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PRESSEKONFERENZ/770: Regierungspressekonferenz vom 31. März 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 31. März 2014
Regierungspressekonferenz vom 31. März 2014

Themen: 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes, Weltklimabericht, Verkauf der RWE-Tochter an russischen Investor, Entsendung von Flugzeugen in das Baltikum, Lage in der Ukraine, EU-Afrika-Gipfel, Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, Finanzhilfen für Griechenland, Internierungslager für illegale Einwanderer in Griechenland, Zinspolitik der EZB, Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem chinesischen Staatspräsidenten, Kommunalwahlen in der Türkei, Sozialmissbrauch bei Zuwanderern

Sprecher: StS Seibert, Girndt (BMEL), Schroeren (BMUB), Dünow (BMWi), Kothé (BMF), Flosdorff (BMVg), Schäfer (AA), Diroll (BMZ), Müller-Niese (BMI), Westhoff (BMAS)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Girndt: Am 1. April, also morgen, wird die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes in Kraft treten. Sie erinnern sich möglicherweise aus der vergangenen Legislaturperiode an das Verfahren. Es geht um die Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung, und zwar wird mit den neuen Regelungen ein völlig neues System zur flächendeckenden Minimierung des Antibiotikaeinsatzes eingeführt. Das betrifft Betriebe, die Rinder, Schweine, Hühner und Puten zur Mast halten. Die neuen Regelungen verpflichten die Tierhalter dazu, alle sechs Monate der zuständigen Landesbehörde zu melden, welche Antibiotika sie in diesem Zeitraum angewendet haben, in welchen Mengen und bei welcher Anzahl von Tieren. Das ist schon ein kleiner Meilenstein; denn wir haben festgestellt, dass die Resistenzen gegen Antibiotika in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Dieser Entwicklung müssen wir mit entschiedenen Maßnahmen begegnen, und das wird jetzt eben mit dieser Gesetzesänderung passieren.

Das wirksamste Mittel gegen die Entwicklung von Resistenzen ist die Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes. Deswegen hat Bundesminister Schmidt heute Morgen auch dazu gesagt "Alle Beteiligten sind gefordert, einen Beitrag zu leisten", also sowohl in der Tier- als auch in der Humanmedizin. Er setzt darauf, dass wir mit engagierten Landwirten, mit den Tierärzten und mit den Überwachungsbehörden erreichen können, dass uns auch in Zukunft noch wirksame Medikamente gegen gefährliche Infektionskrankheiten zur Verfügung stehen.

Konkret wird das folgendermaßen funktionieren: Die Betriebe müssen die Angaben alle sechs Monate gegenüber der zuständigen Veterinärbehörde machen. Daraus ermittelt die Behörde eine betriebliche Therapiehäufigkeit. Dann werden für die Betriebe, die deutlich über dem Schnitt liegen, konkrete Maßnahmen angeordnet. Insofern gehen wir davon aus, dass der Einsatz im Laufe der Zeit insgesamt sinken wird. Bei der nächsten halbjährlichen Prüfung werden dann diejenigen, die immer noch darüber liegen, erneut Maßnahmen angeordnet bekommen. Dafür sind auch diverse Sanktionsmaßnahmen geplant. Wir werden dazu heute noch eine Pressemitteilung herausgeben, der Sie das entnehmen können.

Frage: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium, was den Weltklimabericht angeht. Frau Hendricks hat ja noch einmal die Absicht bekräftigt, dass recht bald ein Sofortprogramm vorgelegt werden solle. Können Sie das noch einmal konkretisieren? Wie soll dieses Sofortprogramm aussehen, Herr Schroeren?

Schroeren: Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, vielleicht zuerst einmal noch ein paar grundsätzliche Dinge dazu zu sagen: Der neue Bericht des Weltklimarats IPCC zeigt die tiefgreifenden Folgen des Klimawandels für Mensch und Natur. Er unterstreicht ein weiteres Mal die Notwendigkeit, rasch und entschlossen dagegen vorzugehen. Klimawandel findet jeden Tag statt. Die Menschheit muss sich an den bereits eingetretenen Klimawandel anpassen. Die Wissenschaftler sagen uns, dass dies zunehmend schwieriger wird, je länger wir zögern. Deshalb müssen wir beides tun: Wir müssen gegen den Klimawandel vorgehen und versuchen, ihn so zu begrenzen, dass die Erderwärmung um nicht mehr als 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigt. Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir uns auf die Folgen des unvermeidbaren und bereits im Gange befindlichen Klimawandels einstellen.

Eines ist wichtig: Anpassungsmaßnahmen ersetzen den Kampf gegen den Klimawandel nicht, und sie sind auch nicht preiswerter als Maßnahmen gegen den Klimawandel zu haben. Sie wissen, dass sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, am deutschen Ziel einer CO2-Reduzierung um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 festzuhalten, und dass sie im Lichte der Klimakonferenz in Paris im nächsten Jahr weitere Maßnahmen umsetzen und sich weitere Ziele setzen will, die dazu führen, dass wir unseren CO2-Ausstoß bis zur Mitte dieses Jahrhunderts um 85 bis 90 Prozent gegenüber 1990 senken.

Wir wissen darüber hinaus, dass wir das 40-Prozent-Ziel bis 2020 nur erreichen werden, wenn wir mehr als das tun, was bereits in die Wege geleitet worden ist. Die Ministerin hat mehrfach darauf hingewiesen, dass wir mit den jetzt beschlossenen und eingeleiteten Maßnahmen auf eine Reduzierung von 33 bis 35 Prozent kommen. Wir haben also eine Lücke von 5 bis 7 Prozentpunkten. Die gilt es zu schließen. Sie hat davon gesprochen, dass wir dafür ein Sofortprogramm brauchen, das in der Lage ist, bis 2020 zu wirken. Sie hat darüber hinaus angekündigt, dass sie diesen Prozess der Erstellung eines Sofortprogramms in den nächsten Tagen einleiten wird. Um ein solches Sofortprogramm zu bekommen, bedarf es sehr intensiver Gespräche innerhalb der Bundesregierung. Es bedarf Abstimmungen. Es bedarf der Identifizierung von Handlungsfeldern und von Vorgaben, und es muss ein Prozess der Überprüfbarkeit hergestellt werden. Dies alles wird in Kürze, wie die Ministerin heute gesagt hat, in die Wege geleitet werden.

Zusatzfrage: Kann man dazu noch nicht Konkreteres sagen?

Schroeren: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage an Herrn Seibert. Frau Merkel hatte ja einmal den Beinamen "Klimakanzlerin". Wie hat sie denn auf den Bericht reagiert? Will sie wieder ein bisschen mehr in diese Richtung tun, um auch wieder als Klimakanzlerin wahrgenommen zu werden?

