voll ein. Auch in den kommenden Jahren erwarten wir nach der mit diesem Stabilitätsprogramm nun vorgelegten Projektion einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Dazu leistet der Bund seinen wesentlichen Beitrag, indem er für dieses Jahr einen ausgeglichenen Haushalt aufgestellt hat und auch mittelfristig bis 2020 weiterhin keine neuen Schulden plant. Die Schuldenstandsquote ist 2015 gegenüber dem Vorjahr um 3,5 Prozentpunkte auf 71,2 Prozent des Bruttosozialprodukts gesunken. Sie sinkt nach der Prognose bis 2020 auch erstmals wieder unter die 60-Prozent-Grenze. Damit wird ein wichtiges Ziel des Koalitionsvertrags erreicht.

Die Bundesregierung investiert in den nächsten Jahren mehr in Forschung, Bildung, und Infrastruktur. Daneben steigen auch die Ausgaben für die Versorgung und Integration von Flüchtlingen, sodass man sagen kann: Die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten. Wir halten deshalb an einer verlässlichen, wachstumsorientierten Finanzpolitik mit einem hohen Maß an Ausgabendisziplin fest. Das stärkt das Vertrauen der Bürger, das stärkt auch das Vertrauen der Unternehmen in unserem Land und trägt so zum wirtschaftlichen Aufwärtstrend und zur Stabilität in Europa bei.

Die Bundesarbeits- und Sozialministerin hat dem Kabinett den strategischen Sozialbericht 2016 vorgelegt, was ebenfalls einmal im Jahr geschieht. Das ist ein Bericht über Entwicklungen und Reformen im Sozialbereich, der an die Europäische Kommission geht. Speziell geht es darum, welche Ziele der Strategie Europa 2020 in Bezug auf Armutsbekämpfung, Inklusion, Rente, Gesundheit, Langzeitpflege erreicht werden konnten. Der Bericht umfasst den Zeitraum Mai des vergangenen bis April dieses Jahres.

Ich will es kurz machen, weil es ein paar Überschneidungen mit den anderen Themen, die ich Ihnen vorgetragen habe, gibt:

Deutschland befindet sich weiter auf einem soliden Wachstumskurs. Wir haben mit 43 Millionen Euro Erwerbstätigen im Jahresdurchschnitt 2015 einen neuen Höchststand erreicht; vor allem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat zugelegt. Dem gegenüber war im Jahresdurchschnitt 2015 mit 2,8 Millionen Arbeitslosen ein Niedrigstand seit 1991 erreicht. Für die Ziele der Strategie Europa 2020 gilt als Vergleichsjahr 2008. Daran gemessen hat Deutschland bestimmte Ziele schon jetzt erreicht oder übertroffen. Ich nenne nur drei: Die Langzeitarbeitslosigkeit konnte seit 2008 um 43 Prozent gesenkt werden - das Ziel lag bei einer Senkung von 20 Prozent -; die Erwerbsbeteiligung von Frauen konnte, wie angestrebt, auf 73 Prozent gesteigert werden; die Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen liegt aktuell bei etwa 66 Prozent und damit sechs Prozentpunkte über dem nationalen Ziel.

Ich denke, weitere Fragen, die Sie dazu haben, könnten wir beantworten. Ich kürze das aber hier jetzt doch ab.

Zuletzt aus dem Kabinett der ständige Kabinettstagesordnungspunkt Flucht und Migration. Heute ging es im Schwerpunkt in einem Bericht des Bundesinnen- und des Bundeaußenministers um das Thema aktueller Stand bei der Rückkehr/Rückführung von Ausreisepflichtigen.

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Wenn unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Schutz in Deutschland oder ein Aufenthaltsrecht aus sonstigen Gründen besteht, muss eine zügige Ausreise beziehungsweise Rückführung von Asylantragstellern gewährleistet werden. Für den Vollzug dieser Ausreisepflicht sind die Länder zuständig. Der Bund unterstützt sie dabei, so zum Beispiel, indem er mit dem Herkunftsstaaten verhandelt. Die Bundesregierung hat auch gesetzliche Neuregelungen geschaffen, die Abschiebungshindernisse abbauen. Es wurden eine Reihe von administrativen und praktischen Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel seit Jahresbeginn eine neue Organisationseinheit beim Bundespolizeipräsidium, die Passersatzbeschaffung als Spezialfeld hat, die also den Ausländerbehörden bei der Beschaffung von Ersatzheimreisedokumenten für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer in Problemfällen hilft. Schließlich hat sich auch der Bund bereiterklärt, personelle Unterstützung zu leisten.

2014 waren es 13 Menschen, die abgeschoben wurden. Die Zahl ist im Jahr 2015 auf 22 gestiegen. Für 2016 lässt sich schon sagen, dass es in den ersten beiden Monaten fast 4500 Rückführungen gab. Das ist im Vergleich zum Zeitraum des letzten Jahres mehr als eine Verdoppelung. Sehr wichtig ist auch die Zahl der freiwilligen Rückkehrer. Das waren 2014 Menschen, die freiwillig mit Hilfe von Rückkehrprogrammen ausgereist sind. 2015 steigerte sich die Zahl auf 37 freiwillige Rückkehrer. Bis Ende März dieses Jahres, also in den ersten drei Monaten dieses Jahres, waren es bereits über 14 000. Damit sind wir auf dem richtigen Weg. Allerdings müssen wir bei der Rückführung von Migranten ohne Bleibeperspektive insgesamt noch erfolgreicher werden.

Nach wie vor bestehen beim Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen für Personen ohne Bleiberecht erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten. Das gilt für die fehlende Mitwirkung der Ausreisepflichtigen, für die mangelnde Kooperation von Herkunftsstaaten bei der Ausstellung von Passersatzpapieren. Die schon jetzt sehr große Zahl von Ausreisepflichtigen - vor allem bei Staaten, die eine sehr geringe Schutzquote hier haben -, wird noch erheblich steigen, wenn das BAMF, wie es zu erwarten ist, die ganz überwiegende Zahl der Anträge von Personen aus diesen Herkunftsstaaten abgelehnt hat. Darauf müssen die Länder eingestellt sein. Wir brauchen also insbesondere dort größere Rückführungsanstrengungen als bisher.

Soweit mein Bericht aus dem Kabinett.

Vors. Szent-Iványi: Herzlichen Dank! Ich würde gerne ob der Zeit das Thema vorziehen, das, glaube ich, viele interessiert, nämlich Böhmermann/Türkei.

Frage: War das Thema im Kabinett, und gibt es eine Entscheidung?

StS Seibert: In der Kabinettssitzung selbst, war das kein Thema. Die Prüfung der türkischen Verbalnote und des sich daraus ergebenden weiteren Vorgehens dauert noch an. Ich hatte Ihnen am Montag gesagt, das werde ein paar Tage dauern, keine Wochen. Und das gilt. Ich bitte also noch um ein wenig Geduld.

Zusatzfrage: Wird das heute Abend im Kanzleramt Thema sein?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Befassung mit diesem Thema liegt im Wesentlichen und unter anderem auf Ebene der Staatssekretäre des Auswärtigen Amtes, des Bundesjustizministeriums und auch des Abteilungsleiters Ausland im Bundeskanzleramt. Aber natürlich sind auch Mitglieder der Bundesregierung darüber miteinander und auch mit der Bundeskanzlerin im Gespräch.

Frage: Nur die kurze Nachfrage: Sie sagten eben, im Kabinett selbst war es nicht Thema. Das regt natürlich zur Nachfrage an.

StS Seibert: Wie ich es gerade gemeint habe: Im Wesentlichen finden die Beratungen auf Ebene der Staatssekretäre statt. Aber natürlich sind auch Mitglieder der Bundesregierung darüber miteinander im Gespräch. Es war aber kein Thema im Kabinett.

Frage: Herr Seibert, wer entscheidet schlussendlich? Die Kanzlerin?

Frau Baer-Henney, hat der Bundesjustizminister vielleicht schon eine Strafrechtsreform vor? Ich denke an die Abschaffung des Schah-Paragrafen.

Baer-Henney: Es gibt einen Vorschlag aus einer der Regierungsfraktionen zu einer möglichen Abschaffung von § 103 StGB. Das ist aber ein Vorschlag, der innerhalb der Regierungsfraktionen sicherlich diskutiert wird. Man ist darüber im Gespräch. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es gibt keinen Vorstoß des Bundesjustizministers.

StS Seibert: Zu Ihrer Frage: Es wird eine Entscheidung der Bundesregierung herbeigeführt. Ich will es noch einmal sagen: Das wird keine Entscheidung über die Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit oder deren Grenzen sein. So etwas tut hierzulande nur die unabhängige Justiz.

Frage: Eine Lernfrage an das BMI: Kommt der Polizeischutz für Herrn Böhmermann eigentlich vonseiten des Landes - ich glaube, das ist NRW - oder vonseiten des Bundes?

Dimroth: Ich kann Ihnen nur sagen, dass er nicht vonseiten des Bundes kommt. Ich vermute, er kommt vonseiten Nordrhein-Westfalens. Für solche Fragen wären auch jeweils das zuständige Bundesland und die dort angesiedelten Polizeibehörden zuständig.

Zusatzfrage : Haben Sie Informationen darüber, ob der Polizeischutz verstärkt wurde, nachdem Herr Diekmann ein lustiges Böhmermann-Interview verfasst hat, was die Böhmermann-Gegner vielleicht missverstehen könnten?

Dimroth: Darüber habe ich leider keine Informationen. Sie müssten tatsächlich beim zuständigen Land Nordrhein-Westfalen nachfragen.

