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PRESSEKONFERENZ/851: Regierungspressekonferenz vom 3. September 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 3. September 2014
Regierungspressekonferenz vom 3. September 2014

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht bei Versicherungen, neue Hightech-Strategie der Bundesregierung), Personalie, Gesetzentwurf zum Fracking, mögliches Treffen der führenden Koalitions- und Regierungspolitiker, Ebola-Epidemie in Westafrika, Ukraine-Konflikt, Rede des Bundespräsidenten in Danzig, Konjunkturentwicklung, Aktivitäten der Terrororganisation IS, geplante Waffenlieferungen an die Peschmerga, Kooperation von europäischen Rüstungsunternehmen, Förderung von Investitionen der Privatwirtschaft, Euro-Bonds
Sprecher: StS Seibert, Teschke (BMEL), Hauck (BMEL), Stamer (BMUB), Angeli (BMG), Schäfer (AA), Toschev (BMWi), Roth (BMVg), Dimroth (BMJV)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag. Zunächst hat sich das Bundeskabinett mit einem Gesetzentwurf zur Modernisierung der Finanzaufsicht bei Versicherungen befasst und diesen Gesetzentwurf beschlossen. Damit wird eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Im Kern geht es darum, die Aufsicht über Versicherungsunternehmen zu modernisieren und sie stärker risikoorientiert auszurichten. Einzelheiten sind beispielsweise höhere Eigenmittelanforderungen an die Unternehmen, höhere Anforderungen an ihre Organisation, auch neue Pflichten zur Veröffentlichung. Außerdem sollen Versicherungsgruppen effizienter überwacht werden. Das alles dient dem Zweck, Risiken in Zukunft früher und besser als bisher zu erkennen. Wir sind davon überzeugt, dass die neuen Anforderungen dazu beitragen, dass die Ansprüche der Versicherten auf ihre vertraglichen Leistungen sicherer werden. Die neuen Anforderungen werden ab dem 1. Januar 2016 angewandt.

Das zweite große Thema der Kabinettssitzung war der Bericht der Bundesregierung über die neue Hightech-Strategie mit dem Untertitel "Innovationen für Deutschland". Die Ministerin hat Ihnen dazu schon Rede und Antwort gestanden. Ich mache es deswegen relativ kurz.

Deutschland ist ein besonders innovatives und deshalb auch wirtschaftlich so erfolgreiches Land. Das zeigt sich immer wieder an der guten vorderen Platzierung, die Deutschland in verschiedenen Innovations-Rankings einnimmt. Diese neue Hightech-Strategie "Innovationen für Deutschland" wird ihren Beitrag dazu leisten, dass Deutschlands Position als führende Wirtschafts- und Exportnation gestärkt wird. Innovative Lösungen sind der Schlüssel, um auf die drängenden Fragen unserer Zeit die richtigen Antworten zu finden. Ich nenne nur einige: die umweltgerechte Entwicklung von Städten, eine Medizin, die ganz auf den einzelnen Menschen zugeschnitten ist, und das große Überthema "Digitale Gesellschaft".

Mit dieser heute beschlossenen neuen Hightech-Strategie setzen wir also weiterhin auf die ressortübergreifende Zusammenarbeit, die Bündelung aller Kräfte. Es geht darum, eine bessere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft zu erreichen, und zwar sowohl regional als auch national und international. Es geht darum, Innovationsprogramme für den Mittelstand aufzulegen, die Fachkräftesicherung durch noch bessere Rahmenbedingungen zu stärken und über all dies, über die Frage von Innovationen und die Akzeptanz von Innovationen, immer wieder in einen engen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu treten.

Alles Weitere dazu hat, glaube ich, die Ministerin schon gesagt.

Soweit der Bericht aus dem Kabinett.

Vorsitzender Leifert: Bevor wir zu den Fragen kommen, möchte ich Herrn Teschke Gelegenheit geben, seinen neuen Kollegen vorzustellen.

Teschke: Ein neuer Kollege ist bei uns in der Pressestelle angekommen. Es ist Michael Hauck. Er wird zukünftig für das Haus sprechen. Am besten stellt er sich selber vor.

Hauck: Meine Damen und Herren, ich bin Michael Hauck, 33 Jahre alt, seit 2009 im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, seit einigen Wochen neu als Ansprechpartner auf der Pressestelle, insbesondere für die Bereiche Landwirtschaft, Agrarmärkte und internationale Zusammenarbeit.

Ich freue mich auf die neue Aufgabe und die Zusammenarbeit mit Ihnen. - Herzlichen Dank.

Frage: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium: Können Sie schon sagen, wann der Gesetzentwurf zum Fracking vorliegt? Morgen wird ja ein Gutachten der Akademie der Technikwissenschaften vorgestellt werden.

Stamer: Sie wissen, dass sich der Gesetzentwurf von BMUB und BMWi in der Ressortabstimmung befindet. Der Zeitplan sieht so aus, dass er nach der Sommerpause im Kabinett beschlossen werden soll. Einen genauen Kabinettstermin kann ich Ihnen heute noch nicht nennen.

Frage: Herr Seibert, wollen Sie ein Treffen der führenden Koalitions- und Regierungspolitiker in der nächsten Woche in Berlin bestätigen?

StS Seibert: Ich bin nicht in der Lage, das zu bestätigen. So wie Sie fragen, klingt mir das wie etwas, wonach Sie vielleicht in den Parteien fragen sollten.

Zusatzfrage: Vielleicht habe ich die Frage falsch gestellt. Findet in der kommenden Woche ein solches Treffen statt, möglicherweise am 11. September?

StS Seibert: Ich kann Ihnen das jetzt nicht bestätigen. Dies ist auf Koalitionsspitzenebene üblicherweise eine Angelegenheit der Parteien. Ich kann es heute nicht sagen.

Frage: Ich habe eine Frage zur Ebola-Krise in Westafrika. Die Weltgesundheitsorganisation und auch die Gesellschaft "Ärzte ohne Grenzen" haben sich heute Morgen dazu geäußert. Ich möchte wissen, wie sich die Bundesregierung zu dieser Krise verhält. Mich würde die Einschätzung des Gesundheitsministeriums, des Außenministeriums und des Entwicklungshilfeministeriums hierzu interessieren.

Angeli: Der Ebola-Ausbruch in Westafrika stellt natürlich auch die internationale Gemeinschaft vor Herausforderungen. Deswegen hat die WHO ja auch eine Roadmap entwickelt. Es gilt jetzt, diese Roadmap zügig umzusetzen. Dazu gehören zum einen finanzielle Unterstützungen, zum anderen gehört Unterstützung durch Personal vor Ort dazu.

