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PRESSEKONFERENZ/1161: Kanzlerin Merkel und die polnische Ministerpräsidentin Szydlo, 12.02.2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Freitag, 12. Februar 2016
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und der polnischen Ministerpräsidentin Szydlo

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo bei uns in Berlin zu ihrem Antrittsbesuch begrüßen darf. Wir sind uns schon bei zwei Europäischen Räten begegnet, kennen uns also ein wenig. Heute aber ist die Ministerpräsidentin sehr herzlich in Berlin willkommen.

Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für die deutsch-polnischen Beziehungen, nämlich das 25. Jahr des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags und seiner Unterzeichnung. Bundespräsident Gauck und Präsident Duda werden dies am 17. Juni auch feierlich begehen. Wir werden in diesem Jahr aber auch aus Anlass dieses Jubiläums unsere Regierungskonsultationen fortsetzen und in der gesamten Breite unserer intensiven Beziehungen auch weiter daran arbeiten. So haben wir es heute einvernehmlich verabredet.

Wir haben auch gesagt, dass wir alle Themen besprechen werden - von den wirtschaftlichen Themen über die Fragen des Jugendaustauschs und die gemeinsamen außenpolitischen Herausforderungen, genauso aber auch zum Beispiel über die Situation der polnischen Community in Deutschland. Die Außenminister haben hierzu verabredet, dass es eine spezielle Tagung geben wir, wo diejenigen mit polnischen Wurzeln, die in Deutschland leben, auch zu Wort kommen. Wir werden analysieren, ob es hier gerade mit Blick auf die Sprachausbildung und die Sprachausbildungsmöglichkeiten noch Verbesserungen gibt, genauso wie wir begrüßen, dass sich natürlich auch im Sinne des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags die Situation der deutschen Minderheit in Polen sehr verfestigt hat und die Rechte dort klar definiert sind.

Wir haben neben der Vereinbarung, die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen fortzusetzen, natürlich auch über alle anderen Themen gesprochen, natürlicherweise in diesen Tagen insbesondere auch über die Vorbereitung des Europäischen Rates. Hier hat die Frage "Wie steht es mit Großbritannien und den Wünschen des britischen Premierministers?" eine besondere Rolle gespielt, genauso wie natürlich das Thema Migration.

In Bezug auf das Thema Großbritannien sind wir beide übereinstimmend der Meinung, dass wir alles tun wollen, um Großbritannien einen Verbleib in der Europäischen Union zu ermöglichen. Wir sind der Überzeugung, dass aus deutscher Perspektive - natürlich genauso aus polnischer Perspektive - ein Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union wünschenswert ist. Insofern werden wir bei Beibehaltung aller Prinzipien, die die Europäische Union auszeichnen, wie zum Beispiel das Prinzip der Freizügigkeit, natürlich alles tun, um mit Großbritannien, mit David Cameron, einen Kompromiss zu finden.

Im Bereich der Migrationsagenda und der Frage der Herausforderungen der Migration sind wir uns einig, dass es sich um eine der größten Herausforderungen der Europäischen Union handelt und wir als Europäische Union auch eine humanitäre Verantwortung haben. Genauso wie Deutschland hat auch Polen an der Londoner Konferenz teilgenommen und hat dort im Sinne der Bekämpfung der Fluchtursachen seinen Beitrag geleistet. Die polnische Ministerpräsidentin hat einen Vorschlag gemacht, den ich sehr gerne aufnehme, nämlich dass Deutschland und Polen gemeinsam ein Projekt in der Nachbarschaft Syriens - in Jordanien, im Libanon oder in der Türkei - betreibt, zum Beispiel den Bau eines Krankenhauses oder einer Schule. Diesen Vorschlag habe ich sehr gerne aufgenommen.

Wir sind uns auch einig, dass wir Mittel und Wege finden müssen, dass die Außengrenzen geschützt werden müssen und dass wir das nicht sozusagen unabhängig von dem einen oder dem anderen europäischen Mitgliedstaat machen können, sondern, wenn es um den Außengrenze geht, natürlich auch immer Griechenland mit einbezogen werden muss. Was die Bewältigung dieser Herausforderung angeht, bin ich sehr froh, dass wir uns sehr einig sind, dass die EU-Türkei-Migrationsagenda von uns beiden unterstützt wird und dies ein Weg sein könnte, um die Außengrenze zu sichern. Noch ist uns das aber leider nicht gelungen.

