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PRESSEKONFERENZ/1039: Regierungspressekonferenz vom 14. August 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 14. August 2015
Regierungspressekonferenz vom 14. August 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Besuch der Weltausstellung Expo 2015 in Mailand, 1. deutsch-brasilianische Regierungskonsultationen in Brasilia), Sommer-Pressekonferenz der Bundeskanzlerin, Griechenland, Leistungen für Flüchtlinge in Deutschland, Medienberichte über möglichen Einsatz von Giftgas im Irak gegen Kurden, Kommunaler Finanzreport 2015 der Bertelsmann Stiftung, Ukraine, Entsendung von deutschen Soldaten im Rahmen der UN-Mission MINUSMA nach Mali, Diskussion um Freigabe der NSA-Selektoren-Liste

Sprecher: SRS'in Wirtz, Dünow (BMWi), Weißgerber (BMF), Fischer (AA), Dimroth (BMI), Daldrup (BMAS),


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Wirtz: Die Termine der Bundeskanzlerin für die nächste Woche: Ich möchte vorwegschicken, dass diese Termine natürlich unter dem Vorbehalt stehen, dass es möglicherweise Termine im Parlament gibt, die die Bundeskanzlerin wahrnehmen wird.

Aber zunächst einmal sieht die Wochenplanung folgendermaßen aus: Am Dienstag wird die Bundeskanzlerin auf Einladung des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und seiner Ehefrau zur Weltausstellung Expo 2015 nach Mailand fahren. Die Bundeskanzlerin wird in der Begleitung ihres Ehemanns, Professor Sauer, reisen. Vorgesehen ist unter anderem der Besuch des deutschen und des italienischen Pavillons.

Für den Abend hat dann der Ministerpräsident zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen. Die Bundeskanzlerin wird am Abend des Dienstags in Berlin zurückerwartet.

Von Mittwoch bis Freitag wird es die 1. deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen in Brasilia geben. Die Bundeskanzlerin wird dort hinreisen und begleitet von Vertretern des BMWi, AA, BMF, BMAS, BMEL, BMVg, BMG, BMVI, BMUB, BMBF und BMZ. Auch Staatsministerin Grütters wird an Bord sein.

Die Regierungskonsultationen gibt es auch mit verschiedenen anderen Ländern. Sie sind ein Format, um die Beziehungen zu sehr engen Partnern zu pflegen.

Im Mittelpunkt dieser Konsultationen stehen die Themen Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie die Zusammenarbeit im Umwelt- und im Klimabereich.

Zum konkreten Ablauf folgende Informationen: Nach Ankunft der Bundeskanzlerin in Brasilia steht zunächst ein Abendessen auf dem Programm, das von der brasilianischen Präsidentin Rousseff für die Bundeskanzlerin und die deutsche Delegation gegeben wird.

Am Morgen des 20. August, also Donnerstagmorgen, ist ein Arbeitsfrühstück der Bundeskanzlerin mit Vertretern der deutschen Wirtschaft geplant. Anschließend findet ein bilaterales Gespräch der Bundeskanzlerin mit der brasilianischen Präsidentin statt.

Gegen Mittag wird eine Plenarsitzung der Regierungskonsultationen stattfinden. Diese Plenarsitzung wird von der Bundeskanzlerin und der brasilianischen Präsidentin gemeinsam geleitet.

Anschließend wird eine Reihe von Abkommen unterzeichnet, und danach wird es für die Presse die Möglichkeit geben, ihre Fragen zu stellen.

Abschließen wird diese Regierungskonsultationen ein gemeinsames Mittagessen. Dann wird die Bundeskanzlerin am Freitagmorgen zurück in Berlin erwartet.

Wenn Sie mehr zu diesem Termin erfahren möchten, gibt es wieder ein Briefing von Herrn Seibert sowie den Abteilungsleitern Röller und Heusgen aus dem Kanzleramt. Dieses Briefing wird am Montag, dem 17. August, um 14 Uhr hier in der Bundespressenkonferenz stattfinden.

Frage: Frau Wirtz, Sie haben sich etwas nebulös geäußert, wer die Kanzlerin an potenten, hochrangigen Kabinettsmitgliedern noch begleiten wird. Können Sie sagen, welche Ministerinnen und Minister mit nach Brasilien reisen, oder sind das nur Abteilungsleiter oder Staatssekretäre aus den verschiedenen Häusern?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen sagen, dass diese Häuser mit Vertretern mitreisen werden, aber wer an Ministern konkret dabei sein wird, kann ich Ihnen derzeit nicht liefern. Das könnten wir aber sicherlich nachreichen, kein Problem.

Zusatz: Ich gehe davon aus, dass der Vizekanzler und Wirtschaftsminister mitfährt, weil es ja um Wirtschaft geht.

SRS'in Wirtz: Die Kollegen, die wissen, dass ihre Minister mitreisen, können sich ja kurz zu Wort melden.

(Einige Pressesprecher heben die Hand.)

Zusatzfrage: Sechs Minister fliegen also mit, aber nicht der Wirtschaftsminister. Ist das so korrekt?

SRS'in Wirtz: Das ist vielleicht nicht abschließend. Also mindestens sechs, sagen wir es mal so.

Zusatzfrage: Mindestens sechs Minister und nicht der Vizekanzler. Weil zu Hause gearbeitet werden muss oder weil es nicht um Wirtschaft geht?

Dünow: Der Vizekanzler wird durch Staatssekretär Machnig vertreten.

Frage: Ganz ehrlich: Das Handaufheben war jetzt unglaublich eindrucksvoll, aber nicht so, dass man daraus - -

SRS'in Wirtz: Es war ein Versuch, diese Frage sehr schnell zu klären, aber wir werden das nachliefern, kein Problem. Dann wissen Sie, welche Minister mitreisen.

Zusatzfrage: Herr Dünow, warum wird denn Ihr Minister nicht mitreisen? Gibt es hier Unabkömmlichkeiten? Können wir die erfahren?

Dünow: Es gibt Unabkömmlichkeiten, aber ich kann Sie über die Natur der Unabkömmlichkeiten nicht unterrichten.

Zusatzfrage: Allein das Wort ist schon gut.

Dann habe ich aber trotzdem noch eine Frage: Können Sie uns sagen, mit wie vielen Ländern solche Regierungskonsultationen unterhalten werden und welche das sind? Das müssen Sie wahrscheinlich auch nachliefern, aber das wäre gut für eine Übersicht.

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Erinnerung Frankreich und Israel auf jeden Fall schon einmal sagen. Ich habe keine abschließende Übersicht darüber, aber das machen wir gerne dann in einem Abwasch.

Frage: Frau Wirtz, welche Wirtschaftsvertreter werden mitfliegen?

SRS'in Wirtz: Zu der konkreten Zusammensetzung der Delegation kann ich Ihnen hier keine Angaben machen.

Zusatzfrage: Können Sie das nachreichen?

SRS'in Wirtz: Ich muss schauen, inwieweit ich die Vertreter der Delegation namentlich nachreichen kann. Wenn wir das können, werde ich das gerne tun.

Ansonsten möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf das Briefing am Montag verweisen. Ich denke, da werden diese Fragen alle umfassend geklärt werden können.

Zusatzfrage: Welche Rolle spielt denn die brasilianische Präsidentin dabei? Ihr droht ja der Machtverlust. Spielt das für die Kanzlerin bei dem Treffen irgendeine Rolle?

SRS'in Wirtz: Die Bundeskanzlerin fährt zu diesen Regierungskonsultationen und wird entsprechende Gespräche dort führen. Über irgendwelche Fragen, die die Innenpolitik in Brasilien anbelangen, kann ich mich hier als deutsche Regierungssprecherin nicht äußern.

Frage: Frau Wirtz, ich habe bei den Terminen der Kanzlerin die Ankündigung der ausgefallenen, aber überfälligen Sommer-Pressekonferenz der Bundeskanzlerin vermisst, bei der sie ihre eigene Position der Öffentlichkeit verdeutlichen könnte. Es gibt ja eine Reihe von Themen, die ungeklärt sind und bei denen unklar ist, ob die Kanzlerin eine Position hat. Können Sie sagen, wann dieser Termin mit der Bundeskanzlerin stattfindet?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal kann ich Ihnen anbieten, dass wir als Regierungssprecher natürlich immer gerne bereitstehen, wenn es um die Haltung der Bundeskanzlerin zu Fragen geht, die Sie umtreiben.

Aber abgesehen davon sind in der Tat die Bundeskanzlerin und das Bundespresseamt mit der Bundespressekonferenz im Kontakt, um einen neuen Termin zu finden, an dem diese ausgefallene Pressekonferenz stattfinden kann.

Zusatzfrage: Kann es sein, dass der Termin noch in diesem Jahr stattfindet, oder wird es auf nächstes Jahr verschoben?

SRS'in Wirtz: Davon gehe ich aus.

Zusatzfrage: Es gibt noch in diesem Jahr eine Sommer-Pressekonferenz?

SRS'in Wirtz: Ja.

Frage: Werden sich Vertreter der Bundesregierung mit Oppositionellen in Brasilien treffen? Es kann ja sein, dass es da einen Machtwechsel gibt.

SRS'in Wirtz: Über den Programmablauf hinaus, den ich gerade vorgestellt habe, gibt es keine Termine, die ich in dem Programm der Bundeskanzlerin vorstellen kann. Sie haben ja auch gehört, dass die Reise durchaus nicht für einen sehr langen Zeitraum angesetzt ist, dass dort nur wenig Zeit bleibt. Insofern ist das, was ich hier bekannt gegeben habe, das, was ich zu den Terminen sagen kann.

Frage: Zu den Reisen am Dienstag und Mittwoch: Können Sie sagen, wann genau sie nach den aktuellen Planungen beginnen sollen?

SRS'in Wirtz: Ich kann nur sagen: Für Mailand ist der Dienstagnachmittag geplant. Die Reise nach Brasilien startet am Mittwochvormittag. Das ist der jetzige Stand.

Frage: Nachdem es ein bisschen Unstimmigkeiten in der Regierung gegeben hat, würde ich gern wissen, ob Herr Schäuble heute mit einer gemeinsamen Haltung der Regierung in die Gespräche in der Eurogruppe zu Griechenland geht, die sich vielleicht sogar inhaltlich etwas umschreiben, umreißen lässt.

In Verbindung damit habe ich die Frage, ob es gestern eine Abstimmung der Koalitionsspitzen mit Herrn Schäuble gegeben hat, wie er heute in der Eurogruppe agiert.