Die Hilfen der Bundesregierung, also die deutschen Hilfen, werden in Deutschland vom Auswärtigen Amt koordiniert, das sicherlich gleich etwas dazu sagen kann. Dort laufen auch die finanziellen Unterstützungen. Im Geschäftsbereich des BMG liegt die Unterstützung durch Experten, die in regelmäßigen Abständen, im Vier-Wochen-Rhythmus, entsandt werden und vor Ort Unterstützung leisten, die bei der WHO angesiedelt und dort beratend tätig sind. Das sind Experten, die über das Robert-Koch-Institut und das Bernhard-Nocht-Institut dorthin entsandt werden, um Hilfe zu leisten. Natürlich prüfen wir stetig auch in unserem Geschäftsbereich weitere Unterstützungsmöglichkeiten, damit dieser Ausbruch schnellstmöglich eingedämmt werden kann.

Zusatzfrage: Die Vereinten Nationen haben heute Morgen auch gesagt, dass international von Regierungsseite zu wenig geschehe, und damit explizit die Mitgliedstaaten gemeint und die Sorge formuliert, dass dieser Krankheitsausbruch mittelfristig auch die entwickelte Welt, also auch Europa, betreffen könnte. Teilen Sie diese Einschätzung, und ändert dies etwas an der jetzigen Situation? Kommt die Bundesregierung oder auch das Gesundheitsministerium also zu dem Schluss, dass die Anstrengungen von deutscher Seite verstärkt werden müssen, um diese Krise in den Griff zu bekommen?

Angeli: Wir prüfen, wie gesagt, in allen drei Häusern stetig, wie wir die Unterstützungsmöglichkeiten ausbauen können.

Was Ihre Frage angeht, ob Ebola auch in Deutschland eine Gefahr ist: Das Risiko, dass Ebola nach Deutschland kommt, ist zumindest bei ungeplanten Einreisen als relativ gering einzuschätzen, weil, was den Krankheitsverlauf angeht, diese Krankheit so schnell ausbricht, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass jemand transportiert wird, ohne dass man erkennt, dass er erkrankt ist. Wenn das der Fall wäre, könnte dies durch ein sehr gutes Netz an Behandlungszentren aufgefangen werden, die gut vorbereitet und auf den Umgang mit Risikokrankheiten, also Infektionskrankheiten wie Ebola, spezialisiert sind. Sie wissen, dass Hamburg einen Patienten, einen Helfer, der im Krisengebiet in Westafrika tätig war, aufgenommen hat, um die beste medizinische Unterstützung sicherzustellen. Das geschieht dann unter allen gebotenen Sicherheitsmaßnahmen.

Die Gefahr einer ungeplanten Einreise ist also relativ gering. Deutschland ist durch das Gesundheitssystem und durch das Netz der Behandlungszentren sehr gut vorbereitet.

Schäfer: Das Ebola-Virus ist ja bereits seit Jahrzehnten bekannt und hat auch schon hier und da Opfer gefordert. Der jüngste Ausbruch des Ebola-Virus in Westafrika ist aus Sicht der Bundesregierung eine schreckliche Entwicklung, die wir natürlich ernst nehmen. Die Zahl der Infektionen steigt. Nicht nur die von Ihnen angesprochenen Institutionen schlagen Alarm. Selbstverständlich haben die öffentlichen Institutionen wie die WHO schon eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, die dem Ziel dienen, die Krankheit angemessen zu bekämpfen und den erkrankten Opfern Hilfe zukommen zu lassen.

Uns hier in Berlin ist bewusst, dass das eine große Herausforderung ist, sowohl für diese Institutionen privater oder öffentlicher Natur, die sich darum kümmern, als auch für die betroffenen Länder in Westafrika, die auch aus anderen Gründen große Entwicklungsherausforderungen vor sich haben. Deshalb ist es selbstverständlich, dass wir uns der Sache annehmen, und deshalb hat auch die Bundesregierung bereits in den letzten Wochen einigen deutschen und internationalen Hilfsorganisationen Mittel zukommen lassen, die genau dem Ziel dienen, die gemeinsamen Anstrengungen zur Eindämmung dieser Epidemie zu unterstützen.

Da Sie gerade fragen und da die Kollegin aus dem Gesundheitsministerium bereits etwas zu einer möglichen Infektionsgefahr in Deutschland gesagt hat, will ich noch ergänzen, dass wir natürlich auch auf dem Schirm haben - im Übrigen wurde das schon in diesem Kreis angesprochen -, dass die Gefahr besteht, dass sich deutsche Staatsangehörige in den betroffenen Ländern unmittelbar infizieren. Diesen deutschen Staatsangehörigen sind wir natürlich besonders verpflichtet. Der Krisenstab im Auswärtigen Amt nimmt sich der Sache an, schaut regelmäßig, wie die Lage ist, und trifft dann im Lichte dieser aktuellen Lage auch Entscheidungen. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass wir schon vor einigen Wochen, nämlich am 13. August, hier in diesem Kreis darüber gesprochen haben, dass das Auswärtige Amt bereits damals im Lichte einer sich beschleunigenden Ausbreitung der Krankheit in drei besonders betroffenen Ländern, nämlich in Guinea, in Sierra Leone und in Liberia, die Entscheidung getroffen hatte, alle deutschen Staatsangehörigen, die in diesen Ländern tätig sind, zur Ausreise aufzufordern. Diese Ausreiseaufforderung gilt weiterhin. Sie betrifft allerdings nicht das medizinische Hilfspersonal aus Deutschland, das sich unter anderem auf der Grundlage der Hilfsleistungen, die die Bundesregierung leistet, dort unten im Einsatz befindet.

Frage: Ich habe eine Frage zum Ukraine-Konflikt. Herr Seibert, Estland hat nun gefordert, dass die Nato-Russland-Grundakte aufgemacht werden müsste. Diese sieht bekanntlich die Beschränkung von Nato-Truppen in osteuropäischen Ländern der Allianz vor. Wie ist die Position der Bundesregierung? Sollte diese Akte unangetastet bleiben, oder wird die Bundesregierung eher der Linie von Obama folgen, der sagt, auf dem Nato-Gipfel solle hierüber gesprochen werden?

StS Seibert: Wir haben das hier ja schon mehrfach besprochen. Die Bundeskanzlerin hat sich dazu auch geäußert. Die Bundesregierung steht zur Nato-Russland-Grundakte, trotz mancher Enttäuschung über die russische Politik in den letzten Tagen und Wochen, und wir sind auch davon überzeugt, dass das, was die Nato jetzt auf dem Gipfel in Großbritannien miteinander beraten wird, also alles, was der Philosophie einer noch schnelleren Reaktionsfähigkeit entspricht, innerhalb der Beschränkungen der Nato-Russland Grundakte umsetzbar ist.

Frage: Ich habe auch eine Frage zum Ukraine-Konflikt. Herr Seibert, wie bewertet denn die Bundesregierung die Meldungen von heute Vormittag, in denen es erst aus Kiew hieß, es bestehe eine Waffenruhe, was später vom Kreml dementiert wurde?

