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PRESSEKONFERENZ/842: Regierungspressekonferenz vom 22. August 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 22. August 2014
Regierungspressekonferenz vom 22. August 2014

Themen: Personalie, Termine der Bundeskanzlerin (Reise nach Spanien, Kabinettssitzung, Foyergespräch des Magazins "Cicero", Gespräch mit dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, Westbalkankonferenz, Festveranstaltung zum "Tag der Heimat", Europäischer Rat, Tag der offenen Tür der Bundesregierung), Personalien auf europäischer Ebene, Äußerung von Bundesverteidigungsministerin von der Leyen in einem Interview, Lage in der Ukraine, mögliche Finanzierung der Terrorgruppe ISIS durch Katar, Pkw-Maut, Verkauf der RWE Dea AG an das Unternehmen Letter One, Anzahl der aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ausgereisten Islamisten

Sprecher: StS Seibert, Jäger (BMF), Flosdorff (BMVg), Schäfer (AA), Mänz (BMZ), Ewert (BMVI), Alemany (BMWi), Dimroth (BMI)



Vorsitzende Sirleschtov: Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen zu dieser Regierungspressekonferenz, die ich mit der Begrüßung eines uns allen wohlbekannten Gesichts beginnen möchte, und zwar von Martin Jäger, den wir alle kennen und den wir im Namen der Bundespressekonferenz als neuen Sprecher des Bundesfinanzministeriums begrüßen möchten. Martin Jäger, toi, toi, toi, viel Erfolg und viel Spaß! Schön, dass Sie wieder da sind.

Jäger: Soll ich noch zwei Worte sagen?

Vorsitzende Sirleschtov: Sehr gerne.

Jäger: Vielen Dank für die sehr nette Begrüßung. Schön, wieder da zu sein. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

Vorsitzende Sirleschtov: Wir uns auch. - Dann begrüße ich neben Martin Jäger die Sprecherinnen und Sprecher der Bundesministerien und den Regierungssprecher Steffen Seibert. Schönen guten Tag auch Ihnen! Wir beginnen, wie immer am Freitag, mit den Terminen der Kanzlerin für die kommende Woche.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Zur Erinnerung: Frau Wirtz hatte Ihnen ja schon am Montag die Reise der Kanzlerin nach Spanien angekündigt. Ich mache es deswegen kurz und knapp zu diesem Thema: Von Sonntag bis Montag trifft die Bundeskanzlerin ihren spanischen Amtskollegen Mariano Rajoy in Santiago de Compostela, der galizischen Heimat des Ministerpräsidenten. Es wird eine kurze gemeinsame Wanderung auf dem Jakobsweg und ein Abendessen unter vier Augen geben. Das alles dient am Sonntag dem Gedankenaustausch. Am Montag geht es mit bilateralen Gesprächen weiter. Auch eine gemeinsame Pressekonferenz ist geplant. Die Rückkehr nach Deutschland, nach Berlin ist am späten Montagnachmittag.

Am Mittwoch tagt, wie üblich, um 9.30 Uhr das Kabinett.

Am Mittwochabend, 18 Uhr, ist die Bundeskanzlerin Gast beim Foyergespräch des Magazins "Cicero" im Berliner Ensemble. Sie stellt sich dort den Fragen des Chefredakteurs Christoph Schwennicke und des Kolumnisten Frank A. Meyer.

Am Donnerstag, dem 28. August, 14 Uhr, trifft sich die Kanzlerin mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu einem Gespräch im Kanzleramt.

Anschließend - noch immer am Donnerstag - nehmen beide an der Westbalkankonferenz teil. Sie wissen ja, die Kanzlerin hat vor wenigen Wochen, am 15. Juli, in Dubrovnik am Gipfel der Staatschefs der Westbalkanstaaten im Rahmen des Brdo-Brijuni-Prozesses teilgenommen. Jetzt empfängt sie gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und dem Außenminister die Regierungschefs, Außen- und Wirtschaftsminister der sechs Staaten des westlichen Balkans sowie Kroatiens und Sloweniens.

Das Ziel dieser Initiative, dieser Konferenz ist es, oft schon seit Jahren und Jahrzehnten offene Fragen in der Region aufzugreifen und neue Impulse zu setzen. Es geht vor allem um die Stärkung und Unterstützung der Zusammenarbeit der Staaten der Region untereinander. Natürlich geht es auch um die Annäherung an Europa: politisch, wirtschaftlich und mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit. Die Bundeskanzlerin hat in Dubrovnik erneut bekräftigt, dass Deutschland zu der europäischen Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans steht.

Zum zeitlichen Ablauf: Gegen 15.20 Uhr wird die Kanzlerin die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Kroatien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Montenegro, Serbien und Slowenien im Kanzleramt begrüßen. Weitere Teilnehmer sind Österreich als Ausrichter der Folgekonferenz im nächsten Jahr, also 2015, vertreten durch Bundeskanzler Faymann, und Frankreich, das als ein späterer Ausrichter dieser Konferenz ebenfalls auf hoher Beamtenebene vertreten sein wird. Auch Bundesminister Müller wird gemeinsam mit Kommissionspräsident Barroso zur Unterstützung für die Staaten der Region sprechen.

Von 15:30 bis 17:30 Uhr gibt es eine Arbeitssitzung der Kanzlerin und der Regierungschefs mit Kommissionspräsident Barroso, gleichzeitig, an anderen Orten, Arbeitssitzungen der Außenminister und der Wirtschaftsminister.

Um 17:30 Uhr findet eine Pressekonferenz statt, an der die Bundeskanzlerin, der albanische Ministerpräsident Rama und der Präsident der EU-Kommission Barroso teilnehmen.

Ab 18:30 Uhr gibt es ein Arbeitsabendessen in Form einer Plenarsitzung.

Am Samstag, dem 30. August, nimmt die Bundeskanzlerin hier in Berlin an einer Festveranstaltung zum "Tag der Heimat" in der Urania teil. Sie wird für ihre Verdienste um das Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen die BdV-Ehrenplakette verliehen bekommen und bei dieser Veranstaltung eine Rede halten.

Gegen 16 Uhr beginnt in Brüssel die außerordentliche Tagung des Europäischen Rates, an der die Kanzlerin ebenfalls teilnehmen wird.

