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PRESSEKONFERENZ/1066: Regierungspressekonferenz vom 18. September 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 18. September 2015
Regierungspressekonferenz vom 18. September 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (4. ver.di-Bundeskongress in Leipzig, Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu TTIP, Informations- und Meinungsaustausch mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, Vorstellung der Biografie des Bundeskanzlers a. D. Gerhard Schröder, Empfang des finnischen Ministerpräsidenten, Kabinettssitzung, informeller Europäischer Rat zur Flüchtlingspolitik, Plenarsitzung des Deutschen Bundestags, Gespräch mit den Regierungschefs der Länder zur Flüchtlingspolitik), Reise des Bundesaußenministers nach Bangladesch und Sri Lanka, Teilnahme des Bundesaußenministers an der Verleihung des Kaiser-Otto-Preises an die OSZE, Treffen des Bundesaußenministers und des US-Außenministers in Berlin, Flüchtlings- und Asylpolitik, Bürgerkrieg in Syrien, politische Entwicklung in Burkina-Faso sowie in Burundi, Leitzins der US-Notenbank, Motto des Bürgerfestes am Tag der deutschen Einheit, Entscheidung über mögliche Auslandseinsätze der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte, Atomrückstellungen

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Dr. Dimroth (BMI), Küchen (BMAS), Angeli (BMG), Mänz (BMZ), Dünow (BMWi)


Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS SEIBERT: Guten Tag! Letzte Woche hatten wir schon angekündigt, dass die Kanzlerin an diesem Sonntag, also übermorgen, ab 18 Uhr am 4. ver.di-Bundeskongress in Leipzig teilnehmen wird. Die Veranstaltung steht unter dem Motto "Stärke. Vielfalt. Zukunft.". Die Bundeskanzlerin wird dort eine Rede halten.

Am Montag, dem 21. September, wird sie bei einem Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem Titel "Ja zu TTIP! Chancen nutzen, Interessen wahren, Zukunft gestalten" zu Gast sein. Auch dort wird die Bundeskanzlerin eine Rede halten.

Am Abend des Montags wird sie sich mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände - also des Deutschen Städtetags, des Deutschen Landkreistags, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes - zu einem Informations- und Meinungsaustausch treffen. Hauptthema werden - wenig überraschend - die aktuelle Situation bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen sowie Fragen der Finanzierung sein.

Am Dienstag, dem 22. September, wird die Kanzlerin hier in den Räumen der Bundespressekonferenz - allerdings ein Stockwerk unter uns - um 11 Uhr eine Biografie des Bundeskanzlers a. D. Gerhard Schröder vorstellen. Autor ist der Publizist und Historiker Gregor Schöllgen. An dieser Buchvorstellung wird neben der Bundeskanzlerin auch Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder teilnehmen. Es wird eine Gesprächs- und Diskussionsrunde geben, und die Moderation wird der Leiter des Verlags Random House, Thomas Rathnow, übernehmen.

Wir sind immer noch beim Dienstag: Um 12.30 Uhr wird die Bundeskanzlerin den finnischen Ministerpräsidenten Juha Sipilä im Bundeskanzleramt empfangen, und zwar mit militärischen Ehren. Nach dem Arbeitsmittagessen ist für 13.45 Uhr eine gemeinsame Presseunterrichtung vorgesehen.

Am Mittwoch, dem 23. September, wird es die übliche Sitzung des Bundeskabinetts um 9.30 Uhr geben.

Am Mittwochnachmittag wird die Bundeskanzlerin dann zum informellen Europäischen Rat zur Flüchtlingspolitik nach Brüssel reisen. Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, hatte ja auf Bitte der Bundeskanzlerin und des österreichischen Bundeskanzlers kurzfristig zu diesem Treffen eingeladen.

Herr Tusk wird über seine Reisen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise berichten, insbesondere in die Türkei. Im Übrigen werden die Staats- und Regierungschefs darüber diskutieren, wie erstens das Engagement der Europäischen Union gegenüber der Türkei gestärkt werden kann, wie zweitens die Länder in der Region, die von der Krise in Syrien besonders betroffen sind, gestärkt und stärker unterstützt werden können und wie drittens die EU-Außengrenzen besser gesichert werden können. Dabei wird auch die Frage der schnelleren Einrichtung der sogenannten Hot Spots eine Rolle spielen. Das Treffen soll um 18 Uhr beginnen.

Am Donnerstag, dem 24. September, wird die Kanzlerin im Bundestag sein. Sie wird um 9 Uhr eine Regierungserklärung abgeben. Themen werden erstens die Ergebnisse der informellen Sitzung des Europäischen Rats und zweitens der UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung in New York sein, zu dem die Bundeskanzlerin dann am Donnerstagabend reisen wird.

Wie wir schon vielfach angekündigt haben, wird sie am Donnerstag ab 15 Uhr erneut mit den Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder zu einem Gespräch zur Flüchtlingspolitik zusammentreffen. Das wird im Kanzleramt stattfinden. Auch im Anschluss daran wird es eine Presseunterrichtung geben.

Am Donnerstagabend, wie schon gesagt, folgt dann die Abreise nach New York zum Gipfel der Vereinten Nationen zur Verabschiedung der "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung". Mit dieser neuen Agenda soll die Arbeit an den Millenniumentwicklungszielen aus dem Jahr 2000 fortgeführt werden. Sie soll mit konkreten und vor allem auch weltweit gültigen Zielen für eine nachhaltige Entwicklung verbunden werden. Zentrale Punkte sind dabei beispielsweise die Beseitigung der absoluten Armut bis 2030 und der Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen.

Die Bundeskanzlerin wird ihren Aufenthalt in New York auch für zahlreiche Begegnungen mit Staats-und Regierungschefs zur verschiedenen Themen nutzen. Das alles kann ich jetzt noch nicht im Einzelnen bekannt geben, weil sich das zum Teil auch erst kurzfristig ergeben wird.

Wir werden am Morgen des 24., also am Donnerstagmorgen, um 10 Uhr hier in der BPK ein Briefing zu dieser Reise mit Abteilungsleiter Christoph Heusgen durchführen. Wir werden auch noch ein Presseprogramm veröffentlichen. Insofern erspare ich Ihnen jetzt die Vielzahl der Veranstaltungen, die in New York ablaufen werden. Wenn Sie Fragen haben, können wir natürlich darüber sprechen, aber ich dachte, das können wir auch so lösen.

Damit ist der Ausblick auf die Woche eigentlich erledigt.

CHEBLI: Ich habe Reiseankündigungen und eine Ankündigung zu einem Treffen des Ministers zu machen:

Am Sonntagabend wird Außenminister Steinmeier zu einer Reise nach Bangladesch und Sri Lanka aufbrechen. Den Reiseteil in Bangladesch wird er mit Außenminister Fabius vollziehen. Der Besuch in Bangladesch konzentriert sich vor allem auf die Frage des Klimas und der Klimapolitik. Die beiden Minister besuchen Bangladesch ganz bewusst, weil das eines der Länder ist, die ganz massiv von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und vor allem durch schwere Stürme, Fluten und die Versalzung von Böden massiv unter dem Klimawandel leiden.

In Bangladesch steht neben geplanten politischen Gesprächen - unter anderem mit dem Premierminister und mit dem Außenminister - auch ein Besuch eines Zyklon-Schutzraums auf dem Programm. Außenminister Steinmeier und Außenminister Fabius werden auch am Richtfest des Neubaus für das gemeinsame Kanzleigebäude der deutschen und der französischen Botschaft teilnehmen. Geplant sind darüber hinaus Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft.

Im Anschluss an die Reise nach Bangladesch wird Außenminister Steinmeier nach Sri Lanka fahren. Dort hat es nach dem friedlichen Machtwechsel an der Staatsspitze in den vergangenen Monaten wichtige, zentrale Schritte in Richtung einer Versöhnung und Aufarbeitung gegeben. Die Reise und der Besuch des Ministers dienen dazu, auch ein Zeichen der Unterstützung für diesen Prozess auszusenden.

In Colombo sind natürlich Gespräche mit politischen Vertretern geplant: zum einen mit dem Präsidenten, aber wir werden auch den Ministerpräsidenten, den Außenminister und Vertreter der Zivilgesellschaft treffen. Außenminister Steinmeier plant auch, ein Berufsbildungszentrum in der von Tamilen bewohnten Nordprovinz - das wird von Deutschland finanziert - zu besuchen. Dies erst einmal zu den Themen Bangladesch und Sri Lanka.

Dann ist für Samstag - das hätte ich vielleicht vor der Planung für Sonntag sagen sollen - eine Reise nach Magdeburg geplant. Dort wird der Minister an der Verleihung des Kaiser-Otto-Preises an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, kurz OSZE, teilnehmen. Mit dem Kaiser-Otto-Preis würdigt die Stadt Magdeburg im Andenken an Kaiser Otto den Großen seit 2005 Persönlichkeiten und Organisationen, die sich um den europäischen Einigungsprozess und die Förderung des europäischen Gedankens verdient gemacht haben. In diesem Jahr wird die OSZE für den Beitrag zur politischen Krisenbewältigung und Konfliktprävention in Europa sowie ihre Vermittlerrolle in der Ostukraine ausgezeichnet.

An dem Festakt werden die drei Außenminister teilnehmen, die zurzeit die Troika ausmachen. Es sind zum einen der amtierende Vorsitzende, der serbische Außenminister Dačić, zum anderen der vorherige Vorsitzende, der Schweizer Außenminister Burkhalter, und drittens der künftige Vorsitzende, Außenminister Steinmeier, die dort vor Ort sein und anlässlich der Preisverleihung eine Laudatio halten werden.

