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PRESSEKONFERENZ/918: Regierungspressekonferenz vom 9. Januar 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz - Freitag, 9. Januar 2015
Regierungspressekonferenz vom 9. Januar 2015

Themen: Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka, Termine der Bundeskanzlerin (informeller Meinungsaustausch mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und dem französischen Präsidenten, Besuch des türkischen Premierministers, Festakt zum 25-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft, Kabinettsitzung, Empfang des Nato-Generalsekretärs, Diskussionsveranstaltung mit Wirtschaftsvertretern, Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energien, Plenarsitzung des Deutschen Bundestags, Treffen mit dem lettischen Staatspräsidenten, Jahreseröffnung der Deutschen Börse), Ukraine-Krise, Diskussion über ein Zuwanderungsgesetz, Terroranschlag in Frankreich, Austausch von Fluggastdaten, Vorratsdatenspeicherung, Harmonisierung des europäischen Waffenrechts, finanzielle Lage Griechenlands, Finanztransaktionssteuer

Sprecher: SRS Streiter, Kempe (BMFSFJ), Schäfer (AA), Dimroth (BMI), Zado (BMJV), Kalwey (BMF)



Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Kempe: Schönen guten Tag zusammen! Vielen Dank einen freundlichen Empfang. Ich bin Frank Kempe. Mit einigen von Ihnen habe ich in den letzten zwei Monaten bereits telefoniert und freue mich, dass ich jetzt auch an dieser Stelle im Wechsel mit meinen Kolleginnen das Bundesfamilienministerium vertreten darf. Ich komme gewissermaßen von Ihrer Seite: Ich bin Diplompolitologe und habe 20 freiberufliche Jahre als Journalist auf dem Buckel, hauptsächlich für das Fernsehen der Deutschen Welle - schönen Gruß an die Kollegen von dieser Stelle - und auch für das Deutschlandradio. Ich kenne daher die Bedürfnisse und Wünsche sowie auch die Zwänge und Nöte von Journalisten in besonderer Weise und denke, das ist eine tragfähige Basis. In diesem Sinne auf gute Zusammenarbeit! Vielen Dank.

Schäfer: Ich würde Ihnen gerne eine Stellungnahme von Außenminister Steinmeier im Namen der Bundesregierung zu den Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka vortragen. Die Stellungnahme geht wie folgt:

"Ich gratuliere Maithripala Sirisena zu seinem Wahlsieg. Wir wünschen ihm eine glückliche Hand und viel Erfolg für die Umsetzung seiner politischen Vorhaben für ein friedliches, demokratisches und inklusives Sri Lanka. Ich freue mich über den weitgehend friedlichen und reibungslosen Wahlverlauf und die hohe Wahlbeteiligung. Es ist gut, dass die Bürger Sri Lankas in so großer Zahl zu den Wahlurnen geströmt sind und von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Dass der bisherige Amtsinhaber Mahinda Rajapaksa seine Niederlage bei den Wahlen bereits eingestanden hat und den Weg für einen friedlichen und demokratischen Übergang freimacht, verdient Respekt und Anerkennung.

Ich verbinde meine Glückwünsche auch mit der Hoffnung auf einen politischen Neubeginn mit Impulsen für eine grundlegende Aussöhnung der Volksgruppen. Sechs Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs gibt es nun eine reale Chance, der großen religiösen und ethnischen Vielfalt Sri Lankas, einem Markenzeichen des Landes, mit Gemeinsinn wieder Kraft und Vitalität zu verleihen."

Vielen Dank.

SRS Streiter: Da wir uns zum ersten Mal sehen, auch von meiner Seite alles Gute für das neue Jahr und nur gute Nachrichten! Das konnten wir bis jetzt nicht ganz einhalten.

Wir kommen zu den Terminen der Bundeskanzlerin:

Wir haben am Montag die Reise der Bundeskanzlerin nach Frankreich am Sonntag angekündigt. Sie wird dort mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz zu einem informellen Meinungsaustausch zusammenkommen. Dieser Termin ist nicht presseöffentlich.

Ebenfalls bereits angekündigt haben wir Ihnen den Besuch des türkischen Premierministers Ahmet Davutoglu am Montag, dem 12. Januar. Die Bundeskanzlerin wird ihn um 12 Uhr mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Gegen 13.15 Uhr ist eine gemeinsame Pressekonferenz vorgesehen.