StS Seibert: Es geht nicht so sehr um die Wahrnehmung oder um ein Etikett, sondern es geht darum, dass für die Bundesregierung - in diesem Zusammenhang hat das Bundesumweltministerium ja gerade wirklich alles Wichtige gesagt - die Bekämpfung des Klimawandels oder das Eindämmen des Klimawandels - so kann man es ja vielleicht nur nennen - eine ganz überragend wichtige Aufgabe ist, im Übrigen auch eine gesamtgesellschaftlich zentrale Herausforderung. Es gibt zahlreiche Maßnahmen des Bundesumweltministeriums und des Bundesforschungsministeriums - weitere werden angekündigt -, um wirklich ambitionierten Klimaschutz zu verwirklichen, das weltweite Klimaschutzabkommen voranzubringen und den weltweiten Temperaturanstieg zu bremsen. Die Bundeskanzlerin steht hinter diesen Zielen, wie sie ja auch im Koalitionsvertrag verankert sind, und sie wird das natürlich auch weiterhin in aller Öffentlichkeit deutlich machen.

Frage: Herr Schroeren, vielleicht können Sie doch noch einmal ein bisschen auf das schauen, was da kommen wird. Eine Möglichkeit, CO2 einzusparen, wäre ja, etwas bei der Gebäudesanierung zu tun. Frau Hendricks hatte das heute Morgen im "Deutschlandfunk", glaube ich, auch angedeutet. Dort hat sie, glaube ich, von Pullovern und davon gesprochen, dass man ein bisschen weniger heizen könnte. Könnten dabei Gespräche mit den Ländern darüber, noch einmal an das Thema der energetischen Gebäudesanierung heranzugehen, eine Rolle spielen?

Die zweite Frage: Haben Sie in dem Bericht auch etwas gefunden, von dem Sie sagen, dass es eine gute Entwicklung ist?

Schroeren: Vielleicht zuerst zu Letzterem: Ich persönlich habe den Bericht noch nicht in voller Länge zur Kenntnis nehmen können und sehe mich deswegen auch nicht in der Lage, zu sagen, was im Einzelnen darin steht. Aber die Tendenz ist eindeutig, und die Warnsignale sind das, was im Moment auch wichtig ist, weil sie die Dringlichkeit des Handelns unterstreichen.

Natürlich spielt die Gebäudesanierung eine große Rolle im Kampf gegen CO2-Emissionen. Das ist noch eine große Aufgabe. Sie wissen, dass es dafür das Programm der Gebäudesanierung gibt. Das werden wir im Laufe dieser Legislaturperiode weiter umsetzen.

Frage: Herr Seibert, ist für die Bundesregierung entscheidend, dass es morgen bei dem Spitzentreffen der Ministerpräsidenten, der Kanzlerin und des Vizekanzlers zu einer gemeinsamen Verständigung in allen Fragen kommt? Würde es die Planung nicht wesentlich durcheinanderbringen, wenn einzelne Fragen nach dem für morgen geplanten Gespräch noch offen bleiben würden?

StS Seibert: Zunächst einmal war es der allgemeine Wunsch - im Dezember hat man sich so verständigt -, dass die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten noch vor der Befassung des Kabinetts mit der EEG-Reform noch einmal zusammenkommen sollen. Das wird morgen geschehen. Ich denke, man kann nicht erwarten, dass dabei schon alle Schwierigkeiten ausgeräumt und alle unterschiedlichen Einschätzungen überwunden werden. Aber das wird ein weiterer Schritt auf dem Weg dazu sein, dass Bund und Ländern gemeinsam die Energiewende voranbringen.

Zusatzfrage: Es gibt ja einzelne, unterschiedlich ausfallende Wünsche von Ministerpräsidenten. Ist das Grundverständnis für dieses morgige Treffen so, dass derjenige, der Änderungen an dem Gesetzentwurf durchsetzen will, die sozusagen finanzielle Folgen hätten, dann auch jeweils einen Gegenfinanzierungsvorschlag einbringen muss, oder kann man sich das so vorstellen, dass dabei Wünsche aufgenommen werden, dass das eine oder andere durchgesetzt wird und dass Herr Gabriel dann schauen muss, wie er das in ein Finanztableau eingruppieren kann?

StS Seibert: Ich möchte hier jetzt nicht weiter in die Details des morgigen Gesprächs gehen. Ich fände es auch nicht richtig, dass jetzt von dieser Stelle aus mit Erwartungen und Forderungen zu belasten. Ich habe gesagt: Das ist ein wichtiges Gespräch, weil wir von vorneherein gesagt haben, dass es Länder und Bund gemeinsam sein müssen, die die Energiewende voranbringen werden. Dem dient diese Runde, die ja auch im allgemeinen Einverständnis zu Stande gekommen ist, noch genau in dieser Woche. Vielleicht kann oder möchte Herr Dünow noch Weiteres dazu sagen. Es wird am Ende eine gemeinsame Pressekonferenz geben; auf die kann ich Sie schon verweisen.

Dünow: Ich habe dem im Kern nicht mehr furchtbar viel hinzuzufügen. Beispielsweise die Einlassungen einzelner Ministerpräsidenten sind weder neu noch überraschend. Das wird sich in den nächsten Tagen sicherlich alles klären lassen.

Zusatzfrage: Herr Dünow, können Sie etwas dazu sagen, was die Haltung des Bundeswirtschaftsministers zum Wunsch nach einer Gegenfinanzierung für Änderungsvorschläge ist? Erwartet er von den einzelnen Ministerpräsidenten konkrete Gegenfinanzierungsvorschläge, wenn sie den einen oder anderen Punkt verändern wollen?

Dünow: Der Bundeswirtschaftsminister hat in den vergangenen Wochen ja gelegentlich darauf hingewiesen, dass die Summe der Partikularinteressen nicht zwingend das Gemeinwohl in der Energiewende ausmacht. Ansonsten kann ich mich dem anschließen, was der Regierungssprecher gesagt hat: Warten wir das Gespräch morgen einmal ab!

Frage: Herr Seibert, gibt es denn bei den Gesprächen eine Agenda mit einem bestimmten Schwerpunkt, die auf jeden Fall zum Abschluss gebracht werden sollen? Einiges kann ja noch nicht geregelt werden, auch mit Blick auf Brüssel; da stehen ja noch Entscheidungen aus.

Sie hatten die PK angedeutet. Können Sie uns schon eine Uhrzeit nennen, zu der das stattfinden wird?

StS Seibert: Nein, das kann ich nicht. Aber Sie werden rechtzeitig benachrichtigt werden, damit Sie es dann auch in den Saal schaffen.

In Sachen Brüssel ist ja bekannt, dass es im Beihilfestreit mit der Europäischen Kommission noch keine Einigung gibt. Die Bundesregierung zieht dabei an einem Strang, vertritt die gleichen Überzeugungen und wird sie auch weiterhin vertreten. Ansonsten ist bekannt, dass es bei dem morgigen Treffen natürlich ganz wesentlich um die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gehen wird.