Zum Dritten würde ich gern vom Finanzministerium wissen: Es gab in der Nacht eine Erklärung des Internationalen Währungsfonds zum gegenwärtigen Stand. Ist diese Erklärung etwas, was Sie als ein klares Bekenntnis zu dem Programm werten, das vom Finanzministerium und von der Bundesregierung gefordert wird, oder steht dieses klare Bekenntnis des IWF noch aus?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal können Sie davon ausgehen, dass die Haltung, mit der der Bundesfinanzminister heute in die Beratungen der Eurogruppe geht, innerhalb der Bundesregierung abgestimmt ist und er dort die deutsche Position vertreten wird.

Zu den Einzelheiten dieser deutschen Position möchte ich Sie auf das verweisen, was dort heute Nachmittag in Brüssel passiert. Soweit ich weiß, wird der Bundesfinanzminister heute Mittag kurz vor der Sitzung noch ein Statement abgeben. Insofern werden Sie dann sicherlich mehr zu der deutschen Haltung erfahren.

Was die Rolle des IWFs anbelangt, möchte ich kurz etwas sagen; dann kann Herr Weißgerber sicher ergänzen. Wir haben hier immer wieder deutlich gemacht, auch in den vergangenen Wochen, dass die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds für die Bundesregierung entscheidend ist. Daran hat sich auch nichts geändert. Der IWF hat seine Beteiligung an bestimmte Bedingungen geknüpft und hat signalisiert, dass, wenn diese Bedingungen eingehalten werden, er auch durchaus die Absicht hat, sich an diesem Hilfspaket zu beteiligen.

Weißgerber: Der Bundesfinanzminister ist gerade auf dem Weg nach Brüssel. Die Eurogruppensitzung beginnt um 15 Uhr. Er wird kurz vorher einen "doorstep" machen. Da wird er sich zu dieser gemeinsam abgestimmten Position voraussichtlich äußern.

Wir müssen jetzt diese Eurogruppensitzung abwarten. Wir haben am Mittwoch schon gesagt: Wir hatten das MoU am Dienstagabend bekommen. Wir hatten eine Reihe von Fragen formuliert, die sich bei der Lektüre dieses MoU-Entwurfs ergeben haben. Wir können im BMF nicht erkennen, dass es da eine uneinheitliche Haltung innerhalb der Bundesregierung geben könnte.

Es ist unser Arbeitsauftrag, diesen Entwurf gründlich zu prüfen; das müssen wir machen - gegenüber den Abgeordneten, auch gegenüber den Steuerzahlern. Das ist die Rolle des BMF. Insofern gehe ich davon aus, dass das innerhalb der Bundesregierung einheitlich auch so gesehen wird.

Die Spekulationen, dass es da andere Auffassungen innerhalb der Bundesregierung gibt, sind uns so gar nicht bekannt. Die halten wir auch ein Stück weit für übertrieben.

Zum IWF: Die Erklärung stellt einfach noch einmal das fest, was schon bekannt ist; das hat Frau Wirtz ja gesagt. Das haben wir den Abgeordneten für den Bundestagsbeschluss zur Aufnahme der Verhandlungen am 17. Juli mitgeteilt. Der IWF wird im Herbst im Rahmen der ersten Programmüberprüfung - so es denn jetzt zu einem Programm kommt - seine Position festlegen, ob er sich an einer Verlängerung des IWF-Programms beteiligen wird. Das ist bekannt.

Worum es jetzt geht, ist ein Commitment des IWF zur Konditionalität, die im MoU festgelegt ist, dass er sich zu dem, was verhandelt worden ist - da war der IWF ja beteiligt -, auch, wie es Herr Spahn gestern ausgedrückt hat, bekennt. Das ist die Frage, um die es jetzt geht. Da bitte ich darum, dass wir die Eurogruppensitzung heute abwarten und auch das Ergebnis abwarten, das danach ja heute in Brüssel verkündet werden wird.

Zusatzfrage: Es ist die Frage offengeblieben, ob es gestern eine Abstimmungsrunde zu dieser gemeinsamen Position gab.

Herr Weißgerber, ich weiß nicht so recht, was ich von Ihrer Antwort zum IWF halten soll. Muss der IWF noch etwas liefern, oder muss er nichts mehr liefern?

Wenn er sich an etwas beteiligt hat, kann man doch davon ausgehen, dass er sich dazu committet, oder beteiligt er sich an etwas und sagt dann, das ist aber ohne mich passiert? Diesen Widerspruch würde ich auch gerne aufgeklärt haben. Muss der IWF noch ein formelles Commitment der Art bringen, dass er sagt, wir teilen sämtliche Einschätzungen, die wir in den Vereinbarungen, in den Vorarbeiten erzielt haben?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen sagen, dass es in den vergangenen Tagen, auch seit Vorlage des MoU, verschiedene Gespräche auf verschiedenen Ebenen zwischen den Häusern gegeben hat und Sie insofern gut davon ausgehen können, dass man sich innerhalb der Bundesregierung über die einzelnen Punkte gut abgestimmt hat.

Vielleicht noch einmal kurz zur Rolle des IWFs, und dann kann der Kollege noch ergänzen. Vielleicht kann ich das noch mal ein bisschen klarer machen: Der IWF hat - das hat Herr Weißgerber gerade ausgeführt - seine Beteiligung an bestimmte Bedingungen geknüpft. Der IWF hat auch noch einmal die Absicht erklärt, dass, wenn diese Bedingungen erfüllt sind, er durchaus die Absicht hat, sich auch aktuell an diesem neuen Hilfsprogramm zu beteiligen.

Die Einzelheiten dessen, was auch die Bedingungen und die einzelnen Punkte der Konditionalität anbelangt, müssen in der Tat heute Nachmittag vor Ort durch die Eurofinanzminister geklärt werden. Diesem Prozess können wir jetzt nicht vorgreifen.

Fischer: Vielleicht kann ich kurz ergänzen und versuchen, ein ganz klein wenig Licht ins Dunkel der Abstimmung zu bringen. Staatssekretär Ederer bei uns im Haus hat sehr frühzeitig seine Ressortkollegen zu einer Besprechung ins Auswärtige Amt eingeladen, um über die Leitlinien für die Verhandlungen zu sprechen. Diese Sitzung hat am Mittwoch stattgefunden. An ihr waren Kolleginnen und Kollegen auf Staatssekretärsebene aus dem Kanzleramt, dem Bundesfinanzministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium beteiligt.

Zusatzfrage: Frau Wirtz, ist es richtig, dass Sie fordern, dass, nachdem die Eurogruppe heute noch einmal über Details spricht, danach der IWF - so Ihr Wunsch - noch einmal formell erklärt, dass er sich mit dem einverstanden erklärt, was da heute verhackstückt wird?

SRS'in Wirtz: Ich will jetzt gar nicht über Erwartungshaltungen der Bundesregierung sprechen. Ich kann nur wiederholen, dass die Beteiligung des IWFs für die Bundesregierung von entscheidender Bedeutung ist und dass es durchaus Signale gibt, dass es diese Absicht einer Beteiligung des IWFs gibt - immer vorausgesetzt, dass bestimmte Bedingungen, die der IWF auch in der Vergangenheit schon formuliert hat, eingehalten werden. Diese Details können erst heute Nachmittag geklärt werden. Da stehen wir jetzt.

Frage: Ich möchte auch noch einmal auf den IWF zu sprechen kommen. Vielleicht können Sie uns sagen, weil wir darüber auch intern sehr rätseln, wie Sie den IWF und dessen Äußerungen verstehen, wenn er auf Englisch zum Beispiel von "debt relief" spricht. Ist das für Sie ein Schuldenerlass - darum geht es ja in der zentralen Frage -, oder ist es eine Schuldenerleichterung? Das kann man auf beide Arten übersetzen.

Die Vertreterin des IWF hat nach zwei Wochen in Athen von "debt relief" gesprochen. Wie verstehen Sie das? Wie geht die Bundesregierung an die Einschätzung des IWF heran? Sind das Forderungen nach einem Schuldenerlass, also letzten Endes einem Haircut, oder liegt in diesen Äußerungen für Sie eine Spannbreite?

Weißgerber: Es macht wenig Sinn, da semantische Analysen zu betreiben, was gemeint sein könnte. Wir haben immer wieder gesagt, dass die europäischen Verträge es nicht zulassen, einen Schuldenschnitt im klassischen Sinne zu machen, das heißt einen Haircut auf die nominal ausstehenden Schulden. Deswegen haben wir auch immer gesagt: Das geht nicht.

Was aber immer schon vereinbart worden war, auch schon 2012, ist die Frage einer weiteren Restrukturierung der Schulden. Das heißt, wenn Griechenland, wie jetzt im MoU vorgesehen, seine Maßnahmen umsetzt, die Reformen umsetzt, kann man dann auf dieser Basis über eine Schuldenrestrukturierung reden. Das heißt dann eben eine Verlängerung der zins- und tilgungsfreien Zeiten, eine Verlängerung der Tilgungszeiten, des Zinsniveaus usw.

Man muss auch immer im Hinterkopf haben: Es geht hier um eine Schuldentragfähigkeitsanalyse. Die ganze Diskussion hängt daran, ob die Schuldenquote tragfähig ist, damit sich der IWF nach seinen Regularien wieder an einem Programm beteiligen kann. Auch da gibt es inzwischen durchaus neue Einschätzungen des IWF, dass also bei Griechenland nicht so sehr die Schuldenquote entscheidend ist, und zwar wegen der bereits sehr langen tilgungsfreien Zeit, sondern dass man auf den Finanzbedarf im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt schauen muss. Auch da gibt es Diskussionen, inwieweit man Schuldentragfähigkeitsanalyse und Finanzbedarf in Einklang bringt.

Das ist aber alles Gegenstand der heutigen Eurogruppensitzung. Insofern muss ich immer wieder sagen: Wir müssen das abwarten.

Zusatzfrage: Ich finde nicht, dass das semantische Feinheiten sind - sind es ja auch nicht. Sie müssen ja schon eine Einschätzung haben, was der IWF, wenn sich da etwas verändert hat, möchte. Sind Sie in Ihrem Haus der Einschätzung, dass der IWF einen Schnitt haben möchte, wie auch immer, oder nur Erleichterungen?

Die zweite Frage ist damit verbunden: Sind vor der Sitzung heute Nachmittag die Bedenken, von denen Sie vor zwei Tagen geredet haben, was den Privatisierungsfonds und den IWF angeht, schon in irgendeiner Form ausgeräumt worden oder nicht?