StS Seibert: Es ist schwer, etwas zu bewerten, wozu man noch nichts Genaues weiß. Die Bundesregierung würde es natürlich begrüßen, wenn die Präsidenten Poroschenko und Putin zu einer Vereinbarung kommen könnten, die den Weg zum Waffenstillstand ebnet. Unser Ziel ist es seit Langem, dass ein solcher beidseitiger Waffenstillstand zustande kommt. Aber es gibt noch keine offizielle Bestätigung über ein solches Übereinkommen. Man weiß noch nicht, was konkrete Schritte zu seiner Umsetzung wären. Deswegen möchte ich hier nicht mehr dazu sagen.

Frage: Herr Seibert, gehört für die Bundesregierung ein möglicher Boykott der Fußball-WM in Russland zu den diskussionswürdigen Sanktionsmechanismen auf EU-Ebene?

StS Seibert: Der letzte Europäische Rat am vergangenen Samstag hat beschlossen, dass die Europäische Kommission Vorschläge zu weiteren Sanktionen auf den Gebieten, auf denen bereits Sanktionen verhängt worden sind, machen soll. Wir schreiben 2014. Die Fußballweltmeisterschaft findet 2018 statt. Deswegen ist das, glaube ich, nicht etwas, was wir heute schon hier diskutieren müssen. Aber der Weg der Sanktionen war leider bisher notwendig, und es war auch angesichts der Eskalation im Osten der Ukraine notwendig, den Beschluss vom Samstag zu fassen.

Frage: Ist das Thema eines WM-Boykotts nach Kenntnis der Bundesregierung auf EU-Ebene schon diskutiert worden, oder hat man sich das für die Zeit einer anhaltenden Krise vorbehalten?

StS Seibert: Vielleicht kann das Auswärtige Amt antworten.

Schäfer: Nach den Beschlüssen des Europäischen Rats vom letzten Samstag sind jetzt die EU-Diplomaten und die Mitgliedstaaten im Ausschuss der ständigen Vertreter, also der EU-Botschafter, am Zug, miteinander zu besprechen, welche Maßnahmen bei der nächsten Runde ins Werk gesetzt werden sollen. Mir ist aber nicht bekannt, dass es um diese Art von Maßnahmen ginge. Vielmehr bleibt es bei dem, was bereits bei der ersten Stufe der Wirtschaftssanktionen beschlossen und dann auch umgesetzt worden ist, dass es nämlich vier Bereiche gibt, in denen Sanktionen denkbar sind. Dazu gehören die internationalen Finanztransaktionen unter Beteiligung Russlands, dazu gehört das gesamte Thema von Rüstungsexporten in die Russische Föderation, dazu gehört das Thema Dual-Use-Güter, also Güter, die man sowohl militärisch wie auch zivil einsetzen kann, und dazu gehört schließlich der Bereich der Hochtechnologie, etwa zur Förderung von Rohstoffressourcen in der Russischen Föderation.

Ich denke, dass das jetzt so angelegt ist, dass es in diesen vier Bereichen zu gemeinsamen Überlegungen und dann auch zu Beschlüssen darüber kommt, was tatsächlich als Folge des Verhaltens Russlands von der Europäischen Union entschieden wird. Bei diesen vier Punkten fällt mir jetzt keiner ein, der unmittelbar im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft stünde.

Im Übrigen haben wir eine so ernsthafte Lage vor Ort, dass wir jetzt wirklich aufpassen müssen, dass nicht die militärische Dynamik über die Politik die Oberhand gewinnt. Deshalb hat soeben der Außenminister noch einmal ausdrücklich die beiden Präsidenten, den Präsidenten der Ukraine, aber allen voran auch den Präsidenten Russlands, aufgefordert, ihrer Verantwortung nicht nur für ihre Länder, sondern auch ihrer Verantwortung für Europa gerecht zu werden. Wir alle leiden ungemein unter dem, was sich dort im Osten der Ukraine abspielt, und es ist jetzt wirklich an der Zeit, dass die beiden zusammenkommen und dass Entscheidungen getroffen werden, die in Richtung einer Waffenruhe und einer wirksamen Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze führen. Wenn man dem Militärischen seinen Lauf ließe, dann wären letztlich die Folgen für beide Länder, insbesondere für die Ukraine, aber auch für uns unabsehbar.

Frage: Herr Seibert, können Sie bestätigen, dass die Lieferung von Schutzwesten und Helmen in die Ukraine genehmigt worden ist?

StS Seibert: Nach meinem Wissen liegen mehrere Ausfuhranträge für Schutzausrüstung für die ukrainischen Streitkräfte vor. Die Prüfung ist durch die Ressorts vorgenommen und mit positivem Ergebnis abgeschlossen worden. Ich schlage vor, dass sich eher die beiden Ressorts dazu äußern, wie das dann mit diesen Lieferungen weitergeht. Es ist auch die Bitte um Lieferung von Lazaretten an die Bundesregierung herangetragen worden. Dazu laufen Gespräche mit der ukrainischen Seite.

Vorsitzender Leifert: Möchten die angesprochenen Ressorts das noch ergänzen?

Toschev: Von unserer Seite gibt es in exportkontrollrechtlicher Hinsicht keine Ergänzung dazu. Die Genehmigungen sind entweder erteilt, werden gerade erteilt oder sind in der Umsetzung. Daran liegt es nicht.

Roth: Ich kann für das Verteidigungsministerium sagen, dass wir in Bezug auf das Material, worum es bei uns geht - das ist in erster Linie Sanitätsmaterial -, prüfen, was wir bereitstellen können, und dass wir die Ergebnisse dann zusammentragen.

StS Seibert: Ich möchte die Gelegenheit gerne nehmen, um vielleicht einmal zusammenfassend kurz zu sagen, auf wie vielfältige Weise die Bundesregierung, Deutschland der Ukraine in dieser Krise hilft. Die Bundesregierung hat durch das Auswärtige Amt, das BMZ und andere Ressorts humanitäre Hilfe und weitere Maßnahmen beschlossen. Ich nenne ein paar Beispiele: 25 Millionen Euro für winterfeste Quartiere für Menschen, die derzeit innerhalb der Ukraine vertrieben sind, weil sie nicht in ihrer Heimat, in ihrem Heimatdorf leben können. Das BMZ hat für 2014 ohnehin bereits 45,5 Millionen Euro Unterstützung für die Ukraine veranschlagt. Das Auswärtige Amt leistet Unterstützung im Wert von 6 Millionen Euro. Es ist eine Kreditgarantie über 500 Millionen Euro geplant, die vor allem dem Wiederaufbau im Osten der Ukraine zugutekommen soll. Sie soll private Investitionen in die Infrastruktur, Elektrizität, Schulen und Wasserversorgungssysteme ermöglichen. Dies hatte die Bundeskanzlerin bei ihrer Reise nach Kiew angekündigt. Seit gestern, dem 2. September, führt das Bundesverteidigungsministerium auch die strategischen Verwundetentransporte nach Deutschland zur Behandlung - gestern waren es verletzte ukrainische Soldaten - durch. Nur damit Sie das einmal im Block gehört haben.