Dann ist die Woche noch immer nicht vorbei. Am Samstag und Sonntag, dem 30. und 31. August, ist Tag der offenen Tür. Am Sonntag wird die Kanzlerin im Kanzleramt den vielen Menschen begegnen, die an diesem Tag sozusagen Staatsgäste der Bundesregierung sind. Auch ein Bühnengespräch ist geplant. Die Einzelheiten zum Tag der offenen Tür, an dem die Häuser alle beteiligt sind - ich glaube, auch die Bundespressekonferenz, was ich sehr schön finde -, finden Sie im Programm unter www.bundesregierung.de. Der stellvertretende Regierungssprecher, Herr Streiter, wird dazu, wie immer, am 26. August, 10:30 Uhr, ein Pressegespräch anbieten. Von 14:30 bis 16:30 Uhr wird die Kanzlerin im Kanzleramt sein.

Frage: Herr Seibert, wird bei dem Treffen mit Mariano Rajoy in Galizien auch über zwei Posten gesprochen werden? Der spanische Minister Arias Cañete könnte nämlich Kommissar in der künftigen Europäischen Kommission werden, und der Wirtschaftsminister möchte Eurogruppenchef werden. Wie steht die deutsche Regierung zu diesen Forderungen der spanischen Regierung?

StS Seibert: Zunächst einmal ist das ein in informellem Rahmen stattfindendes Treffen der Bundeskanzlerin mit dem Ministerpräsidenten, das sich aber natürlich trotzdem mit sehr ernsthaften Themen befassen wird: die derzeitige Weltlage, die außenpolitischen Krisen, die uns alle herausfordern, und auch die Ausrichtung der europäischen Zusammenarbeit in den nächsten Jahren in Richtung Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, Wachstum und Haushaltssolidität. Ich kann nicht ausschließen, dass in der Woche vor dem europäischen Sonderrat auch europäische Personalien in dem Gespräch der beiden eine Rolle spielen werden. Aber Sie werden verstehen, dass ich hier öffentlich nicht darauf eingehen kann.

Frage: Herr Seibert, mich würde interessieren: Was hält die Bundeskanzlerin von der Feststellung ihrer Verteidigungsministerin in einem ernsten, großen Interview mit der "ZEIT" zum Thema Waffenlieferungen, dass mit einem Scherz auf die Frage nach der Fußball-WM in Katar und Russland geantwortet wird, dass die Deutschen, wo immer es hingehe, schießendes Personal entsendeten?

Die Frage an Herrn Flosdorff: Wie konnte es passieren, dass in einem scheinbar so professionellen PR-Apparat, wie er Ursula von der Leyen umgibt, ein solcher Satz in einem Interview stehen konnte, der einige Menschen erregt?

StS Seibert: Ich habe das als ein sehr ernsthaftes Interview gelesen. Ich glaube, so ist es auch von den Lesern empfunden worden. Die Frage bezog sich auf kommende Fußballweltmeisterschaften. In diesem Zusammenhang ist die Äußerung der Verteidigungsministerin zu verstehen und sicherlich nicht überzubewerten.

Zusatzfrage: Das halten Sie für angemessen?

StS Seibert: Ich habe dazu gesagt, was ich dazu sagen kann. Ich habe hier doch keine Noten über Interviews zu vergeben, die Mitglieder der Bundesregierung geben. Es war ein sehr ernsthaftes Interview, das sich der großen Frage gewidmet hat: Wie reagieren wir auf die Herausforderungen durch den Islamischen Staat im Nordirak? Das ist das, was ich dazu zu sagen habe. Das andere war eine Frage zum Fußball.

Flosdorff: Ich darf Ihr Zitat kurz korrigieren. Das Zitat war: "Wo auch immer gespielt wird ...", nicht "wo es hingeht". Das ist das richtige Zitat. Sie müssen sich das so vorstellen: Es ging um die Krisenbögen dieser Welt. Am Ende eines langen Interviews wurde sie gefragt, wie mit der Entscheidung der FIFA, die über so etwas zu entscheiden hat, umzugehen sei. In diesem Zusammenhang ist das bitte zu sehen.

Zusatzfrage: Hält die Ministerin ihre Antwort im Nachhinein noch immer für angemessen? War es ein Scherz, oder war das ernst gemeint?

Flosdorff: Selbstverständlich war das ein Scherz.

Zusatzfrage: Den hält die Ministerin auch jetzt noch für angemessen?

Flosdorff: Die Ministerin steht zu ihren Äußerungen. Das ist ein umfangreiches Interview, das sich zu 95 Prozent mit den Krisenherden dieser Welt befasst und sehr grundsätzliche Erwägungen enthält, auch zur Positionierung in der Sicherheitspolitik. Die Aufregung, die Sie ausmachen, kann ich in dem Maße nicht feststellen.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine Frage zu der morgigen Reise der Bundeskanzlerin nach Kiew. Hier wurde ja schon mehrmals ausgeführt, welche Forderungen die Bundesregierung an Russland stellt. Was kann man dazu sagen, welche Forderungen, Wünsche oder Ideen die Bundeskanzlerin morgen an Präsident Poroschenko herantragen wird?

Die zweite Frage: Was hält die Bundesregierung von dem ukrainischen Vorschlag, eine Art Marshall-Plan oder Merkel-Plan für die Ukraine aufzustellen?

StS Seibert: Die Reise der Bundeskanzlerin nach Kiew, der Besuch bei der ukrainischen Regierung ist in schwieriger Zeit ein Zeichen der Unterstützung. Sie findet in der Kontinuität der vielen Gespräche statt, die die Bundeskanzlerin, der Bundesaußenminister und andere Mitglieder der Bundesregierung mit der ukrainischen Regierung führen.

Unser wichtigstes Ziel, das, wofür sich die Bundesregierung in all diesen Gesprächen immer wieder einsetzt, ist ein beidseitiger Waffenstillstand. Er ist die Voraussetzung für einen Friedensprozess. Deswegen wollen wir dazu beitragen, dass solch ein Waffenstillstand erreicht werden kann und dass Menschen in den derzeit noch umkämpften Gebieten endlich nicht mehr ihr Leben verlieren.

Was ist dafür wichtig, und was haben wir bisher leider noch nicht erreicht? Das ist eine wirkungsvolle Kontrolle der ukrainisch-russischen Grenze. Die Forderung an Präsident Putin bleibt bestehen, dass er endlich auch den russischen Einfluss für eine Stabilisierung der Lage in der Ostukraine und für eine wirkungsvolle Kontrolle an der Grenze ausnutzt, damit endlich keine russischen Waffen mehr eingeschleust werden.

