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PRESSEKONFERENZ/859: Kanzlerin Merkel und der Emir von Katar Scheich Al-Thani, 17.09.2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Mittwoch, 17. September 2014
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Emir von Katar Scheich Al-Thani



BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute der Emir von Katar, Scheich Tamim Al-Thani, zum ersten Mal in seiner neuen Funktion als Emir von Katar bei uns zu Gast ist. Wir haben ein sehr intensives, sehr konstruktives und auch sehr freundschaftlich offenes Gespräch miteinander geführt und uns über viele Fragen der bilateralen Entwicklung, aber auch der regionalen Entwicklung ausgetauscht.

Katar hat mit Deutschland sehr gute und intensive wirtschaftliche Beziehungen. Ich glaube, hier können wir noch mehr tun, aber wir gehen von einem sehr guten Ausgangspunkt aus. Es gab ja heute auch Wirtschaftsgespräche. Es ist so, dass nicht nur deutsche Unternehmen in Katar investieren, sondern dass auch Katar Investor in Deutschland ist, und alle Unternehmen, an denen Katar beteiligt ist, schätzen diese Zusammenarbeit auch. Ich habe mich gefreut, dass heute parallel auch ein Business-Forum in Berlin stattfindet, bei dem gerade auch die Fragen der wirtschaftlichen Kooperation miteinander besprochen werden können.

Wir haben über die innere Situation in Katar gesprochen, über das Programm, das sich Katar bis zum Jahr 2030 gesetzt hat, und natürlich auch über alle Fragen, die zum Beispiel im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft diskutiert werden. Ich habe sehr deutlich gemacht, dass wir uns wünschen, dass gerade in einem Land, das ja auch zu den reichen Ländern der Welt gehört, die Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter gute Bedingungen sind. Der Emir hat hier deutlich gemacht, dass die Dinge auch verändert werden, dass zum Teil auf die Kritik reagiert wurde und dass man sich natürlich auch weiterhin sehr ernsthaft mit diesen Fragen befassen wird.

Wir haben dann angesichts der Sicherheitslage in der gesamten Region darüber gesprochen, welche gemeinsamen Sichtweisen wir haben und wo es gegebenenfalls Unterschiede gibt. Wir haben über den Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" gesprochen. Hier gibt es die breite Gemeinsamkeit, dass wir diese Art von Intoleranz, Brutalität und des Kampfes gegen alle Andersdenkenden nicht akzeptieren können. Es war die gemeinsame Auffassung, dass neben Christen und Menschen anderer Religionen vor allen Dingen Muslime Leidtragende sind. Ich freue mich sehr, dass Katar auch in der Allianz ist, die jetzt von den Vereinigten Staaten von Amerika gebildet wird, um der Terrororganisation IS den Kampf anzusagen, und Deutschland ist dort ja auch aktiv engagiert.

Wir haben über die Frage des Nahost-Friedensprozesses gesprochen und hierzu durchaus auch differenzierte Sichtweisen. Aber insgesamt gibt es doch ein klares Bekenntnis dazu, dass es einer Zwei-Staaten-Lösung bedarf, dass wir einen dauerhaften Frieden brauchen, dass wir mehr als nur eine Waffenruhe brauchen und dass vor allen Dingen auch die Einigkeit der arabischen Staaten in diesem Zusammenhang aus deutscher Sicht von großer Bedeutung ist. Wir haben über die Entwicklung in Ägypten und die Kooperation mit anderen arabischen Ländern gesprochen. Deshalb glaube ich, dass dieser Austausch auch für mich sehr hilfreich war; denn die Situation ist ja so, dass die Region selbst stark bedroht ist, aber dass natürlich auch wir bedroht sind.

Wir haben darüber gesprochen, dass die Situation in Libyen ausgesprochen kompliziert ist und wir ein gemeinsames Interesse daran haben, dass Tunesien eine gute Entwicklung nimmt. Tunesien ist unter den Ländern, die Umwälzungen im Rahmen des Arabischen Frühlings erlebt haben, sicherlich ein Beispiel für ein Land, in dem vieles gelungen ist. Man bereitet sich jetzt auf Parlamentswahlen vor. Es geht vor allen Dingen darum, Tunesien zu stabilisieren und darauf zu achten, dass die Situation in Libyen nicht dazu führt, dass auch Tunesien destabilisiert wird.

Es war ein erstes Gespräch. Ich bedanke mich, weil es sehr offen und sehr konstruktiv war. Wir haben unsere strategischen Gemeinsamkeiten hier klar herausgearbeitet. Wir konnten über Themen sprechen, die auch durchaus unterschiedliche oder kritische Sichtweisen mit sich bringen. Ich habe den Eindruck, dass es eine gute Zusammenarbeit auch in der Zukunft werden kann.