Vor Beginn der Preisverleihung werden die drei Außenminister zusätzlich zu einem Gespräch zusammenkommen. Natürlich wird es um die aktuellen Entwicklungen rund um das Thema Ukraine gehen, aber auch um das Thema "OSZE als Organisation in der Unterstützung des Krisen- und Konfliktmanagements". Im Anschluss ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Last, but not least - das lief ja auch schon über die Agenturen - wird Außenminister Steinmeier am Sonntag Außenminister Kerry in Berlin treffen. Das Treffen wird in der Villa Borsig stattfinden. Das Treffen wird eine Gelegenheit dafür bieten, sich mit unseren amerikanischen Partnern vor allem über das Thema Syrien auszutauschen. Aber natürlich wird es auch um andere wichtige Themen wie Afghanistan und die Ukraine gehen. Das Thema der Flüchtlingskrise wird, weil es uns immer und bei allen Gesprächen, die wir führen, bewegt, auch mit dem amerikanischen Außenminister besprochen werden. Deshalb freuen wir uns auf die Gelegenheit zum Austausch mit dem amerikanischen Außenminister. Im Anschluss an das Gespräch wird es auch eine Pressekonferenz geben.

FRAGE: Wenn davon die Rede ist, Herr Seibert, dass die Kanzlerin auch mit den kommunalen Spitzenverbänden Fragen der Finanzierung ansprechen wird, heißt das, dass von diesem Termin zu erwarten ist, dass die Kanzlerin möglicherweise die bisherigen Angebote an die Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen konkretisieren und neue Angebote unterbreiten wird?

Ich habe eine zweite Frage an das Innenministerium: Können Sie mir eigentlich sagen, wie viele Flüchtlinge es in Deutschland gibt, die kein Asylrecht haben und damit die Grundgesamtheit für Abschiebungen darstellen könnten?

STS SEIBERT: Das Treffen mit den kommunalen Spitzenverbänden dient natürlich in allererster Linie dem Austausch über die aktuelle Situation. Die Bundeskanzlerin wird interessiert sein, die Einschätzung derjenigen, die wirklich genau wissen, was an Ort und Stelle in den Kommunen los ist, zu hören. Sie wird die Maßnahmen, die der Bund ergreift und ergreifen wird, noch einmal schildern. Finanzierungsfragen werden auch eine Rolle spielen. Aber dies ist kein Beschlussgremium; das ist klar. Finanzierungsfragen wie auch die übrigen Fragen des Umgangs mit den Flüchtlingen werden dann am 24. beim Treffen mit den Ministerpräsidenten eine wichtige Rolle spielen.

DR. DIMROTH: Es gibt natürlich Zahlen über die sich derzeit in Deutschland aufhaltenden Menschen, die ausreisepflichtig sind. Da muss man auch zwischen "vollziehbar ausreisepflichtig" und "geduldet" differenzieren. Ich muss einräumen, dass ich die jetzt - sozusagen Spitz auf Knopf - nicht dabei habe, aber sie Ihnen gerne im Nachgang zur Verfügung stellen kann.

FRAGE: Herr Seibert, in welcher Funktion baut Herr Weise das BAMF um? Von wem oder von welcher Institution wurde Herr Weise mit diesem Auftrag beauftragt? Wann?

STS SEIBERT: Das Mandat für den Arbeitsstab geht auf ein Gespräch der Bundeskanzlerin und des Chefs des Bundeskanzleramts mit den Herren Weise und Schmidt - also mit den Vertretern der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - vor acht Tagen zurück und ist auch mit dem vollen Einverständnis des Innenministeriums entstanden. Es gibt zwischen diesen beiden Institutionen Bundesagentur und BAMF wichtige Schnittstellen, und zwar bei der Registrierung der Flüchtlinge, bei dem Durchlaufen des Antragsverfahrens und vor allem auch bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Dieser Arbeitsstab soll nun Ideen entwickeln, wie diese Abläufe verbessert werden können, wie sie beschleunigt werden können. Gerade die Bundesagentur hat natürlich große Erfahrung mit der Prozessoptimierung. Über die Berichte über die Ergebnisse dieses Arbeitsstabs wird dem Bundesinnenminister berichtet werden, und sie werden auch am 24. September bei dem erneuten Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten vorgetragen werden.

Das ist also ein gemeinsamer Arbeitsstab in voller Übereinstimmung mit den beiden Häusern BA und BAMF. Wir wollen die schon jetzt gute Zusammenarbeit noch verbessert sehen. Die Verbesserung der Kooperation soll diesen ganzen Aufnahmeprozess beschleunigen. Diese enge Zusammenarbeit wird auch die schnelle Rekrutierung des noch notwendigen Personals ermöglichen. Das ist der Hintergrund.

ZUSATZFRAGE: Wenn das vor einer Woche stattgefunden hat, dann frage ich: Hat Herr Schmidt damals schon erklärt, dass er demnächst aus persönlichen Gründen seine Führungsarbeit aufgeben wird? Ist Herr Weise von der Kanzlerin beauftragt worden, oder hat Herr de Maizière der Bundeskanzlerin Herrn Weise quasi als einen empfohlen, der doch schon gezeigt hat, wie man aus einer Behörde A eine Behörde B bzw. eine Institution macht und dass er das besonders gut kann? Soll Herr Weise eine Zeit lang geschäftsführend beide Institutionen führen?

STS SEIBERT: Bevor ich an den Sprecher des Bundesinnenministeriums abgebe, will ich nur noch einmal sagen: Dieses Mandat ist nach einem Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin, dem Chef des Bundeskanzleramtes und den Herren Weise und Schmidt entstanden. Das heißt, in diesem Arbeitsstab wird in völliger Übereinstimmung dieser beiden Häuser gearbeitet. Es geht nicht um die Übernahme des einen durch das andere oder was auch immer sonst Sie da jetzt andeuten. Es geht darum, dass man die schon jetzt gute Zusammenarbeit an entscheidenden Schnittstellen verbessert. Dafür soll der Arbeitsstab Ideen vorlegen, und von diesen Ideen, diesen Verbesserungsvorschläge, wird er dem Bundesinnenminister berichten.

DR. DIMROTH: Ich fürchte, viel mehr habe ich nicht zu ergänzen. Genau so ist es: Auf Grundlage dieses Berichts wird wiederum auch der Bundesinnenminister in der Lage sein, am nächsten Donnerstag im Rahmen der kommenden MPK erste Ergebnisse dieser Arbeit vorzustellen.

ZUSATZFRAGE: Entschuldigung, aber unbeantwortet war noch die Frage, ob Herr Schmidt vor einer Woche, wie sich das gehört, fairerweise der Bundeskanzlerin schon gesagt hat, dass er eine Woche später aufhören wird.

STS SEIBERT: Herr Schmidt hat gestern seinen Rücktritt erklärt. Er hat persönliche Gründe für seinen Rücktritt angegeben. Ich denke, der Anstand gebietet es, dass man das auch respektiert. Der Bundesinnenminister hat Herrn Schmidt gestern für seine hervorragende Arbeit in den letzten - ich glaube, fast fünf - Jahren gedankt. Niemand bestreitet, dass das BAMF derzeit riesigen Herausforderungen gegenübersteht. Es hat diese Herausforderungen unter der Führung von Herrn Schmidt angenommen und ist dabei, sie umzusetzen. Das BAMF und all seine Mitarbeiter verdienen unsere Unterstützung.

FRAGE: Herr Seibert, mich würde interessieren, ob die Kanzlerin hinter dem Vorschlag oder Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium steht, in dem es jetzt heißt, dass Asylbewerber, für die Deutschland laut Dublin - Verordnung nicht zuständig ist, Leistungen in Zukunft ausschließlich in Form einer Reisebeihilfe zur Deckung des unabweisbaren Reisebedarfs erhalten sollen. Mich würde interessieren, ob die Kanzlerin dahinter steht.

Herr Dimroth, könnten Sie noch einmal kurz aufklären, für wen Deutschland laut Dublin-Verordnung nicht zuständig ist und warum die Menschenwürde ab sofort wahrscheinlich nur noch ein Bahnticket wert sein soll?

STS SEIBERT: Der Gesetz- und Verordnungsentwurf zu Änderungen im Asylrecht befindet sich im Ressortverfahren. Wie es üblich ist, kommentiere ich hier keine Gesetzentwürfe, die derzeit noch in der internen Willensbildung der Bundesregierung sind. Das ist das übliche Verfahren, und daran halte ich mich auch in diesem Fall.

DR. DIMROTH: Viel mehr kann ich dazu eigentlich auch nicht sagen, außer dass dieses Gesetzespaket, das da in der Abstimmung ist, eine Reihe von Themenfeldern beleuchtet, die jetzt auch dringend gesetzgeberisch angegangen werden müssen. Das ist zum einen die weitere Beschleunigung der Asylverfahren. Das ist auf der anderen Seite die Vereinfachung der Rückführung. Das ist die Beseitigung von Fehlanreizen. Das ist die Flexibilisierung von Standards bei der Errichtung und dem Betrieb von Unterkünften für Flüchtlinge. Das ist auch - jetzt in der Reihenfolge sozusagen als Letztes genannt, in der Sache aber wahrscheinlich mit das Wichtigste -, frühzeitig Integration gesetzlich so zu vereinfachen und zu verbessern, dass der nächste Schritt erfolgen kann, nachdem eine Unterbringung stattgefunden hat, nämlich - das ist wichtig - ganz schnell Integrationsmaßnahmen wirken zu lassen.