Wir wissen, dass Staatspräsident Poroschenko, der bereits im Juni einen Friedensplan vorgestellt hat, einen Kurs des nationalen Dialogs und der Reformen anstrebt. Darin wird die Bundeskanzlerin ihn sicherlich unterstützen. Außerdem wird es in den Gesprächen um konkrete Formen der Unterstützung gehen. Ich will dem hier nichts vorwegnehmen. Sie wissen, dass schon jetzt die internationale Gemeinschaft - damit ist natürlich auch immer Deutschland beteiligt -, zum Beispiel in Form der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds, Unterstützungsleistungen an die Ukraine leistet. Daran sind wir beteiligt. Darüber, wie sich Deutschland darüber hinaus engagieren kann, wird unter anderem zu reden sein.

Zusatzfrage: Ich habe eine Nachfrage zu dem Problem der Grenzkontrollen. Wäre eine Option oder wird es ein Thema sein, die OSZE-Beobachter mit unbemannten Drohnen auszustatten? Wer soll die bezahlen? Wer soll die steuern? Ich gehe davon aus, dass die OSZE-Beobachter nicht in der Lage sind, selbst am Monitor zu sitzen und das Ding fliegen zu lassen.

Schäfer: Herr Seibert hat die politische Lage in der Ostukraine schon geschildert. In der Tat geht es darum, einen beidseitigen nachhaltigen Waffenstillstand hinzubekommen, der wiederum in einem engen kausalen und politischen Verhältnis zur Kontrolle der Grenze zwischen Russland und der Ukraine steht. Das ist für Sie und für uns nichts Neues. Das war im Grunde auch schon der Kern der Verhandlungen im Normandie-Format mit Kiew und Moskau in Berlin Anfang Juli und zuletzt auch der Außenminister im gleichen Format am Sonntag.

Wir sind seit dem 2. Juli, seit der Berliner Erklärung, insofern ein wenig vorangekommen, als es zwei Grenzübergänge zwischen Russland und der Ukraine gibt, bei denen mit Zustimmung aller Parteien von der OSZE und von der OSZE-Beobachtermission Beobachtungen der Grenzaktivitäten vorgenommen werden können. Nun ist die Grenze zwischen Russland und der Ukraine viel länger. Nach der aktuellen militärischen Lage gibt es einen Bereich von mehreren Hundert Kilometern, der sich zurzeit faktisch nicht im Herrschaftsbereich des ukrainischen Staates befindet. Wir müssen davon ausgehen, dass es insbesondere in diesem Bereich immer wieder zu Grenzverletzungen kommt, bei denen sowohl Personen als auch Material und Waffen aus Russland in die Ukraine gelangen. Es ist eine ganz entscheidende Frage für die Lösung dieses Konfliktes, dass es gelingt, diese Art von illegalen Grenzübertritten zu kontrollieren.

Sie haben recht: Es ist eine ganze Reihe von Ideen in der Welt. Eine davon ist, unter Beteiligung der OSZE mithilfe moderner Methoden der Aufklärung und der Kommunikation - dazu können auch Drohnen gehören - diese riesig lange Grenze so zu kontrollieren, dass man sehr viel mehr Informationen darüber hat, was da tatsächlich passiert und welche Art von Personen, Gerätschaften und Material tatsächlich Tag für Tag und Nacht für Nacht die Grenze überschreiten.

Ich möchte Ihnen gerne noch einen weiteren Vorschlag nennen. Den hat Herr Steinmeier schon vor einigen Wochen gemacht, zuletzt auch wieder am Sonntag. Das ist die Idee eines - so nennen wir das - "clearing house", also eine Art Stelle, in der russische und ukrainische Grenzbehörden, vielleicht unter Beteiligung der OSZE, ungewöhnliche Grenzaktivitäten zur Sprache bringen, austauschen können und in der sie auf diese Art und Weise für Transparenz und vielleicht auch dafür sorgen können, dass illegale Grenzaktivitäten eingedämmt werden.

Frage: Ich habe eine Frage zu dem Besuch der Kanzlerin in der Ukraine: Werden bei dem Gespräch mit Bürgermeistern auch Vertreter aus der Ostukraine anwesend sein? Was verspricht sich die Kanzlerin von dem Gespräch?

Eine zweite Frage: Aus der Ukraine werden Forderungen nach Wirtschaftshilfen der EU und Deutschlands laut. Wie steht Deutschland dazu?

StS Seibert: Sinn und Zweck dieses Besuchs ist natürlich, ein vertieftes Bild von der Situation in der Ukraine zu bekommen, also nicht nur - obwohl das im Mittelpunkt stehen wird - mit dem Präsidenten und dann auch mit dem Ministerpräsidenten zu sprechen, sondern zum Beispiel auch den Gedankenaustausch mit den Bürgermeistern verschiedener ukrainischer Städte zu suchen. Dabei geht es ausdrücklich darum, einen Eindruck für die Stimmungen und Meinungen in den verschiedenen Regionen der Ukraine zu bekommen. Wir können jetzt noch nicht ganz genau sagen, wer teilnimmt. Aber geplant ist, dass bei dieser Begegnung die Bürgermeister von Kiew, Donezk und Lemberg vertreten sind. Auch ein Vertreter der Krimtataren wird vertreten sein. Der Grundgedanke ist, ein volleres Bild von den Stimmungen in den verschiedenen Regionen der Ukraine zu bekommen.

Zu der Wirtschaftshilfe: Ich habe vorhin schon die Unterstützungsleistungen beschrieben, die es bereits gibt - Internationaler Währungsfonds, Europäische Union -, an denen auch wir immer entsprechend beteiligt sind. Die Bundesregierung leistet auch bilateral schon eine ganze Reihe von Beiträgen, nämlich zur nachhaltigen Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, zur Neuausrichtung der Energiepolitik, auf einem ganz anderen Gebiet beispielsweise auch zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. In der aktuellen Krise kommen humanitäre Hilfslieferungen hinzu.

Jetzt wird geprüft, ob und in welchem Maße Deutschland dort, wo dies nötig ist, Beiträge zum Wiederaufbau leisten kann. Aber ich kann diesen Prüfungen jetzt hier nicht vorgreifen.