Weißgerber: Zur ersten Frage: Wir haben immer gesagt, was aus unserer Sicht nicht möglich ist und was möglich ist. Das muss man jetzt in Einklang bringen mit dem, was für den IWF und seine Regularien notwendig ist. So passt das zusammen. Ob man das nun "relief" oder "reprofiling" nennt, muss man dann eben sehen. Am Ende geht es um die Schuldentragfähigkeitsanalyse und die Auswirkungen auf diese Schuldentragfähigkeitsanalyse.

Die zweite Frage: Die offenen Fragen, die dabei von unserem Haus formuliert worden sind, sind ja extra formuliert worden, damit sie heute in der Eurogruppe thematisiert werden können, damit sie dort besprochen werden. Insofern ist auch hier das Ergebnis erst nach der Eurogruppensitzung bekannt.

Frage: Herr Dünow, nachdem Ihr Ministerium ein bisschen verwundert war, dass das BMF ein Papier nach Brüssel geschickt hatte, das offensichtlich als Papier der Bundesregierung wahrgenommen worden war: Hat es zwischen den beiden Ministern Kontakt gegeben? Gab es da gestern oder heute oder am Mittwoch eine Abstimmung?

Dünow: Es gibt eine enge Abstimmung, wie das Kollege Weißgerber eben schon gesagt hat, innerhalb der Bundesregierung und auch zwischen BMF und BMWi.

Zusatzfrage: Ich meinte das jetzt nicht generell. Ich meinte das in Bezug auf dieses Thema in den letzten Stunden oder Tagen.

Dünow: Auch in den letzten Stunden und Tagen gab es da eine enge Abstimmung und zahlreiche Gespräche.

Zusatzfrage: Wie optimistisch sind Sie denn, dass das, was heute Nachmittag entweder nach Brüssel mitgebracht wird oder erreicht wird, dann auch tatsächlich eine abgestimmte Position ist? Am Mittwoch haben Sie ja gesagt, es gibt noch keine.

Dünow: Genau, am Mittwoch gab es noch keine, und ich bin sehr optimistisch, dass der Bundesfinanzminister heute in Brüssel eine abgestimmte Position der Bundesregierung verkünden wird.

Frage: Ich möchte noch einmal auf einem Begriff herumreiten: Commitment. Das heißt für mich Bekenntnis. Ein Bekenntnis ist etwas deutlich Schwächeres als eine Zusage, was den IWF betrifft. Also: Reicht der Bundesregierung heute, wenn es zur Eurogruppensitzung in Brüssel kommt, ein Commitment, also ein Bekenntnis des IWF, nach dem Motto: Er hat sich damit so weit aus dem Fenster gelehnt, dass er nicht mehr dahinter zurückkann, weil es eine bindende Zusage des IWF zum derzeitigen Zeitpunkt - wegen der Regularien, die er dort hat - nicht geben kann? Reicht das der Bundesregierung, wenn es nur ein Commitment gäbe?

SRS'in Wirtz: Zum einen kann ich nur noch einmal das wiederholen, was ich gerade gesagt habe: Für die Bundesregierung ist eine Beteiligung des IWFs entscheidend. Aber ich möchte hier jetzt keine Erwartungshaltung formulieren, was am Ende des heutigen Tages in Bezug auf den IWF steht.

Es ist insoweit auch eine hypothetische Frage, weil wir noch nicht wissen, wie die Beratungen der Eurogruppe heute Nachmittag laufen und wie sich der IWF dann einlassen wird. Insofern kann es auch sein, dass diese Frage heute Abend sowieso schon hinfällig ist, weil sehr klar ist, wie der IWF sich weiter verhalten wird.

Aber für den Moment kann man nur sagen, dass es bestimmte Bedingungen gibt, die der IWF formuliert hat, und es durchaus Signale gibt, dass er auch die Absicht hat, sich jetzt zu beteiligen.

Frage: Herr Weißgerber, Sie sagten, dass es ein Commitment zur Konditionalität geben soll. Würde es in diesem Fall tatsächlich ausreichen, wenn der IWF sagt, wir unterstützen die Konditionen? Das ist ja noch keinerlei Aussage, ob es tatsächlich auf ein "debt relief" oder einen Schuldenschnitt hinausläuft. Wie würde die Brücke geschlagen zu dem Stand, dass die Konditionen letztendlich ausreichen, um einen Schuldenerlass zu ermöglichen?

Weißgerber: Wir haben jetzt noch einmal den Entwurf des MoU vorliegen. Da hat der IWF mitverhandelt. Er war Teil der Institutionen, die mit der griechischen Regierung verhandelt haben. Wir wollen, dass der IWF sich hinter diese Verhandlungen stellt, hinter das Verhandlungsergebnis stellt und die in dem MoU-Entwurf vorgesehenen Konditionen mitträgt.

Mehr ist zu diesem Zeitpunkt auch nicht zu verlangen, weil der IWF immer wieder gesagt hat: Er wird im Herbst bei einer ersten Programmüberprüfung eine neue Rechnung aufstellen, eine neue Schuldentragfähigkeitsanalyse durchführen, und auf dieser Basis wird er entscheiden, ob er das Programm verlängert, ob er sich beteiligt. Darum geht es.

Frage: Herr Weißgerber, war das vorhin ein Versehen oder ein Versäumnis, dass Sie eine Uneinheitlichkeit in der Bundesregierung in Sachen Griechenland-Politik attestiert haben? Sie sagten, ein Stück weit sind die Berichte darüber übertrieben, dass es eine uneinheitliche Meinung in der Regierung gibt. Wenn es ein Stück weit übertrieben ist, würde mich interessieren: Welches Stück ist übertrieben? Und welches Stück entspricht den Tatsachen? Wer hat sich jetzt angepasst - Schäuble dem Rest der Regierung oder der Rest der Regierung Schäuble? Können Sie das in Punkten differenziert darstellen, bitte?

Weißgerber: Ich glaube, eigentlich ist das alles ganz einfach.

Zusatzfrage: Indem Sie einfach die Frage so beantworten, wie ich sie gestellt habe: Wo gibt es Uneinheitlichkeiten, und wo gibt es keine?

Weißgerber: Wir haben am Mittwoch an die Kommission Fragen übersandt, die sich aus der Lektüre des Entwurfs des MoU ergeben haben. Daraufhin hat eine große Onlineredaktion die Schlagzeile gemacht: Bundesregierung lehnt Rettungsprogramm für Griechenland ab. - Das haben wir so nie gesagt. Wir hatten einfach offene Fragen.

Wir haben sehr schnell diese Schlagzeile dementiert. Trotzdem: Wenn jemand hätte glauben wollen, dass die Position des BMF gewesen sein könnte, dass wir das Rettungsprogramm ablehnen, und darauf reagiert hat, dann könnte darin vielleicht ein Missverständnis bestanden haben. Aber das ist nicht in der Sache begründet, sondern in der Zuspitzung der Schlagzeile: Bundesregierung lehnt Rettungsprogramm ab.

Dass das BMF Fragen stellt, dass es dieses Programm gründlich prüft, das ist doch eine reine Arbeitsteilung innerhalb der Bundesregierung. Der Bundesfinanzminister muss vor den Bundestagsabgeordneten einen Antrag stellen, in dem er begründet, warum er um Zustimmung bittet. Da werden genau die Fragen, die wir jetzt hier haben, dort auch zur Sprache kommen müssen. Die müssen wir sorgfältig geprüft haben. Das ist unsere Aufgabe. Da sehe ich auch keinerlei Unterschied zu anderen Häusern.

Frage: Herr Weißgerber, ich habe Sie deswegen danach gefragt, weil nicht ich oder wir diese Position aufgebracht haben. Sie haben von einer uneinheitlichen Haltung innerhalb der Bundesregierung zur Griechenland-Frage gesprochen. Meine Frage: Worauf bezieht sich diese von Ihnen festgestellte Uneinheitlichkeit der Regierung in der Griechenland-Frage? Da warte ich noch auf die konkreten Punkte, die uneinheitlich waren oder sind.

Weißgerber: Ich sehe eben keine Uneinheitlichkeit. Ich sehe - - -

SRS'in Wirtz: Wenn ich da vielleicht einmal dem Kollegen zur Seite springen darf: Ich habe nicht gehört, dass er von Uneinigkeit innerhalb der Regierung gesprochen hat. Ich glaube, da haben Sie ihn nicht ganz richtig - - -

Zuruf: Uneinheitliche Positionen innerhalb der Regierung! Das können Sie im Protokoll bestimmt gleich nachlesen.

SRS'in Wirtz: Aber er hat sich ja auf Medienberichte bezogen, die es dazu gab.

Ich möchte nur noch einen Punkt deutlich machen: Entscheidend ist doch, dass die Bundesregierung heute Nachmittag mit einer einheitlichen Position in die Verhandlungen gehen wird. Das ist doch das, worum es eigentlich wirklich geht.

Zusatz: Deswegen frage ich ja nach.

SRS'in Wirtz: Diese einheitliche Haltung der Bundesregierung - es haben wir drei hier gerade alle bestätigt - gibt es, und in diesem Sinne wird der Bundesfinanzminister heute Nachmittag verhandeln.

Frage: Frau Wirtz, Sie betonen, dass die Beteiligung des IWF entscheidend sei. Das ist ja eine lose Beschreibung. Ist die Beteiligung des IWF alternativlos? Muss es also einer Beteiligung des IWF geben oder nicht?

SRS'in Wirtz: Es ist nett, dass Sie mir andere Worte vorschlagen, aber ich möchte gerne bei meiner Wortwahl bleiben. In diesem Sinne kann ich sagen: Die Beteiligung des IWF ist für die Bundesregierung entscheidend.

Zusatzfrage: Am Mittwoch wollten Sie ja nicht sagen, was passiert, wenn der IWF aussteigt. Dann vielleicht anders gefragt: Wie bereitet sich die Bundesregierung denn für den Fall vor, dass der IWF aussteigt? Gibt es dazu Pläne im Finanzministerium und im Kanzleramt?

SRS'in Wirtz: Wir müssen ja jetzt nicht über hypothetische Fragen diskutieren. Wir haben - -

Zuruf: Das sind keine hypothetischen Fragen. Das ist die Frage, wie die Vorbereitungen sind.

SRS'in Wirtz: Es ist ja eine hypothetische Frage, weil Sie die Bedingung vorwegschicken, dass sich der IWF nicht beteiligen wird. Das ist eine Hypothese, und von dieser Hypothese gehe ich jetzt erst einmal nicht aus, sondern ich sage, dass heute Nachmittag um 15 Uhr die Euro-Finanzminister in Brüssel zusammentreten und über viele Fragen sprechen werden. Heute Abend werden wir schlauer sein.