Zu einem laufenden Gesetzgebungsverfahren und dessen Abstimmungsprozess äußere ich mich ja auch nicht. Das ist gute Praxis und hätte anderenfalls, glaube ich, auch wenig Sinn. Was allerdings falsch ist, wie es heute teilweise auch schon in der Berichterstattung hieß, ist, dass mit diesem Gesetzentwurf oder dieser Idee, die Sie, Herr Jung, auch ansprechen, jedweder Mensch, der jetzt im Zuge der Entwicklung der letzten Woche zu uns gekommen ist, unter diese Regelung fiele. Um was es uns in der Idee und ganz grundsätzlich geht, ist: Sollte es in Europa gelingen, und dafür werben wir ja nun schon seit Langem, eine verpflichtende Quote und damit auch eine Verteilung von Menschen, die nach Europa kommen und Schutz suchen, durchzusetzen, dann muss es auch ein Regulativ auf nationaler Ebene geben, mit dem diese Verteilung, die einmal stattgefunden hat, auch durchgesetzt werden kann. Das ist die Idee hinter dem Teil der Regelung, die Sie gerade zitiert haben.

ZUSATZFRAGE: Sie hatten die Frage nicht beantwortet. Mich würde noch einmal konkret interessieren: Wer ist aktuell in Deutschland, aber Deutschland ist laut Dublin-Verordnung nicht für ihn zuständig? Wer ist das konkret?

Mich würde auch interessieren, ob sich der jetzt zurückgetretene BAMF-Chef vielleicht diesen Gesetzentwurf angeschaut und dann gesagt hat, dass er dann nicht mehr BAMF-Chef sein möchte.

DR. DIMROTH: Zum zweiten Teil Ihrer Frage möchte ich noch einmal etwas sagen, und dann bitte ich darum, weitere Versuche vielleicht auch zu unterlassen: Wir haben gestern eine sehr deutliche Pressemitteilung veröffentlicht, aus der sich sozusagen die Erwägungsgründe von Herrn Schmidt ergeben und aus der sich auch ergibt, wie der Bundesinnenminister und das Bundesinnenministerium zu der Leistung und der Arbeit von Herrn Schmidt stehen. An allen weiteren Spekulationen werde ich mich von hier aus jedenfalls nicht beteiligen.

Ich werde Ihnen auch nicht den Gefallen tun, jetzt sozusagen Subsumptionen eines von Ihnen zitierten Textes eines in Abstimmung befindlichen Gesetzentwurfes vorzunehmen. Ich habe Ihnen gerade ausgeführt, was der Regelungszweck ist. Das ist das, was erreicht werden soll. Ich werde jetzt mit Ihnen nicht sozusagen ins Klein-Klein gehen, und zwar auf Grundlage eines Textes, den Sie mir vorlesen und der, wie gesagt, ein "living document" ist, weil wir in einem Abstimmungsprozess sind und Worte nicht in Stein gegossen sind.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es geht um die Dublin-Verordnung. Wer ist aktuell hier in Deutschland, für den Deutschland laut - - -

DR. DIMROTH: Da bitte ich um einen Blick in die einschlägigen Rechtstexte. Da werden Sie ganz schnell fündig werden.

FRAGE: Frau Küchen, Sie sind gestern auf die Frage "Abschiebung ohne Ankündigung?" mit dem Satz zitiert worden: "Alternative Regelungsvorschläge liegen vor und werden noch diskutiert". Können Sie das bitte noch etwas präzisieren?

KÜCHEN: Nein, das kann ich nicht. Diese Sprache von gestern, die Sie gerade zitiert haben, gilt nach wie vor. Das bezieht sich ja auf den Gesetzentwurf, der jetzt in den Medien ist. Der befindet sich also noch in der Ressortabstimmung. Naturgemäß gibt es alternative Regelungsvorschläge, und die werden diskutiert. Die Gespräche laufen.

FRAGE: Ich hätte zwei Fragen, die erste an Herrn Dimroth: Wann soll das Gesetz ins Kabinett kommen? Habe ich es richtig verstanden, dass das auf keinen Fall für die Flüchtlinge gelten würde, die schon da sind?

Dann wollte ich Frau Chebli und Herrn Seibert etwas fragen. Der Außenminister hat jetzt gesagt, dass man sich ernsthaft eine Mehrheitsentscheidung hinsichtlich der Quoten in Europa überlegen sollte. Wie soll man sich das vorstellen? Als wie groß schätzen Sie die Unterstützung der anderen Länder für so einen Vorgang ein? Steht auch die Bundeskanzlerin dahinter?

DR. DIMROTH: Die Arbeiten an dem Gesetzentwurf zielen natürlich auf die Ministerpräsidentenkonferenz am nächsten Donnerstag ab. Da soll möglichst insoweit Konsolidiertes vorliegen, als dieses Thema nur gemeinsam von Bund und Ländern und nur als gemeinsame Kraftanstrengung zu bearbeiten ist. Auch nur als gemeinsame Kraftanstrengung in Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen lässt sich so ein Kraftakt eines solchen Gesetzgebungspakets schnell und möglichst zielgerichtet erfolgreich zum Ende führen.

Wenn das gelingen wird, dann wird zeitnah eine Kabinettsbefassung angestrebt. Ein Datum möchte ich nicht nennen. Das wird aber - jedenfalls dann, wenn es gelingen wird - sehr, sehr zeitnah zu dieser Sitzung am kommenden Donnerstag stattfinden.

Zweitens hatten Sie gefragt, ob eine mögliche Regelung, die jetzt gerade im Raum steht, Flüchtlinge erfassen würde, die schon hier sind. Noch einmal: Ich würde jetzt ungern sozusagen auf Grundlage eines in der Ressortabstimmung befindlichen Gesetzentwurfes weitere Einzelausführungen machen. Aber einen Punkt möchte ich nennen, und das haben wir hier mehrfach und sehr ausführlich ausgeführt: Auch wenn wir die Dublin-Verordnung, wie vielfach und zum Teil auch von Ihnen berichtet wurde, nicht ausgesetzt haben, haben wir bei den Menschen, die zu uns gekommen sind, das sogenannte Selbsteintrittsrecht ausgeübt. Das heißt, sie werden hier ein Asylverfahren durchlaufen, sie werden, wenn sie Schutzgründe geltend machen, wie es in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle von Menschen, die aus Syrien kommen, der Fall ist, einen Anspruch auf eine dauerhafte Bleibeperspektive bekommen und dementsprechend hierbleiben können.

CHEBLI: Sie wissen, dass die Entscheidungen des JI-Rats dem normalen EU-Gesetzgebungsverfahren unterliegen, das ja die Möglichkeit der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit beinhaltet. Der Kommissionspräsident hat Vorschläge vorbereitet. Dazu hat es einen JI-Rat gegeben. Es gibt eine große Mehrheit von EU-Staaten, die offen für diese Vorschläge ist. Der Minister hat gesagt: Wir sind noch nicht am Ende unserer Überzeugungsarbeit. Es gibt Bewegung, zum Beispiel bei den baltischen Staaten. Auch Polen hat signalisiert, Flüchtlinge aufzunehmen. Deshalb zeigt sich auch in diesem Zusammenhang dieser ganze Debatte um "Ost gegen West" oder der Frage "Ist das ein deutsches Problem?", dass das ganz offensichtlich nicht der Fall ist, weil es, wie gesagt, unter den baltischen Staaten und auch in Polen durchaus Bereitschaft gibt, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Wir befinden uns hier also in einem Abstimmungsprozess. Die Verhandlungen laufen auf Hochtouren. Der JI-Rat wird tagen, und dabei wird hoffentlich eine Entscheidung gefällt werden.

STS SEIBERT: Da wir gerade schon über Europa sprechen, würde ich es gerne bei dieser Gelegenheit für die Bundesregierung sehr begrüßen, dass sich das Europäische Parlament dem Kommissionsvorschlag, zu dem es ja wenn auch kein Entscheidungsrecht, so doch ein Anhörungsrecht hat, so schnell, so zügig und so positiv angenommen hat. Es hat ja schon gestern mit klarer Mehrheit seine Zustimmung und zustimmende Stellungnahme abgegeben. Das ist ein sehr gutes Zeichen.

DR. DIMROTH: Ich wollte nur noch kurz ergänzen, dass die Arbeiten für den nächsten Sonder-Innenrat am nächsten Dienstag selbstverständlich mit Hochdruck laufen und dass aus dem Innenministerium heraus Gespräche mit allen Partnern stattfinden. Wir befinden uns insbesondere in einem engen Abstimmungsprozess, Herr Madelin, mit unseren französischen Kollegen, um diesen Innenrat am nächsten Dienstag jetzt tatsächlich zu einem Erfolg zu machen und die erforderlichen, gerade dargestellten Mehrheiten zu erreichen.

FRAGE: Herr Seibert, können Sie mir bitte noch einmal erklären, was sich die Bundesregierung denn davon verspricht, dass es verbindliche Quoten gibt, die aufgrund eines Mehrheitsentscheids auf EU-Ebene zustande gekommen sind?

STS SEIBERT: Zunächst einmal arbeiten wir natürlich darauf hin, dass es beim Sonderrat der Innenminister und der Justizminister möglich sein wird, eine Übereinkunft zu treffen, die alle Mitgliedstaaten tragen. Aber die rechtliche Situation ist so, wie sie beschrieben wurde: Es ist möglich, dass über den Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird. Das ist ein normales europäisches Verfahren und nichts, was man für diesen Anlass erfinden müsste. Wir arbeiten aber natürlich, wenn es irgend möglich ist, an einer Übereinkunft, an der sich alle beteiligen können und alle beteiligen wollen. Wir sehen, wie Frau Chebli es gesagt hat, in einzelnen Ländern sehr positive Zeichen und Bewegung. So ist es in Europa: Man muss bis zur letzten Minute argumentieren und Überzeugungsarbeit leisten.

FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und, wenn Sie sie nicht beantworten können, dann vielleicht an Herrn Dimroth zum BAMF und zur BA: Ein Kernpunkt ist ja, dass es eine mangelnde Zahl an Entscheidern gibt, die sich um die Asylanträge kümmern bzw. eben über diese entscheiden. Heißt das, dass es jetzt vielleicht doch schneller mehr neue Entscheider geben wird? War das Kern der Gespräche?