Am Dienstag wird die Bundeskanzlerin um 11 Uhr beim Festakt zum 25-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft in Berlin sprechen. Die Veranstaltung wird im Atrium der Deutschen Bank stattfinden. Der Termin ist presseöffentlich, die Akkreditierung erfolgt über die Deutsche Gesellschaft. Die Anmeldefrist läuft heute aus.

Am Mittwoch wird, wie üblich, um 9.30 Uhr das Kabinett unter Leitung der Bundeskanzlerin tagen.

Um 12 Uhr wird die Bundeskanzlerin am Mittwoch den neu berufenen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen. Thema des Gesprächs im Rahmen eines Mittagessens wird im Wesentlichen die Umsetzung der Beschlüsse des Nato-Gipfels in Wales sein. Im Anschluss an dieses Gespräch ist dann für 13.15 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung geplant.

Am Mittwochnachmittag wird die Bundeskanzlerin an einer Diskussionsveranstaltung der Zeitung "DIE WELT" mit Vertretern der Wirtschaft im Axel-Springer-Haus in Berlin teilnehmen. Sie wird dort gegen 16 Uhr eintreffen, eine kurze Rede halten und anschließend an der Diskussionsrunde teilnehmen. In ihrer Rede wird sie unter anderem auf die Auswirkungen der geopolitischen Krisen auf die deutsche Wirtschaft eingehen. Diese Veranstaltung ist nicht presseöffentlich.

Um 18 Uhr, immer noch am Mittwoch, wird die Bundeskanzlerin am Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energien teilnehmen und dort eine Rede halten. Sie wird darin auf die zentralen Weichenstellungen der Energiepolitik des vergangenen Jahres zurückblicken und zugleich auf die in diesem Jahr anstehenden energiepolitischen Aufgaben eingehen.

Am Donnerstag, dem 15. Januar, wird die Bundeskanzlerin zunächst im Plenum des Deutschen Bundestages sein.

Am Abend wird sie dann am Rande der Internationalen Grüne Woche mit dem lettischen Staatspräsident Berzins zusammenkommen. Lettland ist dieses Jahr offizielles Partnerland der Grünen Woche. Staatspräsident Berzins besucht die Grüne Woche aus diesem Grund. Europapolitische Fragen werden in dem Gespräch eine wichtige Rolle spielen; denn Lettland hat am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Themen dürften darüber hinaus bilaterale Fragen und die Situation in der Ukraine sein. Das dafür vorgesehene Zeitfenster ist von 20.15 Uhr bis 20.45 Uhr. Eine Pressekonferenz oder ein Fototermin sind nicht vorgesehen. Das Gespräch soll am Ende des Empfangs für ausländische Ehrengäste des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft stattfinden. Außerdem ist vorgesehen, dass die Bundeskanzlerin ein Grußwort an die Gäste dieses Empfangs richten wird.

Am Freitag, 16. Januar, also heute in einer Woche, wird die Bundeskanzlerin im Plenum des Deutschen Bundestages sein.

Aufgrund der heute endenden Akkreditierungsfrist möchte ich noch einen Blick auf Montag, den 19. Januar, richten: Dann wird die Bundeskanzlerin um 19 Uhr an der Jahreseröffnung der Deutschen Börse in Eschborn teilnehmen. Sie wird dort eine Rede halten und sich unter anderem zu den aktuellen wirtschaftspolitischen Entwicklungen äußern.

Das waren die Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche.

Frage: Ich würde gerne wissen, ob sich an dem informellen Termin der Kanzlerin mit Monsieur Hollande irgendetwas geändert hat. Steht der inzwischen möglicherweise infrage? Hat sich an dem nicht presseöffentlichen Format angesichts der jüngsten Ereignisse in Frankreich womöglich etwas geändert, sodass man doch Statements abgeben oder danach Stellung zu diesen Vorgängen nehmen wird?

SRS Streiter: Bis jetzt hat sich nichts geändert. Es ist, ehrlich gesagt, durchaus denkbar, dass sich noch etwas ändert, aber eigentlich nicht. Das ist ein informelles Treffen. Aber wie gesagt: Heute ist Freitag, 11.30 Uhr, und ich würde jetzt keinen Eid darauf schwören. Das werden Sie dann aber auch rechtzeitig, unmittelbar erfahren.