Frage : Herr Dünow, Ihr Minister hat sich vor einer Woche in seiner Eigenschaft als SPD-Vorsitzender dafür starkgemacht, dass die Eigenstromproduktion der Industrie weiterhin von der EEG-Umlage befreit sein soll. Er hat dann angekündigt, er werde das in das Kabinett einbringen, weil es ja bereits einen Kabinettsbeschluss dazu gebe. Meine Frage: Kann Ihr Minister morgen Vollzug melden? Hat er das in das Kabinett eingebracht? Hat man ihm grünes Licht dafür gegeben, dass er diesen Punkt korrigieren kann, wie er vor einer Woche - wie gesagt: mit dem Hut des SPD-Vorsitzenden auf - angekündigt hat?

Dünow: Die Eckpunkte des EEG sind, wie Sie wissen, in Meseberg beschlossen worden. Der Gesetzentwurf selbst ist noch nicht im Kabinett gewesen. Der ist auf dem Weg in das Kabinett. Der Ressortabstimmung kann ich hier naturgemäß nicht vorgreifen.

Zusatzfrage : Kann er morgen Vollzug melden oder nicht? Er hat das ja einer Gruppe von Ministerpräsidenten zugesagt.

Dünow: Wenn ich die öffentlichen Äußerungen von Ministerpräsidenten - übrigens völlig unabhängig von der Parteizugehörigkeit - richtig interpretiere, dann scheint der Vorschlag, den der SPD-Vorsitzende am vergangenen Montag präsentiert hat, jedenfalls nicht auf gravierenden Widerspruch getroffen zu sein. Aber, wie gesagt, die Ressortabstimmung dazu wird erst eingeleitet.

Frage: Frau Kothé, weshalb ist der Finanzminister eigentlich gegen die Absenkung der Stromsteuer - so strikt und so massiv, dass in dieser Legislaturperiode offenbar gar keine Verhandlung darüber lohnenswert erscheint?

Kothé: Die Haltung ist unverändert. Wir sehen dazu keinen Anlass. Sie kennen die Finanzplanung des Bundes. Solche Spielräume gibt es aus unserer Sicht nicht.

Zusatzfrage: Die Frage war, wieso er gegen die Absenkung der Stromsteuer ist.

Kothé: Ich habe Ihnen gesagt, was ich dazu sagen möchte.

Frage: Meine Frage hat indirekt noch mit dem Thema Energie zu tun. Herr Seibert, ich habe eine Frage zum Verkauf der RWE-Tochter an einen russischen Investor. Wie verträgt sich eigentlich die Zustimmung der Bundesregierung zu diesem Deal mit dem erklärten Ziel der Kanzlerin, die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern?

StS Seibert: Ich glaube, dazu ist hier in der letzten Woche, auch vom Bundeswirtschaftsministerium, das dafür zuständig ist, alles gesagt worden. Das erklärte Ziel der Bundesregierung beziehungsweise der Bundeskanzlerin, die Energiequellen zu diversifizieren, ist natürlich in Deutschland längst Realität und kann immer noch weiter geführt werden; das ist ganz klar. Aber vom Bundeswirtschaftsministerium ist kein Grund gesehen worden, hier einzugreifen. Das ist begründet worden. Deswegen dürfen Sie diese beiden Dinge auch nicht zusammenbringen.

Frage: Ich habe eine Frage zu dem "SPIEGEL ONLINE"-Bericht vom Wochenende, wonach die Bundeswehr sechs Flugzeuge in das Baltikum schicken möchte. Können Sie das bestätigen? Ist das im Rahmen der Nato? Können Sie mehr dazu sagen?

Flosdorff: Es gibt regelmäßige Routinemanöver der Nato. Dazu gehört auch Air Policing über den baltischen Staaten, die das ja nicht selber wahrnehmen, rotierend seit vielen Jahren. Auch Deutschland prüft, welche Möglichkeiten es in diesem Rahmen einbringen kann. Wie viele Maschinen das wären und für welche Zeiträume das angeboten würde, steht unter dem Vorbehalt politischer Entscheidungen, aber auch der Planungen der Nato in Brüssel.

Zusatzfrage: Hängt das mit der Krise in der Ukraine zusammen?

Flosdorff: Das ist unabhängig von der Krise in der Ukraine, und zwar seit vielen Jahren. Deutschland hat in den letzten zehn Jahren dort schon mehrfach Maschinen gestellt. Dem wird in der Öffentlichkeit im Lichte der aktuellen politischen Geschehnisse eine andere politische Bedeutung beigemessen. Das haben wir immer wieder gemerkt, auch in der letzten Woche. Aber das wird beschlossen.

Dies fußt übrigens auf einem Beschluss des Nato-Rates von der vorvergangenen Woche. Damals hat man beschlossen, dass man das Air Policing noch weiter verdichten möchte. Es handelt sich ja nicht um eine neue Qualität oder um irgendeine Eskalationsstufe. Vielmehr handelt es sich einfach darum, dass man am östlichen Rand der Nato Präsenz zeigt und dass die Bundeswehr natürlich auch ihre Möglichkeiten prüft und mithelfen kann, wenn der Bedarf dort ist und wenn das angemessen erscheint.

Schäfer: Ich möchte nur ergänzen, dass morgen, wie viele von Ihnen schon wissen dürften, der Außenministerrat der Nato auch zu dieser Frage zusammenkommen wird. Fragen in diesem Zusammenhang können am besten von Ihren Kollegen oder auch von Ihnen, wenn Sie selbst in Brüssel sind, gestellt werden.

Frage: Herr Dünow, hat eigentlich der SPD-Vorsitzende oder der Vizekanzler die Verteidigungsministerin vor wenigen Tagen wegen ihrer vorbeugend geäußerten Aussagen kritisiert, was die Unterstützung im Luftraum angeht? Das ist mir nicht mehr ganz klar.

Dünow: Ob er Sie kritisiert hat, das überlasse ich Ihrer Bewertung. Das Pressestatement, auf das Sie möglicherweise anspielen, fand in den Räumlichkeiten des Willy-Brandt-Hauses statt. Daraus können Sie schließen: Es war der SPD-Vorsitzende.

Frage : Herr Flosdorff, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage betrifft den Entscheidungsprozess. Sie haben gesagt, das stehe unter dem Vorbehalt einer politischen Entscheidung. Müsste der Bundestag darüber abstimmen, oder gibt es schon einen Beschluss, was das Air Policing generell angeht?

Flosdorff: Nein, das ist dafür nicht notwendig. Es handelt sich ja um ganz normale Bündnisverpflichtungen, die im Rahmen der Nato seit vielen Jahren ausgeübt werden, und zwar über Nato-Gebiet; das möchte ich an dieser Stelle betonen.