Weißgerber: Ich schließe mich dem an, was Frau Wirtz gesagt hat.

Frage: Frau Wirtz oder Herr Weißgerber, hat die Bundesregierung schon eine Vorstellung davon, wie diese Schuldenerleichterungen aussehen können? Ich hätte auch gerne einfach nur grundsätzlich gewusst, ob es da schon Zahlenspiele gibt. Ich würde mich natürlich auch freuen, wenn Sie diese Zahlen schon nennen könnten. Wie lange will man denn verlängern?

Weißgerber: Es ergibt ja gar keinen Sinn, jetzt an dieser Stelle über Schuldenerleichterungen zu sprechen. Man muss ja bei diesem ganzen Thema immer die richtige Reihenfolge im Blick haben. Jetzt geht es erst einmal um die Konditionalität. Dann geht es um die Frage: Wird das Hilfspaket beschlossen? Dann geht es um die Frage: Setzt die griechische Regierung die darin beschlossenen Maßnahmen Stück für Stück um? Dann wird es im Herbst eine erste Überprüfung geben. Erst auf dieser Basis wird man entscheiden können, ob es Schuldenerleichterungen beziehungsweise Schuldenrestrukturierungen geben kann. Dafür ist es aber jetzt zu früh. Das können wir jetzt an dieser Stelle noch nicht machen.

Zusatzfrage: Dann sind wir wieder beim Thema IWF. Aber Sie müssen doch - ich sage es einmal ganz salopp - dem IWF irgendetwas anbieten, und das sind Schuldenerleichterungen. Bis jetzt gehe ich davon aus, dass es auch für die Abstimmung in der kommenden Woche im Bundestag irgendeine Bewegung des IWF geben muss, weil das sonst schwierig wird. Also drängt die Zeit, und deshalb müssten Sie doch schon jetzt und nicht erst im Herbst mit dem IWF über Schuldenerleichterungen reden. Deshalb stelle ich die Frage: Gibt es da schon Überlegungen?

Weißgerber: Das ist immer wieder dieselbe Reihenfolge. Den Abgeordneten ist das bekannt. Die wissen schon seit dem 17. oder 16. Juli, dass sich der IWF erst im Herbst entscheiden wird. Insofern haben sie auch schon am 17. Juli in diesem Wissen der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland zugestimmt, und daran hat sich jetzt auch nichts geändert. Insofern gilt: Alles Schritt für Schritt und der Reihe nach!

Frage: Der griechische Ministerpräsident hat ja möglicherweise keine eigene Mehrheit mehr und plant eine Vertrauensabstimmung. Haben Sie die Sorge, dass diese innenpolitische Unsicherheit in Griechenland die Umsetzung der Maßnahmen in Gefahr bringen könnte? Was bedeutet das für die Auszahlung der Tranchen? Es ist ja auch eine Sache, die viele Bundestagsabgeordnete interessiert, dass man wirklich erst dann auszahlt, wenn die entsprechenden Schritte gegangen wurden.

Weißgerber: Geht die Frage an Frau Wirtz?

Zusatz: An den, der sich kompetent fühlt.

Fischer: Ich kann vielleicht sagen, dass wir die erfolgreiche Abstimmung im griechischen Parlament heute Morgen begrüßen. Die griechische Regierung hat sich sehr aktiv für den Abstimmungserfolg eingesetzt. Der wurde von der Opposition mitgetragen. Damit ist erst einmal eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Prozess weiter fortschreiten oder auch fortgesetzt werden kann.

Über die innenpolitischen Auswirkungen in Griechenland will ich hier nicht spekulieren. Ich will einfach nur sagen: Es ist erst einmal gut, dass das Paket heute Morgen erfolgreich durch das griechische Parlament gebracht worden ist.

SRS'in Wirtz: Ich möchte das ergänzen, was Herr Seibert am Mittwoch hier an dieser Stelle schon gesagt hat, oder auch noch einmal auf eine Selbstverständlichkeit hinweisen, nämlich darauf, dass dieses MoU natürlich die griechische Regierung bindet, nicht irgendeine Partei, die an der Regierung beteiligt ist. Das gilt vielmehr für die griechische Regierung.

Frage: Frau Wirtz, Sie haben gesagt: Ganz klar, Schäuble fährt heute Nachmittag mit einer einheitlichen Position der Bundesregierung nach Brüssel. Herr Weißgerber, Sie haben eben gesagt, dass Sie diese vielen Fragen, die es gibt, formuliert haben, damit die in der Eurogruppe diskutiert werden können. Das hörte sich für mich jetzt nicht so an, als hätten Sie schon die Antworten auf die Fragen. Wie sind Sie denn zu der einheitlichen Position gekommen, wenn Sie auf die vielen Fragen, die bei Ihnen so viel Skepsis ausgelöst haben, noch gar keine Antworten haben?

Weißgerber: Es ist nun einmal Teil eines offenen Verhandlungsprozesses, dass man das Ergebnis nicht vorher kennt. Aber man kann ja zu bestimmten Fragen eine Haltung haben, dazu, was für uns notwendig ist und wie die Einigung am Ende aussehen müsste, damit sie für uns zustimmungsfähig wäre. Dazu kann man ja eine gemeinsame Position haben, und die haben wir.

SRS'in Wirtz: Wenn ich das nur einmal kurz abschließen darf: Man muss das in der jetzigen Situation doch so sehen, dass das ein laufendes Verfahren ist. Alle weiteren Schritte werden heute Mittag um 15 Uhr in der Eurogruppe besprochen werden. Bis hierhin hat die Bundesregierung eine abgestimmte Position. Mit dieser abgestimmten Position geht der Bundesfinanzminister in diese Verhandlungen. In diesen Verhandlungen wird sich vielleicht auch das eine oder andere Neue ergeben, und dann wird das wieder mit der Bundesregierung abgestimmt werden. So muss man sich doch den Ablauf von Verhandlungen vorstellen. Das Allerwichtigste ist doch jetzt im Grunde, dass der Bundesfinanzminister mit einer abgestimmten Position und Haltung in diese Verhandlungen geht. Aber wir können jetzt noch nicht vorwegnehmen, was dort heute Abend herauskommen wird.

Zusatzfrage: Ich versuche ja nur, mir das ganz praktisch vorzustellen. Hat der sozusagen eine Art Flowchart vor sich, nach dem Motto "Wenn dies, dann so", also so, dass man sozusagen mit kleinen Pfeilchen die Optionen durchspielt?

SRS'in Wirtz: Ich kann mir schlecht vorstellen, dass der Bundesfinanzminister so arbeitet. Ich denke, das hat er im Kopf.

Vorsitzende Maier: Bevor wir das Thema wechseln, wollte Frau Wirtz noch etwas dazu sagen.

SRS'in Wirtz: Nicht dazu, sondern ich wollte die Antwort auf eine Frage nachreichen, die eben zum Thema der Regierungskonsultationen gestellt wurde. Ich kann Ihnen jetzt dank meiner Kollegen an den Fernsehern sagen, welche Länder es sind, mit denen Deutschland Regierungskonsultationen hat: Brasilien, China, Frankreich, Indien, Israel, Italien, Niederlande, Polen, Russland und Spanien.

Frage: Herr Dimroth, Ihr Minister hat sich gestern zum Thema "Leistungen für Flüchtlinge" geäußert. Dazu habe ich die erste Frage. Schon vor sechs, sieben Wochen hatte der BAMF-Präsident Schmidt das Thema Taschengeld erwähnt. War das damals schon zwischen beiden abgesprochen gewesen, oder ist es jetzt eine Folge davon, dass Herr de Maizière auf diesen Vorschlag aufspringt?

Können Sie zweitens sagen, was er sonst noch vorhat und ob und welche Gesetzesänderungen dazu notwendig wären?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. Der Bundesinnenminister hat sich ja gestern in Eisenhüttenstadt vor Ort sozusagen einen Einblick über die Situation in Ausländerbehörden und Erstaufnahmeeinrichtungen verschafft. Möglicherweise waren einige von Ihnen auch vor Ort und konnten diesen Termin verfolgen. Er hat sich dann abends unter anderem auch zu diesen Eindrücken geäußert. Er hat, vor die Klammer gezogen, gesagt, dass jeder Mensch, der in Deutschland Asyl begehrt - egal, woher und mit welchen Motiven er kommt -, das Recht hat, hier anständig behandelt zu werden und sicher und würdig untergebracht zu werden. Dies einmal vielleicht vor die Klammer gezogen zu dem, was der Bundesinnenminister gestern gesagt hat.

Dann ist es ja so, dass man sich, wie Sie wissen, nach dem sogenannten Flüchtlingsgipfel, der stattgefunden hat, zwischen Bund und Ländern sowie innerhalb der Bundesregierung darauf geeinigt hat, im Rahmen einer Verantwortungsgemeinschaft gesamtstaatlich alle Anstrengungen zu unternehmen, um dieses Ziel zu erreichen und die Menschen hier anständig und würdig unterzubringen sowie die Verfahren zu beschleunigen, und dies auf der Grundlage einer gebotenen Differenzierung zwischen solchen, die aufgrund der Situation in ihrem Herkunftsland politischen Schutz genießen, und solchen, die das nicht tun. Man hat sich in diesem Prozess auch darauf geeinigt, im Rahmen einer Reihe von Arbeitsgruppen, die eingesetzt werden, denkbare Maßnahmen zu erörtern - sowohl im Verhältnis zwischen Bund und Ländern als auch innerhalb der Bundesregierung -, die dieses Ziel erreichbar erscheinen lassen. Dazu gehört eben auch das, was Sie gerade angesprochen haben - dazu hat sich der Bundesinnenminister gestern geäußert -, nämlich dass möglicherweise auch die Frage von Sach- oder Geldleistungen ein Punkt ist, über den man hier diskutieren muss. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Deswegen gibt es dazu auch noch keine einheitliche Auffassung, die ich hier verkünden könnte.

Zu Ihrer konkreten Frage - Taschengeld, BAMF-Präsident, kausale Folge oder Ähnliches - kann ich sagen: Das ist nicht der Fall. Es geht auch nicht konkret um die Frage von Taschengeldkürzungen. Das steht im Asylbewerberleistungsgesetz. Das liegt in der Federführung des BMAS. Dazu gibt es auch eine Rechtsprechung.

Weil Sie auch danach konkret gefragt hatten: Die konkrete Forderung, der Vorschlag oder die Idee des Präsidenten des BAMF war in dieser Detailliertheit, in der das vorgetragen wurde, auch nicht vorab mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt.