Zusatzfrage : Rechtzeitig? Heute ist Freitag, und das Treffen wird am Sonntagabend in Straßburg stattfinden.

SRS Streiter: Na ja, Sie sind ja schnell!

Frage: Herr Streiter, ist aus den Terminen der Kanzlerin herauszulesen, dass sie definitiv nicht zu dem Normandie-Treffen nach Astana in der nächsten Woche fliegen wird?

Nebenfrage: Kann es sein, dass dieses Treffen auf der Ebene der Außenminister stattfinden wird?

SRS Streiter: Diesen Termin haben wir hier nie bestätigt. Es ist nach wie vor so, dass es keine feste Vereinbarung gibt. Sollte es einen solchen Termin geben, sind wir da flexibel, aber derzeit gibt es diesen Termin nicht.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, was ist denn jetzt mit der Telefonkonferenz? Herr Klimkin ist ja heute in Wildbad Kreuth. Wird es heute noch eine Telefonkonferenz der Normandie-Außenminister geben oder nicht?

Schäfer: Ich wollte das nach dem, was Herr Streiter gesagt hat, gerade ergänzen: Die Gespräche und Beratungen in dem Vierer-Format gehen auch heute weiter. Ich gehe davon aus, dass es auch noch heute Nachmittag zu einer Telefonkonferenz der vier Außenminister kommen wird.

Frage: Ich habe nur eine Frage: Ist die Bundesregierung mit den Worten von Arseni Jazenjuk in dem Interview über die russischen Aggressionen gegen Hitlers Deutschland einverstanden? Ich kann das zitieren, wenn Sie möchten.

Schäfer: Meinen Sie etwas, das der ukrainische Ministerpräsident in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt hat?

Zusatzfrage: Ich kann das zitieren: "Wir können uns alle sehr gut an den sowjetischen Einmarsch in die Ukraine und nach Deutschland erinnern". Was könnten Sie dazu sagen?

Schäfer: Es ist nicht an mir, die Bemerkungen von Herrn Jazenjuk in einem Interview, das er einer deutschen Zeitung gegeben hat, zu kommentieren.

Frage: Herr Schäfer, ich möchte Sie doch bitten, vielleicht noch das eine oder andere Sätzchen mehr zum bisherigen Verlauf der Gespräche der Politischen Direktoren zu sagen. Könnte dieser Telefonkonferenz zwischen den Ministern, von der Sie ausgehen, möglicherweise ein physisches Treffen der Außenminister am kommenden Montag in Berlin folgen? Kommt man da voran? Gibt es Anzeichen dafür, dass man so weit vorankommt, dass dieses einmal ins Auge gefasste Gipfeltreffen in der nächsten Woche zumindest wahrscheinlicher geworden ist?

Schäfer: Ich bin absolut auf der Linie, die Ihnen Herr Streiter gerade schon vorgetragen hat: Ob und wann es zu einem möglichen Gipfeltreffen oder einem Treffen der Außenminister kommen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht entschieden. Das ist letztlich eine Frage der gemeinsamen Bewertung der Ergebnisse der Beratungen im Vierer-Format, wie sie in dieser Woche auf Bitte der Regierungschefs und der Außenminister auf den Weg gebracht worden sind. Die Gespräche haben am Montag mit Beratungen der hochrangigen Diplomaten dieser vier Staaten hier in Berlin begonnen.

Es gibt eine Reihe von Themen beziehungsweise Parametern, um die es geht, die Ihnen allen bekannt sein dürften, die ich aber gerne noch einmal zusammenfassen kann: Das gemeinsame Ziel der vier Staaten ist es, die Vereinbarung von Minsk vom 5. September und auch die Vereinbarung von Minsk vom 19. September jetzt endlich in vollem Umfang umzusetzen. Aus unserer Sicht ist und bleibt die Frage der Waffenstillstandslinie, wie sie am 5. September in Minsk vereinbart worden ist, ein Schlüssel für alle weiteren Fortschritte in dieser Ukraine-Krise. Aber es gibt zahlreiche andere Fragen, die auch im Kreise der Diplomaten besprochen worden sind. Dazu gehört insbesondere die Frage des humanitären Zugangs in einer im Winter schwierigen Zeit, in der es darum geht, die Menschen im Donbass mit allem, was sie für ihr Leben brauchen - mit Wärme, mit Strom, mit Gas und auch mit Nahrungsmitteln -, zu versorgen und einen möglichst ungehinderten Zugang von allen Seiten zu ermöglichen. Es geht auch um andere Fragen, die wir auch in diesem Raum bereits seit Monaten diskutieren, so um Fragen der Sicherung und der Beobachtung der Grenzübertritte zwischen Russland und der Ukraine. Es geht auch um Fragen des nationalen Dialogs innerhalb der Ukraine.