Ich freue mich auch, dass Polen bereit ist, im Rahmen der 160 000, die umgesiedelt werden sollen, seine Verantwortung wahrzunehmen. Bezüglich der Weiterentwicklung des Abkommens von Dublin und seiner Zukunft werden wir natürlich noch einige offene Fragen zu klären haben.

Wir haben dann darüber gesprochen, dass Warschau Gastgeber des nächsten Nato-Gipfels sein wird und Deutschland vollumfänglich zu seinen Verpflichtungen steht, die auf dem letzten Nato-Gipfel vereinbart worden sind.

Wir haben auch über die Nord-Stream-Pipeline gesprochen, genauso wie über die Fragen, die damit verbunden sind, nämlich wie wir miteinander eine Energieunion aufbauen können. Hierzu wird es sicherlich noch weiteren Gesprächsbedarf geben.

Insgesamt möchte ich sagen, dass ich mich freue, dass wir jetzt in einen engen bilateralen Kontakt eingetreten sind. Ich glaube, die Atmosphäre zeigt, dass wir in der Lage sind, sowohl gemeinsame Themen zu besprechen, aber auch solche, an denen wir noch weiter arbeiten müssen.

Auf gute Zusammenarbeit und noch einmal herzlich willkommen hier in Berlin!

MP'in Szydlo: Danke sehr! Meine Damen und Herren, ich möchte zuerst der Frau Bundeskanzlerin für den sehr netten Empfang und für die guten Gespräche danken, die wir geführt haben. Dies ist als Ministerpräsidentin der neuen polnischen Regierung mein erster Besuch hier in Berlin. Es war ein sehr gutes und fruchtbares Gespräch. Ich glaube, dass das zeigt, dass wir jetzt sehr gute Beziehungen haben und auch in Zukunft haben werden.

Wir haben, wie die Bundeskanzlerin bereits gesagt hat, die Themen besprochen, die sie auch erwähnt hat. Das sind im Blickpunkt der Europäischen Union, aber auch im Blickpunkt Polens und Deutschlands die wichtigsten Themen.

Deutschland ist ein sehr wichtiger Nachbar, ein sehr wichtiger Partner Polens, und zwar nicht nur, wenn es um die wirtschaftliche Zusammenarbeit geht - Deutschland ist unser wichtigster wirtschaftlicher Partner -, sondern auch, wenn es um politische Angelegenheiten geht.

Das 25-jährige Jubiläum des Vertrags über gute Nachbarschaft und freundliche Zusammenarbeit ist der beste Beweis dafür, dass der Weg, den wir zusammengehen, ein guter Weg für Polen und für Deutschland, für unsere beiden Völker ist. Diese guten Beziehungen und diese Zusammenarbeit wollen wir erweitern und vertiefen.

Es gibt sehr viele gemeinsame Themen, die wir zusammen realisieren können. Es gibt auch Dinge, über die wir noch miteinander sprechen müssen. Das Wichtigste ist eigentlich, dass wir zusammen zur Stärkung der Europäischen Union beitragen werden. Wir werden eine starke Europäische Union haben. Für Polen ist es sehr wichtig, dass die Europäische Union sich entwickelt, sodass sowohl Deutschland als auch Polen wichtige Länder der Europäischen Union sind, die alles dafür tun, dass die Europäische Union sich weiterentwickelt, sodass wir weitere Hindernisse bewältigen und einen gemeinsamen Weg gehen können. Das ist sehr wichtig für uns, denn zurzeit sehen wir sehr viele und große Herausforderungen, die wir bewältigen müssen.

Wir haben über mehrere Themen gesprochen, so über den EU-Gipfel in der nächsten Woche, aber auch über die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Unsere gemeinsame Haltung ist, dass wir alles tun müssen, dass Großbritannien in der Europäischen Union bleibt. Für Polen ist es insbesondere wichtig, dass in Bezug auf diese britischen Vorschläge, die schon gemacht worden sind und die für uns größtenteils akzeptabel sind, die Spezifika und der Charakter von Polen beschrieben wird, weil sehr viele Polen in Großbritannien arbeiten. Wir wollen alles tun, damit die Rechte der Polen, die in Großbritannien arbeiten, auch respektiert und gesichert sind.