Zusatzfrage: Weil Sie es jetzt schon ansprachen: Vielleicht kann ja Frau Daldrup etwas dazu sagen, ob diese Ideen zum Thema "Taschengeld und Leistungen für Asylbewerber", die ja jetzt mehrfach aufgekommen sind, auch in ihrem Haus diskutiert werden.

Daldrup: Ich kann mich eigentlich nur Herrn Dimroth anschließen und sagen, dass eben genau über diese Fragen aktuell Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie zwischen Bund und Ländern laufen. Das wurde im Juni beim sogenannten Flüchtlingsgipfel vereinbart, und diese Gespräche dauern noch an.

Klar ist: Das Grundgesetz gibt uns vor, dass die Menschenwürde unteilbar ist und das Existenzminimum zu sichern ist. Das gilt auch für Asylbewerber. Wir haben ja erst in diesem Jahr das Asylbewerberleistungsgesetz geändert. Seit März 2015 ist es in Kraft. Wir haben die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hierin umgesetzt. Die Höhe der Leistungssätze ist jetzt transparent und bedarfsgerecht geregelt. Es gilt zudem das Prinzip des Vorrangs der Geldleistung. Nichtsdestotrotz dauert aber die angesprochene Überprüfung hinsichtlich einer Neustrukturierung an, und im Rahmen dieses Prozesses wird auch die Möglichkeit geprüft, bei den Leistungen verstärkt auf Sachleistungen zu setzen. Die weitere Entwicklung ist aber abzuwarten.

Unabhängig davon kann ich nur darauf hinweisen: Das ist möglich. Es ist also nicht vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, ob es Geldleistungen oder Sachleistungen zu sein haben. Wir haben aber, wie gesagt, in diesem Jahr diesen Vorrang der Geldleistung umgesetzt, und die Gespräche über die weitere Ausgestaltung dauern an.

Zusatzfrage: Wird denn das Thema "Taschengeld für Asylsuchende" in beiden Häusern oder zwischen beiden Häusern tatsächlich offen diskutiert? Steht das also als eine Option im Raum, wie es Herr Schmidt vom BAMF gesagt hat, oder nicht?

Dimroth: Ich kann für das BMI nur das wiederholen, was ich gerade gesagt habe, nämlich dass sich das, was wir in diesem Zusammenhang diskutieren, auf die Frage "Geld- oder Sachleistungen?" beschränkt.

Daldrup: Ich kann nur wiederholen, dass das geprüft wird, aber dass die Gespräche andauern.

Frage: Gestatten Sie mir, dass ich noch einmal etwas zum Thema Taschengeld frage? Der Herr Minister hat, wie ich es verstanden habe, die Formulierung benutzt, das Taschengeld müsse man sich genauer anschauen. Dann hätte ich schon ganz gerne gewusst, was dieses "genauer anschauen" bedeutet. Dieser Meinung kann man ja nur sein, wenn man der Meinung ist, dass dieses Taschengeld entweder zu hoch oder zu niedrig ist. Ist der Minister der Meinung, dass diese 143 Euro Taschengeld zu viel sind?

Dimroth: Nein. Das entnehme ich der Aussage "Das muss man sich noch einmal anschauen" aber auch nicht, weil das ja eine ergebnisoffene Aussage ist. Das heißt, man muss es sich einmal anschauen. Dabei kann ja auch herauskommen: Es ist genau so hoch, wie es sein sollte. Insofern teile ich schon Ihre Prämisse nicht, dass die Aussage "Das müssen wir uns einmal anschauen" schon vorweggenommen das Ergebnis enthält, dass der Ist-Zustand nicht angemessen ist. Das sehe ich nicht so.

Zusatzfrage: Der Minister hat also keine Meinung zu der Höhe?

Dimroth: Deswegen will er es sich einmal anschauen!

Frage: Der Minister hat gestern Abend, glaube ich, auch von der jüngsten Entwicklung der Asylanträge gesprochen. Die seien im Juli hochgeschnellt. Haben Sie konkrete Zahlen dazu, wie das im Juli aussah? Ist das die bislang höchste Zahl an Asylanträgen, die wir zu bezeichnen hatten?

Dimroth: Die endgültigen Juli-Zahlen sind noch nicht da - die erwarten wir aber für die nächsten Tage, möglicherweise noch für den Verlauf des heutigen Tages, jedenfalls für Anfang der Woche -, sodass ich mich dazu nicht verhalten kann.

Ich kann diese Gelegenheit aber gleich nutzen, weil dazu auch stark nachgefragt wurde, es auch sozusagen entsprechend differenziert darzustellen: Was auch aussteht, ist eine Anpassung der sogenannten Prognosezahl, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vornimmt, um eine prognostische Aussage darüber zu treffen, wie die Gesamtjahreszahlen aussehen, also nicht die Monatszahlen, die Sie kennen. Dazu hat sich der Bundesinnenminister ja auch so geäußert, dass mit einer erheblichen Anpassung nach oben zu rechnen ist. Auch da ist davon auszugehen, dass diese Prognose und damit auch diese Zahlen im Laufe der nächsten Woche fertiggestellt und Ihnen dann auch zur Kenntnis gegeben werden.

Frage: Herr Dimroth, Herr de Maizière hatte gestern Abend in dem Interview auch einen Zusammenhang zwischen der Länge der Asylverfahren und der Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hergestellt. Können Sie noch einmal erläutern, ob etwas Konkretes dahintersteckt, möglicherweise Sachleistungen?

Dimroth: Das geltende Asylbewerberleistungsgesetz, das, wie hier jetzt schon mehrfach ausgeführt, ja in der Federführung eines anderen Ministeriums liegt, sieht tatsächlich im Grundsatz den Vorrang der Geldleistung vor, allerdings mit einer Ausnahme: Für die Dauer des Aufenthalts in einer sogenannten Erstaufnahmeeinrichtung ist es genau umgekehrt. Da gilt der Grundsatz "Sach- vor Geldleistung". Im Asylverfahrensgesetz ist die zulässige Höchstaufenthaltsdauer in einer Erstaufnahmeeinrichtung von derzeit drei Monaten geregelt. Das führt sozusagen wiederum in der Konsequenz dazu, dass eben auch nur für diese drei Monate überhaupt eine Sachleistung infrage kommt. Genau darüber kann man nachdenken, einerseits eben wegen der erwähnten Debatte um Sachleistungen und beziehungsweise oder Geldleistungen. Darüber kann man aber auch im Zuge dessen nachdenken, was ja bei dem letzten Zusammenkommen zwischen Bund und Ländern und den Vertretern der Bundesregierung besprochen wurde, nämlich eine Verfahrensbeschleunigung in der Art, d ass die Verfahren für Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten - jetzt rede ich nicht vom gesetzlichen Terminus, sondern von den bekannten Schutzquoten, also insbesondere von den Westbalkanstaaten - möglichst noch in der Erstaufnahmeeinrichtung mit allen dafür rechtsstaatlich vorgesehenen Schritten abgeschlossen werden. Das ist eben nicht in allen Fällen innerhalb von drei Monaten möglich. Deswegen ergibt es auch Sinn, darüber nachzudenken und zu diskutieren, ob man diese Frist der Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen von drei Monaten möglicherweise etwas erweitern sollte.

Zusatzfrage: Habe ich das richtig verstanden, wenn ich das noch einmal übersetzen darf, dass, wenn man das Gesetz so ändert, dass Asylbewerber länger als die jetzt vorgesehenen drei Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben können, sie eben auch länger Sachleistungen bekommen können? Wenn das so richtig ist: Wie konkret sind die Planungen dafür?

Dimroth: Das ist fast richtig, würde ich sagen. Allein dass sie länger dort bleiben können, heißt nicht, dass sie dann sozusagen auch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Sachleistungen erhalten. Vielmehr nur dann, wenn sie dort länger bleiben können und das auch tun - ich gebe zu, dass das eine sozusagen etwas feinsinnige juristische Unterscheidung ist, die aber, glaube ich, nicht ganz unerheblich ist -, greifen die Voraussetzungen des Asylbewerberleistungsgesetzes insoweit.

Hinsichtlich des Stands des Prozesses der Verhandlungen möchte ich noch einmal auf das verweisen, was ich und auch die Kollegin aus dem BMAS gerade gesagt haben: Die Gespräche dazu laufen. Wir sind uns einig, dass wir es hierbei mit einer der Herausforderungen der Zeit zu tun haben, sowohl aufseiten der Kommunen und der Länder als auch aufseiten des Bundes, und wir alle ein gemeinsames Interesse daran haben, dies in der Wahrnehmung einer Verantwortungsgemeinschaft und im Interesse aller vernünftig zu lösen. Dazu gehört eine Reihe von Maßnahmen, über die man nachdenken kann und über die man derzeit nachdenkt, ohne dass ich Ihnen hier heute einen Zwischenstand geben kann.

Frage: Herr Dimroth, der Minister hat auch angesprochen, dass Vorauszahlungen an Flüchtlinge nicht mehr gezahlt werden sollten. Worauf bezieht sich das genau? Ist das in den Kommunen eine Ausnahme? Ist das eine Regel? Welche Kommunen machen das überhaupt? Wir haben bisher noch keine gefunden.

Dimroth: Ich möchte jetzt hier kein "blame game" spielen, aber es gibt durchaus Erkenntnisse darüber, dass, sagen wir einmal, aus Bürokratievereinfachungsgründen eben bestimmte Summen en bloc gezahlt werden, einfach deshalb, um Verwaltungsaufwände zu minimieren; das ist ja auch nachvollziehbar. Auch da ist es eben so, dass die derzeitige gesetzliche Regelung keine klare Bestimmung dazu enthält, inwieweit eine solche Vorauszahlung zulässig ist oder nicht. Auch darüber kann man nachdenken, ob hier möglicherweise eine gesetzliche Klarstellung erforderlich ist oder nicht, um diese Praxis einzuhegen, die eben möglicherweise dazu führt, dass es ein gewisser zusätzlicher Anreiz ist, wenn man weiß, dass man vorab eine höhere Summe en bloc bekommt, als wenn sie sozusagen bedarfsgerecht im Laufe des Prozesses ausgezahlt wird. Auch dazu gibt es keine abschließende Position, aber das ist sozusagen der Punkt. Es gibt im Gesetz keine Regelung, wonach das ausgeschlossen ist, und es gibt sehr wohl Erkenntnisse darüber, dass das zum Teil geschieht.

Zusatzfrage: Das war meine Frage: Kommt das häufiger vor, oder ist das eher eine Ausnahme?