All das sind schwierige Fragen, bei denen das Ziel der deutschen Politik beziehungsweise der deutschen Diplomatie darin besteht, Kompromisse zu finden, die einen Weg zu einer vollständigen Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk weisen können. Das schließt nicht aus - im Gegenteil: das macht es ab einem bestimmten Zeitpunkt auch sinnvoll -, dass das Dossier von den Beamten auf die politische Ebene gehievt wird. Wann dafür der richtige Moment gekommen sein wird, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Völlig klar ist, dass ein Treffen auf politischer Ebene und gerade ein Treffen auf höchster politischer Ebene aus deutscher Sicht nur dann Sinn hat, wenn im Zusammenhang mit diesem Treffen - im besten Fall sogar vor diesem Treffen - konkrete nachhaltige und nachprüfbare Schritte für Fortschritte bei der Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk erkennbar sind. Das ist so ungefähr der Stand der Dinge. Ich bedauere, dass ich Ihnen in der jetzigen Phase nicht mehr sagen kann, aber mehr gibt es, ehrlich gesagt, auch nicht zu sagen.

Eine Entscheidung über ein Treffen der Außenminister und der Staats- und Regierungschefs steht aus. Sie steht zurzeit, hier und heute, auch nicht an. Die Zeit wird zeigen, ob es Möglichkeiten gibt, in den Gesprächen mit Kiew und Moskau Fortschritte zu erzielen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Kontaktgruppe unter Vorsitz der OSZE in Kiew tagt und dass dort Entscheidungen - auch unter Beteiligung der Separatisten - getroffen werden, die der Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk dienen.

Frage: Herr Schäfer, gab es während der einwöchigen Gespräche irgendwelche nennenswerten Fortschritte?

Schäfer: Das ist immer schwer zu sagen, wann man mitten in einem Prozess ist. Fortschritte gibt es dann, wenn unter dem Strich das Paket geschnürt ist und diesem Paket alle Parteien zugestimmt haben. Das ist offensichtlich noch nicht der Fall. Deshalb ist es auch zu früh, jetzt darüber zu reden, ob, wie und was tatsächlich erreicht worden ist - da sind wir noch nicht -, sondern das ist ein Prozess, der zurzeit mit großem Engagement von der Bundesregierung betrieben wird, weil unser Ziel unverändert bleibt, alles dafür zu tun, Wege aus dieser nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa sehr gefährlichen und sehr ernsten Krise zu weisen. Wir werden genau da wieder ansetzen und beginnen, wo wir Ende des letzten Jahres 2014 aufgehört haben, nämlich jede Art von diplomatischer Initiative zu betreiben und zu unterstützen, die diesem Ziel dient.

Frage: Herr Schäfer, Sie haben gerade von Kompromissen gesprochen und andererseits "volle Umsetzung" gesagt. Wie passt das zusammen?

Schäfer: Die volle Umsetzung ist unser Ziel, und die Kompromisse sind der Weg zu diesem Ziel.

Zusatzfrage: Können Sie das irgendwie mit Inhalt füllen?

Schäfer: Nein. Das kann ich deshalb nicht, weil das ein Prozess ist, glaube ich, für den das Licht der Öffentlichkeit in diesem Stadium nicht wirklich förderlich ist.

Frage: Herr Streiter, Sie sagten, die Kanzlerin sei flexibel, was ihre Termine angeht. Kann man sich vorstellen, dass Sie Herrn Stoltenberg und den lettischen Präsidenten im Regen stehen lässt, die Termine mit ihnen abgesagt und doch nach Astana fliegt?