Schäfer: Wir sind bereit, ebenso wie die internationale Gemeinschaft, zum Beispiel der internationalen Finanzorganisation in der Ukraine wirklich substanziell mit viel Geld und viel Know-how unter die Arme zu greifen. Das tun wir mit Überzeugung und Engagement. Allerdings setzt dies voraus, dass auf ukrainischer Seite das, was politisch versprochen wird, auch in die Tat umgesetzt wird.

Wir sehen mit großer Aufmerksamkeit und auch ein wenig mit Sorge, dass in den letzten Tagen in Kiew zwei ausgewiesene politische Persönlichkeiten von ihren Ämtern in der Ukraine zurückgetreten sind, und zwar indem sie angeben, dass ihr Versuch, sich für eine Reform an Haupt und Gliedern in Kiew, in der ukrainischen Gesellschaft und in der ukrainischen Wirtschaft einzusetzen, ganz offenbar nicht in der Weise erfolgen konnte, wie sie sich das vorgestellt haben.

Deshalb erlauben wir uns nur die Bemerkung: Wir haben großes Interesse daran, der Ukraine zu helfen. Wir erwarten aber auch, dass die Ukraine das, was sie uns und der internationalen Gemeinschaft versprochen hat, tatsächlich mit Engagement und zur Not auch gegen Widerstand in die Tat umsetzt.

StS Seibert: Vielleicht noch ein Letztes zu den wirtschaftlichen Herausforderungen in der Ukraine: Das Freihandelsabkommen mit der EU kann natürlich auch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Ukraine und Europa vertiefen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir es ausdrücklich - wir unterstützen dies auch -, dass es trilaterale Gespräche zwischen der Ukraine, Russland und der EU gibt, um die praktischen Fragen der Umsetzung dieses Assoziierungs- und Freihandelsabkommens zu klären und um Sorgen aufzunehmen, die es beispielsweise in Russland dafür gibt. Das ist das richtige Format, und wir unterstützen es.

Frage: Herr Seibert, mein Eindruck ist, dass dieser Besuch von der Ukraine unglaublich mit Erwartungen überfrachtet wird. Wie bekommen Sie von hier aus im Vorfeld ein realistisches Erwartungsmanagement hin?

Die zweite Frage: Der eine Kollege hatte nach den Wirtschaftshilfen gefragt. Aus Kiew wird ja auch relativ deutlich das Thema Waffen angesprochen. Sind Sie jetzt nach der Grundsatzentscheidung zum Thema Irak deutlich stärker unter Druck? Denn man hört ja doch, dass das Argument gebracht wird: Wenn Deutschland Waffen in den Irak liefert, warum nicht auch zu uns in die Ukraine?

StS Seibert: Ganz grundsätzlich: Aus der Entscheidung, die an diesem Mittwoch in puncto Nordirak gefällt worden ist, geht überhaupt keine weitere Entscheidung in irgendeinem Automatismus hervor. Das ist eine Entscheidung, die sich auf die ganz konkrete und sehr außergewöhnliche Situation bezieht, die sich uns im Nordirak darstellt. Sie hat keine Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir beispielsweise die Krise in der Ukraine betrachten. Ich habe es hier schon gesagt - auch das Auswärtige Amt hat dies noch einmal bekräftigt -: Unser Ziel dort ist, alles zu tun, um einen beidseitigen Waffenstillstand zu erreichen. Wir wollen eine politische, diplomatische, friedliche Lösung im Interesse der Menschen und der Stabilität der Ukraine fördern. Das ist unser Anliegen. Das ist auch das, was für die Bundeskanzlerin auf der Tagesordnung steht.

Wenn Sie mich nach Erwartungen fragen: Ich kann nur das äußern, was ich zu dem Besuch hier äußere. Ich glaube, dass das nicht nach überspannten Erwartungen klingt. Es ist eine schwierige Zeit. Das ist ein Besuch der Unterstützung. Das ist ein Besuch, bei dem all die schwierigen Themen, die der Außenminister und die Kanzlerin mehrfach wöchentlich, so würde ich fast sagen, mit den dort Verantwortlichen besprechen, weiter besprochen und vertiefter besprochen werden.

Frage: Der ukrainische Präsident Poroschenko trifft am nächsten Dienstag den russischen Präsidenten in Minsk. Ich möchte wissen, was die Bundeskanzlerin Herrn Poroschenko für dieses Treffen inhaltlich mitgeben möchte. Oder anders gefragt: Es gibt immer wieder Spekulationen darüber, dass es einen Deal geben könnte, indem man einen Interessensausgleich sucht zwischen dem, was die Russische Föderation möchte, dem, was die Ukraine möchte, und dem, was die EU möchte. Das Treffen am Dienstag in Minsk könnte ja ein erster Ansatz sein. Gibt es dazu Überlegungen und Pläne vonseiten der Bundesregierung?

StS Seibert: Jede Suche nach einer politischen Lösung einer so zugespitzten Situation wie in der Ukraine ist die Suche nach einem Interessensausgleich. Das ist eine grundsätzliche Bemerkung. Ansonsten kann ich zu diesem Treffen in Minsk nur sagen: Wir begrüßen, das es zu einer direkten Unterredung von Präsident Poroschenko und Präsident Putin kommt. In letzter Zeit hat es vermehrt direkte Kontakte gegeben. Wir begrüßen das und hoffen, dass darin auch die Chance dieser beiden liegt, sich auf wesentliche Schritte hin zu einer friedlichen Lösung zu einigen.

Frage: Wie wird die Kanzlerin Herrn Poroschenko überzeugen, dass eine militärische Lösung in der Ostukraine nicht ratsam ist?

StS Seibert: Erstens werde ich den Gesprächen hier nichts vorwegnehmen. Zweitens ist das eine Haltung, die die ukrainische Regierung von uns schon lange kennt. Wir haben diese Haltung immer vertreten. Wir haben von vornherein gesagt, dass es für die Krise keine militärische Lösung geben kann. Das ist unsere Haltung. Insofern wird das für ihn nichts Neues sein. Wir arbeiten mit den Möglichkeiten, die die Bundesrepublik hat, daran, dass hoffentlich eines baldigen Tages ein beidseitiger Waffenstillstand kommt.