STS SEIBERT: Ich habe es ja gerade auch vorgetragen: Ein Teil des Mandats dieses Arbeitsstabs ist es, Abläufe so miteinander zu harmonisieren, so zu verbessern und Prozesse so zu optimieren, dass tatsächlich der Stellenaufbau, der ja gewünscht und politisch beschlossen ist, auch schneller möglich sein wird; das ist richtig.

DR. DIMROTH: Ich kann vielleicht nur ergänzen, dass es ja mitnichten so ist, auch wenn dieser Eindruck jetzt entstehen mag, dass in der Vergangenheit kein Stellenaufwuchs und -aufbau stattgefunden hätte, dass es in der Vergangenheit nicht gelungen wäre, trotzt der Vervierfachung der Anträge die Verfahrensdauern erheblich zu drosseln, und dass es nicht gelungen wäre, im ersten Halbjahr 2015 über mehr Anträge als im gesamten Jahr 2014 zu entscheiden.

Ich möchte auch dem Eindruck entgegentreten, dass sozusagen allein die Frage der Zahl der Entscheider im BAMF nun der allein ausschlaggebende Punkt oder der allein ausschlaggebende Faktor für die Verfahrensdauer ist. Dazu gehört natürlich sehr viel mehr. Dazu gehört die Erstaufnahmeeinrichtung im Land. Dazu gehört ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, das am Ende des Prozesses möglichst schnell ablaufen muss. Dazu gehört eine Infrastruktur. Ich möchte also sozusagen erstens nur ein möglichst vollständiges Bild malen, und zweitens möchte ich auch die Erwartungshaltung etwas minimieren, dass allein die Zahl der Entscheider beim BAMF der Faktor wäre, der den Prozess so maximal beschleunigt, wie wir es uns wünschen. Dafür bedarf es einer Vielzahl von Faktoren, die ineinandergreifen müssen, und wir sind sehr dankbar, dass jetzt auch die BA gemeinsam mit dem BAMF ihre Expertise einbringt, um dem Bundesinnenminister zu berichten, welche Prozessoptimierungen dort noch erreichbar sind.

KÜCHEN: Weil das BMAS ja das für die BA zuständige Ressort ist: Es gab verschiedene Meldungen zu der Unterstützung, die die BA momentan leistet. Dazu muss man ganz klar sagen: Die BA unterstützt das BAMF im Rahmen der Amtshilfe, und zwar vorrangig bei der Personalauswahl.

Im Übrigen war diese Entscheidung - das hatten Sie vorhin, glaube ich, einfach kurz vergessen - natürlich auch mit uns abgestimmt; das möchte ich ausdrücklich noch einmal sagen.

STS SEIBERT: Ja, auch mit der Arbeits- und Sozialministerin! Pardon, aber so war es gemeint.

FRAGE: Ich habe zwei Fragen an Herrn Seibert: Was für eine Rolle erwartet die Bundesregierung in der Flüchtlingskrise von Russland?

STS SEIBERT: Die Flüchtlingskrise ist zunächst einmal eine Krise, mit der Europa jetzt zurechtkommen muss. Die Flüchtlinge stehen vor unseren oder schon in unseren Ländern. Viele Hunderttausend sind bereits in Deutschland und in anderen Ländern angekommen. Da ist ein gesamteuropäisches Reagieren notwendig.

ZUSATZFRAGE: Denken Sie, dass Russland zu einer diplomatischen Lösung der Syrien-Krise beitragen könnte?

STS SEIBERT: Russland, und darauf haben wir ja in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder hingewiesen, spielt eine große Rolle und hat eine große Verantwortung auch im Falle Syriens. Das heißt, wir hoffen, dass es möglich sein wird, zusammen mit Russland und zusammen mit den USA einen Weg einzuleiten, der letztlich zu einer politischen Lösung des Konflikts in Syrien, der schon viel zu lange andauert und viel zu viele Menschenleben gekostet hat, ermöglicht. Da ist Russland sicherlich gefragt. Aber das kann Ihnen Frau Chebli noch besser und ausführlicher erklären.

CHEBLI: Nein, nicht noch besser und ausführlicher, weil ich glaube, dass wir nicht so viel Zeit haben, aber ich habe hier ja in den vergangenen Tagen mehrfach dazu Stellung bezogen und kann vielleicht nur empfehlen, dass Sie den Namensartikel des Ministers in der "New York Times" lesen, in der er noch einmal unsere Sicht auf die Syrien-Krise und auf die Frage, wie wir die russische Politik in Syrien derzeit einschätzen, deutlich gemacht hat. Wenn man einen Weg aus der Syrien-Krise sucht, geht das natürlich - das hat Herr Seibert ganz richtig gesagt - und wahrscheinlich nicht ohne Russland. Russland spielt eine sehr zentrale Rolle und wird in den Gesprächen, die gegenwärtig laufen, nicht nur überall eingebunden, sondern ist einer der zentralen Akteure.

FRAGE: Ich habe eine eigentlich rein technische Wissensfrage: Was kostet ein Flüchtling in einer Erstunterkunftseinrichtung in etwa pro Tag oder pro Monat? Gibt es dazu eine ungefähre Zahl?

DR. DIMROTH: Ich habe keine ungefähre Zahl vorliegen, wenn Sie mich fragen, weil es eine Aufgabe der Länder ist, die Erstaufnahmeeinrichtungen zu betreiben, zu unterhalten, zu bauen und auch entsprechend Asylbewerberleistungen zu organisieren und zu bezahlen. Insofern habe ich hier als Bund oder als BMI keine abschließende Zahl zu nennen; da bitte ich um Nachsicht.

ZUSATZFRAGE: Darf ich eine Nachfrage zu Syrien stellen? Frau Chebli, ich bin ein bisschen durcheinander gekommen, was die Haltung der Bundesregierung zum Thema der russischen Politik in Syrien angeht. Vor genau einer Woche hat Martin Schäfer auf Ihrem Platz folgenden Satz gesagt: Ich glaube, wir würden es begrüßen, wenn sich die Russische Föderation und der russische Präsident engagiert an diesem Kampf gegen ISIS beteiligen würden. - Das klang für mich wie eine positive Beurteilung der Möglichkeit, dass die Russen jetzt aktiv militärisch gegen ISIS in Syrien vorgehen. Sie sagten vorgestern, dass es keine gute Idee sei, dort militärisch einzugreifen. Was ist nun Sache?

CHEBLI: Das halte ich natürlich für überhaupt keinen Widerspruch. Im Gegenteil: Das eine baut auf dem anderen auf. Natürlich ist der Kampf gegen ISIS ein Kampf, den wir alle gemeinsam befürworten. Es gibt eine Koalition aus 60 Staaten, wie Sie wissen, die sich ISIS im Kampf entgegenstellt. Dabei spielt Deutschland mit der Unterstützung der Peschmerga eine Rolle. Wir haben ein Interesse daran und würden uns wünschen, dass sich Russland in diesem Rahmen und in einem abgestimmten Format auch am Kampf gegen ISIS beteiligt. Das ist das, was wir zu der gegenwärtigen Haltung der russischen Politik sagen. Wir begrüßen es, wenn sich Russland in einem abgestimmten Rahmen oder mit uns bzw. mit den Amerikanern abgestimmt oder in der Koalition an einem Kampf gegen ISIS beteiligt.

Wir haben, und das habe ich noch einmal unterstrichen, die Sorge, dass das gegenwärtige unabgestimmte militärische Vorgehen Russlands den Prozess in der Frage des Einstiegs in einen politischen Prozess in Syrien eher erschwert. Das entspricht unserer Haltung.

ZUSATZFRAGE: Frau Chebli, Sie haben am Mittwoch gesagt, Sie unterstützen die Bemühungen des UN-Vermittlers, alle Konfliktparteien an einen Tisch zu setzen. Sind mit "alle Konfliktparteien" auch die IS-Kämpfer gemeint?

CHEBLI: Nein, ganz klar nicht.

FRAGE: Herr Seibert, zurück zur Flüchtlingspolitik: Mich würde interessieren, ob es Absicht ist, dass die Bundesregierung gerade im Grunde bipolar agiert. Auf der einen Seite zeigt die Kanzlerin quasi das freundliche Gesicht der Bundesregierung in Sachen Flüchtlinge. Sie heißt die Flüchtlinge willkommen und ist dafür, eine positive Stimmung zu verbreiten. Gleichzeitig scheint Herr de Maizière so ein bisschen die hässliche Fratze der Asylpolitik zu sein, indem er die Abschiebungen beschleunigen will und das Asylbewerbergesetz verschärft. Da würde mich interessieren: Ist das Absicht von Ihnen?

STS SEIBERT: Den Ausdruck, den Sie da im Zusammenhang mit dem Bundesinnenminister verwenden, weise ich scharf zurück.

Ansonsten möchte ich Sie gerne auf die Ansprache der Bundeskanzlerin im Bundestag aus der vergangenen Woche verweisen. Erster Punkt: Diejenigen, die als Asylsuchende zu uns kommen oder als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden, brauchen unsere Hilfe, damit sie sich schnell integrieren können. Zweitens: Diejenigen, die nicht vor politischer Verfolgung oder Krieg flüchten, sondern aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen, werden nicht in Deutschland bleiben können. - Daran sehen Sie bereits, dass es immer diese beiden Stränge gibt. Wir wollen denjenigen helfen, die nach unseren Gesetzen schutzbedürftig sind und ein Anrecht auf Schutz haben. Das ist eine Zahl von Hunderttausenden. Wir tun als Staat und als Gesellschaft, was wir können, um dieser humanitären wie rechtlichen Verpflichtung gerecht zu werden. Wir sagen gleichzeitig sehr klar, dass diejenigen, die diesen Schutzanspruch nach unseren Gesetzen nicht haben, nicht werden in Deutschland bleiben können. Das heißt nicht, dass sie nicht genauso menschenwürdig behandelt werden, und ich glaube, das wird auch genau so getan, aber sie haben keinen dauerhaften Bleibeanspruch in Deutschland. Auch dies ist ein Teil unserer Politik in dieser Flüchtlingskrise. Das ist im Übrigen etwas, was die gesamte Bundesregierung eint.