Frage: Bei der geplanten Lieferung von Lazaretten geht es wahrscheinlich um die Lieferung aus Bundeswehrbeständen. Ist das richtig?

Roth: Wir prüfen das, was wir an Material verfügbar haben. Das stellen wir dann in Absprache mit den anderen Ressorts zur Verfügung.

Zusatzfrage: Würde, wenn Lazarette von der Bundeswehr geliefert würden, das bedeuten, dass eventuell auch Personal für die Betreibung dieser Lazarette geschickt würde?

Roth: Wir sind in der Prüfungsphase. Es geht jetzt um die Prüfung, welches Material dort zur Verfügung gestellt werden kann.

Zusatzfrage: Aber Personal ist nicht vorgesehen?

Roth: Von Personal ist keine Rede, es geht um Material.

Frage: Es gibt auch die Diskussion, dass Nato-Staaten Waffen an die Ukraine liefern. Deutschland hat das ja ausgeschlossen. Wie sehen Sie das für andere Staaten?

StS Seibert: Wir sind die Sprecher der Bundesregierung und der verschiedenen Ressorts der Bundesregierung und können deswegen nur für die Bundesregierung sprechen. Wie Sie schon sagen: Waffenlieferungen sind für Deutschland nicht angezeigt; denn es kann nach unserer Meinung - das ist in vielen Äußerungen der Kanzlerin und des Außenministers bestätigt worden - keine militärische Lösung dieses Konfliktes geben. Wir wollen deswegen auch nicht durch Waffenlieferungen den Anschein erwecken, als könne es eine militärische Lösung geben. Es braucht eine politische, diplomatische Lösung. Dafür und für die humanitäre Hilfe, die ich Ihnen gerade beschrieben habe, setzen wir unsere Kraft ein. Für andere Länder kann ich nicht sprechen.

Zusatzfrage: Habe ich das richtig verstanden, dass die Berichte über eine mögliche Waffenruhe keine Auswirkungen auf die Gespräche über Sanktionen haben, also dass man sich jetzt eher abwartend verhält?

StS Seibert: Zunächst haben wir noch keine wirkliche Bestätigung, was da möglicherweise verabredet worden ist, was das betrifft, und wie das konkret umgesetzt würde. Deswegen bleibt es bei dem Zeitplan, wie ihn der Europäische Rat am Samstag beschlossen hat. Heute kommen Vorschläge der Kommission zu weiteren Sanktionen. Es gibt weitere Beratungen im AStV. Wie immer beobachtet natürlich die Bundesregierung, wie auch die EU, die aktuellen Entwicklungen.

Schäfer: Die Sanktionen sind ja kein Selbstzweck, sondern sie dienen dem Ziel, Druck auf diejenigen auszuüben, von denen wir glauben, dass sie für die jüngsten Eskalationen verantwortlich sind. Wenn dieser Druck oder die Ankündigung von zusätzlichem Druck Erfolg in dem Sinne zeitigen würde, dass das, weshalb wir über zusätzliche Maßnahmen sprechen, wegfallen würde - ich spreche bewusst im Konjunktiv; wir wissen nicht, ob das der Fall ist -, dann - so war die Politik der Europäischen Union immer angelegt - kann man die ganze Geschichte natürlich auch sehr schnell rückbauen.

Zusatzfrage: Wäre es im Rahmen der Überlegungen über Sanktionen jetzt eventuell an der Zeit, auch geplante Rüstungsgeschäfte zu stoppen, zum Beispiel was die Hubschrauberträger aus Frankreich betrifft?

StS Seibert: Die bisherigen Beschlüsse betreffen nur neue Rüstungsgeschäfte, die den Sanktionen unterliegen. Inwieweit die Kommission jetzt weitere Vorschläge macht, das würde ich von hier aus ungerne vorhersagen.

Frage: Ich habe eine Wissensfrage, wahrscheinlich an das Wirtschaftsministerium oder an Herrn Seibert; ich weiß es nicht genau. Handelt es sich bei der Lieferung von Schutzwesten um ein ganz normales Exportgeschäft, bei dem die ukrainische Regierung dann einem deutschen Unternehmen etwas zahlt, oder ist das Geschäft von der Bundesregierung sozusagen bezuschusst?

Toschev: Ich würde das Verteidigungsministerium bitten, die Fragen, die die Herkunft der Westen angehen, zu beantworten. Von der exportkontrollrechtlichen Seite her ist es so - ich glaube, das hatten wir hier schon mehrfach -, und zwar egal, ob es sich um Bestände staatlicherseits oder um Exporte handelt: Unternehmensseitig greifen die exportkontrollrechtlichen Vorschriften und Prüfungen, und damit greift dann auch das Prozedere der Genehmigungserteilung für sonstige Rüstungsgüter in dem Fall.

Roth: Die Ausfuhr von Schutzwesten unterliegt dem Rüstungsexport und ist damit nicht in der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums.

Vorsitzender Leifert: Jetzt haben wir das hin und her gespielt. Und wer bezahlt das?

Toschev: Bezieht sich Ihre Frage auf die Herkunft der Westen, woher diese stammen, oder bezieht sie sich auf das Genehmigungserfordernis?

Zusatz: Nein, das bezieht sich auf die Bezahlung.

Toschev: Die Bezahlung ist keine exportkontrollrechtliche Frage.

Vorsitzender Leifert: Wem gehören die Westen?

Zusatzfrage: Aber die werden doch von einem Unternehmen produziert. Das Unternehmen will doch bestimmt Geld dafür haben. Meine Frage ist einfach: Von wem bekommt das Unternehmen das Geld?

Toschev: Sofern es sich um eine vertragliche Beziehung zwischen einem Lieferunternehmen und einem Abnehmer handelt, gehe ich davon aus, dass der Abnehmer das bezahlt, ganz im üblichen Rahmen.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Herrn Seibert: Erstens. Hat die Kanzlerin in der letzten Zeit, also in den letzten Stunden oder Tagen, mit Herrn Putin oder Herrn Poroschenko telefoniert?

Die zweite Frage: Anfang Oktober plant Mecklenburg-Vorpommern einen Russland-Tag. Ist es angesichts der jetzigen Lage richtig und gut, ein solches Zeichen zu setzen und mit der russischen Wirtschaft einen solchen Tag zu veranstalten?

StS Seibert: Es ist, wie es immer ist: Wenn es Telefonate der Kanzlerin mit Herrn Putin oder Herrn Poroschenko gibt, über die ich Ihnen etwas mitzuteilen habe, über die ich Sie zu informieren habe, dann tue ich das auch. Das müssten Sie leider abwarten.