SRS Streiter: Im Moment ist das ja eine hypothetische Diskussion. Es gibt diesen Termin nicht. Herr Schäfer hat gerade sehr ausführlich dargestellt, dass es vielfältige Bemühungen gibt. Aber so ein Termin - auch das hat Herr Schäfer gesagt - macht eben nur Sinn, wenn es wirklich konkrete, greifbare Fortschritte gibt. Ich glaube, viele Leute sind bereit, für einen Frieden in der Ukraine zur Not auf eine Begegnung mit der Kanzlerin zu verzichten oder sie zu verschieben.

Frage : Nachdem die Kanzlerin und auch der Außenminister heute Herrn Nasabarjew treffen und keine Pressekonferenz vorgesehen ist, ist denn geplant, zumindest inhaltlich danach - sei es vom Kanzleramt, sei es vom Auswärtigen Amt - mitzuteilen, was mit dem potenziellen Gastgeber der noch nicht geplanten Konferenz besprochen worden ist?

SRS Streiter: Das ist aus unserer Sicht nicht geplant. Es ist ein rein informelles Gespräch.

Zusatzfrage : Außenamt?

Schäfer: Es gibt noch keine konkreten Pläne. Ich denke, das hängt auch vom Verlauf und Ergebnis der Gespräche ab.

Ihre Frage gibt mir die Gelegenheit, vielleicht nur ein paar Worte zu Kasachstan zu sagen.

Außenminister Steinmeier ist am 9. und 10. November des vergangenen Jahres, also gerade heute vor zwei Monaten, in Kasachstan gewesen und hat dort mit dem kasachischen Präsidenten, dem kasachischen Außenminister und anderen Repräsentanten der kasachischen Regierung intensiv beraten. Es wird Sie nicht wundern, wenn ich Ihnen sage, dass schon damals die Ukraine-Krise und ihre Folgen - insbesondere für die Beziehungen zwischen Europa und der Europäischen Union einerseits und Russland und dem zentralasiatischen Raum andererseits - ein wichtiger Gegenstand dieser Gespräche gewesen sind.

Es wird Sie auch nicht überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass damals die Vertreter der kasachischen Regierung über die Verhärtungen, die Spannungen und die Ernsthaftigkeit dieser Krise wirklich in Sorge gewesen sind. Herr Steinmeier ist aus den Gesprächen mit dem kasachischen Präsidenten mit der Idee zurückgekehrt, einen Dialog über handels- und wirtschaftspolitische Fragen zwischen der Europäischen Union, vertreten durch die Europäische Kommission einerseits, und der eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft andererseits zu beginnen, die ja seit Anfang Januar das Licht der Welt erblickt hat. Auch das war ein Ergebnis der Gespräche mit Präsident Nasarbajew.

Wir sind dankbar dafür, dass sich die kasachische Außenpolitik, der Präsident selber in dieser Frage und in dieser Krise engagiert. Kasachstan ist ein großes und wichtiges Land und auch ein Nachbar Russlands. Wir versprechen uns von dem Engagement der Kasachen und des kasachischen Präsidenten Beiträge und Impulse für eine beginnende Lösung und Überwindung dieser Ukraine-Krise.

Frage: Herr Streiter, ist die Bundeskanzlerin der Auffassung, dass Deutschland ein Einwanderungsgesetz braucht?

SRS Streiter: Zurzeit findet eine politische Diskussion statt. Diese politische Diskussion wird zu irgendwelchen Ergebnissen führen oder auch nicht. Die Bundeskanzlerin hält sich dabei erst einmal zurück. Das ist jetzt nicht die Ebene, auf der diskutiert wird, sondern es ist die Ebene der Politiker, der Parlamentarier.

Zusatzfrage: Das ist nicht die Ebene der Regierung? Herr de Maizière ist nicht mehr Mitglied der Regierung?

SRS Streiter: Er hatte sich zu einem anderen Gesetz geäußert.

Zusatz: Nein, er hat sich auch ablehnend zu einem Einwanderungsgesetz geäußert.

SRS Streiter: Wie gesagt, es ist eine Diskussion. Es ist nicht so, dass wir heute hier irgendetwas zu beschließen oder abzulehnen hätten.