Frage : Frau Baer-Henney, begrüßt der Minister entsprechende Initiativen aus Reihen der SPD-Fraktion, eben diesen Paragrafen, aber vielleicht auch darüber hinausgehend weitere Paragrafen ähnlicher Art - die Beleidigung des Bundespräsidenten ist ja auch ein Spezialstraftatbestand - (zu streichen)? Es gab auch Debatten rund um den Landesverratsparagrafen und ob man diesbezüglich irgendwann einmal eine Klarstellung vornimmt. Begrüßt der Minister diese Initiative, und hat er eigene Pläne, in einem dieser Bereiche tätig zu werden?

Baer-Henney: Ich habe ja gerade schon gesagt: Es gibt keine Pläne des Ministers, in diesem Bereich speziell vorzugehen. Ich habe auch dem Weiteren, das ich gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Es wird darüber sicher Gespräche geben. Es gibt jetzt einen Vorschlag aus einer der Regierungsfraktionen. Das Weitere bleibt abzuwarten.

Frage: Trotzdem eine Nachfrage dazu: Man konnte den Vorschlag gestern auch so verstehen, dass er schon mit Wirkung für diesen konkreten Fall gelten sollte. Wäre das denn aus grundsätzlichen Erwägungen überhaupt denkbar?

Baer-Henney: Die Frage ist zunächst, wie lange so ein Gesetzentwurf dauern würde, bis ein potenzieller diskutierter und überhaupt noch nicht konkretisierter und auch gar nicht - - Das ist jetzt allein eine Hypothese. Auch da wäre die weitere Hypothese: Wie lange dauert es, bis so etwas das Gesetzgebungsverfahren passiert hat?

Zu der Länge möchte ich mich eigentlich gar nicht äußern. Es gibt eine Norm im Strafgesetzbuch, die über die Gültigkeit von Strafgesetzen aussagt: Wenn innerhalb eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens eine Norm geändert wird, gilt zum Zeitpunkt der Entscheidung das mildeste Gesetz, das gilt. Das wäre hier aber rein hypothetisch. Wir wissen nicht, ob es überhaupt jemals einen Gesetzentwurf zur Änderung einer bestehenden Norm gibt, wie lange das Verfahren dauern würde und ob das dann auf dieses Verfahren Auswirkungen hätte. Das wäre eine Hypothese der Hypothese.

Zusatz: Ich meinte eher in die andere Richtung, ob es denkbar wäre, einen Strafrechtsparagrafen im Hinblick auf einen konkreten Fall zu ändern oder abzuschaffen.

Baer-Henney: Grundsätzlich sind Gesetzesänderungen immer möglich. Zu dem konkreten Fall kann ich, wie gesagt, nichts sagen.

Frage: Meine Frage geht in die gleiche Richtung. Zur Klarstellung: Die Norm verstehe ich so: Selbst wenn morgen hypothetisch die beiden Paragrafen geändert oder abgeschafft werden würden - da sie zum Zeitpunkt des Eintreffens des Begehrens der türkischen Regierung in Kraft waren, würden sie als Handlungsgrundlage gelten müssen. Verstehe ich das richtig?

Baer-Henney: Nein. Ich kann die Norm noch einmal vorlesen. § 2 Absatz 3 StGB sagt:

"Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden."

Das wäre also die Norm, die bei möglichen Gesetzesänderungen einschlägig ist. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Das ist aber, wie gesagt, so hypothetisch, dass ich das auf den konkreten Fall nicht anwenden möchte.

Zusatzfrage JESSEN: Bedeutet die Entscheidung in diesem Fall die Entscheidung des Gerichts oder würde sich das auch auf die zu treffende Entscheidung der Bundesregierung beziehen?

Baer-Henney: Nein, das meint die verfahrensabschließende Entscheidung. Das kann natürlich auch eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft und nicht nur des Gerichts sein.

Frage: Herr Seibert, berücksichtigt die Bundesregierung während ihres Prüfungsverfahrens die Debatte um die Abschaffung dieses § 103 StGB? Anders gefragt: Ist es für die Bundesregierung beziehungsweise die Kanzlerin überhaupt eine politische Option, sich auf diese Art und Weise dieses Themas zu entledigen?

StS Seibert: Das Gesetz eröffnet der Bundesregierung einen Ermessensspielraum in der Frage, ob eine Strafverfolgungsermächtigung gemäß § 103 StGB zu erteilen ist oder nicht. Im Rahmen dieses Ermessens sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: Prinzipien der Rechtstaatlichkeit, völkerrechtliche, auch außenpolitische Belange. Wie ich gesagt habe: Es geht nicht um eine Bewertung in der Sache, das heißt, ob die Pressefreiheit verletzt wurde oder nicht. Das ist alles, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Ich würde gerne, weil ich heute bereits mehrere Anfragen hatte, welche Rolle das Verhältnis Deutschlands zur Türkei in dieser ganzen Frage spielt, vielleicht etwas dazu sagen:

Die Kanzlerin hat gestern noch einmal unmissverständlich klargemacht - auch ich hatte mich hier am Montag im gleichen Sinne geäußert -: Ja, wir halten es für wichtig, dass das Abkommen zwischen der EU und der Türkei über Flüchtlingsfragen umgesetzt wird. Ja, wir - Deutschland wie auch die Türkei selber - haben ein Interesse daran, dass diese Umsetzung gelingt und dass sich die Tendenz zur stark abnehmenden illegalen Migration über die Ägäis fortsetzt. Aber ganz unabhängig davon steht unser klares Bekenntnis zu Artikel 5 unseres Grundgesetzes, zur Freiheit der Meinung, der Wissenschaft und der Kunst. Dieses Grundgesetz - das hat die Bundeskanzlerin ja ganz klar gesagt - ist nicht verhandelbar - nicht nach innen und nicht nach außen. Ebenso klar ist unser Bekenntnis, dass diese Freiheit auch beim Partner Türkei gelten sollte und dass Entwicklungen der letzten Zeit uns da durchaus Sorgen machen.

Vielleicht ist bekannt, dass ich zusammen mit dem außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin, Herrn Heusgen, am Montagnachmittag ein Gespräch mit Vertretern von "Reporter ohne Grenzen" und mit Frau Dilek Dündar, der Ehefrau des Chefredakteurs der Zeitung "Cumhuriyet", geführt habe. Er steht zusammen mit dem Hauptstadtbüroleiter seiner Zeitung in der Türkei vor Gericht. Unsere Gesprächspartner haben uns dargelegt, wie sich aus ihrer Sicht die Situation für Medien, für kritische Journalisten, für die Pressefreiheit insgesamt in der Türkei verschlechtert habe.

Wir haben für die Bundesregierung noch einmal den hohen Stellenwert bekräftigt, den die Meinungs- und Pressefreiheit bei uns hat und nicht nur in Deutschland, sondern auch in unseren Partnerländern haben sollte und dass dies gerade auch in Kontakten zwischen der deutschen und der türkischen Regierung seit vielen Jahren immer wieder ein Thema ist.

Zusatzfrage: Darf ich eine Nachfrage stellen, weil Sie meine Frage nicht beantwortet haben? Ich versuche es noch einmal auf einem dritten Weg: Können wir davon ausgehen, dass die Bundessregierung eine Entscheidung auf Grundlage des bestehenden § 103 treffen wird, bevor der möglicherweise abgeschafft werden wird?

StS Seibert: Die Bundesregierung, drückt sich nicht um eine Entscheidung über die Reaktion auf die türkische Verbalnote. Diese Entscheidung wird getroffen.

Frage: Herr Seibert, muss die Bundesregierung nicht vor einer möglichen Wahl von Donald Trump als US-Präsident den Majestätsbeleidigungsparagrafen abschaffen? Denn dann würden deutsche Satiriker doch mächtig in Angst leben müssen.

StS Seibert: Ich möchte mich hier für die Bundesregierung mit Ihren Hypothesen zum Ausgang der US-Wahl wirklich nicht befassen; haben Sie Verständnis dafür.

Zusatzfrage: Sind denn die Majestätsbeleidigungsparagrafen und der Gotteslästerungsparagraf für die Bundesregierung noch zeitgemäß? Ich weiß, dass die aktuell gelten; das ist für Sie wichtig. Aber ist es für Sie noch zeitgemäß, dass es in Deutschland strafbar ist, Gotteslästerung zu machen und Staatsoberhäupter zu beleidigen?

StS Seibert: Ich sehe hier keinen Grund, beides miteinander zu vermengen. Über die Zukunft des § 103 hat die Kollegin aus dem Justizministerium gesagt: Es gibt aus dem parteipolitischen Raum Gedanken, Anregungen und Forderungen. Wenn es darüber eine Diskussion geben soll, dann wird man die führen.

Frage: Hätte im inkriminierten Gedicht "Netanjahu" statt "Erdogan" gestanden, hätte die Bundesregierung das Gedicht dann nicht als antisemitisch qualifiziert und wäre dementsprechend gegen den Urheber, also den Dichter, vorgegangen?

StS Seibert: Ich möchte mich auch nicht mit diesen konjunktivischen Möglichkeiten befassen. Dafür gibt es für die Bundesregierung auch überhaupt keinen Grund. Es gibt eine Verbalnote der Türkei an das Auswärtige Amt, die sich auf ein ganz konkretes Gedicht in einer ganz konkreten ZDF-Sendung bezieht und mit der nun umzugehen ist. Die Prüfung dessen, wie damit umzugehen ist, dauert innerhalb der Bundesregierung noch an.