Frage: Ich möchte das Entwicklungshilfeministerium fragen, welche Erkenntnisse man dort darüber hat, dass Katar die ISIS-Gruppe entweder finanziert oder eine Finanzierung duldet.

Mänz: Sie spielen auf das Interview an, das der Minister vorgestern dem ZDF-Morgenmagazin gegeben hat. Er hat vorgestern tatsächlich auf entsprechende Presseberichte Bezug genommen.

Zusatzfrage: Eigene Erkenntnisse gibt es bei der Bundesregierung nicht?

Schäfer: Mir liegen solche Erkenntnisse nicht vor.

Zusatzfrage: Wird sich dann die Bundesregierung bei Katar dafür entschuldigen, dass man es aufgrund von Presseberichten so an den Pranger gestellt hat?

Schäfer: Es hat bereits Kontakte mit der Regierung Katars in Doha gegeben. Wir haben der Regierung von Katar gesagt, dass Katar für die Bundesregierung ein Partner sei, mit dem wir auf vielfältige Art und Weise zusammenarbeiten, dass es gleichzeitig durchaus aber auch Fragen gibt, bei denen wir nicht immer einer Meinung sind. Wenn es zu Missverständnissen gekommen sein sollte, so bedauern wir diese.

Mänz: Vielleicht darf ich das auch noch kurz ergänzen, um das nur noch einmal klarzustellen: Der Minister hat "das Stichwort Katar" - so hat er es wortwörtlich gesagt - zwar genannt. Er hat damit aber keinen konkreten Vorwurf verbunden. Vielleicht schauen Sie auch noch einmal in das Zitat hinein. Er hatte gesagt: "Man muss sich auch die Frage stellen: Wer rüstet, wer finanziert die ISIS-Truppen - das Stichwort Katar -, und wie gehen wir mit diesen Völkern und Staaten auch politisch um?" Er setzte das dann weiter fort: "Ich sage, wir müssen grundsätzlich überlegen: Was war gestern? Warum kam es zu diesem Konflikt? Da wird mir viel zu wenig auf Krisenprävention, auf Friedensarbeit gesetzt." Er hat in diesem Zusammenhang also wirklich dieses Stichwort eingeworfen und hat damit auf entsprechende Presseberichte angespielt. Aber es ging nicht um einen konkreten Vorwurf in diese Richtung.

Zusatz: Er hat ja nicht das Stichwort Argentinien oder Grönland erwähnt. Deshalb interessierte mich, welche Erkenntnisse er vielleicht darüber hinaus hat. Aber wenn Sie sagen, das seien nur Presseberichte, dann sage ich Danke.

Frage: Dann habe ich zuerst noch einmal die Frage an den Regierungssprecher, ob es eigene Erkenntnisse gibt, was diese möglichen oder vermuteten Finanzströme angeht, weil Sie ja beispielsweise für das Kanzleramt und für den BND zuständig sind.

Herr Schäfer, zu diesen Kontakten mit der katarischen Regierung, von denen Sie sprachen: Hat es da eine Einbestellung gegeben, oder ist die Bundesregierung beziehungsweise die deutsche Botschaft von sich aus auf die katarische Regierung zugegangen? Wie war die Richtung der Kommunikation?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat diese Berichte zur Kenntnis genommen, kann deren Wahrheitsgehalt aber nicht kommentieren.

Schäfer: Es hat zwischen der katarischen Regierung in Doha und unserer dortigen Botschaft Gespräche zu dieser Frage gegeben. Die Initiative ging von katarischer Seite aus.

Frage: Herr Schäfer, Sie sagten, es gebe dabei auch Fragen, bei denen man nicht einer Meinung sei. Könnten Sie noch einmal sagen, welche das zum Beispiel sind?

Schäfer: Wir können ja jetzt schlecht sozusagen die gesamte internationale Krisendiplomatie und die ganzen Themen durchhecheln und jetzt im Einzelnen darüber diskutieren, was die Position Deutschlands ist und wo es im Detail Meinungsverschiedenheiten mit Katar oder unterschiedliche Auffassungen gibt. Das möchte ich jetzt hier nicht tun. Ich möchte es dabei belassen, dass wir gute und freundschaftliche Beziehungen mit Katar führen. Es gibt im Grunde auf allen Ebenen enge Beziehungen. Katar ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen regionalen Spieler geworden und hat insbesondere zu Problemen und Fragen in der Region - im Grunde im gesamten arabischen Krisenbogen - eigene Meinungen und Überzeugungen. Wir tauschen uns natürlich nicht öffentlich, sondern vertraulich über all diese Probleme und Fragen aus, und es ist jetzt nicht an mir, Ihnen im Detail darzustellen, wo es hierbei vielleicht die eine oder andere Frage gibt, hinsichtlich der wir nicht vollständig einer Meinung sind.

Zusatzfrage: Hier schließt sich ein Kreis, weil wir jetzt sozusagen wieder zu dem Interview der Verteidigungsministerin in der "ZEIT" zurückkommen. Dort wird sie nämlich nach Katar und nach genau diesem Vorwurf in Bezug auf die dort bevorstehende Fußballweltmeisterschaft gefragt. Sie hat dabei ja nicht die Gelegenheit genutzt, zu sagen: "Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden, wenn Sie Katar jetzt als ein schlimmes Land nennen". Insofern stelle ich jetzt auch die Frage an das Verteidigungsministerium: Gibt es Informationen, die Katar sozusagen als unsicheren Kantonisten oder als fragwürdigen Partner aussehen lassen?

Flosdorff: Ich kann den Erkenntnissen oder den hier gemachten Äußerungen meiner Kollegen nichts hinzufügen, was Erkenntnisse über Katar angeht. Ich denke einmal, es ist auch für jeden, der das gesamte Interview und diese Frage liest, offensichtlich, dass die Antwort nicht in diesem Zusammenhang gemeint war, in dem die Frage gestellt worden war, sondern es sich um einen Scherz handelte.

Frage: Ich wollte nur nach dieser möglichen Sondersitzung des Bundestages fragen: Können wir dabei mit einer Regierungserklärung der Kanzlerin persönlich rechnen? Zum zeitlichen Ablauf: Kann man davon ausgehen, dass der Bundestag erst eine Sitzung abhalten wird und dass danach irgendwelche Waffen, welche auch immer es sein werden, auf den Weg geschickt werden werden?