ZUSATZFRAGE: Sie haben gerade betont, dass es auf jeden Fall Asyl für politisch Verfolgte gibt. Die Kanzlerin hat ja auch gesagt: Wir dürfen Menschen, die Asyl suchen, nicht im Stich lassen. - Dann würde mich interessieren: Warum lässt die Bundesregierung Edward Snowden im Stich? Das ist ein politisch Verfolgter, der in Deutschland Asyl sucht und kein Asyl bekommen soll.

STS SEIBERT: Diese Debatte haben wir hier im vergangenen Jahr über Wochen und Monate hinweg geführt. Ich verweise auf all das, was wir hier als Sprecher der Bundesregierung zu diesem Thema bereits gesagt haben. Einen neuen Aspekt sehe ich da nicht.

FRAGE: Herr Seibert, beantragt die Bundesregierung eine Verlängerung der Grenzkontrollen nach dem Ablauf der Zehn-Tage-Frist? Wie funktioniert das eigentlich?

Herr Dimroth, wie lange dauert denn die Qualifizierung eines BA-Mitarbeiters zu einem Entscheider im BAMF, falls das überhaupt angestrebt ist? Geht das schneller, als wenn man andere Beamte oder anderer Angestellte nimmt?

STS SEIBERT: Ich sage einmal kurz etwas zu den Grenzkontrollen, weil ich gefragt worden war, und dann kommen die Kollegen dran: Ich kann Ihnen keinen Zeitplan nennen. Die Grenzkontrollen sind temporär und zeitweilig, wie wir auch gesagt haben. Alles Weitere ergibt sich aus der Beobachtung der sich ständig entwickelnden Lage.

ZUSATZFRAGE: Es gibt doch die Zehn-Tage-Frist, oder ist es eine Falschbehauptung der Gewerkschaft der Polizei, auf die ich mich jetzt, ehrlich gesagt, nur stützen kann, dass die Grenzkontrollen nur zehn Tage dauern und dann verlängert werden können?

DR. DIMROTH: Da kann ich zumindest ein bisschen zur Wahrheitsfindung beitragen: Die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen finden sich im sogenannten Schengener Grenzkodex, und darin gibt es verschiedene Möglichkeiten der zeitweiligen Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Der eine Fall ist in Artikel 23 geregelt, der andere in Artikel 25. Darin gibt es unterschiedliche Fristen, aber selbstverständlich sind in beiden Mechanismen Verlängerungsmöglichkeiten vorgesehen, von denen gegebenenfalls, wie Herr Seibert gerade gesagt hat, nach einer Lagebeurteilung dann auch Gebrauch gemacht werden müsste.

KÜCHEN: Jetzt kann ich ja vielleicht kurz noch einmal etwas mehr zu dem ausführen, was ich vorhin gesagt habe: Als ich vorhin sagte "vorrangig bei der Personalauswahl", hatte ich im Hinterkopf "auch bei den IT-Strukturen". Man muss sich einmal anschauen, was die BA ansonsten in ihrem normalen Geschäft leistet: Personalauswahl, Arbeitsvermittlung und auch eine sehr gut funktionierende IT-Struktur. Das sind die Dinge, die hier im Rahmen der Amtshilfe anstehen.

DR. DIMROTH: Sie hatten danach gefragt, wie lange das dauert. Diese Zahl lässt sich natürlich sinnvollerweise nicht irgendwie auf Tage, Wochen oder gar Stunden und Minuten herunterbrechen.

Was sicherlich richtig ist, ist sozusagen der Kern Ihrer Frage: Ist es denn sozusagen für jedermann möglich, von heute auf morgen zum Entscheider umqualifiziert zu werden? - Das bedarf sicherlich eines gewissen Vorlaufs. Wir weisen ja auch seit geraumer Zeit darauf hin, dass eben noch nicht allein die Zusage von Stellen und die entsprechenden Stellenpläne einen Effekt zeitigen, weil dann eben erst einmal rekrutiert, ausgesucht und ausgebildet werden muss. Das ist kein Automatismus. Selbstverständlich und sicherlich wäre es aber hilfreich, um das auch noch zu sagen, wenn Menschen bereit wären, dies zu unterstützen, die beispielsweise eine gewisse Verwaltungserfahrung haben. Das erschließt sich ja auch von selbst.

FRAGE: Herr Dimroth hat vorhin gesagt, dass die Dublin-Verordnung faktisch sowieso außer Kraft gesetzt worden sei. Die Frage ist nun: Erwartet die Bundesregierung, dass man irgendwann in absehbarer Zeit zur Normalität der Dublin-Verordnung zurückkommen wird, oder braucht man dafür europaweit eine ganz andere, neue rechtliche Basis?

Zweite Frage zu dem beabsichtigten Asylgesetz: Auf welcher Basis wird dieses Gesetz konstruiert - auf Basis der Dublin-Verordnung, oder trägt dieses Gesetz der neuen Realität Rechnung, dass diese Verordnung nicht mehr funktioniert?

DR. DIMROTH: Ich glaube, Sie haben mich angesprochen. Zuerst einmal hatte ich ausdrücklich nicht gesagt, dass wir die Dublin-Verordnung faktisch ausgesetzt haben - das habe ich, glaube ich, auch schon hinreichend und häufig hier zu erläutern versucht -, sondern im Rahmen dessen, was die Dublin-Verordnung vorsieht, haben wir in einer ganz großen Vielzahl von Fällen von dem sogenannten Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht, das es jedem Staat freistellt, einen Asylantrag eines hier schutzsuchenden Menschen selbst zu bearbeiten, obwohl gegebenenfalls ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union und damit nach der Dublin-Verordnung zuständig wäre. Das ist aber keine faktische Aussetzung der Dublin-Regeln, sondern das ist die Anwendung eines in diesen Regeln vorgesehenen Mechanismus. Das ist ein großer Unterschied. Wir haben zu keiner Sekunde als Bundesrepublik Deutschland die Dublin-Verordnung ausgesetzt, sondern wir haben eine in dieser Verordnung vorgesehene Maßnahme ergriffen und Asylverfahren durchgeführt, für deren Durchführung wir möglicherweise nicht in jedem Fall zuständig gewesen wären. Das ist ein großer Unterschied. Insofern muss ich das sozusagen noch einmal sehr deutlich - vor die Klammer gezogen - sagen.

Die zweite Frage war, ob das, was wir derzeit gesetzgeberisch zusammenschnüren, abstimmen und auf den Weg bringen, dem geltenden europäischen Recht entsprechen wird. Selbstverständlich ist das der Fall. Die Dublin-Verordnung gilt. Sie bindet alle Mitgliedstaaten. Sie bindet damit Deutschland genauso wie alle anderen auch. Auch das werden wir nicht müde zu betonen. Selbstverständlich besteht die Verpflichtung auch anderer Mitgliedstaaten beispielsweise zur Registrierung von Flüchtlingen, wenn sie dort ankommen und mit einer Behörde in Kontakt kommen. Das ist völlig zweifelsohne so und wurde auch durchgängig so von uns klargemacht. Dementsprechend wird selbstverständlich auch ein Gesetz, das in Deutschland aufgrund der Normenhierarchie verabschiedet werden wird, europäischen Vorgaben, die existent sind, entsprechen.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie auch jetzt sagen, dass die Dublin-Verordnung gilt: Was schätzen Sie, wann wir zur Normalität der Dublin-Verordnung zurückkehren werden?

DR. DIMROTH: Das ist eine schwierige Frage, und das bringt mich zu einem Punkt, den ich vielleicht eben gerade nicht hinreichend ausgeführt habe. Die Erkenntnis, dass die Dublin-Verordnung an vielen Stellen nicht mehr praktikabel ist oder nicht mehr praktiziert wird, teilen wir nämlich. Es ist ja nicht so, dass wir die Augen verschließen und behaupten würden, das würde alles wunderbar funktionieren und es müssten sich nur alle daran halten. Die Defizite, die auch in diesem Verordnungsmechanismus selbst angelegt sind, sind wohlbekannt. Gerade deswegen wollen wir ja in Europa zu einem wirklichen Paradigmenwechsel kommen, der da lauten muss: zentrale Einrichtungen in den hauptbetroffenen Ländern - beispielsweise Griechenland und Italien; so ist es Beschlusslage - mit europäischer und damit natürlich auch deutscher Hilfe, Betrieb dieser Einrichtungen von dort aus und Verteilung nach festen Quoten in alle EU-Mitgliedstaaten - jedenfalls in die der Dublin-Verordnung. Das ist ja genau das, was wir sozusagen an die Stelle dessen setzen wollen, was wi r jetzt unter Dublin verstehen.

Wir sehen also einen Änderungsbedarf, natürlich, aber solange es sozusagen keine Ablösung von Dublin durch ein neues, rechtlich verbindliches System Europas gibt, gelten die Vorgaben von Dublin. Die gelten für alle und damit natürlich auch für Deutschland.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium: Der Minister hat ja schon zu Beginn des Jahres die Gesundheitskarte für Flüchtlinge ins Gespräch gebracht bzw. angeregt, dass man das Bremer Modell bundesweit anwenden könnte. Frau Angeli können Sie mich da bitte auf den Stand bringen, ob das noch immer die Position von Herrn Gröhe ist und wie weit da die Absprache mit den Ländern ist?

Herr Dimroth, ich würde von Ihnen in diesem Zusammenhang gerne wissen: Wäre eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge ein möglicher Fluchtanreiz? Es gibt ja Stimmen aus der Union, die sagen, wir sollten das nicht machen, weil das ein Anreiz sein könnte, nach Deutschland zu kommen. Teilt der Innenminister diese Befürchtung?