Zu der anderen Frage: Es ist die Sache der Veranstalter dieses Russland-Tages, die Entwicklung genau zu betrachten und sich genau zu überlegen, wie sie mit der eskalierten Situation in der Ostukraine umgehen und welche Schlüsse sie daraus für die Veranstaltung planen, die sie vorhaben.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert beziehungsweise an Herrn Schäfer - ich weiß, das ist schon diskutiert worden, aber mir ist es noch immer nicht klar -: Meint die Bundesregierung, dass die Tatsache, dass russische Truppen in der Ostukraine einmarschiert sind, eine sogenannte Invasion ist, oder ist das keine?

StS Seibert: Es bleibt dabei, dass wir uns hier nicht an Definitionsübungen beteiligen. Ich glaube auch nicht, dass uns das weiterbringt. Es ist erkennbar geworden, wie groß der russische Einfluss ist. Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung gesagt, Russland versuche durch die Androhung von Gewalt oder sogar durch den Einsatz von Gewalt bestehende Grenzen zu verschieben. Ich glaube, dass das die Situation beschreibt. Weitere Definitionen möchte ich jetzt hier nicht treffen.

Frage: Ich habe noch eine Frage an Herrn Roth zu den geplanten Lieferungen von Hilfsgütern. Wie lange wird denn die Prüfung noch dauern? Die Ereignisse in der Ukraine sind jetzt akut.

Roth: Wir haben Anfragen vorliegen. Die Prüfungen laufen. Sie werden zeitnah abgeschlossen werden.

Zusatzfrage: "Zeitnah" ist ein sehr vager Begriff. Können Sie das präzisieren?

Roth: Ich werde mich hier nicht auf ein Datum festlegen. Die Prüfungen laufen. Ich bleibe bei "zeitnah".

Zusatzfrage: Tage, Wochen?

Roth: Zeitnah.

Frage: Herr Seibert, habe ich das richtig verstanden, dass sich die Hilfsleistung Deutschlands mit Blick auf die Lieferung von Schutzausrüstung für die Ukraine auf die Erteilung einer zeitnah zu erteilenden Ausfuhrgenehmigung beschränkt? Alles andere wird von ukrainischen Bestellern bezahlt und von deutschen Produzenten kassiert?

StS Seibert: Ich denke, darüber informieren wir am besten, wenn die Lieferungen stattgefunden haben. Noch ist das nicht der Fall. Im Übrigen habe ich auch von dem Interesse an Lazaretten berichtet und erwähnt, dass auch darüber Gespräche laufen.

Zusatzfrage: Das heißt, die Bundesregierung schließt nicht aus, dass sie ihre Hilfsleistung für die Ukraine insofern ergänzen könnte, als sie beispielsweise das eine oder andere Lazarett oder die eine oder andere Schutzweste selbst finanziert?

Schäfer: Im humanitären Bereich sind wir seit Monaten in und mit der Ukraine engagiert. Auch die vielen, zum Teil schlimm verletzten Opfer der Auseinandersetzungen auf dem Maidan in der Zeit vom Februar 2014 sind von uns behandelt worden, jedenfalls ein Teil von ihnen. Die Bundeswehr macht das jetzt weiter.

Den in Ihrer Frage ein bisschen unterschwellig durchklingende Vorwurf, wir würden uns nicht genügend um diesen Teil der Probleme und Schwierigkeiten und um das Leid in der Ukraine kümmern, würde ich jetzt für die Bundesregierung guten Gewissens zurückweisen können. Denn schon sehr früh und sehr viel früher als viele andere sind wir uns der Dimension der Schwierigkeiten der Ukraine bewusst gewesen und haben da auch gehandelt.

Zusatzfrage: Ich wollte gar keinen Vorwurf erheben. Ich wollte nur wissen, ob die Bundesregierung mit Blick auf bestellte Hilfsleistungen in Form von Lazaretten und Schutzausrüstungen gedenkt, sich finanziell daran zu beteiligen, oder ob sie nur als Genehmigungserteiler in diesem konkreten Fall auftritt. Gibt es darauf eine Antwort, die man mit Ja oder Nein aufschreiben kann?

Roth: Ich kann Ihnen sagen, dass es sich bei den Wünschen der ukrainischen Regierung nicht nur um Material aus Bundeswehrbeständen handelt. Wir prüfen für unseren Bereich, nämlich für Sanitätsmaterial - das ist in erster Linie das, was an uns herangetragen wird -, was wir aus unseren Beständen zur Verfügung stellen können.

Zusatzfrage: Das heißt, das Wirtschaftsministerium prüft Ausfuhrgenehmigungen, und Sie prüfen, was Sie abgeben können, und das würde dann quasi als Hilfsspende an die ukrainische Regierung gehen? Habe ich das jetzt richtig verstanden?

Roth: Ich glaube, jetzt ist der Knoten geplatzt.

Frage: Wie ist die Liste der Güter, die geliefert werden sollen, die Sie jetzt zeitnah prüfen, zustande gekommen? Sind das Anforderungen von der ukrainischen Seite, oder sind das Angebote der verschiedenen Arten von Hilfslieferungen von der deutschen Seite?

Schäfer: In der letzten Zeit gibt es in der Tat Kommunikation mit den Ukrainern, die bestimmte Wünsche übermittelt haben, was diese Art von humanitären Leistungen angeht.

Zusatzfrage: Also nur Wünsche oder Anforderungen, wie auch immer man es formulieren will, von ukrainischer Seite, nicht zusätzliche Angebote von deutscher Seite: "Auch das könnten wir euch noch zur Verfügung stellen"?

Schäfer: Wie das auf Arbeitsebene genau gelaufen ist, kann ich nicht sagen. Aber grundsätzlich macht es doch Sinn, etwas zu prüfen - so wie Herr Roth das für das Verteidigungsministerium dargestellt hat -, wofür es einen konkreten Bedarf gibt, der auch konkret nachgefragt wird.

Frage: Herr Roth, bei mir ist der Knoten noch nicht geplatzt. Die Lieferung von Lazaretten würde, wenn ich das richtig verstehe, in Form einer Länderabgabe erfolgen. Das heißt, aus Bundeswehrbeständen wird an befreundete Streitkräfte etwas abgegeben. Die Schutzwesten, von denen die Rede war, werden aber doch offensichtlich neu beschafft und stammen nicht aus Ihren Beständen, wofür es eine Ausfuhrgenehmigung braucht, oder? Oder habe ich da jetzt etwas falsch verstanden?