StS Seibert: Danke für die Frage. Ich versuche vielleicht, es noch einmal zusammenzufassen, weil das ja mehrere Ebenen hat:

Am Mittwoch dieser Woche hat die Bundesregierung eine Grundsatzentscheidung getroffen. Angesichts einer außergewöhnlichen Bedrohung, die diese Terrorgruppe Islamischer Staat für die Menschen im Nordirak, für das irakische Staatswesen insgesamt, für die gesamte Region und damit auch für unsere Sicherheit darstellt, sind wir bereit, den kurdischen Sicherheitskräften im begrenzten Umfang Waffen und Munition für ihren Kampf gegen diesen sogenannten Islamischen Staat zu liefern. Das ist eine Entscheidung, die in der Kompetenz der Bundesregierung liegt.

Jetzt prüft die Bundeswehr, also das Bundesverteidigungsministerium, welches Material aus Bundeswehrbeständen dafür infrage kommt und dafür kurzfristig zur Verfügung gestellt werden kann. Diese Prüfung wird noch einige Tage andauern. Sie läuft innerhalb der Bundeswehr, und sie läuft auch in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern.

Formal betrachtet handelt es sich, wenn die Bundeswehr Material aus ihren Beständen als Ausrüstungshilfe abgibt, um eine sogenannte Länderabgabe, und auch so etwas unterliegt den Rüstungsexportgrundsätzen und den ausfuhrrechtlichen Bestimmungen. Daher muss solch eine Maßnahme des Verteidigungsministeriums mit dem Auswärtigen Amt und mit dem Bundeswirtschaftsministerium abgestimmt werden und muss deren Zustimmung haben. Das wird geschehen, wenn nach der Prüfung entschieden worden sein wird, welcher Art diese Lieferung sein wird und welches Ausmaß sie haben wird.

Natürlich ist das auch ein besonders politischer Vorgang, denn es handelt sich ja um eine ausnahmsweise Lieferung in ein Krisen- und sogar in ein Kampfgebiet. Deswegen werden die Koalitionspartner, wenn entschieden worden sein wird, was konkret geliefert werden kann, darüber sprechen und ihre politische Unterstützung dafür ausdrücken. Für diese verschiedenen Schritte brauchen wir noch einige Tage, sodass ich Sie im Laufe der nächsten Woche genauer informieren kann. Mit dem Bundestag steht die Bundesregierung natürlich in engstem Kontakt, um die Erwartungen des Bundestags auch zu erfüllen. Das Parlament entscheidet selbstverständlich selbst, wann es sich in einer Debatte mit diesem Thema befassen will. Klar ist: Die Bundeskanzlerin ist bereit, vor dem Bundestag zu sprechen und die Entscheidung in einer Regierungserklärung zu erläutern.

Frage: Herr Seibert, trotzdem stelle ich noch einmal die Frage, was eher stattfinden wird, die Entscheidung des Kabinetts oder erst die Sitzung des Bundestags? Nimmt man dabei aufeinander Rücksicht?

StS Seibert: Ein Kabinettsbeschluss im formalen Sinne ist hierfür nicht nötig. Es ist die formale Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundeswirtschaftsministerium nötig, und es ist nötig, weil das ein besonders hochpolitischer Vorgang ist, dass auch die Koalitionsparteien, die diese Regierung tragen, dann miteinander im konkreten Fall darüber entscheiden.

Erst einmal müssen wir jetzt die Prüfung abschließen. Das wird noch eine ganze Zeit dauern. Deswegen werde ich Ihnen dann in der nächsten Woche mehr sagen können.

Frage: Was wissen wir denn über die Konditionen der Abgabe? Ist das jetzt geschenkt, geliehen oder geleast? Der Irak als Ölstaat ist ja ein Rechtsland.

StS Seibert: Wie gesagt: Noch gibt es keine Abgabe. Es gibt eine grundsätzliche Entscheidung, zu einer solchen Abgabe bereit zu sein. Da das Bundesverteidigungsministerium das prüfende Haus ist, kann es dazu vielleicht etwas sagen.

Flosdorff: Es ist im Moment noch nicht einmal identifiziert, was genau in welchen Tranchen und in welchen zeitlichen Abfolgen geliefert werden wird, und deswegen kann ich Ihnen dazu überhaupt gar keine Angaben machen. Es werden allerdings derzeit keine Verkäufe geprüft.

Ich hatte in der vergangenen Bundespressekonferenz auch schon einmal gesagt: Leihgeschäfte als solche werden hier auch nicht geprüft. Derzeit sind wir in einer Phase, in der wir uns darüber klar werden, was wir in den Beständen haben, was dort gebraucht wird und was unsere Verbündeten zu liefern bereit sind. Dann wird man einen koordinierten Vorschlag machen.

Frage: Wissen Sie denn schon, in welchem Kreis diese endgültige Entscheidung getroffen werden wird? Wird das der gleiche Kreis wie am Mittwoch sein, oder wird er zum Beispiel um den CSU-Entwicklungshilfeminister Müller erweitert werden, damit auch der dritte Koalitionspartner an der Entscheidung beteiligt ist?

StS Seibert: Es gibt schon jetzt Gespräche zwischen den Spitzen der Koalitionsparteien. Wenn wir dann das Ende der Prüfung erreicht haben und wissen werden, was geliefert werden soll, dann wird natürlich auch unter Einbeziehung aller Koalitionsparteien diese politische Unterstützung dafür gegeben werden.

Zusatzfrage: Können Sie vielleicht noch einmal kurz erklären, warum zum Beispiel Herr Müller am Mittwoch nicht dabei war, der immerhin auch im Bundessicherheitsrat sitzt, also auch sonst mit, wie ich es einmal im weitesten Sinne nenne, Waffenexporten befasst ist?

StS Seibert: Wir haben das hier ja schon am Mittwoch besprochen: Es ging um eine Frage, die nicht mit der humanitären Hilfe zu tun hat, die Deutschland umfangreich leistet - übrigens ist auch heute wieder ein Flugzeug mit 60 Tonnen Lebensmitteln aus Leipzig in Richtung Nordirak gestartet; das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit engagiert sich dabei also in vollem Umfang -, sondern es ging um die konkrete Frage einer möglichen Abgabe von Rüstungsmaterial durch die Bundeswehr, einer sogenannten Länderabgabe. Im Übrigen habe ich gesagt, dass alle Koalitionsparteien darüber miteinander im Gespräch stehen.