Dimroth: Ich habe jetzt hier keine statistische Erhebung, die ich Ihnen mitteilen könnte. Wir haben, wie gesagt, Erkenntnisse darüber, dass das sehr wohl geschieht und zwar, wie gesagt, auch nachvollziehbarerweise geschieht, weil das eben mit entsprechenden Aufwandsminimierungen oder - reduzierungen verbunden ist. Das ist nachvollziehbar und eine nachvollziehbare Motivation, führt aber eben möglicherweise doch zu den von mir eben genannten Faktoren.

Frage: Ich hätte noch einmal eine grundsätzliche Frage zu dem Thema. Der Zug der Zeit ging in den letzten Jahren dahin - darüber sprachen wir ja gerade auch schon -, dass Geldleistungen zunehmend an die Stelle von Sachleistungen getreten sind und dass das eigentlich nur noch in Bayern schwerpunktmäßig anders gehandhabt wird. Was hat es jetzt mit konsistenter Politik zu tun, wenn man sozusagen auf der Stelle kehrtmacht und sagt "Wir machen das fortan wieder umgekehrt"? Gibt es dafür einen anderen Grund außer dem der Abschreckung, vor allem der Abschreckung von Flüchtlingen vom Balkan?

Dimroth: Zunächst noch einmal vorab: Es gibt, wie gesagt, dazu keine festgelegte Position, sondern es gibt eine Diskussion. Insofern erübrigt sich eigentlich auch weitgehend die Frage nach der von Ihnen jetzt erfragten Motivation oder der Auslegung dessen, ob es sich hierbei um einen inkonsistenten oder gar inkonsequenten Politikwechsel handelt. Das würde ich sozusagen auch gerne ein Stück weit Ihrer eigenen Würdigung überlassen und mich dieser Frage entziehen.

Es gibt die Diskussion über die Frage "Geld- oder Sachleistungen?". Die ist, wie Sie es richtig ansprechen, ja schon uralt. Da gibt es eine Reihe von Argumenten, die für das eine wie für das andere sprechen; die sind auch hinlänglich bekannt. Daran hat sich auch mit dem heutigen Stand nichts geändert. Die gesetzgeberische Möglichkeit, die eine solche Möglichkeit vorsähe, ohne dieses Grundprinzip infrage zu stellen - insofern erübrigt sich eigentlich auch die Frage nach einem Politikwechsel -, habe ich vorhin erläutert. Das geltende Recht sieht einen Vorrang der Sachleistungen in der Erstaufnahmeeinrichtung vor. Darüber gibt es keine Diskussionen - mir wären sie jedenfalls nicht bekannt -, genauso wenig wie über den Vorrang der Geldleistungen außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung. Man kann darüber sprechen, ob man die Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung möglicherweise jedenfalls etwas flexibilisiert, um hierbei eben in Einzelfällen zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Das ist die dargelegte mögliche Rechtsänderung. Dazu gibt es keine feste Position. Ich kann darin jedenfalls keinen Politikwechsel erkennen, schon gar nicht einen inkonsequenten oder inkonsistenten.

Um das vielleicht, wenn ich darf, gleich noch zu ergänzen: Darin sehe ich auch keinen Widerspruch zu der politischen Vereinbarung des Koalitionsvertrags, die Verfahrensdauer der Asylverfahren insgesamt auf drei Monate zu beschränken. Es wäre ein naheliegender Gedanke, dass das sozusagen insoweit auch widersprüchlich wäre, aber diese drei Monate sind natürlich ein Durchschnittswert, den wir zu erreichen versuchen. Es gibt da ja auch wirklich schon bemerkenswerte Erfolge, trotz der zunehmenden Asylverfahren, die das BAMF zu bewältigen hat. Das heißt aber mitnichten, dass es nicht in Einzelfällen auch zukünftig Verfahren geben wird, die länger als drei Monate dauern. Die politische Vereinbarung im Koalitionsvertrag lautet ja nicht "Wir wollen, dass kein Verfahren länger als zwei Monate dauert", sondern wir wollen, dass die im Schnitt drei Monate dauern.

Zusatzfrage: Der Berliner Finanzsenator hat heute in der "Berliner Zeitung" die Forderung erhoben, dass sich der Bund pauschal mit 50 Prozent an den Kosten für Flüchtlinge beteiligt. Ist das für Sie, Frau Wirtz, oder für Sie, Herr Dimroth, eine denkbare Variante?

SRS'in Wirtz: Ich denke, Herr Dimroth kann dazu etwas sagen.

Dimroth: Letztlich ist das natürlich eine Frage, die jetzt zumindest nicht abschließend oder allein im Zuständigkeitsbereich des Innenministers ressortiert; denn dabei geht es ja letztendlich doch mehr oder weniger nackt um Geld. Nichtsdestotrotz möchte ich auf den Prozess verweisen, der etabliert und aufgesetzt ist: Es gibt ja eine Vielzahl von Äußerungen insbesondere aus den Bundesländern dazu, was eine aus Sicht der Bundesländer angemessene Beteiligung des Bundes an den Kosten wäre. Ich halte es jedenfalls nicht für zielführend, das jetzt hier im Einzelnen zu kommentieren. Es gibt dazu Gespräche zwischen Bund und Ländern, und sobald diese Gespräche so finalisiert sind, dass es eine Einigung gibt, werden wir Sie davon auch wissen lassen. Aber Zwischenrufe werde ich jedenfalls von hier aus nicht kommentieren.

Frage: Ich habe zwei kurze Fragen, eine an Frau Wirtz: Bleibt es beim 9. September als Termin für den nationalen Flüchtlingsgipfel - es gibt ja auch Forderungen und Wünsche, den noch weiter vorzuziehen -, oder ist dieser Termin in der Debatte, und es kann sein, dass er noch weiter vorgezogen wird?

Herr Dimroth, der Paritätische Wohlfahrtsverband hält Ihrem Minister eine gefährliche Stimmungsmache wegen seiner gestrigen Äußerungen vor. Meine Frage an Sie: Seit wann hat sich Herr de Maizière mit der Taschengeldfrage konkret beschäftigt? Ist es Stimmungsmache, wenn man so etwas offen als Diskussion anregt, ohne dass man sich als verantwortlicher Minister schon einmal konkret darüber Gedanken gemacht hat?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal zu dem Termin 9. September: Es ist gut, dass Sie das zur Sprache bringen. Das gibt mir die Gelegenheit, das klarzustellen. In der Tat wird dieser 9. September immer wieder als Termin für den nationalen Flüchtlingsgipfel gehandelt. Richtig ist, dass dieser 9. September ein Termin ist, der in diesem Prozess, den Herr Dimroth eben auch schon erwähnt hat, gesetzt ist, aber als ein Termin des Chef-BK und der Chefs der Staatskanzleien der Länder. Das heißt, dieser Termin ist gesetzt, und er war auch schon immer gesetzt. Er kam dann irgendwann in den Ruf, dieser Termin zu sein. Das ist er aber nicht. Richtig ist, dass es in der Tat im Herbst einen weiteren Termin geben soll. Der folgt auf den Termin am 18. Juni im Bundeskanzleramt. In diesem Zusammenhang gibt es in der Tat die Überlegung, diesen Termin - anders als geplant - in den September zu ziehen. Dafür gibt es aber noch kein Datum.

Aber die Bundesregierung ist offen dafür, diesen Termin im September anzusetzen, um vor den kalten Monaten, die uns dann ja doch bald erwarten, entscheidende Lösungen in wichtigen Fragen zu finden.

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage. - Ich hatte hier an dieser Stelle - und der Bundesminister des Innern hat das an den jetzt hier diskutierten Stellen auch immer wieder getan - vor die Klammer gezogen und nicht ohne Grund sehr bewusst darauf verwiesen, dass es zunächst einmal völlig außer Frage steht, dass jeder Mensch, der nach Deutschland kommt - egal, woher er kommt; egal, mit welchen Motiven er nach Deutschland kommt -, das Recht hat, hier anständig, würdig und sicher untergebracht zu werden. Diese Aussage steht vor der Klammer all dessen, was zu diskutieren ist, wie man mit den derzeitigen Zahlen umzugehen hat.

Insofern kann ich die Aufregung, die möglicherweise an der von Ihnen zitierten Stelle entstanden ist, schlichtweg nicht nachvollziehen.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium. Wird der Begriff "Taschengeld" intern verwendet, ist das Jargon im Ministerium? Taschengeld beinhaltet für mich, dass es eine Geldleistung ist, die an teilweise geschäftsunfähige Kinder gezahlt wird, was ja im Fall der Geflüchteten nicht zutrifft. Wir reden hier von Familien, Menschen, Kindern, die vor Krieg geflüchtet sind. Wenn der Begriff "Taschengeld" so häufig in den Medien verwendet wird, kommt er aus dem Ministerium oder ist das ein Begriff, der sich gerade auf der Seite der Medien einschleicht?

Dimroth: Nach meinem Kenntnisstand ist es jedenfalls kein gesetzlich definierter oder gesetzlich vorgesehener Begriff, sondern eher eine allgemeine Umschreibung dessen, was im Asylbewerberleistungsgesetz für das geregelt ist, was sozusagen in diesem Kontext zu gewähren ist. Es entspricht sicher auch nicht dem von Ihnen vermutlich angesprochenem Taschengeld im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern ist, wie gesagt, eine allgemeine Umschreibung dessen, was das Asylbewerberleistungsgesetz hier vorsieht.

Zusatz: Dabei kommt aber hinzu, dass wir zum Beispiel bei Empfängern von Hartz IV nicht von der Gewährung eines Taschengeldes oder sonst etwas reden, schon gar nicht so in der Öffentlichkeit, wie das in den letzten zwei Tagen der Fall gewesen ist. Ich würde gerne anregen, dass das als Begrifflichkeit überdacht wird und dass man versucht, darauf zu verzichten.

Dimroth: Die Anregung nehme ich natürlich sehr gerne auf, soweit wir das steuern können, weil, wie Sie richtigerweise sagen, das auch ein Begriff ist, der von Ihnen und Ihren Kollegen gerne verwendet wird.

Im Übrigen kann ich Ihre Einschätzung nicht so ganz teilen, dass das eine neuartige Entwicklung ist. Meinem Eindruck nach ist das ein Begriff, der eigentlich in diesem Kontext etabliert ist.

Daldrup: Ich würde gerne ergänzen, und zwar ist im Gesetz die Rede von Bargeldbedarf. Das wird langläufig im Gesetz mit "Taschengeld" übersetzt, im Gesetz heißt es aber Bargeldbedarf. Diese Leistung im Asylbewerberleistungsgesetz beinhaltet zwei Aspekte: zum einen den Bargeldbedarf und zum anderen den notwendigen monatlichen Bedarf, der eben als Geld- oder Sachleistung gewährt werden kann.