Zusatzfrage : Ich möchte das einmal verstehen. Betrachten Sie dieses Gedicht als rassistisch?

StS Seibert: Es ist nicht an der Bundesregierung, solche Urteile vorzunehmen oder zu fragen, ob Grenzen der Freiheit der Meinungsäußerung überschritten worden sind oder nicht. Das macht, wie ich vorhin gesagt habe, in Deutschland ausschließlich die unabhängige Justiz.

Frage : Ich hätte eine Frage an Herrn Schäfer. Gestern wurde aus dem Umfeld von Herrn Steinmeier der Satz zitiert: "Wir sind skeptisch, ob das Strafrecht der richtige Weg sein kann". Könnten Sie das erklären?

Dann habe ich noch eine ganz kurze Frage an Herrn Seibert zur Reise der Kanzlerin in die Türkei beziehungsweise zumindest zum Datum. Es wurde ja gesagt, es sei nicht klar, was da passieren werde oder ob das nicht passieren werde. Ist klar, dass sie nicht in die Türkei fahren wird?

Schäfer: Bevor ich diese Frage beantworte, vielleicht nur ein kleines Bonmot aus der langen, wenn auch nicht sonderlich zahlreichen Geschichte des § 103, vielleicht noch etwas Futter hinsichtlich seiner Frage nach dem Thema "Donald Trump" gibt: Ich meine mich zu erinnern, dass es vor einigen Jahren einmal einen Fall gab, in dem - ich weiß nicht, ob auf dem Wege der Satire oder auf andere Art und Weise - der amerikanische Präsident Bush beleidigt worden ist. In diesem Zusammenhang ist es in der Tat zu der Frage gekommen, ob der § 103 einschlägig sein könnte. Die Antwort war, dass eine der Voraussetzungen des § 104a, nämlich die der Gegenseitigkeit einer Strafbarkeit einer gleichen Tat in den Vereinigten Staaten von Amerika, nicht gegeben war. Insofern können Sie daraus ableiten, wenn das immer noch so sein sollte, was ich annehme, was das für eine mögliche Beleidigung eines amerikanischen Präsidenten Donald Trump bedeuten würde.

Jetzt wollte ich noch Ihre Frage beantworten.

Zusatzfrage : Das ist nett. - Sind Sie skeptisch, ob das Strafrecht der richtige Weg sein könnte? Das wurde aus dem Umfeld zitiert, und ich habe das nicht ganz verstanden, weil das Strafrecht ja am Ende unabhängig von § 103 gilt. Es gibt ja auch noch den berühmten § 185.

Schäfer: Wir haben es ja über das Wochenende hinweg und in den letzten Tagen mit einer unglaublich intensiven, engagierten, lebendigen Debatte über die Fragen der Satire, der Grundrechte, der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Kunstfreiheit zu tun. Das, was dazu gestern aus dem Auswärtigen Amt gesagt worden ist, bedeutet einfach: Diese Debatte ist uns wichtig. Die finden wir im Auswärtigen Amt sehr wichtig. Aber mit dem Strafrecht und den Mitteln des Strafrechts kann man, so glauben wir, vielleicht nicht unbedingt all die Fragen, die Sie in diesem Zusammenhang stellen, wirklich abschließend beantworten.

Zusatzfrage : Dürfen wir das so interpretieren, dass es vom Außenamt eigentlich eher erwünscht wäre, wenn man nicht nach § 103 ermächtigen würde?

Schäfer: Nein, das können Sie nicht so interpretieren.

StS Seibert: Frau Ulrich, ich bin jetzt über die letzten Tage und Wochen hinweg ein halbes Dutzend Mal immer wieder nach dieser Reise am 16. April gefragt worden und habe diesen Termin nie bestätigt. Genau das ist auch immer noch der Sachstand. Es wird am 16. April, also an diesem Samstag, keine Reise der Bundeskanzlerin in die Türkei geben. Wir bleiben bei dem, wie wir es hier immer ganz erfolgreich gehalten haben: Wir informieren Sie rechtzeitig und spätestens am Freitag der Vorwoche über Reisepläne und öffentliche Auftritte der Bundeskanzlerin.

Zusatz : Also nicht vor dem 16., und danach warten wir dann auf Ihre Ankündigung.

StS Seibert: Das wäre gut.

Frage: Frau Baer-Henney, habe ich Sie richtig verstanden, dass die von Ihnen vorhin zitierte Norm besagt, dass im Falle einer Veränderung der Rechtsnormen im laufenden Verfahren die mildeste Variante anzuwenden sei? Was bedeutet das für den Fall, dass eine Rechtsnorm abgeschafft wird? Wenn es keinen § 103 und keinen § 104a mehr gäbe, dann wäre doch die mildeste Form logischerweise eigentlich, dass das Verfahren einzustellen wäre, weil es keine Rechtsnorm mehr dafür gäbe. Sehe ich das richtig? Könnte ein Verfahren beginnen, und wenn im Laufe des Verfahrens die Paragrafen abgeschafft werden, dann gäbe es dieses Verfahren nicht mehr? Richtig?

Baer-Henney: Ja, das ist durchaus denkbar.

Frage : Herr Seibert, spielt bei den Abwägungen eigentlich eine Rolle, dass sich Herr Erdogan jetzt auch als Privatperson an das Gericht gewandt hat, also dass man jetzt sozusagen zwei Wege hat?

StS Seibert: Ich habe Ihnen einige Stichworte dazu gesagt, was dabei eine Rolle spielt. Wir haben über eine ganz konkrete Verbalnote des türkischen Botschafters an das Auswärtige Amt zu entscheiden. In dieser Verbalnote ist ein förmliches Verlangen der Türkei nach Strafverfolgung enthalten, und darüber ist zu entscheiden.

Zusatzfrage: Ja, das sind die Fakten. Meine Frage war aber, ob das in Ihre Entscheidung einfließt.

StS Seibert: Ich habe Ihnen ein paar Stichworte dazu, was alles in die Entscheidung einfließt, genannt, und ich glaube, "Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit", "außenpolitische Belange" und "völkerrechtliche Belange" muss jetzt reichen.

Frage: Weil Herr Schäfer eben das Prinzip der Gegenseitigkeit angesprochen hat: Hat die Bundesregierung denn Erkenntnisse darüber, ob es in der Türkei - wenn ja, inwiefern - einen entsprechenden Paragrafen gibt, der exakt eine ähnliche Äußerung auch unter Strafe stellen würde?

Schäfer: Ist die Frage an mich gerichtet?

Zusatz: Sie ist logischerweise an Sie oder an Frau Baer-Henney gerichtet.

Schäfer: So, wie das deutsche Strafrecht und die einschlägigen Straftatbestände formuliert sind, ist es jetzt nicht an der Bundesregierung, ein solches Urteil zu fällen, sondern an der unabhängigen Justiz, wenn es denn zu einer solchen Ermittlung käme. Aber ich halte es für möglich, dass es - anders als im Falle der Vereinigten Staaten von Amerika - eine solche Gegenseitigkeit gibt.

Frage : Herr Schäfer, was wäre denn aus Sicht des Ministers oder des Auswärtigen Amtes der richtige Weg?

Schäfer: Ich habe dem, was ich gerade eben gesagt habe, eigentlich gar nicht recht etwas hinzuzufügen. Ich glaube, wir haben alle gemeinsam erlebt - durch die veröffentlichte Meinung und die interessierten Teilnehmer an dieser Debatte, die ja sehr kontrovers gewesen ist, sowohl in ihrem Tenor als auch in den Vorschlägen an die Bundesregierung, die da gemacht worden sind -, dass wir glücklicherweise in einer Gesellschaft und in einem Staat leben, in dem eine solch lebendige Diskussionskultur existieren kann, in dem eben niemand unter irgendwelchen Drohungen steht, sondern jeder frei von der Leber weg seine Meinung über die Grenzen der Meinungs-, Presse- und Satire-Freiheit sowie über das, was Herr Böhmermann da am 31. März gemacht hat, äußern kann. Das ist als Tatsache an sich aus meiner Sicht schon einmal etwas sehr Schönes, das es nicht in vielen Ländern der Welt in dieser Weise geben würde.

Zusatzfrage : Herr Seibert, auch wenn Sie das Gedicht nicht als rassistisch einstufen wollen, sagen Sie ja trotzdem, dass es bewusst verletzend war. Was macht es denn bewusst verletzend?

StS Seibert: Sie waren ja bei allen Pressekonferenzen seit der letzten Woche dabei, wenn ich mich recht erinnere. Wie könnte ich es vergessen? Deswegen glaube ich, die Antwort ist mehrfach gegeben worden. Ich habe am Montag der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass Herr Böhmermann selbst in seiner Einleitung quasi eine bewusste Überschreitung von Grenzen ankündigt. Genau das ist der Grund. Das ist auch das, worauf die Bundeskanzlerin mit ihrer Äußerung "bewusst verletzend" abgestellt hat. Das entscheidende Wort dabei ist "bewusst". Das ist eine bewusst angekündigte Überschreitung von Grenzen.

Im Übrigen mache ich keine weiteren Aussagen, die irgendwie eine rechtliche Bewertung dieses Gedichts vornehmen. Das ist überhaupt nicht die Rolle der Bundesregierung oder ihres Sprechers.

Frage: Herr Schäfer, wir verhandeln ja auf europäischer Ebene mit der Türkei im Rahmen der Beitrittsverhandlungen auch über die Justizpolitik und fordern immer wieder eine unabhängige Justiz. Könnte man das noch glaubwürdig tun, wenn man jetzt Paragrafen abändern oder streichen würde, quasi nachdem schon etwas stattgefunden hätte? Was würde das Ihrer Meinung nach auch für die Beziehungen zwischen den beiden Staaten bedeuten?