Zusatzfrage : Die zweite Frage betrifft die gegebenenfalls einzusetzenden Maschinen. Es war zu lesen, dass es sich dabei um Eurofighter handelt. Wie sind die eigentlich bewaffnet?

Flosdorff: Zu irgendwelchen möglichen Bewaffnungen möchte ich keine Angabe machen. Aber es ist nicht das Ziel, auf Feinde einzuwirken, sondern es geht um das Air Policing. Das muss man sich wie Patrouillen vorstellen, die am Boden längs der Grenze stattfinden. Da wird einfach der Luftraum überwacht. Er wird dort abgeschritten in der Kadenz. Es sind ständig mehrere Flugzeuge in der Luft oder am Boden in Alarmbereitschaft. Das findet übrigens nicht nur an der Ostgrenze der Nato statt, sondern ständig über allen Nato-Staaten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Außenministerium. Ich habe letzte Woche etwas zum Air Policing gefragt. Da meinten Sie, der Schichtwechsel wäre irgendwann später. Damals haben Sie noch gar nichts von dem jetzt anstehenden Schichtwechsel gewusst. Was hat sich denn seit letzter Woche verändert?

Schäfer: Herr Flosdorff hat gerade schon dargestellt, wie die Sachlage ist. Seitdem die drei baltischen Staaten Mitglied im Bündnis der Nato sind, gibt es Air Policing. Die drei baltischen Staaten verfügen nicht über die Fähigkeiten der Luftwaffe, wie sie im gesamten Nato-Bündnisgebiet vorliegen. Deshalb haben die drei Staaten seit ihrem Beitritt die Nato darum gebeten, ihnen dabei behilflich zu sein, die von Herrn Flosdorff ausgeführten Routinemaßnahmen, Patrouillemaßnahmen durchzuführen. Das geschieht seit vielen Jahren und im Schichtwechsel. Herr Flosdorff, Sie wissen das vielleicht besser. Bis vor wenigen Monaten, zumindest bis Mitte des letzten Jahres, war auch die Luftwaffe an diesen im Schichtwechsel stattfindenden Air-Policing-Maßnahmen beteiligt. Der Schichtwechsel ist abgeschlossen. Es war geplant, dass die Bundeswehr irgendwann in einigen Jahren wieder im üblichen Rahmen einsteigt. Nun besteht die Möglichkeit, die morgen sicherlich auch beraten werden wird, dass Deutschland, dass die Bundesregierung anbieten könnte, sich eher in diesen Schichtwechsel einzuklicken, als dies bisher geplant gewesen ist.

Zusatzfrage: Wird es jetzt, politisch gesehen, einen neuen Schichtplan geben? Legt die Politik einen neuen Schichtplan fest?

Schäfer: Nein. Bei den öffentlichen Äußerungen am Wochenende sollte Ihnen oder auch einigen anderen deutlich gemacht werden - so hoffe ich jedenfalls -, worum es geht. Es geht darum, angesichts der aktuellen Lage, die natürlich auch mit der Ukraine und mit der Krim zu tun hat, unseren Bündnispartnern in der Nato deutlich zu machen, dass wir zu unseren Verpflichtungen im Bündnis stehen. Es gilt das Prinzip der Bündnissolidarität. Es geht darum, unseren Partnern im Osten deutlich zu machen, dass die Solidarität im Bündnis steht. Deshalb überlegen wir zurzeit gemeinsam Maßnahmen, in welcher Weise das geeignet zum Ausdruck gebracht werden kann.

Zusatzfrage: Apropos Solidarität: In Bezug auf die Patriot-Raketen in der Türkei ist das schon praktizierte Solidarität. Da gibt es jetzt ein Gespräch vom Außenministerium in der Türkei, in dem über einen fingierten Angriff auf Syrien gesprochen wird. Wie bewertet die Bundesregierung das?

Schäfer: Darüber haben wir schon am Freitag gesprochen. Zu dieser Frage habe ich selbst Stellung genommen. Ich glaube, darüber hinaus gibt es nichts zu ergänzen.

Frage KrausS Ich habe drei Fragen: Erstens. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung insgesamt dem Reassurance-Programm bei, das die Nato in die Wege leiten möchte?

Die zweite Frage bezieht sich auf die Eurofighter. Wenn ich richtig informiert bin, waren bisher nur AWACS-Flugzeuge im Rahmen des Air Policings eingesetzt. Ist das eine neue Maßnahme, und was genau wird deren Aufgabe sein?

Die dritte Frage: Es gibt routinemäßig Nato-Manöver, an denen sich auch die Bundeswehr immer wieder beteiligt. Herr Flosdorff, könnten Sie uns erklären, was da in nächster Zeit sowieso geplant ist und ob man darüber nachdenkt, sie im osteuropäischen Raum vielleicht etwas größer ausfallen zu lassen, als es ursprünglich geplant war?

Schäfer: Ich beginne mit der ersten Frage und übergebe dann an Herrn Flosdorff. - "Reassurance" heißt ins Deutsche übersetzt Beruhigung. Das sollte der Kern meiner Antwort auf die Frage von Herrn Jung sein. Es geht in der Tat um Beruhigung. Es geht darum, zum Ausdruck zu bringen, dass auch Deutschland - wie alle anderen Bündnispartner in der Nato - zu seinen Verpflichtungen im Nato-Bündnis steht. Deshalb ist Reassurance ein ganz wichtiger Aspekt.

StS Seibert: Ich bin zwar nicht gefragt worden. Aber vielleicht darf auch ich ganz kurz etwas zum Stichwort "Reassurance" sagen. - Es ist doch ganz verständlich, dass die Ukraine und auch Nato-Mitgliedstaaten angesichts der Tatsache, dass Zehntausende von russischen Truppen entlang der ukrainischen Grenze massiert zusammengezogen wurden, Zweifel an den russischen Absichten haben. Am Wochenende ist von, ich glaube, Außenminister Kerry gefordert worden - dem kann sich die Bundesregierung nur anschließen -, Russland könnte ein erstes Zeichen der Deeskalation setzen, indem es diese Truppen wieder abzieht. Auch das würde zu Reassurance beitragen.

Flosdorff: Es geht um die Frage der Maschinen. Man muss zwei Sachen auseinanderhalten: Das eine ist das Air Policing über den baltischen Staaten. Wir sind das letzte Mal Januar, April 2012 dran gewesen. Damals waren das Phantom-Flugzeuge, die dort sind. Es ist aber den Mitgliedstaaten selbst vorbehalten, welche Maschinen sie einsetzen.