SRS'in Wirtz: Es gab noch eine offene Frage in Bezug auf die deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen. Es folgt Teil zwei:

Unsere kleine Blitzumfrage war gar nicht so schlecht. In der Tat reisen sechs Minister und Ministerinnen mit, konkret der Minister des Auswärtigen, Steinmeier, sowie BMEL, BMG, BMVI, BMUB und BMZ. Ansonsten werden die anderen Häuser, die ich eben genannt habe, auf Staatssekretärsebene vertreten sein.

Frage: Eine Frage an Herrn Nannt. Es gab Berichte, wonach die Bundeswehr Erkenntnisse über einen möglichen Einsatz von Giftgas im Irak hatte. Können Sie uns dazu etwas sagen? Was wissen Sie darüber?

Nannt: Das Bundesministerium der Verteidigung wurde am 12. August, also vorgestern, über einen solchen möglichen Vorfall ungefähr 60 Kilometer südwestlich von Erbil durch einen vertraulichen Bericht informiert. Wichtig ist: Eigene Erkenntnisse liegen hierzu nicht vor. Somit können wir auch nicht belastbar sagen, ob und in welcher Art und Form Peschmerga hierbei verwundet wurden.

Derzeit - das ist vielleicht noch eine wichtige Information - ist ein irakisches Expertenteam mit US-amerikanischer Unterstützung vor Ort und untersucht diesen Vorfall im Rahmen von Probeentnahmen. Jetzt müssen wir abwarten, welche Ergebnisse dabei herauskommen.

Zusatzfrage: Wenn ich Sie richtig verstehe, wird es vonseiten der Bundeswehr keine eigenen Untersuchungen geben.

Können Sie sagen, wann dieser Vorfall passiert sein soll?

Nannt: Wir sind, wie gesagt, in die Untersuchungen nicht involviert.

Wann sich der Vorfall zugetragen hat, kann ich nicht genau sagen. Ich meine, genau an diesem Tag; ich bin mir jetzt nicht sicher. Auf jeden Fall wurden wir vorgestern Abend darüber informiert.

Frage: Herr Nannt, es gab Medienberichte, wonach angeblich Senfgas eingesetzt worden ist. Gibt es auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen für deutsche Soldaten, zum Beispiel Gasmasken?

Nannt: Erst einmal grundsätzlich: Der Schutz unserer Soldaten hat für uns natürlich oberste Priorität. Bevor wir so einen Einsatz durchführen, machen wir immer eine ausführliche Risikoanalyse. Diese Risikoanalyse setzt sich natürlich Tag für Tag fort. Unsere Soldaten sind auch im Bereich des ABC-Schutzes mit ihrer persönlichen Schutzausstattung ausgestattet, sind hierin eingewiesen und ausgebildet. Dazu erfolgt zum Beispiel wieder im Augst eine routinemäßige Beratung unseres Kontingents durch ABC-Abwehrstabsoffiziere, die vor Ort sein werden und in der übernächsten Woche das Kontingent beraten werden. Das ist also nicht aufgrund des Vorfalls der Fall, sondern das war routinemäßig geplant.

Eine wichtige Information ist vielleicht noch, dass wir, was die Ausstattung angeht, die wir für die Region Nordirak, aber auch genauso für die Zentralregierung vorgenommen haben, in diesem Jahr ABC-Schutzausstattung geliefert haben. Für die Sicherheitskräfte im Nordirak waren das etwa 1.000 ABC-Masken plus Filter und für die irakische Zentralregierung 3.000 Masken und Filter. Dazu haben eine Einweisung sowie eine Ausbildung stattgefunden. Unbenommen von diesem Vorfall prüfen wir gerade, wie wir dort insgesamt die Ausbildungsunterstützung weiter fortsetzen können.

Zusatz: Die Frage zu Senfgas war noch offen.

Nannt: Das hatte ich in der vorherigen Antwort schon gesagt. Wir selbst haben zu dem Vorfall keine Erkenntnisse. Jetzt sollten wir erst einmal die Untersuchungen abwarten. Die Schutzmaßnahmen, die es für unser Kontingent gibt, sind derzeit - so ist unsere Bewertung - ausreichend.

Zusatzfrage: Wieso ist die Bundeswehr in diese Untersuchungen involviert? Das betrifft doch deutsche Soldaten.

Nannt: Noch einmal: Von dem Vorfall waren unsere deutsche Soldaten überhaupt nicht betroffen. Das heißt, es war vermutlich - wir wissen es nicht - ein Vorfall, von dem, wie gesagt, Peschmerga 60 Kilometer südwestlich von Erbil betroffen waren. Wir selbst haben im Nordirak einen Ausbildungsauftrag, dem wir nachkommen. Insofern sind wir durch diese konkrete Situation nicht betroffen. Dem Ausbildungsauftrag kommen wir nach, und daher haben wir auch keine eigenen Erkenntnisse dazu. Das sind, wie gesagt, Quellen aus den Autoritäten der Region. Zurzeit wird der Vorfall durch die irakische Regierung, aber auch genauso durch die Amerikaner untersucht, und das sollten wir einmal abwarten.

Frage: Eine Frage an das BMF. Herr Weißgerber, die Bertelsmann Stiftung sieht in einer Studie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland gefährdet, und zwar durch eine hohe Belastung einiger Kommunen vor allem in Westdeutschland durch Kassenkredite. Die Studie fordert die Übernahme der Hartz-IV-Wohnkosten durch den Bund und Änderungen beim Länderfinanzausgleich. Teilen Sie diese Analyse, und sehen Sie dort dringenden Handlungsbedarf?

Frau Wirtz, eine Asylbewerberin aus Ghana hat in Hannover ihrer Tochter aus Dankbarkeit gegenüber der Bundeskanzlerin den schönen Namen Angela Merkel gegeben. Ist die Bundeskanzlerin auch dankbar für diese Geste und schickt vielleicht noch ein Kärtchen oder so etwas?

SRS'in Wirtz: Ich übergebe erst einmal an Herrn Weißgerber, da Sie sich zunächst an ihn gewandt haben.

Weißgerber: Zur Lage der Kommunen: Die Bundesregierung, das muss man ja sagen, hat sich in den letzten Jahren immer sehr kommunalfreundlich gezeigt. Wenn Sie sich die Finanzlage der Kommunen insgesamt anschauen, so gibt es dort seit drei Jahren einen Finanzierungsüberschuss. Es gibt natürlich eine heterogene Situation der einzelnen Kommunen, die sich auf einige Länder - Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland - konzentriert. Hier gibt es tatsächlich Probleme mit hohen Kassenkrediten.

Die Bundesregierung sieht da natürlich zuerst einmal, wie es auch das Grundgesetz vorgibt, die Länder in der Verantwortung. Die Kommunalaufsicht, die Finanzausstattung der Kommunen ist Ländersache. Dennoch können wir sagen: Wir haben als Bundesregierung in den letzten Jahren sehr viel für die Kommunen gemacht und tun das auch immer noch. Ich erinnere an die vollständige Übernahme der Grundsicherung im Alter, was pro Jahr über sechs Milliarden Euro ausmacht, die der Bund übernimmt. Wir haben gerade erst für finanzschwache Kommunen einen Kommunalinvestitionsförderungsfonds von 3,53 Milliarden Euro in diesem Jahr auf den Weg gebracht, der genau den finanzschwachen Kommunen zugutekommen soll. Wir haben schon im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir für die Kommunen jedes Jahr - 2015, 2016 und 2017 - eine Milliarde Euro übernehmen. 2017 haben wir gerade auf 2,5 Milliarden Euro aufgestockt. Wir werden ab 2018 auch noch einmal zusätzlich fünf Milliarden Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt übernehmen.

Da läuft also schon sehr viel zugunsten der Kommunen. Insofern sehe ich jetzt nicht, dass es eine weitere Notwendigkeit für eine Entlastung gibt.

SRS'in Wirtz: Was Ihre Frage nach der Namensgebung anbelangt, so ist es ja so, dass man in Deutschland eine weitgehend freie Wahl hat, was den Namen anbelangt. Ich glaube, der eine oder andere Standesbeamte (schränkt dies ein) oder es gibt dann doch bestimmte Vorschriften, welche Namen man nicht nutzen darf. Aber zunächst einmal ist es das freie Recht der Eltern, einen Namen zu wählen; und das ist auch gut so.

Ansonsten kann ich nur das sagen, was ich zu jedem Erdenbürger sagen würde, der auf diese Welt kommt: Herzlich willkommen!

Vorsitzende Maier: Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums möchte noch etwas nachtragen.

Nannt: Auch ich habe fleißige Helfer am Fernseher: Der mögliche Vorfall ereignete sich am 11. August.

Frage: Eine Frage an Herrn Fischer vom Auswärtigen Amt zum Thema Ukraine. Herr Fischer, nach unseren Informationen soll es am Montag ein Arbeitstreffen zum Thema Umbau der ukrainischen Verfassung unter Beteiligung der russischen Seite geben. Können Sie das bestätigen? Wenn ja, wer nimmt daran teil und um was geht es konkret?

Fischer: Dieses konkrete Treffen kann ich Ihnen nicht bestätigen.

Was ich sagen kann, ist, dass es im Rahmen des Minsker Prozesses eine Reihe von Arbeitsgruppen gibt, die sich treffen, und dass die AG Politik im Rahmen dieser Arbeitsgruppen trotz der eigentlich sommerlichen Sitzungspause vorgestern informelle Konsultationen durchgeführt hat und dies auch in den kommenden Tagen wieder tun wird.

Zusatzfrage: Dass Sie das Treffen nicht bestätigen können, heißt aber nicht, dass es nicht stattfindet?

Fischer: Wenn ich etwas nicht bestätigen kann, dann kann ich es nicht bestätigen.

Frage: Es hat gestern in der Ukraine schwere Kämpfe gegeben. Ich hätte gerne vom Auswärtigen Amt, Herr Fischer, dazu eine kurze Einschätzung.

Angehängt die Frage: Sind neue Gespräche mit den Akteuren geplant? Ist vielleicht an ein Treffen im Normandie-Format gedacht? Wie geht es da jetzt weiter?