Schäfer: Die klassische Antwort auf Ihre Frage wäre: Das ist jetzt zu hypothetisch, um darauf einzugehen. Bisher fragen nämlich der Kollege und Sie nach der Abschaffung eines Paragrafen. Ich habe von der Regierungsbank nichts dergleichen gehört.

Im Übrigen ist es auch nicht so, dass wir mit der Türkei schon über die einschlägigen Kapitel 23 und 24 verhandeln würden. Diese Kapitel sind leider in dem Beitrittsprozess mit der Türkei noch nicht eröffnet worden. Aber der Außenminister und ich für ihn haben an dieser und an anderer Stelle schon ganz häufig gesagt, dass wir uns wünschen würden - gerade angesichts der hier und da immer wieder auftretenden Meinungsverschiedenheiten beziehungsweise vielleicht sogar Unterschiede in den Wertvorstellungen im Hinblick auf die Fragen, die wir hier jetzt besprechen -, dass es angemessen und richtig wäre, den Stier bei den Hörnern zu packen und im Rahmen von ganz konkreten Beitrittsverhandlungen der türkischen Seite klarzumachen, welche Grundwerte in Europa gelten und was das konkret an Reformbedarf im türkischen Recht-, Staats- und Gesellschaftswesen auslösen würde. Es ist ja nicht so, dass die Europäische Union der Türkei beitreten möchte, sondern so, dass die Türkei der Europäischen Union beitreten möchte. Dafür gibt es eine Vielzahl von Kriterien - angefangen mit den Kopenhagen-Kriterien, die überhaupt eine Beitrittsoption für andere Staaten eröffnen, bis hin zu einem Bündel an verschiedenen Regelungen, Richtlinien und Rechtsprinzipien -, von denen wir erwarten, dass jedes Mitgliedsland sie in vollem Umfang erfüllt. An uns wird es deshalb sicherlich nicht scheitern, mit der Türkei solche ergebnisoffenen Verhandlungen auch über die entscheidenden Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Grundwerte aufzunehmen.

Frage : Herr Seibert, Rassismus ist nicht nur eine biologische und eine juristische Kategorie, sondern auch eine politische. Die Bundesrepublik lehnt den Rassismus kategorisch ab. Können Sie in diesem Zusammenhang nicht eine Bewertung dieses Gedichtes vornehmen?

StS Seibert: Nein. Ich kann lediglich den ersten Teil Ihrer Frage bestätigen: Rassismus ist der Bundesregierung in jeder Hinsicht zuwider, und unsere Politik richtet sich in vieler Hinsicht darauf, gesellschaftlich ein Klima zu schaffen oder zu einem Klima beizutragen, in dem es keinen Rassismus gibt. Das ist das eine.

Zu dem Gedicht, das Sie jetzt ansprechen, möchte ich hier keine weiteren Aussagen machen. Das steht mir auch überhaupt nicht zu. Prüfungen juristischer Art hat in Deutschland ausschließlich die unabhängige Justiz zu treffen, und deswegen werde ich mich dazu jetzt nicht weiter verhalten.

Zusatzfrage : (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

StS Seibert: Ich glaube, zu diesem Gedicht ist das gesagt worden, was eine Bundesregierung sagen kann. Jetzt haben wir uns mit einer konkreten türkischen Anfrage nach Strafverfolgung zu befassen. Die Beratungen dauern an. Ich bitte Sie um ein wenig Geduld, bis wir veröffentlichen werden, welches Ergebnis dabei herausgekommen ist.

Frage : Herr Schäfer, es wundert mich ein bisschen, dass Sie die Debatte über die Abschaffung des Paragrafen gerade als ein Hirngespinst von uns Journalisten abgetan haben. Es war immerhin der Chef einer der Regierungsfraktionen, der sich gestern hingestellt und angeboten hat, das auch sehr zügig zu machen. Vielleicht diskutiert man das nicht innerhalb der Regierung, aber eine der Parteien, die diese Regierung tragen, diskutiert das sehr offensiv.

Schäfer: Ich glaube, Sie haben mich hier missverstanden. Ich glaube sogar zu wissen, dass der Minister, für den ich hier spreche, in der Partei ist, von der Sie sprechen. Das ist mir durchaus bewusst. Aber trotzdem vielen Dank für den Hinweis.

Zuruf : Das war mir noch neu.

Schäfer: Das Einzige, das ich hier sagen wollte, ist: Mir sind keinerlei Gedanken innerhalb der Bundesregierung mit dem Ziel bekannt, einer Entscheidung, über die Herr Seibert, ich und auch die Kollegin aus dem Justizministerium befragt worden sind, auf eine Art und Weise aus dem Weg zu gehen, die die Abschaffung des § 103 beinhalten würde. Das ist alles, was ich gesagt habe oder sagen wollte; das habe ich damit gemeint.

Natürlich gibt es eine Debatte über den § 103, bei der, glaube ich, das Auswärtige Amt jetzt keine entscheidende Rolle zu spielen hätte. Das sind Angelegenheiten der Justiz. Die haben auf die eine oder andere Art und Weise - Herr Seibert hat das gerade in einem anderen Kontext erläutert - irgendwie auch außenpolitische Folgen; klar. Aber es ist eine Frage, die im Bundestag, in der Öffentlichkeit und in der Gesellschaft diskutiert werden kann, ob das, was früher Majestätsbeleidigung war und was heute § 103 ist, noch in die Zeit gehört. Ich überlasse das der öffentlichen Debatte. Für das Auswärtige Amt muss ich dazu jetzt keine Meinung zum Ausdruck bringen, glaube ich.

Frage : Nur eine kurze Lernfrage, Herr Seibert, Herr Schäfer: Hat die Bundesregierung - direkt über Kanzlerin Merkel oder indirekt über die Botschaft - Kontakt mit der Türkei aufgenommen, um einen Rückzug des Ersuchens für ein Strafverfahren zu erreichen?

Schäfer: Vier Buchstaben: Nein.

Frage : Herr Susteck, es geht um dieses kleine Wortmonster von Gesetz, das Sie besser kennen als ich. Es geht um assistiertes Fahren etc. pp., um die Änderungen des Wiener Übereinkommens. Wie weit reichen diese Änderungen nun tatsächlich? Was sind die nächsten Schritte, die noch getan werden müssen, damit autonomes Fahren tatsächlich zulässig ist respektive ich als Halter eines Fahrzeugs von mir aus auch unterwegs am Handy spielen kann?

Susteck: Um Ihre Frage zu beantworten, ist es, glaube ich, zunächst einmal wichtig, dass wir uns die Definition des autonomen Fahrens noch einmal vornehmen. Das Bundeskabinett hat ja im September 2015 eine umfassende Strategie des Bundesverkehrsministers zum automatisierten und vernetzten Fahren verabschiedet. In dieser Strategie, die Sie auch auf unserer Homepage finden, ist noch einmal definiert, welche Entwicklungsschritte jetzt anstehen. Dabei unterscheiden wir vor allem das automatisierte Fahren vom autonomen Fahren. Wir sind jetzt so weit, dass wir ja zum Teil schon Fahrassistenzsysteme haben, die auch in den Bereich des sogenannten teilautomatisierten Fahrens hineinreichen. Der nächste technologische Schritt, der uns bevorsteht, ist das sogenannte hochautomatisierte Fahren, bei dem der Fahrer dann auch sukzessive weitere Fahraufgaben sozusagen an das System abgeben kann. Das autonome Fahren, das Sie angesprochen haben, ist sozusagen die Endstufe. Da wäre dann gar kein Fahrer mehr erforderlich.

Zu Ihrer Frage: Die Änderungen, die das geänderte Wiener Übereinkommen umfasst und die jetzt mit dem heute im Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf in nationales Recht übertragen werden sollen, sind Änderungen, die sich auf das automatisierte Fahren beziehen, also noch nicht auf das autonome Fahren. Mit diesen Änderungen soll - Herr Seibert hat das angesprochen - mehr Rechtssicherheit für den Einsatz automatisierter Fahrsysteme geschaffen werden. Dabei gibt es zwei Grundsätze: Zum einen müssen die Systeme den technischen Regelungen der UN entsprechen, also in diesem Fall der UNECE, und zum anderen müssen sie so gestaltet sein, dass sie durch den Fahrer jederzeit übersteuert beziehungsweise abgeschaltet werden können. Das heißt, Sie sehen allein an dieser Formulierung, dass es hierbei jetzt um den nächsten Entwicklungsschritt geht, bei dem auch immer noch ein Fahrer hinter dem Steuer sitzt, selbst dann, wenn das Auto sukzessive immer mehr Fahraufgaben übernimmt oder vielleicht auch die komplette Fahraufgabe für ei nen bestimmten Zeitraum - dann beispielsweise auf der Autobahn - übernimmt.

Frage: Zu den Mandaten (zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an Missionen): Es gibt aus den Reihen der Oppositionsfraktionen, aber offenbar auch des Präsidiums des Bundestags Unmut über die Enge der Termine nach dem Motto "Heute im Kabinett, morgen im Parlament". Diese zeitliche Abfolge mache es unmöglich, dass sich die Fraktionen als Fraktionen mit dem genauen Inhalt des Mandates befassen. Dies offenbare sozusagen mangelnden Respekt vor dem Parlament. Das könne auch nicht dadurch kompensiert werden, dass sich ja einzelne Fachleute oder Ausschüsse damit befassen könnten. Im Grunde wird also eine zeitliche Differenz zwischen der Behandlung im Kabinett und der Behandlung im Parlament verlangt, die es den Fraktionen als Fraktionen ermöglicht, sich mit der Materie zu befassen.