Das andere sind die AWACS-Flüge. Die finden in erster Linie nicht über den baltischen Staaten statt, sondern zum Beispiel über Rumänien, wo man auch aufklärt. Das ist jetzt aber nichts richtig Neues. Das findet schon seit etwa zehn Tagen verstärkt statt. Darüber ist ja auch berichtet worden.

Zu den ständigen Manövern, also zu dem, was jetzt auch in der Berichterstattung war: Es gibt außerdem ständig vier Nato-Marineverbände. Einer dieser Nato-Marineverbände steht in der Ostsee. Das ist ständig so; das ist jetzt auch nicht neu. Dabei handelt es sich um Minenräumerverbände, die im Augenblick nicht aktiv sind. Man denkt daran, sie wieder zu reaktivieren. Im Moment steht infrage, wer da ein Führungsschiff stellen kann. Auch Deutschland prüft im Moment die Möglichkeiten, ob man da etwas anbieten kann und möchte. Sicherlich gibt es aber auch andere Länder, die da gefragt werden und auch etwas anbieten könnten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt: Am Wochenende sah es ja kurzzeitig so aus, dass es eine gewisse Entspannung der ganzen Krise geben könnte. Putin hatte sich beim amerikanischen Präsidenten gemeldet. Es gab ja auch das Treffen der Außenminister. Wie bewertet die Bundesregierung die derzeitige Lage in der Ukraine nach diesem Wochenende? Sieht man da auch eine gewisse Entspannung oder ein gewisses Entgegenkommen seitens Russlands, oder sehen Sie die Lage unverändert kritisch oder angespannt?

Schäfer: Zunächst einmal bleibt es bei unserem Ziel, alles zu tun, um eine weitere Eskalation der Krise zu vermeiden. Das gilt auch ausdrücklich für eine militärische Eskalation einer solchen Krise. Deshalb vernehmen wir mit einiger Zufriedenheit, dass auch ukrainische Quellen nach Agenturen melden, dass russische Kräfte begonnen hätten, sich von der Grenze zur Ukraine zurückzuziehen. Das wäre genau das Signal, von dem Herr Seibert gerade gesprochen hat. Das muss man natürlich prüfen, und dann werden wir schauen.

Immerhin ist es seit dem vorvergangenen Freitag, abends um 20 Uhr, als es gelungen war, sich auf die Modalitäten einer OSZE-Beobachtermission zu einigen - heute genau vor zehn Tagen -, nicht mehr zu einer weiteren politischen Eskalation der Lage gekommen. Wir sind noch nicht über den Berg, sondern es gibt noch furchtbar viele Fragen, die offen im Raum stehen. Auch das, was der russische Außenminister gestern an Forderungen an eine zukünftige innere Architektur der Ukraine gestellt hat, sind schwere Brocken, die man erst einmal verdauen muss. Denn ist es völlig klar, dass weder westliche noch östliche Nachbarländer der Ukraine bestimmen können, in welcher Weise die innere Verfasstheit eines souveränen Staates ausgestaltet werden kann.

Was ich damit sagen möchte, ist: Wir sind weit davon entfernt, über den Berg zu sein, haben aber seit einer guten Woche zumindest eine Situation, in der die rhetorisch-politische Eskalation nicht weitergetrieben worden ist. Das gibt uns Hoffnung und ermutigt uns, auf diesem Weg weiterzugehen und nach einer politisch-diplomatischen Lösung zu suchen.

Frage: Herr Flosdorff, finden diese Routinemanöver der Nato, wie Sie gerade gesagt haben, nur über baltischen Ländern statt oder zum Beispiel auch über Polen?

Flosdorff: Was die aktuellen Air-Policing-Tätigkeiten angeht, handelt es sich um die baltischen Länder. Was AWACS-Flüge angeht, geht es darüber hinaus.

Frage: Ich habe eine Frage an das Außenministerium: Sie haben gerade die Deeskalationsmöglichkeiten für Russland aufgezeigt. Was wäre eine Deeskalationsmöglichkeit für die westliche Seite, für die Nato, für Deutschland?

Schäfer: Die Reaktionen der Europäischen Union, die Reaktionen des Westens insgesamt auf das, was da geschehen ist - die Annexion der Krim ist ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht gewesen -, sind deutlich gewesen. Es sind Sanktionen verhängt worden. Das war als Reaktion auf das, was passiert ist, erforderlich.

Gleichzeitig war es der Bundesregierung immer wichtig, Gesprächskanäle nach Moskau offenzuhalten. Das ist uns gelungen - nicht nur uns, sondern auch die Amerikaner, wie Sie gesehen haben, sprechen weiter mit den Russen. Gestern hat es fünfstündige Beratungen der beiden Außenminister Russlands und der Vereinigten Staaten gegeben. Genau das ist aus unserer Sicht die richtige Haltung.

Es gilt für alle internationalen Institutionen, in denen Deutschland vertreten ist, und auch für die bilateralen Beziehungen zu Russland, dass wir unsere Position klar und deutlich machen, dass wir Verstöße ansprechen und dass wir darauf antworten. Gleichzeitig wollen wir aber dabei gewährleistet sehen, dass die Möglichkeit für politisch-diplomatische Lösungen erhalten bleibt.

StS Seibert: Ich möchte betonen, dass wir jetzt nicht vergessen sollten, wo die Krise ihren Ursprung und in wem sie ihren Verursacher hat. Das russische Vorgehen gegen die Ukraine und die Annexion der Krim bleiben inakzeptabel. Aus der vergangenen Woche gibt es einen sehr deutlichen Beschluss der UN-Generalversammlung mit 100 : 11 Stimmen, dass dieses Referendum, wie gesagt, ungültig ist und dass die Annexion der Krim verurteilt wird. Wir wollen das nicht vergessen. Das ist der Ausgangspunkt dieser Krise.

Zusatzfrage JUNG: Nato-Generalsekretär Rasmussen hat jetzt für eine Osterweiterung der Nato plädiert. Wie sieht die Bundesregierung das?

StS Seibert: Das steht für uns derzeit nicht auf der Liste der Dinge, die jetzt wirklich notwendig sind. Es ist notwendig, dass wir eine Stabilisierung der schwierigen Situation in der Ukraine erreichen, dass wir, wie es Herr Schäfer gerade gesagt hat, von der Eskalationsspirale wegkommen und dass wir in eine Situation kommen, in der die Menschen in der Ostukraine, aber auch in anderen Nachbarländern keine Zweifel mehr am russischen Vorgehen haben müssen. Das scheint uns das Wichtigste zu sein.

Frage: Herr Seibert, ist aufgrund der entspannenderen Einzelbotschaften in den letzten Tagen und Stunden ein direkter Besuch der Bundeskanzlerin in Moskau wahrscheinlicher geworden?