ANGELI: Die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen ist ein ganz wichtiges Thema, das momentan natürlich auf ganz unterschiedlichen Ebenen diskutiert wird. Dazu gehört eine gute Erstuntersuchung in den Erstaufnahmeeinrichtungen, dazu gehört es, die notwendigen Schutzimpfungen vorzunehmen, dazu gehört die Frage, wie die Traumabehandlung von Flüchtlingen sichergestellt werden kann, und dazu gehört natürlich auch die Frage, wie im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung der bürokratische Aufwand möglichst gering gehalten werden kann - auch für die Länder. Deswegen gab es und gibt es Diskussionen zwischen Bund und Ländern. Sie wissen, dass der Bund den Ländern zugesagt hat, die Einführung der Gesundheitskarte für die Länder, die das wollen, zu erleichtern. Sie wissen auch, dass es am 24. September noch einmal ein Treffen zwischen Bund und Ländern geben wird. Da wird es insgesamt darum gehen, ein Gesamtpaket zu schnüren, aber da wird es natürlich auch darum gehen, die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen noch einmal in den Blick zu nehmen.

DR. DIMROTH: Ich habe dem, ehrlich gesagt, nicht viel hinzuzufügen. Auch das ist sozusagen Teil des hier jetzt mehrfach angesprochenen Gesetzespaketes, das derzeit abgestimmt wird. Ich hatte jedenfalls die Schwerpunkte des Innenministers, die er in diesem Gesetzespaket verortet sehen möchte, zu Beginn dieser Veranstaltung einmal vorgetragen. Dazu gehört - ich hatte es gesagt - auch das Thema "Anreize vermindern". Das lässt sich jetzt aber nicht monothematisch auf einen Teilaspekt, beispielsweise auf die Gesundheitskarte, herunterbrechen. Vielmehr muss ein ausgewogenes Gesamtmaßnahmenpaket geschnürt werden, das all die von mir genannten Aspekte umfasst. Da gibt es sicherlich auch eine Wechselwirkung von unterschiedlichen Leistungen; insofern kann man die jetzt nicht monothematisch aus den Blöcken, die da diskutiert werden, herauslösen.

FRAGE: Herr Dimroth, ich möchte noch zu einem wirklich bemerkenswerten Aspekt in dem Entwurf kommen: Da ist davon die Rede, dass die Prüfung der Zulässigkeit von Asylverfahren den Grenzbehörden übertragen werden kann. Demnach könnte bereits die Bundespolizei an der Grenze darüber entscheiden, ob Deutschland für einen Asylsuchenden zuständig ist. Mich würde interessieren: Wie kommt man auf die Idee, die Aufgaben des BAMF an Polizeibehörden zu übertragen?

DR. DIMROTH: Ich hatte jetzt, glaube ich, drei- oder viermal recht deutlich gemacht, dass ich mich zu einem in Ressortabstimmung befindlichen Gesetzentwurf hier nicht äußern werde. Dabei würde ich gerne bleiben, Herrn Jung, auch wenn Sie es noch einmal versuchen.

ZUSATZFRAGE: Sie können das also nicht ausschließen - das steht da ja drin. Wie kommt man überhaupt auf die Idee?

DR. DIMROTH: Ich könnte mich jetzt noch dreimal wiederholen, wenn Sie das mögen. Ich glaube, das würde auf Dauer vielleicht auch Ihre Seher ermüden. Wir können das aber gerne versuchen.

ZUSATZFRAGE: Ich hätte noch eine Frage an Herrn Seibert: Ungarn macht jetzt die Grenzen dicht und geht teils unmenschlich gegen Flüchtlinge vor; Kroatien wird die Grenze dicht machen, Slowenien wird die Grenze dicht machen. Wie sollen aus Sicht der Bundesregierung Flüchtlinge noch nach Deutschland kommen können?

STS SEIBERT: Ich will ganz grundsätzlich sagen, dass wir uns der großen Herausforderungen bewusst sind, vor denen sich zurzeit Länder wie Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und jetzt auch Kroatien und andere befinden. Das macht uns ja so klar, dass es für diese humanitäre Herausforderung, die wahrscheinlich die größte Europas seit dem Zweiten Weltkrieg ist, keine rein nationalen Lösungen geben kann. Vielmehr kann es nur eine Lösung geben, bei der sich Europa als Ganzes zusammenfindet, um das Richtige zu tun, um konstruktiv und solidarisch das Problem anzugehen. Dazu gehört dann eben, dass Europa als Ganzes die Verpflichtungen aus dem gemeinsamen europäischen Asylsystem umsetzt und seine internationalen humanitären Verpflichtungen ebenso umsetzt.

Zu Ungarn: Die Zahl an Flüchtlingen, mit denen sich Ungarn seit einiger Zeit konfrontiert sieht, stellt - da kann es überhaupt keinen Zweifel geben - eine große Belastung für ein Land wie Ungarn dar, und das haben wir auch zu berücksichtigen. Flüchtlinge an den Grenzen faktisch zurückzuweisen, ist aus Sicht der Bundesregierung gleichwohl kein Beitrag zu einer nachhaltigen Lösung des aktuellen Flüchtlingsproblems. Gerade weil wir diesen Konflikt zwischen realer Belastung und der humanitären Verpflichtung, die wir alle in Europa haben, auflösen wollen, setzen wir uns ja nachhaltig für eine solidarische europäische Lösung auf europäischer Ebene ein. Das schließt zum Beispiel die sogenannten Hot Spots ein, an denen wir sehr intensiv arbeiten, und das schließt die notwendige faire Verteilung von Flüchtlingen ein, die ja nächste Woche von den Justiz- und Innenministern erneut beraten wird.

ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, die Frage war: Wie sollen Flüchtlinge noch nach Deutschland kommen können, wenn in Osteuropa die Grenzen dichtgemacht werden?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen dazu das gesagt, was ich zu Grenzschließungen in Osteuropa zu sagen habe, und dem kann ich jetzt nichts hinzufügen.

FRAGE: Ich möchte mich der Frage des Kollegen anschließen. Die Frage war, wie die Flüchtlinge heute nach Deutschland kommen können; es geht also nicht um eine grundsätzliche Regelung auf europäischer Ebene. Das ist auch für mich eine offene Frage.

Zweitens. Herr Seibert, warum besteht die Bundesrepublik auf der Beibehaltung des Dublin-Abkommens, eines gescheiterten Abkommens? Welches besondere Interesse hat sie daran?

Drittens eine Frage an Herrn Dimroth - weil Sie von einem Paradigmenwechsel gesprochen haben -: Warum sollen Griechenland und Italien zu den Hauptauffanglagern für Flüchtlinge werden und nicht etwa die Bundesrepublik und Frankreich? Was ist die zwingende Notwendigkeit dafür, dass diese Länder diese Last übernehmen?

STS SEIBERT: Der Blick auf die deutschen Grenzen derzeit zeigt, dass Flüchtlinge ja jeden Tag nach Deutschland kommen. Das ist also derzeit sowieso der Fall, und ich habe für die Zukunft keine Aussagen zu machen, welcher Weg der geeignetste sein mag.

Warum beharren wir darauf zu sagen, dass Dublin noch gilt, auch wenn wir ja - realistisch wie wir sind und wie Herr Dimroth es gerade auch gesagt hat - sehen müssen, dass es an vielen Ecken und Enden dieses Kontinents derzeit nicht Realität ist und nicht eingehalten wird? Weil wir eine gesamteuropäische Regelung brauchen. Vielleicht brauchen wir eine verbesserte, vielleicht brauchen wir eine reformierte; daran arbeiten wir. Aber wenn die Alternative ist, dass jeder für sich arbeitet und dass jeder nur nach seinen eigenen nationalen Erwägungen handelt, dann wird sie für Europa nicht zu einem guten Ende führen.

VORS. LEIFERT: Warum Griechenland und Italien, und nicht Frankreich und Deutschland?

DR. DIMROTH: Auch das ist natürlich ein Prozess, der sozusagen nur über eine europäische Einigung erreicht werden kann. Ein mögliches Argument für diese beiden Länder lässt sich aber relativ leicht der Europakarte entnehmen: Der Erstzutritt auf Festland findet eben in der Regel - jedenfalls bei den Menschen, die aus Syrien kommen - in Italien oder in Griechenland statt. Gleiches gilt mindestens in gleichem Maße auch für Menschen, die aus Afrika zu uns kommen. Insofern ist es geographisch im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend, dass man dort auch eine Erstaufnahme organisiert, aus der heraus - wenn man das Ganze europäisch löst und denkt - dann auch eine Entscheidung stattfinden kann, die dann entweder eine Rückführung - sollte kein Schutzstatus anerkannt werden - oder eben eine Verteilung innerhalb Europas ergeben könnte.

Weil Sie fragten, warum die beiden von Ihnen genannten Staaten bei der Lösung dieses Problems sozusagen alleine gelassen werden sollen: Das ist ja mitnichten Gegenstand dessen, was die Kommission hierzu vorgeschlagen hat; denn selbstverständlich könnten und würden solche Einrichtungen nur mit massiver europäischer Hilfe stattfinden - sowohl finanziell auch "human resources"-mäßig, bis hin zu der Frage, ob beispielsweise existente Agenturen Europas bei Rückführungen helfen könnten. Selbstverständlich wäre eine solche Einrichtung also geographisch in einem bestimmten Land, aber genauso selbstverständlich wäre sie nur mit massiver Hilfe Europas in gelebter europäischer Solidarität zu betreiben.