Dimroth: Sie haben völlig recht. Der Minister hat sich im Laufe der Woche mehrfach und etwas umfangreicher zu diesem Thema geäußert, zuletzt in einem Interview mit einer großen deutschen Tageszeitung. Ich darf zitieren, was er gesagt hat: "Der Bedarf für ein Zuwanderungsrecht hat sich positiv erledigt." Er negiert also nicht das Erfordernis von Regelungen in diesem Themenbereich, sondern er verweist darauf, dass es aus seiner Sicht bereits entsprechende Regelungen umfassend und ausreichend gibt.

Das sieht im Übrigen nicht nur der Bundesinnenminister so, sondern beispielsweise auch die OECD und der zuständige Sachverständigenrat für Integration und Migration, die beide Deutschland ein Attest als einer der Staaten mit dem weltweit offensten und modernsten Zuwanderungsrecht ausgestellt haben.

Zusatzfrage: Hat der Bundesinnenminister zuvor mit Herrn Tauber geredet, der ja die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz nicht zum ersten Mal erhoben hat? Gab es Absprachen oder gab es, nachdem Herr Tauber seine Forderungen veröffentlicht hat, Gespräche zwischen den beiden über dieses Thema?

Dimroth: Es gibt regelmäßig Gespräche zwischen Herrn Tauber und dem Bundesinnenminister. Am kommenden Wochenende wird in Hamburg eine CDU-Klausur stattfinden, wo sicher auch Gelegenheit bestehen wird, das Thema noch einmal aufzugreifen. Die Position des Bundesinnenministers dazu ist jedenfalls recht deutlich.

Zusatzfrage: Also bisher keine Gespräche zu diesem Thema zwischen den beiden Herren?

Dimroth: Wie gesagt, am Wochenende wird sicher Gelegenheit bestehen, darüber auch etwas ausführlicher zu debattieren.

Frage : Zu den Vorfällen in Frankreich würde ich gerne von der Bundesregierung wissen, welche konkreten Folgerungen in Deutschland auf der Sicherheitsebene, auf der Ebene der Sicherheitsvorkehrungen gezogen werden, aber auch im Hinblick auf etwaige rechtliche Regelungen. Ist da irgendetwas ins Auge gefasst worden und irgendetwas im Gange?

Ich würde zum Zweiten gerne wissen, ob sich die Bundesregierung diese Initiative des SPD-Vorsitzenden und Vizekanzlers zu eigen macht, was eine große gemeinsame Aktion aller gesellschaftlicher Gruppen - verstanden als Demonstration, Kundgebung oder Ähnliches - angeht, um ein Signal für die Verurteilung solcher Dinge zu setzen, wie sie in Frankreich passiert sind.

SRS Streiter: Da sprechen Sie jetzt vielfältige Ebenen an. Ich will vielleicht nur einmal kurz das beantworten, was ich glaube beantworten zu können. Was den Demonstrationsaufruf von Bundesminister Gabriel betrifft: Der richtet sich ja an die Parteien, deshalb wird das jetzt auf der Ebene der Parteien besprochen. Was die Bundeskanzlerin betrifft, so hat sie in den letzten Tagen und Wochen ja mehrfach ihre überaus klare Haltung zum Zusammenleben in Deutschland deutlich öffentlich bekundet - zuletzt gestern. Wie gesagt, das wird besprochen werden auf Parteiebene, weil die Einladung sich ja auch ausdrücklich an die Parteien richtete.

Zusatzfrage: Aber ich hatte die Initiative als umfassend empfunden; ich denke, dass die Regierung auch dazugehört, wenn man letztendlich alle Gruppen, die gesellschaftlich eine Rolle spielen, anspricht.

SRS Streiter: Aber er hat ja die Parteien angeschrieben, er hat Parteien und Gruppen angeschrieben, und die werden das dann auch besprechen. Zu den anderen Dingen kann, glaube ich, der Kollege vom BMI etwas sagen.

Dimroth: Zu der Frage der ergriffenen Maßnahmen: Es gibt einen engen Schulterschluss und eine enge Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden zwischen Bund und Ländern, die standardmäßig vorbereitet und verabredet bestimmte Maßnahmen für ein Szenario, wie wir es jetzt schrecklicherweise in Paris erleben mussten, vorsieht. Auf Grundlage dieser Verabredungen werden bestimmte Maßnahmen ergriffen - in enger Absprache, in engem Schulterschluss zwischen Bund und Ländern. Ich bitte um Verständnis, dass aus taktischen Gründen zu einzelnen Maßnahmen oder zu Einzelheiten solcher Maßnahmen hier öffentlich keine Position bezogen werden kann.