Wenn es um die Migrationskrise geht, ist Polen aktiv, wenn es um die Erfüllung aller Bedingungen bezüglich der Sicherheit der äußeren Grenzen der Europäischen Union geht. Wir wollen natürlich das Problem lösen und wollen aktiv sein, wenn es um die humanitäre Hilfe geht. Deshalb hat meine Regierung die Entscheidung getroffen, dass wir uns aktiv daran beteiligen, Syrien Hilfe zu leisten. Wir haben dafür entsprechend Geld zur Verfügung gestellt und haben auch mehrfach gesagt, dass hier Polen, wie alle anderen EU-Länder - natürlich auch die Bundesrepublik Deutschland - sehr aktiv sein möchte.

Ich habe der Frau Bundeskanzlerin vorgeschlagen, dass wir, Polen und Deutschland, zusammen ein humanitäres Projekt auflegen. Ich freue mich sehr, dass die Frau Bundeskanzlerin dieser Idee zugestimmt hat. Ich denke, dass das ein gutes Beispiel, ein guter Beweis für unsere Zusammenarbeit und auch ein Symbol sein wird, dass wir im Rahmen der EU zeigen wollen, dass das ein Weg ist, dem andere Länder auch folgen sollten, wenn sie diese Krise lösen wollen.

Wir haben auch über unsere bilateralen Beziehungen gesprochen; auch das ist ein sehr wichtiges Thema für uns. Wir werden darüber natürlich auch während unserer Regierungsgespräche sprechen. Ich glaube, dass das sehr fruchtbare Gespräche sein werden. Ich freue mich auch sehr, dass wir über die Polonia sprechen werden, weil das natürlich sehr wichtig für unsere bilateralen Beziehungen ist.

Ich habe die Frau Bundeskanzlerin auch nach Polen eingeladen und hoffe, dass dieser Besuch bald stattfinden wird. Danke sehr!

Frage: Ich möchte Sie fragen: Wenn es um den EU-Gipfel in der nächsten Woche geht, gibt es zwei Hauptpunkte, die dort besprochen werden, erstens die Vereinbarung, bei der es darum geht, ob Großbritannien in der Europäischen Union bleiben wird, und zweitens die Migrationskrise. Es gibt einen neuen Vorschlag von Deutschland dazu, dass die Mitgliedstaaten während des EU-Gipfels gemeinsam sagen, dass sie für die Kontingente sind. Haben Sie darüber auch etwas Neues zu sagen oder nicht?

MP'in Szydlo: Wenn es um den Gipfel in der nächsten Woche geht: Dort werden zwei wichtige Themen besprochen werden, wie Sie auch gesagt haben; es geht hierbei hauptsächlich um Großbritannien. Ich glaube, dass unsere Stellungnahme zu diesem Thema eigentlich klar ist. Für Polen ist es genauso wichtig wie auch für Deutschland, dass Großbritannien in der Europäischen Union bleibt. Alle Länder der Europäischen Union machen alles, was in ihrer Macht steht, damit dieses Problem gelöst wird und damit David Cameron Argumente hat, die die Briten davon überzeugen, dass es sich wirklich lohnt, in der Europäischen Union zu bleiben. Wenn Großbritannien in der Europäischen Union bleibt, dann wird das gut für beide Seiten sein. Wir arbeiten an einem Konsens. Für Polen ist es, wie ich früher schon gesagt habe, sehr wichtig, dass die polnischen Arbeiter in Großbritannien gesichert sind, und darüber werden wir natürlich noch sprechen.

Wenn es um das Migrantenthema geht, sind wir natürlich dafür, aktiv zu sein, was die Sicherung der äußeren Grenzen der EU angeht. Wir wollen diese Grenzen natürlich schützen. Wir wollen, dass die Vereinbarung zwischen der Türkei und der Europäischen Union wirklich implementiert wird und dass dieser Weg, der im November beschritten worden ist, auch zu einer Lösung des Problems führt. Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass das Thema wirklich schwierig ist und dass noch sehr viel zu tun ist. Für Polen ist der feste Relokationsmechanismus nicht zu akzeptieren, und ich denke, dass wir noch darüber sprechen werden. Wir werden darüber diskutieren.