Schäfer: Ich höre das zum ersten Mal. Damit sage ich überhaupt nicht, dass es das nicht geben würde. Die Absicht der Bundesregierung ist ganz sicherlich nicht, irgendjemanden zu verärgern, und schon gar nicht, irgendjemandem die Gelegenheit zu nehmen, sich mit dem Thema in der gebotenen Weise und so intensiv, wie er oder sie sich das im Bundestag wünscht, zu beschäftigen.

Immerhin sehe ich in dem, was mir die Kollegen hier aufgeschrieben haben, dass eine abschließende Beschlussfassung des Deutschen Bundestags in Sachen EUTM Mali am 12. oder 13. Mai erfolgen soll. Jetzt haben wir den 13. April; das sind also noch 30 Tage. Ich hoffe, dass das insgesamt lange genug ist, um sich ein gutes Bild von diesen Mandaten machen zu können und in voller Würdigung der Unabhängigkeit des Bundestags darüber zu entscheiden.

Im Übrigen sind das ja zwei Mandate, die nicht neu sind, sondern es handelt sich um Projekte, die in die Verlängerung gehen, wenn auch mit kleinen Änderungen. Insofern haben wir trotzdem die Hoffnung, dass sich der Bundestag mit der gebotenen Intensität, Seriosität und Konzentration mit den Mandaten beschäftigen kann, die ihm jetzt von der Bundesregierung vorgelegt werden.

Zusatzfrage: Diese Argumentation wurde offenbar auch in den Gesprächen zwischen den Fraktionen erörtert. Aber das ist dennoch eine erste Lesung. Ist es nicht ein Stück weit eine Geringschätzung der ersten Lesung, zu sagen "Bis zur dritten Lesung ist dann ja noch Zeit", weil diese Befassung zumindest vor der ersten Lesung so nicht stattfinden kann?

Schäfer: Ich kann Ihnen vonseiten des Auswärtigen Amtes und bestimmt auch vonseiten der Bundesregierung nur versichern, dass von einer Geringschätzung von irgendjemandem im Deutschen Bundestag überhaupt keine Rede sein kann. Das ist ganz sicher nicht die Absicht des Ganzen.

Frage : Herr Nannt, zu Mali: Können Sie uns einmal die Sicherheitslage vor Ort schildern, gerade im Hinblick darauf, dass gestern drei französische Soldaten bei dem Anschlag ums Leben gekommen sind? Sind bisher deutsche Soldaten in irgendeiner Weise in Mali zu Schaden gekommen?

Nannt: Die Sicherheitslage in Mali ist gefährlich. Das haben wir schon von Anfang an so kommuniziert. Das ist also ein gefährlicher Einsatz. Das ist auch der Grund dafür, dass wir dort sehr robust in den Einsatz gehen, also dieses Lager auch mit geschützten Fahrzeugen sichern. Bislang sind keine deutschen Soldaten zu Schaden gekommen. Aber wie gesagt: Das ist ein gefährlicher Einsatz. Wir sind dort auch im Norden aktiv. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir unsere Soldaten dort bestmöglich schützen.

Zusatzfrage : Zu ATALANTA, Herr Seibert oder Herr Schäfer: Die Zahl der Angriffe von Piraten ist in dem Seegebiet seit dem Beginn des Einsatzes 2008 stark zurückgegangen. Ab wann denkt die Bundesregierung denn darüber nach, den Einsatz zu beenden? Müssen die Angriffe dafür auf null sinken? Das ist ja völlig unrealistisch. Wann wird das also enden?

StS Seibert: Ich bin ja darauf eingegangen. Zunächst einmal muss man es ja als einen wirklich großen Erfolg wertschätzen, dass es möglich gewesen ist, seit vier Jahren jeden weiteren Fall einer Entführung eines Handelsschiffes zu vermeiden. Es ist vor allem deswegen ein großer Erfolg, weil damit die Schiffe und die Transporte des Welternährungsprogramms ungehindert und ungefährdet zu den Menschen durchdringen können. Das ermöglicht Hunderttausenden von Menschen in Somalia ein besseres und sichereres Leben, als sie es ohne diese Mission hätten.

Zweitens habe ich ja erwähnt - darauf wird Herr Schäfer sicherlich genauer eingehen -, dass es im Kreis der Mitgliedsstaaten eine Überprüfung der Operation gab und dass man deswegen beschlossen hat, wie ich es vorgetragen habe, die Präsenz zu reduzieren und sie flexibel anzupassen.

Schäfer: Herr Seiber hat im Grund schon alles gesagt. Vielleicht noch so viel: Bei ATALANTA geht es nicht nur um die Bekämpfung der Piraterie. Das ist uns gelungen und ist, so wie Herr Seibert sagt, wirklich ein großer Erfolg einer europäischen Mission im Zusammenwirken mit der im gleichen Operationsgebiet agierenden Nato-Mission. Aber ATALANTA ist viel mehr. ATALANTA ist ein Teil einer wirklich ganzheitlich angelegten Strategie der Stabilisierung eines Landes, das über viele Jahre gar kein Staat mehr gewesen ist. Somalia ist zerfallen. In Somalia hat es Bürgerkrieg gegeben.

Es hat viele Versuche gegeben, Somalia zu stabilisieren. Der Versuch, die Bemühungen, die jetzt laufen, im Wesentlichen angeführt von der Europäischen Union, mit zahlreichen, mehreren EU-Missionen, auch mit großem Engagement in der Entwicklungspolitik und mit dem Versuch, politisch zwischen den verschiedenen Kräften zu vermitteln und beim Kampf gegen Al-Shabaab zu unterstützen - all das lässt uns hoffen, und zwar belegbar hoffen, dass Somalia den Weg hin zu einem geordneten Staatswesen und damit zu einer Verbesserung der Lebenssituation vieler Millionen Menschen finden kann, die dort am Horn von Afrika leben.

Dazu ist es aus unserer Sicht jetzt noch weiter erforderlich, ATALANTA weiterlaufen zu lassen. Wie sich das im Laufe der Zeit entwickelt, lässt sich schwer vorhersagen. Aber irgendwann kommt in der Tat der Moment, an dem man sagen kann: Mission accomplished. Es gibt am Horn von Afrika keine Piraterie mehr, die von somalischem Boden ausgeht. - Dann braucht es auch keine ATALANTA - und keine parallele Nato-Mission mehr.

Vors. Szent-Iványi: Jetzt gibt es noch eine aktive Äußerung von Herrn Schäfer.

Schäfer: Ich würde gern - nicht zum ersten Mal, aber aus gebotenem aktuellen Anlass - etwas für die Bundesregierung zum Fall der von Russland verurteilten ukrainischen Hubschrauberpilotin Nadija Sawtschenko sagen. Ich möchte Ihnen sagen, dass wir weiterhin die Entwicklung der Lage um Frau Sawtschenko mit größter Sorge verfolgen. Wir wissen, dass Frau Sawtschenko ihren Hungerstreik, den sie Anfang des Monats aufgenommen hat, fortsetzt. Wir hören, dass es besorgniserregende Berichte über ihren Gesundheitszustand gibt, und hoffen weiter auf eine schnelle humanitäre Lösung.

Wir haben - das habe ich gesagt - schon mehrfach darauf hingewiesen, dass aus unserer Sicht eine Freilassung von Frau Sawtschenko aus humanitären Gründen die richtige Lösung wäre. Das werden wir auch weiterhin fordern.

Ich möchte noch ergänzen, dass wir auch in den vergangenen Tagen die russische Seite noch einmal auf diplomatischem Wege gebeten haben, zuzulassen, dass ein deutsches Ärzteteam eine ärztliche Untersuchung von Frau Sawtschenko durchführen könnte. Wir warten bis heute auf eine Zustimmung der russischen Regierung.

Frage: Ich möchte gern wissen, wann Sie das der russischen Regierung zuletzt vorgeschlagen haben.

Schäfer: Das ist noch nicht lange her. Das ist Anfang des Monats erfolgt.

Frage : Herr Schäfer, gab es in vergleichbaren Fällen ähnliche Reaktionszeiten? Wir haben jetzt Mitte des Monats. Sie sprachen von Anfang des Monats. Es gab schon vorher Fälle, dass deutsche Ärzte in schwierigen Situationen - - -

Schäfer: Sie erinnern sich vielleicht, dass im Kontext einer ganz schwierigen Lage in der Ukraine, nämlich als die Bundeskanzlerin und der Außenminister im Normandie-Format in Minsk die Minsker Vereinbarung ausgehandelt haben, am 11. und 12. Februar, der deutsche Außenminister den russischen Präsidenten persönlich auf den Fall Sawtschenko angesprochen und ihm die Zusage abgerungen hat, dass tatsächlich ein Ärzteteam der Charité Nadija Sawtschenko - damals noch in Untersuchungshaft - besuchen könnte. Dieser Besuch hat dann im Nachhinein leider eine kleinere Auseinandersetzung im Hinblick auf Informationen über den tatsächlichen Gesundheitszustand von Frau Sawtschenko mit sich gebracht. Nichtsdestoweniger war die Tatsache, dass eine solche Möglichkeit eingeräumt wurde, eine Geste vonseiten des russischen Präsidenten, die wir anerkennen wollen. Wir würden uns freuen, wenn das in einer gesundheitlichen Lage von Frau Sawtschenko, die ungleich schlechter ist als damals, erneut geschehen würde, weil wir wirklich in ernster Sorge um den Gesundheitszustand von Frau Sawtschenko sind.