STS SEIBERT: Wenn ich noch etwas hinzufügen darf: Die Einrichtung solcher Aufnahmezentren oder Hot Spots, europäisch in jeder Weise unterstützt, hängt natürlich engstens zusammen mit der Einführung eines solidarischen Verteilungsmechanismus, das ist ganz klar. Nur wenn es den gibt, kann es auch die Hot Spots geben, und umgekehrt.

ZUSATZ: Die Frage, warum die Bundesrepublik auf dem Dublin-Abkommen besteht, ist noch offen geblieben.

STS SEIBERT: Dazu habe ich Ihnen eine Antwort gegeben.

DR. DIMROTH: Ich möchte noch etwas zu der Frage von Herrn Heller nachtragen: Ich könnte Ihnen jetzt eine Zahl liefern, und zwar aus dem Ausländerzentralregister, Stand 31. August dieses Jahres. Danach sind etwas mehr als 190.000 Menschen ausreisepflichtig in Deutschland aufhältig. Davon - das ist wichtig - sind 138.133 geduldet. Der Rest, insgesamt 52.508, sind ausreisepflichtig.

FRAGE: Nächste Woche ist ja Herr Orbán in Bayern. Herr Seibert, können Sie ausschließen, dass die Kanzlerin auf Herrn Orbán trifft, der ja in diesem Streit, also wenn es um die Flüchtlingsfrage geht, eine entscheidende Rolle spielt? Oder kann es da doch noch zu einem Treffen kommen?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen die Termine der Bundeskanzlerin für die nächste Woche mitgeteilt. Da ist ein Treffen mit Herrn Orbán nicht vorgesehen. Es gibt außerdem ja die Abreise nach New York. Die Bundeskanzlerin hat aber auch keinen Nachholbedarf an Treffen und Austausch mit Herrn Orbán; beides hat es immer wieder gegeben.

FRAGE: Herr Seibert, Sie hatten eben von dem Zusammenhang zwischen Hot Spots und Verteilung innerhalb Europas gesprochen. Mit Blick auf den Sondergipfel hatten Sie auch davon gesprochen, dass Sie positive Zeichen sehen. Sehen Sie diese eher bei den Hot Spots oder auch bei der Verteilung? Wird dieser Zusammenhang auf europäischer Ebene geteilt?

STS SEIBERT: Ich glaube, der Zusammenhang zwischen Aufnahmezentren und der Notwendigkeit eines Verteilungsmechanismus wird weitgehend geteilt; er ist auch in dem Kommissionsvorschlag zu finden.

Ich habe vorhin von Zeichen in einzelnen Ländern, Bewegung in einzelnen Ländern gesprochen - das war hier ja auch von anderen Kollegen angesprochen worden -, weil es aus bestimmten Ländern die Aussagen gibt, dass sie bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen - anders, als sie das vielleicht in der Woche davor oder zwei Wochen vorher noch gesagt hatten. Das ist das, was ich meine.

DR. DIMROTH: Wenn ich das vielleicht noch ganz kurz ergänzen darf: Es gibt ja nicht nur die öffentlichen Aussagen - die wir wahrnehmen - von unterschiedlichen Vertretern unterschiedlicher Mitgliedstaaten, sondern es gibt - wie ich vorhin auch schon sagte - natürlich auch täglich Gespräche - jedenfalls auch im Bundesinnenministerium und durch den Bundesinnenminister -, um für diese Lösung im Vorgriff auf den kommenden Dienstag zu werben.

FRAGE: Herr Seibert, können Sie mir erklären, wieso die Bundeskanzlerin die Biografie von Herrn Schröder vorstellt? Mag sie ihn so besonders, schätzt sie ihn als großen Staatsmann, oder steht sie in Zukunft für alle Politikerbiografien als Laudatorin zur Verfügung? Was will sie damit ausdrücken? Denn ich denke, die Kanzlerin tut nichts ohne einen tieferen Hintersinn.

STS SEIBERT: Sie tut das aus Respekt für den Bundeskanzlerin a. D. und aus Interesse an der Biografie seines Lebens aus der Feder eines sehr renommierten Publizisten.

ZUSATZFRAGE: Wenn die Bundeskanzlerin sich auf so etwas einlässt, gehe ich davon aus, dass sie neben ihren vielen Terminen tatsächlich Zeit gefunden hat, um das sehr umfangreiche Buch zu lesen. Oder habe ich mir das so vorzustellen, dass sie ein Buch vorstellt, das andere für sie gelesen haben, die ihr dann irgendwelche klugen Gedanken - vielleicht waren Sie es sogar - dazu aufgeschrieben haben?

STS SEIBERT: Wie Sie sich das vorzustellen haben, Herr Wonka, wird sich am kommenden Dienstag um 11 Uhr auflösen. Ich hoffe, Sie haben nicht vergessen, sich zu akkreditieren, die Frist ist nämlich schon abgelaufen - aber Sie waren sicherlich schnell genug.

ZUSATZFRAGE: Ich war schnell genug. - Aber sie hat das Buch gelesen?

STS SEIBERT: Ich greife der Veranstaltung am nächsten Dienstag jetzt nicht weiter vor.

FRAGE: Frau Chebli, ich habe eine Frage zu der Reise von Herrn Steinmeier unter anderem nach Bangladesch. Sie hatten ja auch über die Folgen des Klimawandels usw. geredet. Mich würde einmal interessieren: Kommt für den Außenminister oder für Ihr Haus infrage, dass man es zukünftig als Asylgrund ansieht, wenn Menschen wegen der Auswirkungen des Klimawandels aus ihrer Heimat flüchten müssen? Die EU hat das ja bereits angeregt.

CHEBLI: Die Frage, wer asylberechtigt ist, möchte ich dem BMI überlassen; dazu haben wir hier eigentlich auch mehrfach Stellung bezogen. Sie sprechen aber durchaus ein wichtiges Thema an, denn die Menschen fliehen zum Beispiel auch aus dieser Region, weil sie ein besseres Leben haben wollen. Der Minister wird sich daher auch in diesem Fall über das Thema Migration und Anreize für Flucht mit den einzelnen Akteuren auseinandersetzen.

Beim Thema Klima habe ich, glaube ich, den Punkt gemacht, dass Bangladesch betroffen ist und dass wir mit Blick auf das Klimaabkommen in Paris, das auf der Tagesordnung steht, gemeinsam mit den Franzosen ehrgeizige Ziele haben. Wir machen ganz klar: Wir haben eine weltpolitische, eine globale Verantwortung für das Thema Klima, und wir wollen dort noch einmal das ganz deutliche Signal senden - auch an Bangladesch -: Wir stehen an der Seite der betroffenen Länder, und wenn wir sagen, dass wir den Klimawandel bekämpfen, dann tun wir das mit voller Kraft.

VORS. LEIFERT: Der Ball wurde Ihnen von Frau Chebli zugespielt, Herr Dimroth: Ist Klima ein Fluchtgrund, ein Asylgrund?

DR. DIMROTH: Ich nehme den Steilpass gerne auf und werde ihn sozusagen gekonnt verwandeln: Auch da hilft bei der Findung der Rechtslage ein Blick ins Gesetz; das darf ich zwischen uns beiden Juristen sagen, Herr Jung. Der Artikel 16 bzw. 16a ist so, wie er ist, und da wird aus guten Gründen - vor allem aus historischen Gründen - auf politische Verfolgung abgestellt. Jedenfalls das Bundesinnenministerium denkt nicht darüber nach, dieses wichtige, zentrale Grundrecht in die eine oder andere Richtung zu verändern.

FRAGE: An das Auswärtige Amt und auch an das BMZ: Sie haben ja gestern eine Pressemitteilung zur politischen Entwicklung in Burkina-Faso herausgegeben. Ähnlich unerfreuliche Entwicklungen gab es kürzlich auch in Burundi. Ich habe in diesem Zusammenhang die Frage: Was wird von deutscher Seite zum Beispiel im Hinblick auf die Entwicklungszusammenarbeit und auch politisch geplant, wenn sich diese unerfreulichen Entwicklungen jetzt nicht zurückspulen lassen?

CHEBLI: Ich kann noch einmal auf die Erklärung des Ministers hinweisen. Die gewaltsame Unterbrechung des demokratischen Prozesses in Burkina-Faso ist natürlich inakzeptabel. Die internationale Gemeinschaft hat ganz klar ihre volle Unterstützung für den Transitionsprozess zum Ausdruck gebracht. Gestern hat sich ja - vielleicht haben Sie das mitbekommen - auch der VN-Sicherheitsrat ganz klar geäußert. Wir begrüßen, dass die regionalen Akteure - wie die Afrikanische Union und ECOWAS - eine sehr aktive Beteiligung zur Beilegung dieses Konfliktes einnehmen und unterstützen sie.

Was die Frage der Entwicklungsmaßnahmen betrifft: Es gibt in der Tat auch Gespräche mit den einzelnen Akteuren vor Ort - also nicht nur Burkina-Faso; Sie haben auch Burundi angesprochen -, und wir haben mit der Ertüchtigungsinitiative, die ich hier am vergangenen Mittwoch angesprochen habe, vor allem auch mit Blick auf Nigeria, Mali, Tunesien und Irak noch einmal 100 Millionen Euro aus dem Haushalt für das Jahr 2016 beantragt, damit wir beim Thema Krisenprävention, Konfliktprävention, Konfliktnachsorge, Konfliktvorsorge stärkere Mittel in der Hand haben, um diese Staaten in der Tat zu ermächtigen, in diesen Bereichen aktiv zu werden. Wir sehen da also durchaus auch die Verantwortung, die wir für diese Staaten tragen, wenn es darum geht, Stabilität und Sicherheit in den einzelnen Ländern zu gewährleisten.

Das ist hier aus Sicht des Auswärtigen Amtes also ganz konkret die Antwort, aber vielleicht möchte die Kollegin aus dem BMZ das noch ergänzen.