Zugleich möchte ich auch betonen, dass Polen ein aktives Mitglied sein möchte, wenn es um die Lösung der Migrationskrise geht, weil ich denke, dass das ein sehr schwieriges Problem für die ganze EU ist.

BK'in Merkel: Um das noch einmal klarzustellen: Es gibt hier keine neuen deutschen Vorschläge, sondern es gibt die EU-Türkei-Migrationsagenda. Die wird Schritt für Schritt umgesetzt. Es gibt darüber hinaus eine Gruppe von Ländern, die gesagt hat: Wenn die 3 Milliarden Euro, die wir für die Verbesserung der Lage der Flüchtlinge in der Türkei gegeben haben - woran sich Polen beteiligt, woran sich Deutschland beteiligt, woran sich die Europäische Kommission beteiligt, woran sich alle Mitgliedstaaten beteiligen -, nicht ausreichen und die Türkei den Wunsch hat, im Gegenzug zur Begrenzung oder zur weitgehenden Vermeidung der illegalen Migration - - - Da sind wir noch nicht; es gibt heute noch sehr viel illegale Migration in der Ägäis. Aber wenn die einmal gestoppt sein sollte, könnten sich Länder im Gegenzug freiwillig dazu bereit erklären, noch ein bestimmtes Kontingent von Flüchtlingen aufzunehmen. Das hat aber nichts mit einem permanenten Verteilungsmechanismus zu tun, sondern das betrifft eine Gruppe von Ländern, die sich das vorstellen kann. Aber auch da sagen wir: Erst müssen wir sicher sein, dass die illegale Migration gestoppt wird. Darüber werden wir mit dem türkischen Ministerpräsidenten und mit einigen Ländern auch in der nächsten Woche noch einmal sprechen. Aber Polen und Deutschland stehen so zu der EU-Türkei-Migrationsagenda, wie sie von den 28 Mitgliedstaaten verabschiedet wurde.

Frage: Frau Ministerpräsidentin, Frau Merkel bemüht sich - sie hat gerade eben gesagt - in der EU ja gerade um eine Koalition der Willigen, also eine Koalition von Ländern, die in der Flüchtlingspolitik mehr machen als andere. Sie werden heute mit der recht harten Einschätzung zitiert, die Lage in Deutschland sei durch die Flüchtlingskrise außer Kontrolle geraten. Wenn das wirklich so ist: Wären Sie denn bereit, Deutschland zu helfen und in dieser Koalition der Willigen dabei zu sein?

Frau Bundeskanzlerin, wie wichtig ist für Sie in diesem Bereich polnische Unterstützung? Welche EU-Partner werden denn nächste Woche an dem Mini-Gipfel in Brüssel, auf dem diese Koalition möglicherweise aus der Taufe gehoben wird, teilnehmen?

MP'in Szydlo: Schon jetzt ist Polen sehr aktiv in dieser Koalition der Mitgliedstaaten, die ein Teil der Lösung der Migrationskrise ist. Wir sind ja bei allen Entscheidungen und allen Handlungen bezogen auf die Hilfeleistungen für die Migranten ein aktives Mitglied, insbesondere wenn es um humanitäre Hilfe geht, und wir sind wirklich dafür, dass die Vereinbarung, die schon mit der Türkei abgeschlossen worden ist - Polen hat auch so eine Vereinbarung -, implementiert wird. Wir sind auch Teil der Länder, die finanzielle Hilfe für Syrien leisten, und wir waren auch während der letzten Konferenz präsent. Das ist, glaube ich, der beste Beweis dafür, dass die polnische Regierung wirklich aktiv sein will, wenn es um die Lösung der Migrantenkrise geht - und das ist nicht leicht. Wir alle müssen solidarisch bleiben, wenn es um die Europäische Union geht, und bei der Suche nach solchen Lösungen ist das Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union wirklich wichtig.