Roth: In Deutschland hat nicht nur die Bundeswehr Lazarette - es gibt auch andere Möglichkeiten -, sondern es gibt quasi auch eine gewerbliche Beschaffung von Lazaretten. Insofern kann ich nur sagen: Wir prüfen das, was in Bezug auf Material an uns herangetragen worden ist. Das ist in erster Linie Sanitätsmaterial. Wir prüfen, was wir dort zur Verfügung stellen können.

Zusatzfrage: Und die Schutzwesten?

Roth: Von Schutzwesten ist mir nichts bekannt.

Zusatzfrage: Bin ich jetzt der Einzige, der "Schutzwesten" gehört hat?

Roth: Wir haben doch eben gesagt, dass es verschiedenste Anfragen gibt. Wir als Bundeswehr sind nach Material gefragt worden. Da ist mir von Schutzwesten nichts bekannt.

Zusatzfrage: Geht es jetzt darum, eine Länderabgabe zu prüfen, oder geht es jetzt darum, einen Rüstungsexport zu genehmigen? Das ist mir jetzt noch immer nicht klar, Herr Staatssekretär.

StS Seibert: Noch gibt es diese Lieferungen nicht. Ich schlage vor, wir berichten über sie, wenn klar ist, was geliefert wird. Aber an dem Punkt sind wir noch nicht. Es gibt Anfragen an die Bundeswehr. Das hat der Kollege deutlich klargemacht. So etwas wäre eine Länderabgabe. Es gibt Anfragen auf Export. Das wäre ein anderer Fall. Jetzt sind wir in einem Bereich, in dem wir Ihnen noch nicht sagen können, wie es am Ende genau aussieht. Möglicherweise können wir das zeitnah tun.

Zusatzfrage: Noch einmal zum Verständnis: Bei den Anfragen handelt es sich um Anfragen einer deutschen Schutzwestenproduktionsgesellschaft, die sagt: "Wir würden gerne in die Ukraine exportieren". Prüfen Sie jetzt eine Genehmigung, oder ist das eine Anfrage an die Bundesregierung, und Sie stellen die Verbindung her? Da stellt sich doch wieder die Frage: Wer bezahlt? Die Frage ist doch nicht so kompliziert, sondern Ihre Antworten sind nicht klar.

Vorsitzender Leifert: Ich meine mich auch zu erinnern, dass Herr Toschev vorhin gesagt hat, der Antrag sei genehmigt. Von irgendwem muss der ja gekommen sein.

Toschev: Ich kann zur exportkontrollrechtlichen Seite nur noch einmal ausführen: Sie dürfen sich das jetzt nicht so vorstellen, als ob das völlig unabhängige, nebeneinander nicht konsistente Vorgänge sind. Wenn es sich um Material handelt, das in die Ukraine exportiert werden soll, egal aus welcher Quelle, dann handelt es sich, unter Abstimmung der verschiedenen Ressorts, um ein gemeinsames Bestreben, die Güter, die im Einzelnen festzulegen sind, zu ermitteln und dann die Ausfuhr zu ermöglichen. Soweit dafür, egal ob für eine Länderabgabe - das spielt exportkontrollrechtlich keine Rolle - oder beim Bezug, also Export, durch ein Unternehmen eine Genehmigung erforderlich ist, so wird das dann an das Bundeswirtschaftsministerium oder an das BAFA herangetragen und auch beschieden. Mein Kenntnisstand ist - das habe ich vorhin gesagt -, dass das entweder schon erfolgt ist oder kurz bevorsteht, dass es also nicht an der exportkontrollrechtlichen Seite liegt, sondern dass die Kollegen mit Hochdruck daran arbeiten. Dazu kann ich aber im Moment keine Aussage treffen. Denn es ist nicht unsere Zuständigkeit, ob diese Materialien unentgeltlich oder, sofern das überhaupt der Fall ist, entgeltlich durch ein Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Das wird dann sicherlich im Rahmen der Gesamtinformation dazu mitgeteilt, was in die Ukraine geliefert werden soll.

Frage: Herr Seibert, wie schätzen Sie aktuell die Gefahr ein, die die baltischen Staaten und Polen sehen, dass es auch mit ihren russischen Minderheiten zu Konflikten kommen könnte? Daran angeknüpft: Wie schätzen Sie aktuell die Gefahr ein, dass es dann zu einer militärischen oder kriegerischen Auseinandersetzung mit der Nato kommen könnte? Denn die Kanzlerin hat am Montag noch einmal sehr deutlich betont, dass Artikel 5, Bündnisfall, gilt.

StS Seibert: Die Worte der Kanzlerin in der Regierungserklärung stehen für sich. Ich möchte hier jetzt keine Einschätzungen zu hypothetischen, möglicherweise kommenden oder nicht kommenden Ereignissen geben. Ich kann sagen, dass es, als die Bundeskanzlerin in Lettland war und Gespräche mit der dortigen Regierung führte, sehr spürbar war, wie groß die Sorgen sind, die sich die Menschen im Baltikum machen aufgrund der Ereignisse in der Ostukraine und aufgrund von Manövern, die in ihrer unmittelbaren Grenzumgebung auf russischer Seite stattfinden. Das war sehr spürbar und hat sich wohl auch in den Äußerungen in der Pressekonferenz mit der lettischen Ministerpräsidentin Straujuma niedergeschlagen.

Das ist das, was ich sagen kann. Beim Nato-Gipfel wird das natürlich eine Rolle spielen; die baltischen Staaten werden das thematisieren. Das, was die Nato sich vornimmt und was in Newport auch besprochen werden soll - also die noch schnellere Reaktionsfähigkeit, der sogenannte "Readiness Action Plan" -, hat ja damit zu tun, dass es die Bemühung des Bündnisses ist, denjenigen seiner Mitglieder, die sich jetzt aus aktuellen Anlässen solche Sorgen machen, auch eine gewisse Versicherung zu geben.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir hier im Anschluss an diese Pressekonferenz ausführlich zum Nato-Gipfel briefen werden. Darauf würde ich die Detailfragen gerne verlegen.

Zusatz: Das ist dann aber "unter zwei".

StS Seibert: So ist das - sonst müssten wir ja nicht beide Veranstaltungen machen. Es tut mir leid.

Frage: Herr Seibert, hat der Bundespräsident in seiner Rede an der Westerplatte nach Ansicht der Bundesregierung in das tagesaktuelle außenpolitische Geschäft der Bundesregierung eingegriffen?

StS Seibert: Sie wissen, was ich dazu sagen muss und auch immer aus Überzeugung sage: Die Bundesregierung kommentiert grundsätzlich und aus Respekt vor dem hohen Amt nicht die Reden des Bundespräsidenten. Ein Verfassungsorgan kommentiert nicht das andere.

Zusatzfrage: Aber gesetzt den Fall, das eine Verfassungsorgan hätte sich einen Verstoß gegen die Verfassung zuschulden kommen lassen, hätten Sie es jetzt gesagt?