Frage: Noch einmal zur Sicherheit, Herr Seibert und Herr Flosdorff: Ich hatte am Mittwoch nach dem Zusammenhang zwischen einer Länderabgabe und den Rüstungsexportrichtlinien gefragt. Da hieß es, das sei eine Länderabgabe und habe mit Rüstungsexporten nichts zu tun; so habe ich es zumindest verstanden. Habe ich es entweder falsch verstanden oder hat sich im Rahmen der Prüfung etwas geändert?

Herr Flosdorff, wissen Sie aus dem Kopf, ob alle anderen bisherigen Länderabgaben auch unter die Rüstungsexportrichtlinie gefallen sind? Ich habe jetzt keinen Fall vor Augen.

Flosdorff: Ich kann dazu sagen, dass das zwei unterschiedliche Kategorien sind. Das heißt aber nicht, dass das eine Restriktionen unterliegt und das andere keinen Restriktionen unterliegt. Selbstverständlich liegen dem Ganzen dieselben Grundsätze und Erwägungen zugrunde. Es sind aber zwei unterschiedliche Verfahren, die jetzt allerdings nicht originär - - - Wenn wir eine Länderabgabe machen, dann wird so etwas selbstverständlich auch mit dem Wirtschaftsministerium, das für den Rüstungsexport zuständig ist, und mit dem Auswärtigen Amt, das die sicherheitspolitischen Einschätzungen abgibt, abgestimmt. Das ist das normale Verfahren. Das sind zwei unterschiedliche juristische Verfahren, aber natürlich sind es dieselben Erwägungen und auch ähnliche Restriktionen, denen diese Verfahren unterliegen.

Zusatzfrage: Bei den Exportrichtlinien geht es ja auch um die Endverbleibskontrolle. Ist das dann etwas, das bei einer Länderabgabe auch geprüft werden muss? Mir geht es tatsächlich um das Verfahren. Welches Verfahren wird jetzt also im Kabinett und in der Bundesregierung angewendet?

Flosdorff: Grundsätzlich geht es bei einer Länderabgabe in Bezug auf Material, das in der Bundeswehr in Gebrauch ist, jetzt nicht irgendwie darum, dass man erlaubt, dass ein Rüstungsunternehmen etwas in ein anderes Land exportiert. Der Partner ist eine andere Regierung, und so wäre es in diesem Fall auch.

Frage: Herr Seibert, Sie haben gesagt, dass die Bundesregierung Waffenlieferungen im begrenzten Umfang prüfe. Ich wollte Sie fragen, ob Sie das etwas präzisieren können. Meinen Sie damit, dass es nur um kleinere Waffen geht?

Herr Flosdorff, wenn man Waffen an die Kurden liefert, bräuchten sie dann dafür eine Ausbildung? Wenn ja, würden deutsche Ausbilder nach Kurdistan geschickt?

StS Seibert: "Im begrenzten Umfang" bezieht sich nicht auf die Größe einzelner Waffensysteme, sondern auf die zu erwartende Menge dessen, was wir liefern werden. Ich bitte Sie, wie gesagt, die Prüfung abzuwarten und das, was wir im Laufe der nächsten Woche an Informationen dazu konkreter und präziser herausgeben können.

Flosdorff: Ich hatte in der vergangenen Bundespressekonferenz schon einmal erläutert, dass es unterschiedliche Waffensysteme gibt. Da wir jetzt in der Situation sind, dass wir noch gar nicht über ein konkretes Waffensystem sprechen können, das geliefert wird, fällt es mir schwer, jetzt zu beurteilen, wie viel Einweisungs- und Ausbildungsbedarf es dort gibt. Natürlich wird dieses Problem, diese Herausforderung gesehen. Man wird sicherlich nicht Waffensysteme dorthin schicken, die nicht benutzt werden können. Man macht sich darüber Gedanken, wie das gelöst werden kann. Ich hatte bereits am Mittwoch hier schon gesagt, dass wir darüber nachdenken, wie eine solche Ausbildung logistisch organisiert werden könnte. Solche Überlegungen sind aber nicht abgeschlossen.

Ich hatte auch gesagt, dass das im Kontext der internationalen Abstimmung mit den Partnern und Verbündeten zu sehen ist, die auch selber Waffensysteme liefern. Man muss schauen, wo sinnvollerweise eine Einweisung oder eine Ausbildung zu leisten ist, wenn sie notwendig ist. Das wird dann entschieden, wenn wir erst einmal so weit sind. Das wäre hier aber der vierte oder fünfte Schritt vor dem ersten.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Ewert. Ihr Minister ist im Moment mit massivem Widerstand gegen sein Lieblingsprojekt, die Pkw-Maut, konfrontiert. Unter anderem beschäftigt das im Moment die CDU in NRW massiv. Herr Laschet hat jüngst in einem Interview gesagt, dass das Eintrittsgeld für EU-Ausländer sei und dass es auch so nicht im Koalitionsvertrag stehen würde, dass die Pkw-Maut für alle Straßen gelte, sondern wenn überhaupt, dann auf Autobahnen. Was sagt Ihr Minister zu den Forderungen von Herrn Laschet?

Ewert: Zu dem Gesamtprojekt Pkw-Maut ist zunächst einmal zu sagen - das hat auch der Minister immer wieder betont -: Warten wir erst einmal die Einbringung des Gesetzgebungsvorhabens ins Kabinett und dann in den Bundestag ab und dann gehen die Verhandlungen weiter. Alles andere wird man dann sehen. Es gibt keinen neuen Stand. Es gab auch Stimmen aus Bayern zu dieser Sache. Auch dort hat man sich mit guten Argumenten darauf verständigt, die Diskussionen dort zu führen, wo sie hingehören, nämlich im Parlament und in den Ausschüssen. So gehen wir diese Sache auch weiterhin an.

Zusatzfrage: Stört den Minister denn, dass jetzt so massiv Kritik aus NRW geäußert wird und dass auch NRW-Landtagsabgeordnete einen offenen Brief an die CDU-Landesgruppe im Bundestag geschrieben haben?