Fischer: Sie sprechen eine durchaus für uns sorgenvolle Entwicklung an. In den letzten Tagen ist es tatsächlich bei Donezk und Mariupol zu heftigen Gefechten gekommen. Es hat zahlreiche Verletzte und eine Reihe von Toten gegeben. Wir beobachten diese erneute Eskalation und auch den von der OSZE beobachteten Einsatz schwerer Waffen mit allergrößter Sorge. Der wiederholte Bruch der in Minsk vereinbarten Waffenruhe ist aus unserer Sicht ein Spiel mit dem Feuer, denn mit jedem Schuss wird der ohnehin schwierige politische Prozess noch schwieriger. Wir erwarten deshalb, dass man sich in Moskau, aber auch in Kiew über die potentiellen Gefahren dieser Lage im Klaren ist, setzen darauf, dass die Kampfhandlungen umgehend eingestellt werden und rufen beide Seiten dazu auf, zu der in Minsk vereinbarten Waffenruhe zurückzukehren.

Was stimmt, ist, dass wir auf den verschiedensten Kanälen vieles dafür tun, damit der Friedensprozess nicht ins Stocken gerät und wir bei den Verhandlungen zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine weiterkommen. Der Außenminister hat hierzu in den vergangenen Tagen mehrmals mit Vertretern aus der Region gesprochen, unter anderem mit dem ukrainischen Außenminister Klimkin. Vor Kurzem - möglicherweise jetzt noch - hat er mit dem russischen Außenminister Lawrow gesprochen sowie mit Vertretern der OSZE telefoniert. Das heißt, wir sind auch auf Ebene der Außenminister in einem engen Kontakt mit allen Beteiligten und bemühen uns, das, was wir können, zu tun, um zu verhindern, dass die jetzige Situation weiter eskaliert.

Zusatzfrage: Gibt es konkrete Planungen, ist angedacht, sich noch einmal zu treffen oder im Moment nicht?

Fischer: Ich habe ja erklärt, dass die Beteiligten derzeit in einem sehr engen Kontakt stehen. Was zum Beispiel bei dem Telefonat unseres Ministers mit dem russischen Außenminister herausgekommen ist, das sozusagen zeitgleich zur Bundespressekonferenz stattfindet, kann ich Ihnen mangels besseren Wissens derzeit nicht beantworten.

Frage: Ich würde gerne vom Verteidigungsministerium wissen, wie der Stand der Dinge im Hinblick auf eine Mandatsausweitung in Mali aussieht. Ich lese etwas von einem Beginn am 1. Januar im Norden. Mich würde ganz konkret interessieren: Wie viele neue Kräfte sind geplant und was machen sie? Betreiben sie nur Aufklärung oder übernehmen sie auch Objektschutz? Wann beginnt die ganze Geschichte?

Nannt: Sie sprechen wahrscheinlich die Mission MINUSMA an. Insgesamt hat die Stabilisierung Malis für uns natürlich eine ganz besondere Bedeutung, was auch die Ministerin zuletzt bei ihrem Besuch in Mali ganz deutlich gemacht. Aus Sicht der Bundesregierung könnte eine Erweiterung der Beteiligung an der Mission MINUSMA ein sinnvoller Beitrag sein, um die Region insgesamt weiter zu stabilisieren.

Die Niederlande haben ihr Interesse signalisiert, sind auf uns zugekommen und haben angefragt, ob wir dort weiter unterstützen können. Es wird dazu demnächst eine Erkundungsmission stattfinden. Wir müssen erst einmal abwarten, wie die Ergebnisse dieser Erkundungsmission sind, und dann muss man daraus die Schlüsse ziehen.

Zusatzfrage: Das heißt, zu den Fragen Beginn, Umfang der Truppen und welche Mission konkret dahintersteht können oder wollen Sie im Moment nichts sagen?

Nannt: Genau dazu dient die Erkundung, um zu sehen: Wie können wir uns dort weiter beteiligen, wie können wir uns mit unseren Fähigkeiten einbringen? Das sollten wir jetzt abwarten.

Frage: Können Sie wenigstens etwas über den Einsatzort beziehungsweise den Bereich sagen, wohin diese Erkundungsmission genau geht?

Nannt: Wie gesagt, es geht um MINUSMA insgesamt, also im Norden, aber ich kann Ihnen nichts Genaueres sagen. Dazu gibt es ja die Erkundung. Das ist für ein Militär, sage ich einmal aus meiner Sicht, immer der Startschuss, um zu sehen: Wie können wir was weiter machen? Wie können wir weiter unterstützen? Dann schauen wir weiter.

SRS'in Wirtz: Eine allerletzte Frage hatte der Kollege noch, und die soll natürlich nicht offenbleiben. Sie hatten gefragt, welche Wirtschaftsdelegation mit nach Brasilien reist. Ich kann Ihnen sagen: Es reist keine Wirtschaftsdelegation mit nach Brasilien.

Frage: Zur Selektoren-Liste und dem Konsultationsverfahren: Herr Altmaier hat jetzt noch einmal klargestellt, dass es keine Zustimmung aus den USA gab. Heißt das, dass die Bundesregierung basierend darauf, dass es keine Zustimmung gab, das als Ablehnung bewertet hat, obwohl es gar keine Ablehnung gab?

SRS'in Wirtz: Ich glaube, ich werde jetzt nicht die Äußerungen des Chefs des Bundeskanzleramts hier noch einmal interpretieren. Herr Altmaier hat in einem Interview, das Ihnen vorliegen dürfte, zu diesen Fragen sehr klar Stellung genommen.

Im Übrigen muss ich Sie darauf verweisen, dass die Bundesregierung in dem zuständigen Ausschuss über den Ablauf dieses Konsultationsverfahrens Auskunft gegeben hat. Die Informationen, die dort gegeben worden sind, gehören auch dorthin.

Zusatzfrage: Die einzige Quelle, die von Konsultationsverfahren spricht, sind Sie als Bundesregierung, Sie als Kanzleramt. Wie können Sie der Öffentlichkeit beweisen, dass es überhaupt ein Konsultationsverfahren gegeben hat?

SRS'in Wirtz: Wie genau meinen Sie das? Das verstehe ich jetzt nicht. Was soll die Bundesregierung beweisen? Soll die Bundesregierung beweisen, dass man mit der amerikanischen Regierung gesprochen hat?

Zusatzfrage: Man könnte auf die Idee kommen, dass die Einzigen, die von einem Konsultationsverfahren wissen, Sie sind - nicht die Amerikaner, nicht der Bundestag, sondern einzig die Bundesregierung selbst.

Können Sie einfach der Öffentlichkeit einmal beweisen, dass es ein Konsultationsverfahren gab?

SRS'in Wirtz: Ich glaube nicht, dass die Bundesregierung das beweisen muss. Die Bundesregierung hat mit der amerikanischen Regierung in verschiedenen Aspekten Gespräche geführt. Dabei ist die Bundesregierung zu einem Schluss gekommen, wie mit dieser angesprochenen Selektoren-Liste umzugehen ist. Diese Haltung, diese Sicht der Dinge hat die Bundesregierung den zuständigen parlamentarischen Gremien mitgeteilt. Der Chef des Bundeskanzleramtes hat sich in einem Interview noch einmal zu diesem Komplex geäußert, und ich glaube, damit sind eigentlich alle Fragen beantwortet.

Frage: Nun wurde ja eigens für die Bearbeitung der Selektoren-Liste Herr Graulich eingesetzt. Nach allem Anschein, wie die Berichterstattung momentan läuft, wäre das gar nicht nötig gewesen, weil diese Aufgabe durchaus auch Parlamentarier des Ausschusses hätten erledigen können.

Wie groß ist der finanzielle Schaden, der durch die Einsetzung von Herrn Graulich jetzt entstanden ist? Wie wird er besoldet? Aus welchem Haushaltsposten werden die Kosten von Herrn Graulich getragen?

SRS'in Wirtz: Ich möchte in diesem Zusammenhang jetzt ausdrücklich nicht von einem finanziellen Schaden sprechen, in dem Sinne, dass Herr Graulich ein finanzieller Schaden wäre. Das möchte ich ausdrücklich zurückweisen.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass es hier ein Verfahren gibt, mit dem sich das Kanzleramt und das Parlament in diesem Zusammenhang auf ein bestimmtes Verfahren geeinigt haben. Wie gesagt, diese ganzen Absprachen zum weiteren Verfahren sind in den zuständigen Gremien des Parlaments getroffen worden. Da gehören sie auch hin.

Zusatz: Auch ich möchte Herrn Graulich nicht als finanziellen Schaden bezeichnen.

SRS'in Wirtz: Gut. Da sind wir uns ja schon mal einig.

Zusatz: Es ist einfach ein Posten, den es nicht gebraucht hätte, wenn man sich vorher im Konsultationsverfahren korrekt besprochen hätte und gesehen hätte: Auch Parlamentarier können diese Arbeit verrichten.

SRS'in Wirtz: Auch die Annahme, dass man sich nicht korrekt besprochen hat, möchte ich hier zurückweisen. Es gab Gespräche, auch zwischen dem Bundeskanzleramt und den zuständigen Gremien. Man hat sich auf dieses Verfahren geeinigt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Frau Wirtz, wer bezahlt Herrn Graulich? Das Kanzleramt?

SRS'in Wirtz: Zu den Besoldungen des eingesetzten Ermittlers in diesem Verfahren kann ich jetzt in der Öffentlichkeit nichts sagen. Sobald wir das sagen können, tun wir das gerne.

Zusatzfrage: Sie können nicht ausschließen, dass derjenige, der das Kanzleramt und den BND kontrollieren soll, von Ihnen bezahlt wird?

SRS'in Wirtz: Das soll ich jetzt ausschließen?

Zusatzfrage: Ich frage, ob Sie es nicht ausschließen können.

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen zu der Bezahlung von Herrn Graulich im Detail jetzt nichts sagen. Wenn wir das tun können, werden wir das gerne tun.

Zusatzfrage: Zu dem Konsultationsverfahren: Welche Regierungsmitglieder oder welche Mitglieder des Kanzleramts waren bei diesem Konsultationsverfahren beteiligt?

SRS'in Wirtz: "Konsultationsverfahren" ist ein feststehender Begriff in solchen bilateralen Fragen. Die Bundesregierung hat dieses Konsultationsverfahren durchgeführt. Wer genau an diesem Verfahren, diesen Gesprächen beteiligt war, kann ich Ihnen nicht sagen, weil das interne Vorgänge innerhalb der Bundesregierung sind. Aber Sie können davon ausgehen, dass es diese Kontakte und dieses Verfahren zwischen der deutschen Bundesregierung und der amerikanischen Regierung gegeben hat.

Freitag, 14. August 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 14. August 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-14-regpk.html;jsessionid=11DA18C4621BAE66813201A548F7098B.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2015

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