MÄNZ: Sie hatten uns ja vor allem zum Thema Burundi gefragt. Seit Juni dieses Jahres ist die staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi - sprich alles was regierungsnah stattfindet - tatsächlich ausgesetzt. Alles, was bevölkerungsnah organisiert ist und unmittelbar der Unterstützung der Bevölkerung dient, führen wir aber weiter. Dazu gehört unter anderem der Schwerpunkt Gesundheit; denn die Maßnahmen in diesem Bereich sind Maßnahmen, die wirklich unmittelbar den Menschen zugutekommen, und die führen wir weiter.

ZUSATZFRAGE: Ist vonseiten der deutschen Regierung - egal ob BMZ oder AA - geplant, auch im Hinblick auf die EU Initiative zu ergreifen, wenn sich jetzt nichts verbessert, oder belässt man das einfach beim Status quo?

CHEBLI: Sie können sich vorstellen, dass das Thema auch im Rahmen der EU besprochen wird, aber ich kann Ihnen an dieser Stelle jetzt keine konkreten Maßnahmen dazu bekanntgeben.

Ich kann aber das unterstreichen, was die Kollegin gesagt hat, nämlich dass in der Frage der Unterstützung bestimmter Staaten immer der Grundsatz gilt, dass sämtliche Hilfe nur der Bevölkerung zukommt. Das gilt für Burundi, das gilt aber zum Beispiel auch für Eritrea.

FRAGE: An das Finanzministerium: Herr Schäuble hat ja wiederholt seine Sorgen über die hohe Liquidität in der Welt und über die Stabilitätsrisiken betont. Ist denn das, was in den USA gestern geldpolitisch passiert oder auch nicht passiert ist, geeignet, seine Sorgen noch zu vergrößern, hat er dazu eine Meinung?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Herr Heller, vielen Dank für Ihre Frage - wie schön. Sie kennen ja unsere Praxis, dass wir konkrete Zinsentscheidungen von Notenbanken nicht kommentieren. Das gilt für die EZB und das gilt auch für die Fed. An diese gute und bewährte Praxis werde ich mich auch heute halten.

ZUSATZFRAGE: Aber an seiner Sorge wegen der hohen Liquidität - ganz abgesehen von Fed-Entscheidungen - hat sich nichts geändert, vermute ich?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Sie wissen auch, dass das Niedrigzinsumfeld ein Thema ist, das die Bundesregierung bewegt. Es gibt ja regelmäßig tagende Gremien, die sich auch damit beschäftigen - ich weise hin auf den Ausschuss für Finanzstabilität, der gerade am Dienstag dazu getagt hat und auch eine Pressemitteilung über die Schlussfolgerungen, die aus der aktuellen Lage zu ziehen sind, herausgegeben hat. Ansonsten gibt es da aber keine Veränderungen.

FRAGE: Ich habe noch eine Frage an den Leiter des BPAs: Herr Seibert, hält man an dem Motto der Einheitsfeier am 3. Oktober fest, das da heißt: "Grenzen überwinden"?

Außerdem würde mich interessieren, wie viele Umfragen das BPA in den letzten Wochen zur Flüchtlingsdebatte machen lassen hat.

STS SEIBERT: Wir halten an dem Thema und an dem Motto fest, weil es genau das beschreibt, was vor 25 Jahren in diesem historischen Prozess geschehen ist - zu unser aller Glück.

Über Einzelumfragen kann ich Ihnen hier nicht berichten, aber dazu können Sie Anfragen stellen, und dann werden wir sehen.

ZUSATZFRAGE: Ich habe nicht nach Einzelumfragen gefragt, sondern danach, wie viele Umfragen von Ihnen geschaltet worden sind.

STS SEIBERT: Wenn, dann nicht geschaltet, sondern in Auftrag gegeben.

ZUSATZ: Oder so.

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen das aus dem Kopf nicht sagen. Es wird sich - -

ZUSATZFRAGE: Können Sie das nachreichen?

STS SEIBERT: Das schaue ich, ja.

FRAGE: Ich habe noch eine Frage an Frau Chebli zum Thema Japan und Asien: In Japan ist die Regierung dabei, ein neues Sicherheitsgesetzpaket zu verabschieden - das möglicherweise noch heute durchs Oberhaus geht -, das den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften einen Auslandseinsatz ermöglichen soll. Dazu wird die japanische Verfassung neu interpretiert, wie es heißt. Dieses Gesetzpaket würde dazu führen, dass eine kollektive Wahrnehmung von Sicherheitsinteressieren nicht nur in der japanischen Region unter Einschluss der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte stattfinden kann. Die asiatischen Nachbarn sehen das zum Teil eher als Bedrohung. Haben Sie eine Einschätzung, wie sich die Sicherheitslage in Asien dadurch verändern könnte?

CHEBLI: Zunächst einmal verfolgen wir die sicherheitspolitischen Debatten in Japan in Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren, das ja läuft und zu dem wir keine Stellung beziehen - haben Sie dafür bitte Verständnis -, mit großem Interesse. Wir haben in der Vergangenheit ja häufig darauf aufmerksam gemacht, dass die Ausweitung der sicherheitspolitischen Rolle Japans per se zum Beispiel mit Blick auf internationale Friedenseinsätze durchaus begrüßenswert ist. Gleichzeitig ist es so - das haben wir, wenn wir mit unseren japanischen Partnern gesprochen haben, auch immer wieder klar gemacht -, dass wir einen intensiven Dialog Japans mit seinen Nachbarn sehr begrüßen und deswegen auch den Prozess der Vertrauensbildung, der dort stattgefunden hat, sehr stark unterstützen.

FRAGE: Ich habe zwei Fragen an das Wirtschaftsministerium zum Thema Atomrückstellungen.

Erstens. Hat die Bundesregierung angesichts der Schwäche der großen deutschen Energiekonzerne - Kursverluste und wirtschaftliche Probleme allenthalben - Sorge, dass diese Konzerne letztendlich soweit geschwächt werden könnten, dass sie ihre Verpflichtungen, die sie im Hinblick auf den Rückbau von Atomkraftwerken haben, nicht mehr erfüllen können?

Zweitens. Der Minister hatte Anfang der Woche zu Meldungen, dass es eine Rückstellungslücke von 30 Milliarden Euro bei den Atomkonzernen gebe, angemerkt, er kenne den entsprechenden Bericht nicht und es gebe nach seiner Kenntnis auch keinen Entwurf für einen solchen Bericht. Hat sich daran inzwischen etwas geändert? Weiß der Minister inzwischen konkret etwas von einer Zahl von 30 Milliarden Euro, die in diesem Bericht als Lücke bei den Atomrückstellungen auftaucht?

DÜNOW: Nein, Herr Heller, an dem Stand, den Sie gerade richtig zitiert haben, hat sich nichts geändert. Es liegt noch kein Bericht der Wirtschaftsprüfer vor. Die Zahlen, die kolportiert wurden, können wir heute genauso wenig bestätigen oder dementieren, wie wir das vor Tagen konnten. Zu weiteren Spekulationen wollen wir uns hier nicht äußern.

Was die erste Frage angeht: Wir sind der Überzeugung, dass wir starke Energieversorgungs­unternehmen haben und dass wir starke Energieversorgungsunternehmen in Deutschland auch in Zukunft brauchen. Insofern ist das die Grundlage dessen, was wir auch in den nächsten Wochen und Monaten zu diskutieren haben.

ZUSATZFRAGE: Sie haben also keine Sorgen?

DÜNOW: Wir nehmen die Spekulationen zur Kenntnis, und gelegentlich wundern wir uns über Marktbewegungen.

FRAGE JUNG: Frau Chebli, noch einmal ganz kurz zum Thema Syrien und den französischen Partnern: Ist Herr Steinmeier mit seinem französischen Amtskollegen in Kontakt? Denn in Frankreich hat jetzt der Ministerpräsident kolportiert, dass eine Übereinkunft mit Assad zur Beendigung des syrischen Bürgerkriegs ausgeschlossen werden müsse. Hat die deutsche Regierung da eine andere Haltung?

CHEBLI: Wir stehen ständig und permanent in Kontakt. Wenn Sie zugehört haben, haben Sie ja auch gehört, dass ich gesagt habe, dass der Minister am Sonntag mit dem französischen Außenminister nach Bangladesch reise. Da werden die Minister sicherlich auch die Gelegenheit haben, über Syrien zu sprechen.

Was unsere Haltung zu Syrien und unsere Vorstellungen, wie man aus der gegenwärtigen Lage herauskommen kann, betrifft: Ich glaube, dazu habe ich schon Stellung bezogen.

ZUSATZFRAGE: Eine kurze Lernfrage noch: Gibt es für Großbritannien und Frankreich eigentlich eine völkerrechtliche Grundlage, in Syrien Bomben abzuwerfen?

CHEBLI: Sie wissen, dass sich 60 Staaten in einer Koalition zusammengeschlossen haben.

ZUSATZ: Das ist ja keine völkerrechtliche Grundlage.

CHEBLI: Das sagen Sie. Es war ein Hilferuf eines Staates - des Iraks - zur Unterstützung des Landes; das wissen Sie.

Zur Frage des Völkerrechts: Das ist immer eine Einzelfallentscheidung, zu der wir hier keine Stellung beziehen können. Das muss man sich einzeln anschauen; das ist eine sehr komplizierte Materie. Deswegen kann ich dazu hier keine Stellung beziehen.

FRAGE: Ich weiß nicht, ob ich es bloß nicht mitbekommen habe: Gibt es schon eine Uhrzeit für die Pressekonferenz von Steinmeier und Kerry am Sonntag?

CHEBLI: Noch nicht, aber sobald sie steht, würden wir sie bekanntgeben.

Freitag, 18. September 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 18. September 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/09/2015-09-18-regpk.html;jsessionid=5681D7418D9F7488E6059541D0DC4AE9.s1t2
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2015

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