Vors. Welty: Möchte das Justizministerium dazu noch etwas sagen?

Zado: Wir planen anlässlich der terroristischen Anschläge keinerlei Maßnahmen.

Zusatzfrage: Der EU-Ratspräsident Tusk hatte jetzt ins Gespräch gebracht, auf der Ebene des Austausches von Fluggastzahlen stärker voranzugehen. Was ist denn die Position der Bundesregierung zu einer solchen engeren Zusammenarbeit, wenn es darum geht, möglichen Bedrohungen zu begegnen?

Dimroth: Es gibt zu dem Thema PNR, also Passenger Name Records - Fluggastdaten -, einen entsprechenden Beschluss der EU-Innenminister und auch der EU-Regierungschefs, das weiter zu betreiben. Das EU-Parlament hat sich in jüngerer Vergangenheit jedoch entschieden, zunächst einmal den EuGH anzurufen, um ein Rechtsgutachten zu erbitten - das sieht das Europarecht so vor. Insofern ist die Position des Innenministers hierzu klar: Er sieht eine solche Regelung für erforderlich an. Den Verfahrensstand, den das EU-Parlament durch seinen Beschluss herbeigeführt hat, habe ich Ihnen gerade geschildert.

Frage: An das Justizministerium: Sieht der Minister eine Notwendigkeit, einen neuen Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung zu unternehmen? Auch dafür hat sich ja der Innenminister ausgesprochen, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Ereignisse in Paris.

Zado: Einen solchen Anlass sehen wir nicht. Ich kann dazu auch auf eine Aussage des Ministers von heute Vormittag verweisen und ihn zitieren. Er hat gesagt:

"Purer Aktionismus stoppt keine Terroristen. Wir brauchen jetzt keinen Wettlauf um neue Gesetze, sondern neben der konsequenten Anwendung des bestehenden Rechts brauchen wir noch mehr Aufklärung und Dialog mit den Muslimen in Deutschland.

Soweit das Zitat des Ministers zu dieser Debatte.

Zusatzfrage: Herr Dimroth, ist das, was Ihr Minister betreibt, purer Aktionismus?

An den Sprecher des Justizministeriums: Es gibt ja auch Stimmen aus der SPD - zum Beispiel von Herrn Jäger -, die das fordern. Fällt auch das in die Rubrik "purer Aktionismus"?

Dimroth: Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung ist ja nun wirklich nicht neu. Auch die Tatsache, dass es hierzu innerhalb der Bundesregierung unterschiedliche Auffassungen gibt, ist nicht neu. Insofern würde ich zunächst einmal scharf zurückweisen, dass jedenfalls dieser Debattenbeitrag unter die Rubrik Aktionismus einzuordnen ist. Diese Diskussion dauert seit Langem an - Sie verfolgen das mit großer Aufmerksamkeit. Die Position des Bundesinnenministers und, wie Sie richterweise erwähnt haben, im Übrigen auch seiner Landesinnenministerkollegen - heute zuletzt bestätigt durch den IMK-Vorsitzenden Jäger - ist bekannt. Es bleibt dabei, dass der Bundesinnenminister eine solche Regelung für erforderlich hält.

Noch einmal: Das ist völlig unabhängig von dem, was wir schrecklicherweise in Paris erleben mussten. Diese Positionierung ist seit Langem bekannt, und das ändert auch nichts daran, dass selbstverständlich auch hierüber zwischen den zuständigen Ministern innerhalb der Bundesregierung anhaltend ein Austausch stattfindet - sehr wohl wissend, dass derzeit die Positionen dazu konträr sind.

Frage: Herr Dimroth, Sie haben es gerade schon ein bisschen angerissen, aber ich möchte doch noch einmal nachfragen. Das Urteil des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung ist jetzt ja fast ein Jahr her. In welcher Form und Weise würde der Minister denn überhaupt eine Neuauflage einer Vorratsdatenspeicherung für möglich halten? In dem Rahmen, den dieses EuGH-Urteil gesetzt hat, ist das ja doch etwas schwieriger. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Sie irgendwann einmal wirklich umrissen hätten, welche Möglichkeiten Ihnen da überhaupt noch zur Verfügung stehen.