StS Seibert: Ich kann dazu nur sagen, was Sie ohne schon wissen, nämlich dass die nächste Runde der deutsch-russischen Regierungskonsultationen abgesagt worden ist, und zwar im Einklang mit den Beschlüssen der G7 und des letzten Europäischen Rates. Über anderes kann ich Ihnen hier nicht berichten. Es gibt da keine Entscheidungen. Über Wahrscheinlichkeiten spreche ich grundsätzlich nicht.

Zusatzfrage: Ich glaube, Ende April wären die Regierungskonsultationen angestanden. Das heißt, bis dahin ist ganz sicher kein Besuch der Kanzlerin in Moskau zu erwarten? Denn sonst würde es ja keinen Sinn machen, dass man die Regierungskonsultationen nicht stattfinden lässt, und heimlich reist die Kanzlerin zu Herrn Putin.

StS Seibert: Ich kann faktisch nur festhalten, dass die nächste Runde der Regierungskonsultationen abgesagt ist. Das ist im Einklang mit europäischen Beschlüssen und mit der Haltung der G7 erfolgt. Darüber hinaus habe ich hier nichts zu verkünden.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine Frage zu dem anstehenden EU-Afrika-Gipfel am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel. Welche konkreten Ergebnisse erhofft sich die Bundesregierung davon? Wo sehen Sie strittige Punkte oder Unstimmigkeiten zwischen beiden Seiten? Bei den vergangenen Gipfeln gab es ja durchaus Kontroversen über Handelsfragen, das Thema Flüchtlingspolitik und Menschenrechte.

StS Seibert: Ich muss Ihnen das nachreichen. Ich habe die Informationen im Moment nicht greifbar. Ich reiche Ihnen eine Antwort nach.

Zusatzfrage: Wenn ich eine technische Frage dazu an das Auswärtige Amt richten dürfte: Ich nehme an, dass Herr Steinmeier nicht dort vertreten sein wird. Oder reist er doch mit?

Schäfer: Der Außenminister ist am Dienstag und Mittwoch beim Nato-Rat der Außenminister.

Frage : Frage an das Finanzministerium: Es gibt eine Vorabmeldung der "Nordwestzeitung", dass Herr Schäuble 500 Millionen Euro für den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst einplant. Können Sie das bestätigen, Frau Kothé?

Kothé: Natürlich haben wir dafür Vorsorge getroffen. Darüber, wie hoch die ist, schweigen wir uns aus gutem Grund aus, denn es wird dann umgesetzt, wenn die Tarifpartner entschieden haben.

Zusatzfrage : Aber Sie haben auf jeden Fall schon einmal Vorsorge getroffen?

Kothé: Wir haben wie immer Vorsorge getroffen. Genau.

StS Seibert: Wir kehren noch einmal kurz zum Thema EU-Afrika-Gipfel zurück. Ich habe, ehrlich gesagt, meine Unterlagen gefunden.

Es ist ja so, dass sich die globale Bedeutung Afrikas in den letzten zehn Jahren enorm gesteigert hat. Es gibt faszinierende Entwicklungen wirtschaftlicher Dynamik in Afrika einerseits und des Auftretens einer Mittelschicht in vielen Staaten Afrikas andererseits. Es gibt immer noch Probleme, mit denen die afrikanischen Staaten schon sehr lange kämpfen und die weiterhin auftreten.

Ich glaube, man kann sagen, dass es bei diesem Gipfel sehr darum gehen wird, ein langfristiges Signal zu setzen, dass diese beiden Kontinente Europa und Afrika in einer gleichberechtigten Weise partnerschaftlich miteinander arbeiten wollen. Die Themen, die im Mittelpunkt stehen, werden Frieden und Sicherheit sein - dazu sage ich gleich noch etwas Besonderes -, Bildung, Ausbildung, Wachstum, Wohlstand, gute Regierungsführung, Demokratie, Entwicklung und Klima. Das ist die große Liste der Themen.

2007 ist eine EU-Afrika-Partnerschaft aus der Taufe gehoben worden, die jetzt zu beleben, zu überarbeiten ist, sodass sie der neuen Lage in Afrika Rechnung trägt. Das ist auch ein Ziel dieses Gipfels. Es wird um gemeinsame Standpunkte gehen, die beide Seiten in Erklärungen zu Themen, die uns verbinden - Migration, Landwirtschaft, Ernährungssicherung, Klimaschutz -, zum Ausdruck bringen wollen.

Wenn ich noch einmal auf das Thema "Frieden und Sicherheit" zurückkomme: Sie wissen, dass Deutschland eine sogenannte "Enable and Enhance Initiative" in Europa eingebracht hat, die auch der Europäische Rat 2013 in seine Schlussfolgerungen aufgenommen hat. Ziel dieser Initiative ist es, unsere afrikanischen Partner - seien sie nun individuelle Staaten, seien sie die kontinentale Afrikanische Union oder seien sie Regionalorganisationen - immer mehr in die Lage zu versetzen, Konflikte, die in ihrem Bereich auftreten, selbstständig zu lösen, und zwar durch Ausbildung und Beratung, aber auch durch Ausrüstung mit dem Ziel, dass afrikanische Kräfte eigenständig afrikanische Sicherheit in den Regionen des Kontinents sichern können. Auch dies wird ein wichtiges Thema bei dem EU-Afrika-Gipfel sein.

Die Bundeskanzlerin wird außerdem am Rande, wie man es bei solchen Gelegenheiten pflegt, eine ganze Reihe von bilateralen Treffen haben.

Zusatzfrage: Die Frage, die offengeblieben ist, sind die strittigen Punkte oder die Unstimmigkeiten, die schwierigen Themen, die sich vielleicht noch aus den früheren Gipfeln ergeben haben.

StS Seibert: Wenn ich mir die Themen, die ich Ihnen genannt habe, anschaue, dann ist auch klar, dass Migration, Klimaschutz und gute Regierungsführung nicht alles Themen sind, bei denen wir automatisch nicht nur auf dem Papier einer Meinung sind, sondern auch schon finden, dass das entsprechend genügend umgesetzt wird. Natürlich gibt es dabei auf beiden Seiten noch viel zu tun.

Frage: Der Bundesentwicklungsminister hat davon gesprochen, dass es für Europa und Deutschland keinerlei Militäroption in Afrika gebe. Ist das die Haltung der gesamten Bundesregierung?

StS Seibert: Ich kenne das Zitat nicht, das Sie jetzt nennen. Das müsste ich mir einmal genau anschauen.

Es ist so, dass wir keine militärischen Absichten in Afrika haben. Das ist, glaube ich, offensichtlich. Dennoch haben wir Einsätze unserer Soldaten und Soldatinnen beispielsweise in der Ausbildung in Mali, beispielsweise in der Ausbildung in Somalia. Das sind jeweils vom Bundestag mandatierte Einsätze. Diese sind auch richtig und zu denen stehen wir.