Wir sollten auch Lösungen finden, die effektiv sind und effizient sind; denn meiner Ansicht nach hat sich herausgestellt, dass die bisherigen Entscheidungen, die auf dem Level der Europäischen Union getroffen worden sind, nicht so wirksam sind, und das Problem ist immer noch sichtbar. Die Rolle der Politiker liegt ganz einfach darin, solche effektiven Lösungen zu finden. Wie sollte das aussehen? - Na ja, wir sollten uns zusammensetzen und ganz einfach miteinander sprechen; dann können wir eine gute Lösung ausarbeiten. Ich glaube, in den nächsten Monaten wird es uns gelingen, so eine Vereinbarung zu treffen und zu finden. Die ganze Europäische Union sollte eine Lösung finden und mit einer Stimme sprechen. Es wäre natürlich ganz schlecht, wenn die Migrantenkrise die Europäische Union teilen würde - niemand will das. Wir sind uns natürlich alle darüber im Klaren, dass die Situation wirklich ernst ist und dass die Krise, die wir jetzt haben, eine Krise ist, die wir zusammen lösen müssen.

BK'in Merkel: Wenn die Einschätzung gleichermaßen so ist, dass die Frage der Flüchtlinge auch eine große, vielleicht eine der größeren Herausforderungen für die Europäische Union ist, so glaube ich, dass wir sie gemeinsam lösen müssen. Ich glaube auch, dass wir nicht nach sechs oder sieben Monaten sagen können, etwas ist gescheitert oder nicht gescheitert. Wir wissen beide im Übrigen aus der Geschichte, dass manche Aufgaben sehr lange dauern können. Wir haben die wunderbare Erfahrung der Deutschen Einheit gemacht. Wir haben gesehen, wie Solidarnosc uns geholfen hat. Viele haben damals auch nicht daran geglaubt, dass man so etwas lösen kann. Trotzdem ist es gelungen.

Was jetzt das Treffen anbelangt: Wir hatten vor dem letzten Europäischen Rat - Sie werden sich erinnern - bereits ein solches Treffen. Also da wird nichts Neues aus der Taufe gehoben, sondern wir treffen uns wieder in der österreichischen Botschaft mit dem türkischen Ministerpräsidenten und machen einen Status: Wo stehen wir bei der Umsetzung der EU-Türkei-Agenda? - Auf der Tagesordnung steht die gesamte Palette der Fragen: Wie klappt es mit der Sicherung der Außengrenze? Wie klappt es mit der Bekämpfung der Schmuggler? Haben wir jetzt schon Projekte für die Umsetzung der 3 Milliarden? Können wir uns schon überlegen: Wie würden wir solche Kontingente aufbauen, wenn die illegale Migration einmal gestoppt wäre? Aber sie ist ja noch nicht gestoppt.

Also alle diese Vorarbeiten - wir haben noch viele Einzelfragen zu klären, etwa wie können jetzt Frontex und die türkische Küstenwache zusammenarbeiten -, solche Fragen besprechen wir dort. Das ist die gleiche Gruppe, die sich vor dem letzten Rat und vor dem Rat davor im Übrigen auch - bei Jean-Claude Juncker, glaube ich, war das - getroffen hatte. Wir werden dann allen 28 Mitgliedstaaten und natürlich auch Ihnen ganz transparent berichten: Wo stehen wir?

Frage: Ich habe eine Frage an die Ministerpräsidentin und Frau Bundeskanzlerin. Eines der Themen, das heute besprochen wurde, ist das 25-jährige Jubiläum des Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Gibt es irgendwelche schwierigen Themen, über die noch gesprochen wird? Wie sieht die Zusammenarbeit aus im Kontext der Polen, die in Deutschland leben?

BK'in Merkel: Ich habe den Eindruck, dass die Freude überwiegt, dass wir auf 25 Jahre gute Beziehungen zurückblicken können. Aber natürlich müssen wir uns auch immer wieder überlegen: Wie kommen wir voran?