Dimroth: Diese Frage kann ich eigentlich nur ganz kurz und knapp beantworten: Eine solche Neuregelung würde innerhalb des bestehenden Spielraums, den die Entscheidung des EuGH belassen hat, stattfinden müssen. Wir sind der Auffassung: Es gibt die Möglichkeit, auch im Lichte dieses Urteils - das selbstverständlich zu respektieren ist - eine solche Neuregelung zu schaffen. Über die Einzelheiten und über die konkreten Inhalte müsste dann sehr intensiv nachgedacht werden. Das findet natürlich auch statt. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann als dass wir der Auffassung sind: Dieses Urteil belässt einen Gestaltungsspielraum, und den gilt es zu nutzen.

Zusatzfrage: Daran anschließend: Gibt es auch Überlegungen zu einer weiteren Harmonisierung des europäischen Waffenrechts? Das französische scheint ja doch wesentlich weniger restriktiv zu sein als zum Beispiel das deutsche, und das in einem Raum offener Grenzen.

Dimroth: Ich muss gestehen, dass ich Ihnen hier zu dieser Frage keine Antwort liefern kann; ich bin kein Kenner des europäischen Rechtsrahmens für das Waffenrecht. Ich kann diese Frage aber gerne mitnehmen, um mir entsprechende Expertise einzuholen und auf Sie zurückzukommen. Ich weiß schlicht nicht, inwieweit da eine Diskrepanz zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb Europas oder zwischen Europa und Frankreich besteht.

Frage: An das Finanzministerium: Frau Kalwey, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat einen Schuldenschnitt im Falle Griechenlands gefordert. Nachdem Syriza das ja auch seit Langem fordert: Stellen Sie sich darauf ein, dass diese Position auf den Tisch kommt, und wie stellen Sie sich dazu?

Kalwey: Wir hatten diese und ähnliche Fragen ja schon die ganze Woche, und ich Ihnen jetzt auch antworten: Wir beteiligen uns nicht an irgendwelchen Spekulationen und irgendwelchen Gedankenspielen, und wir kommentieren jetzt auch nicht jeden einzelnen Vorschlag, der auf den Tisch gebracht wird.

Zusatzfrage: Aber Sie haben doch sicherlich eine inhaltliche Positionierung zu dieser Frage?

Kalwey: Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann - mehr an dieser Stelle nicht.

Frage: Ich möchte auch noch einmal das Finanzministerium fragen: Haben Sie irgendwelche Signale aus Paris bekommen, dass sich die französische Position zur Finanztransaktionssteuer insofern geändert hat, als die Aussichten dafür, dass dieses Vorhaben jetzt doch noch auf den Weg kommt, größer geworden sind?

Kalwey: Wir haben natürlich die Aussagen von Herrn Hollande zur Kenntnis genommen. Sie kennen die Position der Bundesregierung. Der Ansatz einer breiten Bemessungsgrundlage verbunden mit einem niedrigen Steuersatz entspricht der deutschen Position; das ist so auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Zudem haben auch die elf beteiligten Staaten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit beim letzten Ecofin noch einmal bekräftigt, dass sie eine zügige Einigung anstreben. Die Gespräche werden in den nächsten Wochen sicherlich weitergeführt werden.

Zusatzfrage: Hat bei Ihnen die Zuversicht zugenommen? Ursprünglich hatte es ja geheißen, man wolle noch bis Ende des vergangenen Jahres einen ersten Schritt vereinbaren. Ich meine sogar, das war unter anderem bei einem Treffen Ihres Ministers mit Herrn Sapin im Dezember geäußert worden. Ist es jetzt realistischer geworden, dass man diesen ersten Schritt zumindest am Anfang des neuen Jahres macht?

Kalwey: Wie gesagt, wir haben das zur Kenntnis genommen. Unser Bestreben ist es jetzt, einen Konsens zu finden. Welche Möglichkeiten bestehen, muss man jetzt in den weiteren Gesprächen ausloten.

Freitag, 9. Januar 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 9. Januar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/01/2015-01-09-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2015


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