Frage: Ich sitze schon auf heißen Kohlen, weil ich diverse Fragen unserer Redaktion im Gepäck habe.

Zunächst an das Verteidigungsministerium, Stichwort "Islamisten/Salafisten in der Bundeswehr": In zehn Jahren hat es 22 Fälle gegeben. Der MAD bewertet das - um es einmal so zu formulieren - als nicht so hoch zu hängen. Wie sieht es das Verteidigungsministerium? Gibt es Pläne, konkreter dagegen anzugehen?

Wenn Sie es mir gestatten, dann noch zwei weitere Fragen. Stichwort "Islamgesetz": Wie beurteilt die Bundesregierung das, was Herr Scheuer von der CSU vorgeschlagen hat? Imame sollen deutsch predigen, und es soll keine Finanzierung aus dem Ausland für Moscheen und Kulturvereine geben.

Wenn Sie mir gestatten noch eine Frage nach den Clan-Razzien in Berlin: Gibt es eine Diskussion um eine verbesserte Bekämpfung der organisierten Kriminalität? Stichwort "Umkehr der Beweislast": Wann könnte dazu etwas konkret umgesetzt werden? Wie könnte das aussehen? Könnte auch eine Beschlagnahme von Luxusgütern, Autos, Immobilien Verdächtiger beziehungsweise Überführter stattfinden?

Nannt: Grundsätzlich dulden wir keine Form von Extremismus, gleich ob Linksextremismus, Rechtsextremismus oder islamistischen Extremismus. Bei jedem Anzeichen von extremistischem Hintergrund wird stets sofort der MAD beziehungsweise die zuständige Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Wie Sie es angesprochen haben, sind die Zahlen jetzt veröffentlich worden, dass wir in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 22 Islamisten erkannt haben.

Das muss man - das ist mir wichtig - natürlich auch einordnen. 22 Islamisten in zehn Jahren, das heißt: zwei Islamisten bei einer Organisation, die zurzeit 265 Mitarbeiter hat und früher sogar noch mehr Mitarbeiter hatte.

Wenn wir so etwas erkennen, werden die Personen sofort vorzeitig entlassen, weil wir das bei uns natürlich nicht dulden. Insofern ist jeder Fall von Extremismus natürlich dennoch zu viel. Daher sind wir zurzeit dabei, einen Gesetzentwurf mit dem Ziel vorzubereiten, zukünftig für alle neu in der Bundeswehr einzustellenden Soldaten eine einfache Sicherheitsüberprüfung durchzuführen - wir sind aber noch in der Vorbereitung; er ist noch nicht in der Ressortabstimmung -, sodass wir uns auch dort noch besser aufstellen.

Aber es gilt, wie gesagt: Man muss es in die Gesamtzahl einordnen. Es ist gar keine Frage: Kein Extremismus in der Bundeswehr.

StS Seibert: Die Frage, die Sie an mich gestellt haben - - -

Vors. Szent-Ivanyi: Pardon, ich muss einmal dazwischengehen, weil ich es etwas unfair finde, Frau Pauli, dass die Fragen blockweise gestellt werden. Das möchte ich nicht. Wir kommen dann in die Bredouille, die Fragen abzuarbeiten, wenn auch Nachfragen von den Kollegen kommen. Das ist dann schwer zu handhaben.

Frage : Herr Nannt, ganz kurz: Liegen Ihnen Zahlen zu anderen Extremismustatbeständen oder -vermutungen innerhalb der Bundeswehr vor? Ich weiß, dass es zum Rechtsextremismus Zahlen gibt. Vielleicht können Sie sie noch einmal nennen. Mich würde aber auch interessieren, ob es anderweitigen religiösen Extremismus, über den es Erkenntnisse gibt, und natürlich auch Linksextremismus gab. Auch dieser kann ja zumindest theoretisch innerhalb der Bundeswehr vorkommen.

Nannt: Ich schaue gerade, ob mir die Zahlen im Bereich Rechtsextremismus vorliegen. Wir haben sie auch veröffentlicht. Ich muss schauen, ob ich sie hier habe.

Insgesamt gab es bei den besonderen Vorkommnissen zu rechtsextremistischen Verdachtsfällen ungefähr - - - Ich nenne die letzten Jahre: 2015 waren es 56 Fälle, 2014 63 Fälle, 2013 58 Fälle. Also ein ungefähr gleicher Verlauf in den letzten Jahren. Damit man auch eine Vergleichszahl dazu hat. Weitere Zahlen dazu liegen mir jetzt nicht vor.

Zusatzfrage : Könnten Sie sie gegebenenfalls nachliefern?

Nannt: Ich muss prüfen, ob wir die Zahlen haben. Ja, kein Thema.

StS Seibert: Ich bin jetzt beim zweiten Thema, bei der Frage nach dem Islamvorstoß. Das ist eine Anregung aus einer der Koalitionsparteien, die sicherlich zunächst einmal unter den Koalitionspartnern zu besprechen wäre.

Als Sprecher der Bundesregierung halte ich mich zunächst einmal an den Koalitionsvertrag, in dem bereits festgehalten ist, dass eine offene Gesellschaft im Rahmen der Verfassungsordnung allen Religionen den Freiraum zur Entfaltung ihres Glaubens bietet. Wir haben in unserem Land ein bewährtes Staatskirchenrecht. Das ist eine geeignete Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit allen Religionsgemeinschaften.

Das deutsche Religionsverfassungsrecht sieht eine Vielzahl von Kooperationen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften vor. Das kann den Bereich der Bildung umfassen, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder auch Theologie an öffentlichen Hochschulen.

Ich möchte sehr deutlich auf die Deutsche Islam Konferenz hinweisen, die sicherlich einer der Kristallisierungspunkte unserer Bemühungen ist, Muslime in Deutschland zu integrieren. Die Deutsche Islam Konferenz gibt es seit 2006. Sie tagt erfolgreich. In ihr sind verschiedene islamische Verbände vertreten - nur solche Organisationen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zweifelsfrei anerkennen und beachten. Im aktuellen Arbeitsprogramm der Deutschen Islam Konferenz ist konkret formuliert, dass es auch darum geht, die Beziehungen zwischen dem Staat und den islamischen Organisationen partnerschaftlich weiterzuentwickeln. - Das ist es, was ich als Sprecher der Bundesregierung dazu sagen kann.

Baer-Henney: Die dritte Frage betrifft das Thema Vermögensabschöpfung. Tatsächlich gibt es einen Referentenentwurf aus unserem Hause, der im Moment in der Ressortabstimmung und der Verbändebeteiligung ist. Die Stellungnahmefrist läuft bis zum 31. Mai. Er sieht insgesamt eine Neustrukturierung des Rechts der Vermögensabschöpfung vor.

Tatsächlich ist auch die Rede von einer Beweislastumkehr. Zu den Details müsste ich Sie aber eventuell nachher noch einmal kontaktieren. Auf unserer Internetseite ist der Gesetzentwurf schon zu finden. Im Detail ist es sehr komplex. Es geht darum, die Vermögensabschöpfung insgesamt zu vereinfachen, weil es bisher sehr kompliziert ist und weil auch oft Strafgerichte damit befasst sind, es aber im Grund genommen zivilrechtliche Regelungen betrifft. Im Wesentlichen will man das vereinfachen. Da steht auch eine Beweislastumkehr in Rede, sodass man möglicherweise bei verdächtigem Vermögen nachweisen muss, dass es eine redliche Herkunft hat.

Zusatzfrage: Muss also dann wie in Italien nicht mehr der Staat, sondern der Beschuldigte nachweisen - - -

Baer-Henney: Es steht in Rede, ob das eventuell so geregelt wird, ja.

Frage (zur Wiederaufnahme der Prüfrunde über die Erfüllung der Auflagen im Zuge des Hilfsprogramms für Griechenland): Eine Frage an Herrn Jäger. Herr Tsipras trifft sich heute in Paris mit Präsident Hollande und morgen mit Martin Schulz. Athen spricht jetzt über eine politische Lösung. Was denken Sie, ist das möglich?

Jäger: Es gibt nur eine Lösung, und das ist die, die im vergangenen Sommer vereinbart wurde. Wir haben mit Griechenland eine Verabredung getroffen. Sie ist im Rahmen eines Programms festgehalten. Darin ist festgelegt, dass eine erste Programmüberprüfung stattzufinden hat. Sie läuft im Augenblick. Sie muss abgeschlossen werden. Wir werden uns strikt an das Verfahren halten. Sehr viel mehr ist dazu nicht zu sagen.

Gestern gab es einige Verwirrung. Man muss noch einmal darauf hinweisen, dass die Gespräche Griechenlands mit der Troika in Athen selbstverständlich nicht abgebrochen, sondern unterbrochen wurden. Wir hoffen sehr, dass beide Seiten das nutzen, um jetzt im Hintergrund weiter an einer Lösung zu arbeiten.

Die Minister werden sich Ende der Woche in Washington sehen. Dort findet das Frühjahrstreffen des IWF statt. Sicherlich wird es da am Rande das eine oder andere Gespräch geben. Aber in welchem Format auch immer: Es gilt das, was im vergangenen Sommer vereinbart worden ist.

Frage : Ich habe zwei kleine Frage. Die erste geht an Herrn Jäger. Die griechische Regierung hat gestern, nachdem die Verhandlungen unterbrochen wurden, zwei Gesetzentwürfe für kommende Woche angekündigt. Diese Gesetzentwürfe sind Bestandteil der Verhandlungen. Wie bewerten Sie das? Ist es ein einseitiger Akt der griechischen Regierung? Das ist meine erste Frage.