Scheich Al-Thani: Herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin, zunächst einmal für den herzlichen und freundlichen Empfang. Wie Sie schon sagten, war es ein sehr freundschaftliches und sehr ertragreiches Gespräch. Wir haben über die beiderseitigen Beziehungen im Bereich der Wirtschaft und der Investitionen gesprochen. Es gibt sehr viel Positives. Aber wir hatten vor allem einen sehr offenen Austausch ohne jeden Vorbehalt. Ich glaube, auch das ist sehr positiv zu bewerten.

Wir haben über die regionale Lage in der Region gesprochen, die in Syrien, im Irak und in Libyen sehr kompliziert und schwierig geworden ist. Wir haben aber auch über die hoffnungsvollen Zeichen in Tunesien gesprochen. Das Beispiel Tunis ist ein sehr bedeutsames und eines, an dem man sich, glaube ich, auch orientieren kann. Auch Deutschland hat das verfolgt und unterstützt, und Katar hat das ebenfalls getan.

Wir haben auch über die Gefahr gesprochen, die in allen Staaten durch Extremismus besteht. Davor hat Katar insbesondere seit dem Beginn der Krise in Syrien immer gewarnt. Wenn diese Krise weitergeht und nicht gestoppt wird, dann wird das zu immer mehr Extremismus führen, und irgendwann wird das außer Kontrolle geraten. Jetzt ist die syrische Bevölkerung, die ja immer gegen das Regime und gegen Extremismus gekämpft hat, in der Situation, dass sie vor die Wahl "Tyrannei oder Terrorismus" gestellt wird. Ich glaube, dass man Terrorismus nicht nur militärisch bekämpfen kann, sondern dass man den Völkern auch ihre Freiheit und Würde zugestehen muss, die sie berechtigterweise einfordern.

Wir haben über vieles gesprochen, auch über das, was in der Presse über Katar berichtet wird. Ja, es gab in Katar Fehler und Probleme. Wir sagen nicht, dass wir der ideale Staat sind, der keine Fehler macht. Aber ich glaube, die gute Nachricht ist, dass wir vieles angepackt haben und viele Änderungen eingeleitet haben, auch in Bezug auf die Situation der ausländischen Arbeiter. Wir arbeiten ernsthaft daran, dass sich diese Situation verbessert. Entsprechende Projekte sind unterwegs und werden umgesetzt, auch im Rahmen des Entwicklungsplans 2030.

In Bezug auf den arabisch-israelischen Konflikt haben wir zum Teil unterschiedliche Haltungen, aber wir sind einer Meinung, dass wir einen gerechten Frieden und eine Zwei-Staaten-Lösung brauchen. Wir hoffen, dass wir diese Beratungen in den kommenden Tagen weiterführen können. Herzlichen Dank.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, inwieweit kann der Besuch Seiner Hoheit in Bezug auf die Wirtschaft Neues erbringen, um die Beziehungen weiter zu festigen?

BK'in Merkel: Ich hoffe, dass er durchaus Neues ergeben wird. Es wird noch Gespräche detaillierter Art mit dem Wirtschaftsminister geben, es gibt ein Business-Forum, und Katar ist ein wichtiger Investor in einigen großen deutschen Firmen. Wir haben ja seitens der Politik in Deutschland das Prinzip, dass wir jetzt nicht direkt dazu auffordern, wo investiert werden sollte, aber wir freuen uns über jedes katarische Investment. Ich glaube, dass sich über die Jahre im Energiebereich eine engere Zusammenarbeit herausbilden wird. Erste Ansätze, was LNG anbelangt, sind schon erkennbar.

Was die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anbelangt, wird Katar in den nächsten Jahren mit Sicherheit eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Deutschland hat eine Vielzahl von Angeboten im Bereich der Infrastruktur zu bieten. Hier sind unsere Firmen an vielen Aufträgen interessiert. Katar hat ja noch eine rasante Entwicklung vor sich. Ich glaube und habe auch noch einmal darauf hingewiesen, dass Deutschland insbesondere, wenn es um Umwelttechnologien, um energieeffiziente Bauweise oder um erneuerbare Energien geht - also auch um die Vorbereitung für die Zukunft nach der Zeit des Gases und des Erdöls -, ein langfristig guter Partner sein kann.

Was wir an Katar schätzen, ist, dass Katar ein strategischer Investor ist, also nicht einer, der rein- und rausgeht, sondern einer, der sich auch für die langfristige Entwicklung interessiert. Insofern sehe ich in diesem Besuch einen wichtigen Punkt. Es ist der erste Besuch des Emirs in Deutschland, und wir messen diesem Besuch auch eine wichtige Bedeutung bei.

Frage: Ich habe eine Frage an den Emir. Sie haben eben die Berichte über Ihr Land erwähnt. Dazu zählen ja auch Berichte darüber, dass Katar eine Reihe von extremistischen, islamistischen Gruppen finanziert und sie finanziell unterstützt, von Libyen bis zum IS in Syrien und im Irak. Können Sie uns sagen, ob Ihr Land künftig darauf verzichten wird, diese Gruppen finanziell zu unterstützen?