Ewert: Wie gesagt, das ist ein normales Gesetzgebungsvorhaben. Dass es immer wieder unterschiedliche Stimmen von allen, die sich aufgerufen fühlen, gibt, ist eigentlich normal. Insofern wird das alles im künftigen Verfahren und in den künftigen Diskussionen berücksichtigt werden.

Zusatzfrage: Irritiert es Sie nicht, wenn die größte CDU-Landesgruppe im Bundestag möglicherweise Ihrem Minister dann die Gefolgschaft verweigert? Herr Laschet ist immerhin Präsidiumsmitglied und Chef der NRW-CDU.

Ewert: Es ist hier nicht meine Aufgabe, über ein mögliches Abstimmungsverhalten einzelner Landesgruppen, einzelner Abgeordneter zu urteilen. Ich kann nur sagen: Der Entwurf des Gesetzes geht dann dem Bundestag zu, wenn ihn das Kabinett beschlossen hat und dann geht der ganz normale Gesetzgebungsprozess voran. Auch daran können sich gerne alle beteiligen, die sich aufgerufen fühlen. Alles Weitere ist zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation.

Frage: Wann liegt der Entwurf vermutlich vor?

Zweitens noch einmal konkret nachgefragt: Ist es für Ihren Minister ein Thema, für diese grenznahen Regionen irgendwelche Ausnahmen zu schaffen oder ist das kein Thema und es bleibt bei diesen Eckwerten?

Ewert: Der Gesetzentwurf kommt in diesem Jahr ins Kabinett. Was den kleinen Grenzverkehr angeht, bitte ich Sie einfach, die Äußerungen, die der Minister in der jüngsten Vergangenheit in verschiedenen Interviews gemacht hat, noch einmal nachzulesen. Er sieht keinen Anlass dafür, beim kleinen Grenzverkehr Änderungen vorzunehmen. Das ist gut von ihm begründet, argumentiert und nachzulesen. Ich bitte Sie einfach, noch einmal nachzuschauen, was er dazu gesagt hat.

Zusatzfrage: Es gibt ein CSU-Mitglied, das sich zu Wort gemeldet und gesagt hat, der Minister habe überhaupt keine Ahnung, was im Grenzgebiet los sei. Deswegen meine konkrete Frage: Hat sich Ihr Minister schon einmal im Grenzgebiet informiert?

Ewert: Der Minister kennt natürlich die Grenzgebiete des Freistaats Bayern und in der restlichen Bundesrepublik Deutschland sehr gut. Er kennt die Situation dort und hat sich neulich auch mit dem bayerischen Staatsminister für Verkehr, Herrn Herrmann, ausgetauscht. Beide haben auch diese Fragen des Grenzverkehrs diskutiert. Im Übrigen grenzt sein eigener Bundestagswahlkreis unmittelbar an das Ausland. Ihm ist die Sache also schon sehr wohl bewusst.

Zusatzfrage: Wenn ihm die Situation bewusst ist und er nicht daran denkt, etwas zu ändern, ist das im Grunde genommen eine Geisterdebatte; so muss man das ja verstehen. Er kennt die Situation, sagt aber, dass es so bleibt, wie es ist. Das ist also im Grunde genommen eine Geisterdebatte, die geführt wird - sei es von Herrn Laschet oder von diesem "Tourismusmenschen" aus Bad Reichenhall.

Ewert: Die ganzen Debatten um die Maut werden letzten Endes mit einem Beschluss des Deutschen Bundestages beendet, wenn nämlich das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist. Bis dahin sind Wortbeiträge immer zu erwarten. Die Haltung unseres Hauses und des Ministers ist aber sehr klar in dieser Hinsicht.

Frage: Frau Alemany, eine Frage zum Verkauf der RWE Dea AG an das Konsortium Letter One, also nach Russland. Gibt es dazu eine Stellungnahme? Wie begründen Sie die Genehmigung vor dem Hintergrund der laufenden Sanktionen gegen Russland?

Alemany: Zunächst einmal kann ich diese Unbedenklichkeitsbescheinigung bestätigen. Wir haben den Erwerb der RWE Dea durch das Unternehmen Letter One intensiv geprüft, keine Einwände erhoben und demnach die Unbedenklichkeitserklärung abgegeben.

Ausschlaggebend für das Ergebnis der Prüfung war, dass es sich bei Letter One um einen Unions-, also einen EU-ansässigen Investor handelt und es auch keine Anhaltspunkte für irgendeine missbräuchliche Umgehung gibt. Im Übrigen erwarten wir durch das Erwerbsvorhaben keine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit für Deutschland.

Frage: Frau Alemany, vielleicht auch an Sie, Herr Seibert, ist es denn kein Widerspruch, einerseits EU-Sanktionen zu verhängen, die zum Beispiel den russischen Erdölsektor treffen sollen, und dann gleich ein ganzes Erdöl- und Gasexplorationsunternehmen an einen russischen Investor zu verkaufen?

Alemany: Wie Sie schon sagen, handelt es sich bei RWE um ein Unternehmen, das exploriert, produziert und auch einen Gasspeicher betreibt. Aber der Anteil des Gasspeichers liegt im einstelligen Prozentbereich, ist also ein sehr geringer Anteil.

StS Seibert: Ich habe dem nichts hinzuzufügen, was das Bundeswirtschaftsministerium zu seiner Prüfung und den Ergebnissen der Prüfung sagt.

Frage: Ich wollte die Frage vorhin nicht stellen, als wir über die Waffenlieferungen gesprochen haben, weil das ein bisschen vom Thema abweicht. Wir haben vor einigen Monaten regelmäßige Updates über die Anzahl der vermuteten deutschen Kämpfer bei diesen islamistischen Gruppen in Syrien und im Irak bekommen. Gibt es eine neue Zahl?

Dimroth: Ob es eine neue Zahl gibt, kommt ein bisschen darauf an, welche alte Zahl Sie im Kopf haben. Wir gehen nach wie vor von ca. 400 Personen aus.

Zusatzfrage: Die derzeit da sind?

Dimroth: Die ausgereist sind.

Zusatzfrage: Wie viele sind Ihrer Meinung nach inzwischen zurückgekommen?

Dimroth: Gut ein Drittel der genannten Personenzahl ist nach unseren Erkenntnissen wieder nach Deutschland eingereist.

Zusatz: Von den 400 Personen sind also etwa 133 wieder zurück?

Dimroth: Über 100 Personen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 22. August 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/08/2014-08-22-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2014