Meine andere Frage an Herrn Seibert: Herr Tsipras reist nach Paris und Brüssel. Sie haben uns hier sehr oft erzählt, wie oft Herr Tsipras mit der Bundeskanzlerin telefoniert. Hat Herr Tsipras auch dieses Mal den Kontakt mit der Bundeskanzlerin gesucht?

Jäger: Ich kann vielleicht den ersten Teil beantworten: Ich will das nicht bewerten, Herr Pappas. Aber jeder an diesen Verhandlungen Beteiligte muss selbst wissen, wie er seine Interessen am ehesten befördert. Ob das jetzt geschickt oder ungeschickt ist, kann ich hier überhaupt nicht einordnen.

Ich will nur einfach noch einmal in aller Freundschaft daran erinnern, dass es da Verabredungen gibt. Die sind sehr eindeutig. Ich will auch daran erinnern, dass wir uns ja jetzt nicht zum ersten Mal mit Griechenland in einer Programmüberprüfung befinden. Das heißt, die eine oder andere Bewegung kommt dann auch nicht völlig überraschend; man kennt sich ja schon länger. Es hilft aber alles nichts: Am Ende bedarf es einer ordentlich abgeschlossenen Programmüberprüfung, und darauf müssen wir jetzt hinarbeiten.

StS Seibert: Es stimmt, dass die Bundeskanzlerin sich ziemlich regelmäßig mit Ministerpräsident Tsipras austauscht. Ich kann Ihnen jetzt aus dem Kopf nicht den Zeitpunkt des letzten Telefonats nennen. Ich müsste schauen, ob ich das nachreichen kann.

Zusatzfrage : Ist es für Sie von Bedeutung, dass Herr Tsipras nach Paris fährt, Gespräche über die aktuellen Verhandlungen mit der Troika führt und nicht den Kontakt mit Bundeskanzlerin Merkel sucht?

StS Seibert: Machen Sie sich da gar keine Sorgen. Es gibt wirklich ausreichend Kontakte zwischen der Bundeskanzlerin und Herrn Tsipras sowie insgesamt zwischen der Bundesregierung und der griechischen Regierung, auch auf der Ebene der Finanzminister. Das, was Herr Jäger dazu ausgeführt hat, gilt. Jedes Gespräch, das man da führt - davon abgesehen, dass ich die Reisepläne des griechischen Ministerpräsidenten natürlich nicht zu kommentieren habe -, ist doch gut.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Jäger zum Thema Steuerflucht. Der Minister hat ja diesen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt. Jetzt hat die SPD-Fraktion 20 Punkte vorgestellt. Darin sind auch nationale Maßnahmen enthalten. Ist es aus Sicht des Bundesfinanzministeriums notwendig, dass man beispielsweise Banken, die zur Steuerflucht beitragen, die Lizenz entzieht?

Jäger: Wir begrüßen es, dass die SPD-Fraktion Vorschläge unterbreitet hat. Wenn Sie diese Vorschläge lesen, dann werden Sie eine hohe Übereinstimmung zu unseren Vorschlägen feststellen. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, dass dieses Problem - soweit irgend möglich - international zu lösen ist, sprich im OECD-Rahmen, um möglichst viele Mitgliedstaaten der OECD und Staaten im Umfeld der OECD zur Teilnahme zu bewegen, wie das beim automatischen Informationsaustausch ja schon in beeindruckender Weise gelungen ist.

Wir werden daneben natürlich auf europäischer Ebene unsere Anstrengungen weiter intensivieren. Ich habe hier schon unser Bestreben genannt, auf europäischer Ebene schwarze Listen zu vereinbaren. Es wird da sicherlich auch noch weitere Aktivitäten geben.

Was die nationale Seite angeht, gibt es Dinge, die wir tatsächlich nur national regeln können, etwa diese Anschubhemmung bei der Verjährung. Das ist eine Frage, die Deutschland betrifft.

Wir haben schon heute - jetzt komme ich zum spezifischeren Teil Ihrer Frage - die Möglichkeit, einer Bank die Lizenz zu entziehen. Dieses Instrument muss man also nicht schaffen. Aber - jetzt kommt der Punkt - das ist natürlich in ein entsprechendes Regelwerk eingebettet, und man muss sich sehr genau überlegen, ob eine solche Maßnahme zielführend wäre. Ich will zunächst einmal festhalten, dass bei den deutschen Banken in Richtung Geldwäscheprävention schon sehr viel geschehen ist. Sie wissen, dass wir vor einigen Jahren eine Reihe von Strafverfahren hatten, in denen auch einige Banken aufgrund der Beihilfe, die sie in diesen Fällen geleistet haben, zur Verantwortung gezogen worden sind. Das heißt, dass wir davon ausgehen, dass es bei den Banken schon einen hohen Bewusstseinsstand gibt. Wir haben in unserem Zehn-Punkte-Plan die Banken noch einmal sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht zu der Aufgabe einer Bank gehört, etwa beim Besorgen und beim Ausnutzen von Briefkastenfirmen und bei ähnlichen Konstruktionen behilflich zu sein. Ich gehe davon aus, dass diese Botschaft angekommen ist.

Ein Lizenzentzug dagegen wäre eine sehr drastische Maßnahme, mit deren Ausübung auch eine Reihe von sehr schwerwiegenden rechtlichen Fragen verbunden wäre. Dann müssen Sie natürlich im Auge behalten: Ein Lizenzentzug würde auch bedeuten, dass eine Bank ihre Tätigkeit einstellen muss. Man muss sich genau überlegen, wenn man solche Forderungen in den Raum stellt, was das dann bedeuten würde, beginnend mit den Konten, die bei dieser Bank unterhalten werden, über die Frage der Filialen - da arbeiten Menschen, es gibt Arbeitsplätze - bis hin zu all den Dingen, die dann passieren würden.

Um es kurz zu fassen: Wir haben schon heute entsprechende rechtliche Möglichkeiten, aber man muss mit Augenmaß und Konsequenz darangehen, und man darf das eine wie das andere nicht vergessen, wenn man solche Fälle bearbeitet.

Frage: Herr Schäfer, wie bewertet Deutschland die Wahlen in Syrien? Betrachtet man sie als legal?

Schäfer: Ich weiß nicht, wie Deutschland das betrachtet. Die Bundesregierung wird die Wahlen, die da vom Assad-Regime organisiert werden, nicht akzeptieren und auch die Ergebnisse nicht akzeptieren. In der jetzigen Lage mit all den Flüchtlingen und in einer vollen Bürgerkriegssituation ist es schlicht und ergreifend ein Ding der Unmöglichkeit, freie und faire Wahlen abzuhalten. Das zeigen alle Berichte, alle Eindrücke, die man davon haben kann, und das sagt auch der gesunde Menschenverstand.

Frage: Zum Flüchtlingsthema: Herr Seibert, die Bundesregierung hat sich klar von der Schließung der Balkanroute in den letzten Wochen distanziert. Was hält die Bundeskanzlerin heute von der neuen österreichischen Maßnahme an der Grenze zu Italien? Ist ein Zaun am Brenner eine Verletzung der Schengen-Regeln, wie Matteo Renzi schon gesagt hatte?

Noch eine Frage: In der letzten Woche hat Bayern die Absicht angekündigt, Österreich bei den Kontrollen am Brenner zu unterstützen. Wie sieht die Bundesregierung diese Ankündigung? Ist Berlin damit einverstanden?

StS Seibert: Vielleicht eine Vorbemerkung zum ersten Teil Ihrer Frage nach der Schließung der Balkanroute: Die Schließung der Balkanroute für illegale Migration ist ja durchaus ein Ziel des Europäischen Rats gewesen. Uns kam es immer darauf an, dass das so geschieht, dass nicht ein europäischer Mitgliedstaat und ein Schengen-Staat, konkret Griechenland, eine schwere Last aufgebürdet bekommt und andere ihre Lasten erleichtern. Wir brauchen eine nachhaltige Lösung, die alle europäischen Mitgliedstaaten umfasst. In dieser Hinsicht ist eben das Abkommen, das die EU mit der Türkei geschlossen hat, ein Weg zu einer solchen nachhaltigen Lösung, der wir ja nun in der Umsetzung näher kommen.

Ich habe nationale Beschlüsse Österreichs hier nicht zu kommentieren und möchte das auch nicht tun.

Zusatzfrage: Der Innenminister von Bayern hat die Möglichkeit angekündigt, Personal zu schicken, um die Kontrollen am Brenner zu unterstützen. Was hält die Bundesregierung davon?

StS Seibert: Vielleicht sagt der Sprecher des Bundesinnenministers etwas dazu.

Dimroth: Vielen Dank. Tatsächlich kann ich allerdings auch nicht sehr viel Weiterführendes dazu beitragen. Wie Herr Seibert gerade gesagt hat, haben wir das zur Kenntnis genommen. Wie das genau ausgestaltet sein soll, ist jedenfalls mir noch nicht bekannt. Selbstverständlich hat Bayern die Personalhoheit über die Landespolizisten und ist insofern auch befugt und in der Lage, über eine bilaterale Zusammenarbeit mit Dritten im Rahmen des verfassungsrechtlich Vorgegebenen zu entscheiden. Aber ich kann das jetzt nicht im Einzelnen kommentieren oder gar rechtlich bewerten. Noch einmal: Dieser Vorschlag ist uns bekannt, aber eine konkrete Befassung jedenfalls unseres Hauses hat bisher nicht stattgefunden.