Frau Bundeskanzlerin, ich hätte ganz gerne gewusst, ob Sie Katar eigentlich in die Reihe der Staaten einfügen wollen und können, denen Deutschland bedenkenlos Waffen liefern kann.

Scheich Al-Thani: Ganz sicher wird Katar keine terroristischen und extremistischen Organisationen unterstützen, sei es in Syrien oder im Irak. Grundsätzlich gibt es auch keine Unterstützung Katars für diese Gruppierungen oder Organisationen, die als extremistisch eingestuft werden, auch aus innenpolitischen Gründen. Katar hat extremistische Gruppen nie unterstützt. Das, was im Irak und in Syrien passiert, ist Extremismus, und solche Gruppierungen werden zum Teil aus dem Ausland unterstützt. Aber Katar hat niemals terroristische Organisationen unterstützt und wird sie niemals unterstützen.

BK'in Merkel: Was Rüstungsexporte anbelangt, so hat Deutschland ganz klare Richtlinien und Grundsätze. Nach diesen Grundsätzen wägen wir ab. Es geht auf der einen Seite um deutsche Sicherheitsinteressen. Es geht auf der anderen Seite um möglichen Missbrauch. Wir haben auch über Fragen der Sicherheit Katars gesprochen, aber das ist in jedem Fall eine einzelne Abwägung.

Frage: Frau Merkel, Sie empfangen den Emir von Katar. Das ist ein sehr großer Staatsempfang. Aber wenn wir die deutsche Presse lesen, wird Katar als ein Staat dargestellt, der den Terror unterstützt. Inwiefern kann man sagen, dass das eine ungenaue Beschreibung ist, insbesondere darauf bezogen, dass Katar einer der wichtigsten Staaten ist, der in Europa und in Deutschland investiert?

BK'in Merkel: Schauen Sie, ein solcher Besuch dient ja auch dazu, dass man Fragen stellen kann, und wir haben all diese Dinge, die auch öffentlich diskutiert werden, hier sehr offen besprochen. Der Emir hat mir glaubwürdig versichert, dass der Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" genauso eine Angelegenheit der Sicherheit von Katar ist, wie er eine Angelegenheit der Sicherheit anderer Länder und auch Deutschlands ist. Katar ist in der Allianz. Aber ich habe auch all die Fragen gestellt, die bei uns diskutiert werden, und jetzt keinen Grund, den Aussagen des Emirs nicht zu glauben.

Wir haben natürlich zum Beispiel auch die Frage diskutiert, wie das Verhältnis zur Hamas ist. Ich habe deutlich gemacht, dass wir eine Zwei-Staaten-Lösung brauchen. Wir sind hinsichtlich der Bewertung nicht überall einer Meinung. Hinsichtlich des Ziels sind wir einer Meinung. Katar hat einerseits eine Funktion als jemand, der auch Gesprächskontakte in alle Richtungen sucht. Trotzdem muss man ja auch immer eine objektive Sichtweise haben. Ich fand es sehr gut, dass wir über all diese Fragen sehr offen sprechen konnten, und das ist für mich erst einmal ein sehr guter Anfang.

Wenn Sie ein Land mit einer freien Presse sind, dann werden all diese Fragen natürlich immer wieder gestellt. Besuche dienen dazu, dass man solche Fragen besprechen und Vermutungen vielleicht auch ausräumen kann. Ich glaube, dass die Tatsache, dass wir hier auch der Presse Rede und Antwort stehen, ein guter Beitrag dazu ist, dass auch manche Fehleinschätzung korrigiert werden kann.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ja einen recht dramatischen Hilfeappell aus Liberia bekommen. Die Präsidentin hat sich direkt an Sie gewandt. Es gibt jetzt schon Meldungen über ein Lazarett und Zelte, aber könnten Sie netterweise noch einmal zusammenfassen, wie, wann und vielleicht auch warum die Bundesregierung helfen will?

BK'in Merkel: Die Bundesregierung wird helfen, weil die Situation in Liberia dramatisch ist. Aus diesem Grund hat mir die liberianische Präsidentin ja auch geschrieben. Die Hilfe wird Ihnen im Detail mitgeteilt werden, aber es geht um Lufttransporte und um die Frage, ob Helfer aus dem Bereich der zivilen Organisationen, zum Beispiel Ärzte, auch wieder sicher zurücktransportiert werden können. Darum kümmert sich die Bundesregierung. Es geht auch um eine Krankenstation.

Wir werden sehr schnell agieren und mit all dem, was wir zur Verfügung haben, bereitstehen; denn die Situation ist in der Tat dramatisch. Ich glaube also, wir werden unserer Verantwortung hiermit gerecht. Nebenbei unterstützen wir natürlich die Weltgesundheitsorganisation, also auch die multilateralen Organisationen, um hierzu einen Beitrag zu leisten.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 17. September 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/09/2014-09-17-merkel-al-thani.html;jsessionid=66A8D8B25AEEA4C9448C9286A67DF547.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2014