Ein Wunsch von der polnischen Seite ist, dass die Belange der hier in Deutschland lebenden Menschen mit polnischer Abstammung, der Polen oder vielleicht auch derjenigen, die schon die deutsche Staatsbürgerschaft haben, berücksichtigt werden. Dazu haben die beiden Außenminister bereits vereinbart, eine Tagung durchzuführen. Wenn wir daraus Lehren ziehen können, dann werden wir sie ziehen. Ich habe jetzt verstanden, dass es vor allen Dingen auch um die Möglichkeiten geht, die polnische Sprache zu erlernen. Wir werden dann schauen - da waren wir uns heute auch einig -: Wo können wir eigentlich in den Bereichen Wissenschaft, Technologien und Wettbewerbsfähigkeit noch enger zusammenarbeiten?

Der Erfolg Europas wird sich ganz wesentlich an zwei Fragen entscheiden: Fühlen sich die Menschen sicher in Europa? Dazu gehören unsere außenpolitischen, sicherheitspolitischen Anstrengungen für Deutschland und Polen, auch in der Nato. Die zweite Frage ist: Haben Sie einen guten Wohlstand? Geht es voran? Geht es vielleicht meinen Kindern besser, als es mir heute geht? Davon hängen Arbeitsplätze und Investitionen ab, davon hängt die wirtschaftliche Zusammenarbeit ab. Das wird auch diese Konsultationen bestimmen. Trotzdem ist es vor der Geschichte auch immer ein Stück eines kleinen Wunders, dass wir nach so schweren Zeiten der Geschichte heute gut zusammenarbeiten. Wir waren uns ganz bewusst in unserem Gespräch, dass wir dieses Glück, das wir in der heutigen Generation haben, einfach hüten und pflegen und weiterentwickeln wollen.

MP'in Szydlo: Der polnisch-deutsche Vertrag ist sehr wichtig für uns. Er hat einen großen Wert. Wir müssen natürlich den Vertrag immer noch weiter entwickeln. Wir müssen ihn vertiefen, sodass die polnisch-deutschen Beziehungen wirklich noch besser als jetzt sind. Deutschland ist, wie ich eben schon gesagt habe, ein sehr wichtiger Partner für Polen. Wir wollen natürlich mit Deutschland auch über Themen sprechen, die uns verbinden. Aber wir möchten auch über solche Themen sprechen, die unserer Ansicht nach noch weiterer Gespräche, weiterer Vertiefung und mehr Zusammenarbeit erfordern.

Frau Bundeskanzlerin hat schon gesagt, dass wir über die Situation der Polen, die in Deutschland leben, sprechen werden. Für uns ist das sehr wichtig. Danke sehr noch einmal dafür, dass Sie das gesagt haben. Ich glaube, dass die deutsch-polnischen Regierungsgespräche auch ein guter Augenblick sein werden, über die polnisch-deutsche Zusammenarbeit zu sprechen, über eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch über eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit. Wir werden auch unsere Regierungsgespräche fortsetzen. Das haben wir mit der Bundeskanzlerin entschieden. Für mich ist es selbstverständlich, dass unsere guten bilateralen Beziehungen, die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland, sehr wichtig für beide Länder, für beide Völker, sind und natürlich auch für die Europäische Union. Ein starkes Deutschland, ein starkes Polen, bedeutet eine starke Europäische Union.

Frage: Eine Frage an Sie, Frau Bundeskanzlerin. Sie haben sich heute auch mit dem amerikanischen Schauspieler und Menschenrechtsaktivisten George Clooney und seiner Gattin getroffen. Da ging es offensichtlich auch um Flüchtlingspolitik. Was nehmen Sie denn aus diesem Treffen politisch für die kommenden Wochen und Monate mit?

BK'in Merkel: In der Tat, ich habe ein Gespräch geführt. Es ging da um das NGO-Engagement von George Clooney, seiner Frau und auch David Miliband. Wir haben darüber gesprochen, wie Nichtregierungsorganisationen und Regierungen gemeinsam da arbeiten können, wo es um Fluchtursachen geht, wie sie auch Menschen ermutigen können, sich für diese Arbeit zu engagieren. Insofern war es ein sehr gutes Gespräch.

Freitag, 12. Februar 2016

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und der polnischen
Ministerpräsidentin Szydlo, 12.02.2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/02/2016-02-12-pk-merkel-polen.html;jsessionid=F5D3B24088419F012CF34BCE6188F3B8.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2016

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