Zusatzfrage: Herr Seibert, noch eine Frage bezüglich des Zauns. Ich habe bis jetzt die Linie der Bundeskanzlerin so verstanden und auch interpretiert, dass sie gegen Zäune und gegen unilaterale Maßnahmen ist. Sie hat in der Vergangenheit auch so etwas über Österreich gesagt. Ist ein Zaun am Brenner im europäischen Geist gut und angemessen? Das ist die Frage.

StS Seibert: Ich wiederhole: Die Haltung der Bundesregierung war von vornherein, dass nur ein abgestimmtes europäisches Vorgehen und nur eine Einigung von Europa mit dem in dieser Hinsicht besonders wichtigen Nachbarland Türkei der Weg zu einer nachhaltigen Lösung sein kann - einer nachhaltigen Reduzierung der illegalen Migration, einem Ordnen der Flüchtlingsbewegungen hin zu legalen Migrationsmöglichkeiten. Das war von vornherein unsere Haltung. Und das hieß auch immer, dass wir nicht den Glauben hatten, dass Mauern und Zäune diesen Weg herbeiführen können, sondern ein geeintes europäisches Vorgehen, wie wir es mit dem EU-Türkei-Abkommen ja auch erreicht haben. Ich glaube, dass Europa da jetzt auf einem wichtigen und richtigen Wege ist.

Zusatzfrage: Das heißt, auch im Fall eines Zauns vonseiten Österreichs?

StS Seibert: Ich glaube, Sie werden seit dem letzten Sommer hier nie Sprecher der Bundesregierung gehört haben, die einzelne nationale Maßnahmen von Partnerländern kommentieren. Sondern wir streichen das heraus, was uns der richtige Ansatz bei der Bewältigung der Flüchtlingsherausforderungen zu sein scheint.

Frage: Herr Seibert, heute gab es schon wieder schwere Krawalle in Idomeni. Laut dpa haben mazedonische Polizisten Tränengas eingesetzt. Wie lange kann das in Idomeni so weitergehen? Was passiert, wenn die griechische Seite reagiert und gegen die mazedonische Seite Tränengas und Gummigeschosse usw. einsetzt?

StS Seibert: Ich kenne neueste Berichte von solchen Auseinandersetzungen nicht. Deswegen möchte ich sie nicht kommentieren.

Ich habe am Montag auf eine ähnliche Frage etwas gesagt. Ich könnte das nur wiederholen: Jeder Staat muss natürlich seinen Grenzschutz im Einklang mit internationalen Rechtsstandards durchführen. Das ist eine Forderung, die sich an jeden Staat richtet. Ich habe heute Morgen gehört, dass zahlreiche Flüchtlinge aus Idomeni abziehen. Das entspricht dem, was die deutsche Regierung und andere Regierungen in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder gesagt haben, wozu sie die Flüchtlinge immer wieder aufgefordert haben: Geht dorthin, wo die griechische Regierung auch - in Klammern: auch mit europäischer Unterstützung - bessere und sicherere Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt.

Das provisorische Camp Idomeni ist erkennbar nicht ein Weg, der erfolgreich nach Europa führt. Wenn das also jetzt zusätzliche Menschen beherzigen, dann ist das gut. Aber ich kann keine Meldungen über neueste Zusammenstöße kommentieren, von denen ich, ehrlich gesagt, noch nicht gehört hatte.

Zusatzfrage: Glauben Sie, Gummigeschosse und Tränengas sind mit dem internationalen Recht vereinbar?

StS Seibert: Ich kann die Einsatzsituation von hier aus am grünen Tisch nicht bewerten. Das wird zu klären sein.

Frage: Zur Lösung des Problems haben sich deutsche Gemeinden und auch ein deutsches Bundesland, nämlich Thüringen, angeboten, Flüchtlinge aus Idomeni aufzunehmen. Wie wird das von der Bundesregierung beurteilt?

StS Seibert: Wir drehen uns hier im Kreise, weil wir das jetzt ja nun wirklich schon zum wiederholten Male diskutieren. Ich habe nicht zu kommentieren, was der thüringische Ministerpräsident ankündigt. Die Haltung der Bundesregierung zu dem provisorischen Lager Idomeni, zur Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge in Griechenland ist klar und muss hier nicht noch einmal wiederholt werden.

Zusatzfrage : Sie suchen ja nach praktischen Lösungen. Sie haben vor zwei Minuten das Vorgehen der griechischen Regierung, die Flüchtlinge in normale Siedlungen zu überführen, gelobt. Es gibt auch von der deutschen Seite solche Anliegen. Die sind höchst praktischer Natur. Warum sollte das nicht aufgenommen werden?

StS Seibert: Die Haltung der Bundesregierung zu diesem Thema ist hier mehrfach klar gemacht worden. Es gibt keine Aufforderung der griechischen Regierung an die europäischen Partnerstaaten, Flüchtlinge aus Idomeni jetzt zu übernehmen. Im Gegenteil - die griechische Regierung sieht sich im Stande, diese Flüchtlinge in Griechenland angemessen zu versorgen. Sie bekommt dafür Unterstützung aus der EU mit Personal- und Sachmitteln.

Frage : Herr Schäfer, Sie haben uns gestern nachgereicht, wofür die drei Millionen Euro Soforthilfe an die libysche Regierung sind, nämlich für panzergeschützte Fahrzeuge für libysche Regierungsmitglieder. Mich interessiert jetzt: Bekommt die libysche Regierung drei Millionen Euro, damit sie sich Autos im Wert von drei Millionen Euro kaufen kann, oder liefert die Bundesregierung gepanzerte Fahrzeuge im Wert von drei Millionen Euro nach Libyen?

Schäfer: Ich glaube, es macht nur dann Sinn, so etwas zu liefern, wenn so etwas mit denjenigen, die das benutzen sollen und benutzen wollen, auch abgesprochen ist. Deshalb werden wir mit der neuen libyschen Regierung, von der wir hoffen, dass sie jeden Tag ein bisschen mehr tatsächlich faktische Regierungsgewalt ausüben kann - erst in Tripolis und dann auch darüber hinaus -, genau diese Frage besprechen, und dann werden diese sondergeschützten Fahrzeuge geliefert. Das dient ganz offensichtlich dem Ziel, die Bewegungsfreiheit und die Sicherheit der neuen Regierungsmannschaft, die allergrößten Mut zeigt, nach Tripolis in eine gefährliche Sicherheitslage gekommen zu sein, um das Land zu Ordnung und Stabilität zu führen, bei diesem aus unserer Sicht sehr verdienstvollen Anliegen zu unterstützen.

Zusatzfrage : Ist die libysche Regierung verpflichtet, deutsche Autos für die drei Millionen Euro zu kaufen, oder kann sie sich das aussuchen?

Schäfer: Es gibt keine Verpflichtung, deutsche Autos zu kaufen. Ich bin sicher, dass deutsche Autos absolut geeignet und sicher das Richtige wären. Aber da gibt es keine Verpflichtungen.

Es gibt ja auch unterschiedliche Fahrzeuge für unterschiedliche Zwecke. Wenn man einmal durch Afrika oder andere Regionen reist, in denen man sondergeschützte Fahrzeuge oder Sonderfahrzeuge für besondere Verkehrssituationen braucht, dann sieht man, dass es da deutsche Fahrzeuge, aber auch viele andere gibt, die durchaus auch fahren können.

Frage: Zum Thema Rente eine Frage an Frau Daldrup. Es gibt immer mehr Forderungen, das Rentenniveau stabil zu halten, unter anderem heute von Bundesminister Gabriel in einem Interview. Mich würde die Haltung Ihres Ministeriums dazu interessieren.

Wenn das denn so wäre, welche Konsequenzen hätte das für die Höhe der gesetzlichen Beiträge?

Daldrup: Die Haltung des Ministeriums beziehungsweise der Ministerin persönlich hat sie gestern ausführlich dargestellt. Ich kann das hier gerne noch einmal wiederholen: Wir arbeiten daran, ein Gesamtkonzept vorzulegen, und zwar im Rahmen des Alterssicherungsberichts, den die Bundesregierung in jeder Legislaturperiode vorlegt. Dieses Gesamtkonzept wird alle auf dem Tisch liegenden Fragen in den Blick nehmen und Antworten geben. Aber dem kann ich jetzt hier nicht vorgreifen.

Auch die Frage des Rentenniveaus wird dabei sicherlich eine Rolle spielen. Zu beachten ist aber hier, dass es nicht nur um das Rentenniveau geht, sondern vor allem um das Alterssicherungsniveau. Das heißt, es ist nicht nur die erste Säule zu betrachten, sondern das Rentensystem steht auf drei Säulen, die wir auch alle drei in den Blick nehmen werden.

Frage: Eine Nachfrage an das BMJV bezüglich des Islamgesetzes und der Vorschläge von Herrn Scheuer. Halten Sie es für verfassungskonform, zu fordern, dass Imame in Deutsch predigen müssen, dass für Moscheen und Kulturvereine keine Finanzierung aus dem Ausland erfolgen darf?

Baer-Henney: Es handelt sich lediglich um in einem Interview geäußerten Vorschlag. Es steht mir nicht zu, das verfassungsrechtlich zu bewerten. Man müsste abwarten, ob noch mehr dazu kommt. Dann werden wir zum gegebenen Zeitpunkt sicherlich beteiligt werden. Das sollte abgewartet werden.

Mittwoch, 13. April 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 13. April 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/04/2016-03-13-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2016

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