StS Seibert: Von einem Verstoß gegen die Verfassung durch den Bundespräsidenten kann doch in keiner Weise die Rede sein. Wenn Sie die Danziger Rede des Bundespräsidenten lesen und die am selben Tag gehaltene Regierungserklärung der Bundeskanzlerin noch einmal nachlesen, dann werden Sie sehen: Die Worte mögen unterschiedlich sein, aber die Aussage, die Intention ist doch sehr vergleichbar.

Frage: Herr Toschev, die "ZEIT" schreibt, dass Ihr Ministerium für den Fall der Fälle ein Konjunkturprogramm vorbereitet. Können Sie das bestätigen?

Die "ZEIT" schreibt auch, dass Sie Ihre Konjunkturprognose von 1,8 auf 1,5 Prozent nach unten revidieren würden. Ist das richtig?

Toschev: Hinsichtlich der Frage zum Konjunkturprogramm: Das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet kein Konjunkturprogramm. Dafür gibt es auch keinen Anlass, denn die Binnenkonjunktur ist intakt. Der Minister hat sich gestern in Meseberg zur wirtschaftlichen Lage im Einzelnen geäußert und hat darauf verwiesen, dass es die geopolitischen Risiken gibt, dass weniger die unmittelbaren Folgen durch die Sanktionen als vielmehr die Verunsicherung bei den Unternehmen das Entscheidende sind, dass aber der Arbeitsmarkt und, wie gesagt, die Binnenkonjunktur robust sind.

Was alles Weitere betrifft, werden wir jetzt das dritte Quartal abwarten und Mitte Oktober die Herbstprojektion der Bundesregierung vorlegen.

Frage: Herr Toschev, der Begriff "Konjunkturprogramm" ist ja dehnbar. Die "ZEIT" schreibt konkret von Möglichkeiten zur degressiven Abschreibung und von einer Abschaffung der Stromsteuer. Ist in Ihrem Haus so etwas für den Fall der Fälle geplant? Es wurde ja gestern in Meseberg auch deutlich, dass sich die Bundesregierung Gedanken macht, wie man die Konjunktur am Laufen hält; in diesem Zusammenhang waren ja auch die Investitionen der Privatwirtschaft ein Thema. Gibt es solche Gedankenspiele?

Toschev: Das, was in der Berichterstattung geschrieben ist, ist mit "Konjunkturprogramm" überschrieben, und ich sage Ihnen: Es gibt kein solches Konjunkturprogramm. Richtig ist das mit den Investitionen: Es gibt natürlich fortlaufend Überlegungen. Das ist kürzlich noch einmal durch die Einsetzung der Expertenkommission aufgegriffen wurden, in der es um die Frage geht, wie wir zu einer Belebung der Investitionen kommen können, die für mehr Wachstum ja ganz entscheidend sind. Wir warten jetzt darauf, was die Expertenkommission ermittelt. Das wird auch etliche Zeit in Anspruch nehmen, das ist ein Prozess über die Legislaturperiode. Das hat aber nichts mit der konkreten Berichterstattung heute zu tun.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium: CSU-Generalsekretär Scheuer fordert, dass deutschen IS-Kämpfern die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden sollte. Welche Probleme gäbe es da aus Ihrer Sicht?

Dimroth: Dieser Themenkomplex war hier ja in unterschiedlichen Spielarten schon regelmäßig Gegenstand unserer Berichterstattung. Zu Ihrer konkreten Frage: Es ist so, dass die Innenministerkonferenz dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die sich die zugegebenermaßen rechtlich ziemlich schwierigen Fragen, die damit im Zusammenhang stehen, genau anschaut. Das betrifft zum Beispiel mögliche Maßnahmen wie die Verhinderung der Ausreise oder die Verhinderung der Wiedereinreise. Diese Arbeiten sind noch nicht abgeschlossenen, denen kann man nicht vorgreifen. Insofern haben wir diese Äußerungen zur Kenntnis genommen, aber die Arbeiten werden dadurch nicht beeinflusst.

Es gibt daneben aber, wie Sie auch wissen, eine Reihe von anderen Maßnahmen, die wir in den Blick genommen haben, die der Bundesminister des Innern in den Blick genommen hat, insbesondere, was den Themenkomplex internationale innereuropäische Zusammenarbeit anbetrifft. Es gibt eine Reihe von Stellschrauben, die in diesem Zusammenhang in den Blick zu nehmen sind. Eine davon ist die von Ihnen gerade angesprochene. Wegen der rechtlichen und auch politischen Komplexität ist das in dieser Arbeitsgruppe zwischen Bund und Ländern gut aufgehoben. Wir warten darauf, welche Ergebnisse diese Arbeitsgruppe zutage fördern wird.

Zusatzfrage: Können Sie eine politische Äußerung dazu abgeben, Herr Seibert? Sagen Sie jetzt erst, die Innenminister sollen das abschließend prüfen, oder könnte sich jetzt schon einmal jemand dazu äußern, ob dieser Vorschlag des Koalitionspartners CSU aufgenommen werden könnte?

StS Seibert: Ich habe dem, was der Sprecher des Innenministeriums gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

Ich würde, wenn wir bei dem Thema IS sind, für die Bundesregierung gerne ganz kurz etwas zu dem neuerlichen Video sagen, das die IS-Terrormiliz gestern ins Netz gestellt hat und das die Enthauptung eines ihrer Gefangenen zeigt: Dieses Video ist ein weiterer widerwärtiger Beweis der Geisteshaltung, der Grausamkeit, der Menschenverachtung dieser Gruppe und dieser Täter, die sich auf ihre Religion berufen, aber in Wirklichkeit natürlich jeden Glauben und jede Menschlichkeit verhöhnen. Die Gedanken der Bundeskanzlerin sind bei der Familie und den Freunden des Opfers Steven Sotloff. Ihnen gilt unser Mitgefühl für all das, was sie in diesen Tagen erleiden müssen.

Frage: An das BMVg: Wie weit sind denn die Waffenlieferungen an die Kurden? Können Sie uns da einen Stand mitteilen?

Roth: Ich kann Ihnen sagen, dass wir für morgen einen Flug in den Irak planen. Dieser Flug soll die ersten Ausrüstungsgegenstände beinhalten, aber keine Waffen. Das haben wir ja auch schon angedeutet.

Mittlerweile haben wir auch identifiziert, für welches Material wir eine Ausbildung, die in Deutschland stattfinden soll, vorsehen: Das sind Tanklastwagen, das sind die Feldküchenausstattungen, das ist die Milan, das sind aber auch die gepanzerten Fahrzeuge vom Typ Dingo. Dafür wird in Deutschland eine entsprechende Ausbildung vorbereitet.