Zusatzfrage: Es werden also keine Soldaten mehr geschickt, sondern nur noch Ausbilder und Waffen.

StS Seibert: Es sind Soldaten und Soldatinnen, die diese Arbeit in den Missionen, die gerade genannt habe, leisten.

Zuruf: Und Rüstungsexporte!

StS Seibert: Über Rüstungsexporte, was ein weites Feld aufmacht, haben wir hier schon viel gesprochen. Diese werden nach den europäischen Richtlinien für Rüstungsexporte und den seit 2002 bestehenden Regeln, denen wir uns in Deutschland verpflichtet fühlen, im Einzelfall entschieden.

Diroll: Vielleicht kann ich Ihnen zunächst, was das Interview des Ministers angeht, das Zitat nachreichen, über das Sie ja auch gerade geredet hatten. Dabei ging es um die Verwendung der Mittel für den Europäischen Entwicklungsfonds. Der Minister wurde danach gefragt, ob er sich vorstellen kann, dass Mittel aus diesem Fonds für Ausbildung von Polizei und Militär eingesetzt werden, so wie beispielsweise Frankreich es nun fordert. Die Antwort des Ministers: "Keine Entwicklungsgelder für militärische Einsätze, Waffen und Material aus dem Europäischen Entwicklungsfonds. Wir brauchen vielmehr eine Sonderinitiative für ein europäisches Krisenreaktionskonzept mit einer Polizeikomponente und Ordnungskräften".

Dies jetzt als Auszug aus dem Interview, was auch im Wortlaut bei verschiedenen Online-Portalen der Zeitungsgruppe nachzulesen ist, für die das Interview geführt wurde. Sie können sich zum Beispiel in der Online-Ausgabe der "Leipziger Volkszeitung" den Wortlaut noch einmal anschauen.

Ganz allgemein: Der Minister war gerade auf Reisen, wie Sie wissen. Wir waren im Südsudan und in Mali, und der Minister hat auch eine Reise in die ZAR unternommen, also drei sehr schwierige afrikanische Staaten. Der Minister ist dort immer ausdrücklich nach Kampfeinsätzen gefragt worden, die er abgelehnt hat, und er ist mit dem Zitat "Keine Kampfeinsätze deutscher Soldaten in Afrika" auf allen drei Reisen richtig zitiert worden. Selbstredend haben wir in Mali Polizisten und Bundeswehrsoldaten getroffen. Der Minister hatte einen Meinungsaustausch mit Angehörigen der Bundeswehr und Polizeikräften. Der Einsatz dort wird vom Minister absolut positiv bewertet, und daran gibt es für den Minister keinen Zweifel. Die Soldaten und die Polizei leisten dort eine sehr gute Arbeit. Das, worauf Sie sich jetzt bezogen haben, ist mit Blick auf Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afrika von ihm alles so gesagt worden.

Frage Mänz: Herr Seibert, Sie wollten gerade noch etwas Besonders zu Afrika sagen, aber dann kam nichts mehr. War irgendetwas von dem, was Sie gesagt haben, das Besondere?

StS Seibert: Schade, dass Sie das so einschätzen. Ich habe gesagt: Ich äußere mich, nachdem ich die Liste der Themen hier aufgeführt habe, noch zu dem einen Thema "Frieden und Sicherheit" im Besonderen, und dann kam die Initiative "Enable and Enhance".

Zusatz Mänz: Nur, weil es nicht einzuordnen war, was da noch kam. Reine Lernfrage.

Diroll: Ich hätte noch einen kurzen Nachtrag, Frau Vorsitzende, weil die Frage nach den Teilnehmern der Bundesregierung an dem EU-Afrika-Gipfel auch aufgekommen war: Der Minister wird Teil der Delegation der Bundeskanzlerin in Brüssel sein.

Herr Seibert hatte die Themen des Gipfels gerade zusammengefasst. Aus Sicht unseres Hauses ist noch anzumerken, dass der Minister mit zwei Sonderinitiativen in den ersten 100 Tagen beschlossen hat, einen weiteren Schwerpunkt zu setzen: zum einen den Schwerpunkt "Sonderprogramm Flüchtlinge" und zum anderen den Schwerpunkt "Eine Welt ohne Hunger", also ein deutlicher Ernährungsschwerpunkt, wo wir unsere Mittel auch ausweiten wollen. Dieses wird auch im Mittelpunkt der Gespräche stehen. Der Minister führt auch bilaterale Gespräche in Brüssel, um diese beiden Themen zu erörtern, die jetzt auf den Reisen in der ZAR, im Südsudan und in Mali angesichts der Flüchtlingssituation in diesen drei Ländern große Themen waren.

Frage: Ich habe zwei Fragen.

Meine erste Frage richtet sich an das Finanzministerium in Bezug auf Griechenland. Das griechische Parlament hat gestern eine Reihe von Gesetzen gebilligt, die die Troika mit der griechischen Regierung vereinbart hat. Meine Frage ist: Rechnen Sie damit, dass heute die Eurogruppe die schon fällige Tranche von etwa acht Milliarden Euro billigen wird?

Die zweite Frage richtet sich an das Außenministerium. In Griechenland wird ein Gesetz vorbereitet, wonach die Flüchtlinge, die sich in Griechenland in Internierungslagern befinden, sich nicht, wie bisher, etwa 18 Monate dort aufhalten dürfen, sondern von nun an auf unbestimmte Zeit. Das verstößt eindeutig gegen jegliche internationale Gesetze, auch gegen europäisches Gesetz. Ich wollte fragen, ob das Außenministerium davon Kenntnis hat und ob Sie vorhaben, in der Beziehung tätig zu werden.

Kothé: Am Wochenende hat die Troika - das vielleicht vorab - den vierten Umsetzungsbericht des Griechenland-Programms übermittelt, der in Deutschland dem Deutschen Bundestag übermittelt worden ist. Morgen treffen sich die Finanzminister zum informellen Finanzministertreffen, und es findet auch ein Treffen der Eurogruppe in Athen statt. Dabei wird über den Bericht der Troika und die Auszahlung der nächsten Tranche beraten. Die Troika hat vorgeschlagen, 8,3 Milliarden Euro aus dem Programm auszuzahlen. Wie hoch die Auszahlung ist, entscheiden, wie gesagt, die Finanzminister voraussichtlich in Athen.

Zusatzfrage: Was wird die Position Deutschlands sein? Wird Deutschland dafür plädieren, dass das Geld doch - - -

Kothé: Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, werden wir einer Auszahlung natürlich zustimmen. Das wird morgen in der Eurogruppe auf der Basis dieses Troika-Berichts, der jetzt vorliegt, diskutiert und dann kann eine Entscheidung gefällt werden. In Deutschland ist, wie Sie wissen, zuvor das Parlament einzubinden. Die Bundesregierung wird sagen, ob die Voraussetzungen vorliegen. Wenn der Haushaltsausschuss, der einzubinden ist, sich dem anschließt, kann in einem weiteren Schritt - Sie kennen das Verfahren - die Eurogruppe formal darüber beschließen.