Frage: Herr Roth, es wird immer davon gesprochen, Waffen an "die Kurden" zu liefern. Nun ist uns allen bekannt, dass die Kurden sehr unterschiedliche Lager und Richtungen haben, und zwar sowohl was die politische als auch was die stammesmäßige Gliederung betrifft. Zum Beispiel gibt es das Talabani-Lager und das Barzani-Lager; beide sind im autonomen Gebiet tätig. Mit welchem Mechanismus stellen Sie denn sicher, welches Lager, welcher Teil welche Waffen bekommt?

Roth: Wir sind hier in enger Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung, aber auch mit der kurdischen Autonomieregierung. Mit denen besprechen wir, wer die Waffen dort bekommt. Wir werden die Waffen auch so übergeben, dass wir eine Endverbleibskontrolle durchführen, die dann in der Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes ist.

Zusatzfrage: Welcher Mechanismus besteht, um die verschiedenen Waffenlieferungen von sehr vielen verschiedenen Ländern zu koordinieren? Das geht ja von der Slowakei über viele andere Länder bis zu den USA und Deutschland.

Roth: Dazu wurde hier in der Bundespressekonferenz auch schon einmal vorgetragen. Es gibt eine sogenannte Clearing-Stelle - da sind die USA führend -, bei der momentan alle Anfragen auflaufen, die ein gewisses Koordinierungselement hat und die sich entsprechend darum kümmert.

Frage: Herr Roth, ist es richtig, dass der erste Flug jetzt nicht über Bagdad geht, dass folgende Flüge dann aber wahrscheinlich über Bagdad gehen werden? Könnten Sie uns die Hintergründe nennen?

Roth: Grundsätzlich gehen jetzt alle Flüge über Bagdad, dort gibt es eine kurze Zwischenlandung, und dann gehen sie weiter nach Erbil. Dort wird das Material dann an die Peschmerga übergeben.

Zusatzfrage: Das gilt auch für den Flug morgen?

Roth: Grundsätzlich ja, aber die Planungen für den morgigen Flug sind noch nicht abgeschlossen.

Zusatzfrage: Sind noch nicht abgeschlossen?

Roth: Wir planen, morgen den Flug durchzuführen, aber die Planungen sind noch nicht gänzlich abgeschlossen.

Frage: Noch einmal an Herrn Toschev: Die "ZEIT" schreibt, dass Herr Gabriel sich eine Fusion von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann wünschen würde. Wie sieht der Minister entsprechende Gespräche und das Angebot von Rheinmetall?

Wie laufen die Diskussionen mit Paris über den ersten Vorschlag zur Fusion von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter?

Toschev: Solche Entscheidungen sind unternehmerische Entscheidungen der daran interessierten Unternehmen, deshalb müssten Sie das, was die Gespräche mit Frankreich angeht - ich springe gleich zum Ende der Frage -, dort oder beim Unternehmen erfragen. Das sind keine Gespräche, die von uns geführt werden. Wir haben auch schon mehrfach gesagt, dass das unternehmerische Entscheidungen sind. Der Minister hat - wir haben ja einen Dialog mit den Unternehmen - anlässlich des Treffens mit den Betriebsräten gesagt, dass Konsolidierungen grundsätzlich sinnvoll sein können, auch auf europäischer Ebene. Das ist aber sozusagen eine Äußerung zum Gesamtprozess in der Branche.

Zusatzfrage: Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie, als die Gespräche zwischen Krauss-Maffei Wegmann und Nexter angekündigt worden waren, von engen Gesprächen mit Paris - oder zumindest davon, dass man sich mit der französischen Regierung abstimmt - gesprochen. Ist das geschehen?

Auch noch dazu: Wenn ich das richtig verstehe, muss die Bundesregierung einem Zusammenschluss am Ende ohnehin zustimmen. Ganz außen vor sind Sie insofern nicht, oder?

Toschev: Zum einen haben wir damals gesagt, dass wir natürlich im Rahmen der üblichen Arbeitsbeziehungen mit unseren französischen Partnern reden. Zum anderen beziehen Sie sich auf die Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz, die für solch einen Zusammenschluss notwendig ist. Diesbezüglich hatten wir damals auch ausgeführt, was die Kriterien dafür sind beziehungsweise ab wann solch eine Prüfung greift. Mein Wissensstand ist - und daran hat sich auch nichts geändert -, dass es bisher lediglich die Ankündigung eines Interesses an solch einem Zusammenschluss gab. Insofern gibt es auch noch keine konkrete Prüfung nach dem Außenwirtschaftsgesetz. - Ich glaube, damit habe ich die Frage beantwortet.

Frage: Herr Toschev, ich habe noch eine Frage zum Thema Investitionen der Privatwirtschaft. Der Stand ist ja, dass man mehr Geld will; die Industrie ist offenbar auch bereit, dieses Geld zu geben. Wenn die Industrie dieses Geld gibt, dann erwartet sie wahrscheinlich eine Verzinsung. Meine Frage ist: Was kommt beim Bürger an, wenn zum Beispiel mit Privatmitteln eine Straße oder eine Brücke gebaut wird? Muss man sich darauf einstellen, dass in Zukunft entsprechende Gebühren bei den Bürgern anfallen?

Toschev: Das ist jetzt, glaube ich, sehr an das Ende möglicher Überlegungen gesprungen. Gebühren sind nicht Thema der Gespräche, und das ist auch nicht die Zielsetzung. Es geht vielmehr darum, Anreize zu schaffen, privates Kapital zu mobilisieren. Die liegen natürlich in einer ordnungsgemäßen Rendite. Dafür, entsprechende Ideen und Denkanstöße zu entwickeln, gibt es eben die Kommission. Insofern kann ich Ihnen heute nicht Ergebnisse dessen präsentieren, was in diesem Kreis aus hochrangigen Experten erst noch erarbeitet werden soll.

Frage: Herr Seibert, wie hat die Kanzlerin auf die Forderung von Commerzbank-Chef Blessing nach Euro-Bonds reagiert?

StS Seibert: Da machen Sie jetzt noch einmal ein großes Thema auf. Ich kann es kurz machen: Diese Frage von Euro-Bonds steht für uns nicht zur Debatte, und an der Grundhaltung zu diesem Thema hat sich überhaupt nichts geändert. Der Schlüssel dafür, die Herausforderungen, denen sich die Eurozone gegenübersieht, dauerhaft zu überwinden, ist eben eine Mischung aus dauerhaft tragfähigen öffentlichen Finanzen, gestärkter Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung. Das erreichen wir auch durch strukturelle Reformen. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesregierung seit langer Zeit für eine bessere, eine verbindlichere Koordinierung innerhalb der Eurozone eingesetzt. Wir treten seit langer Zeit für ein solches Zusammenrücken ein, dafür, dass man Verabredungen verbindlicher macht. Das führt uns aber nicht zu dem Gedanken von Euro-Bonds.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 3. September 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/09/2014-09-03-regpk.html;jsessionid=320DF05C89E2B20512154A6E62E84CFD.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2014