Schäfer: Mir ist das Gesetzgebungsprojekt, von dem Sie sprechen, nicht bekannt. Ich würde grundsätzlich antworten: Es ist selbstverständlich, dass überall in der Europäischen Union nicht nur die europäischen Grundrechte zu gelten haben, sondern auch im Besonderen die europäischen Regelungen zum Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen. Wir setzen uns natürlich dafür ein, dass das überall in gleicher Weise zur Anwendung kommt.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Kothé. Im "Spiegel" stand in einem Bericht, dass das Finanzministerium erwartet, dass die EZB die Zinsen erhöht. Können Sie mir sagen, ob das stimmt? Wenn ja, wann erwartet man, dass das passiert?

Kothé: Vorab vielleicht kurz der Hinweis: Über die Zinspolitik entscheidet natürlich in voller Unabhängigkeit die Europäische Zentralbank. Worauf sich der "Spiegel" in seiner Berichterstattung vermeintlich bezieht, ist, dass wir natürlich im Haushalt oder in der Finanzplanung Vorsorge treffen müssen, was die Zinsausausgaben angeht. Das tun wir auch. Dazu stellen wir intern natürlich Analysen und Bewertungen auf. Wir machen eine gewisse Projektion der Zinsausgaben, und dem Finanzplanungszeitraum 2015 bis 2018 ist mit einem moderaten Anstieg der Zinsen Vorsorge getragen. Wer sich ein bisschen mit der deutschen Haushaltspolitik beschäftigt, weiß, dass wir bei den Zinsen immer sehr vorsichtig schätzen.

Zusatzfrage: Was ist ein "moderater Anstieg"? Kann man das sagen?

Kothé: Die Zahlen können Sie in dem Entwurf der Finanzplanung 2015 bis 2018 nachlesen. 2014 sind für Zinsausgaben 28,87 Milliarden Euro vorgesehen.

Frage: Ich hatte mich am Freitag vor dem Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi erkundigt, ob die Kanzlerin mit ihm über die US-Wirtschaftsspionage reden wird, ob zum Beispiel Abwehrmaßnahmen abgesprochen werden. Das wusste die Sprecherin, Frau Wirtz, am Freitag noch nicht. Was waren die Ergebnisse des Gesprächs?

StS Seibert: Sie haben ja gesehen - Sie waren ja selber auch da -, dass es eine Pressekonferenz gab. Es gab im Übrigen eine gemeinsame deutsch-chinesische Erklärung, die verabredet, beschlossen und veröffentlicht wurde. Ich gehe jetzt nicht auf Einzelheiten des Gesprächs ein. Aber die Bundeskanzlerin und Präsident Xi haben ja in der Pressekonferenz klargemacht, worum es gegangen ist.

Zusatzfrage: Anders gefragt: Am Wochenende kamen neue NSA-Enthüllungen heraus, dass die NSA eine spezielle Datenbank für die Kanzlerin führt. Was sagt die Kanzlerin dazu?

StS Seibert: Was wir am Wochenende dazu auch schon gesagt haben. Ich habe über die Berichterstattung hinaus, die wir natürlich zur Kenntnis genommen haben, keine eigenen Erkenntnisse, ob es eine solche Datenbank gibt und wie die aussieht. Es gibt die Berichterstattung, aber wir haben keine eigenen Erkenntnisse, die uns dazu vorliegen.

Zusatzfrage JUNG: An das Innenministerium. Der britische Geheimdienst leuchtet deutsche Netzfirmen aus. Gibt es diesbezüglich Erkenntnisse oder Abwehrmaßnahmen?

Müller-Niese: Ich kann dem nichts hinzufügen. Uns liegen keine Erkenntnisse dazu vor.

Frage: Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung das Kommunalwahlergebnis in der Türkei?

StS Seibert: Ich bin hier in der Situation, dass ich Kommunalwahlergebnisse in anderen Ländern nicht bewerte. Daran halten wir uns auch in diesem Fall. Es gab auch in anderen Ländern Kommunalwahlen, und auch diese sind nicht Gegenstand für Kommentare der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Gibt es eine gewisse Sorge, dass es, da Ministerpräsident Erdogan sehr stark aus diesen Wahlen hervorgegangen ist, weitere Verbote wie zum Beispiel in Sachen Twitter und YouTube folgen werden?

StS Seibert: Ich will hier nicht spekulieren. Wir haben in der vergangenen Woche schon an dieser Stelle zu den Maßnahmen gegen Twitter und YouTube das gesagt, was wir dazu zu sagen haben, nämlich dass sie mit unserer Vorstellung von Meinungsfreiheit und Kommunikationsfreiheit der Bürger nicht übereinstimmen. Das bleibt so, und darüber hinaus spekuliere ich nicht.

Frage: Eine Frage zum Thema Zuwanderung. Letzte Woche haben Bundesminister de Maizière und Bundesministerin Nahles verkündet, stärker gegen Sozialmissbrauch in Sachen Zuwanderung aus allen EU-Ländern vorgehen zu wollen. Hat die Bundesregierung konkret Informationen über Sozialmissbrauch in Bezug auf Spanien?

Westhoff: Letzte Woche, als der Bericht hier vorgestellt wurde, war wiederholt die Frage aufgetaucht: Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse über das Ausmaß von Sozialmissbrauch? Dazu müsste man jetzt erst einmal definieren: Was ist Sozialmissbrauch? Unabhängig davon gibt es nur sehr wenige und sehr begrenzte Daten darüber, inwiefern ohne konkreten Anlass oder ohne Rechtfertigung Sozialleistungen in Deutschland in Anspruch genommen werden. Konkret befragt nach Nationalitäten kann ich sagen, dass es dazu keine schlüssigen und belastbaren Angaben gibt, inwiefern Zuwanderer aus bestimmten Nationen in Deutschland ungerechtfertigt Sozialleistungen beziehen.

Es gibt diesen ungerechtfertigten Leistungsbezug. Aber es geht nicht in erster Linie darum, nach Nationalitäten getrennt dagegen vorzugehen, sondern es ging insgesamt darum - das ist ja auch das Projekt bis in den Sommer, wenn der Abschlussbericht vorgelegt wird -, zu schauen, inwiefern Sozialleistungen nach europäischen Vorgaben hier in Deutschland in Anspruch genommen werden können. Wir sind weiter dabei, das zu prüfen und zu schauen, ob es rechtlichen Veränderungsbedarf gibt. - Soweit zunächst einmal zu der Frage.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 31. März 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/03/2014-03-31-regpk.html;jsessionid=ADF4BD4ED08C63F826A46418E3C1724A.s4t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2014