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PRESSEKONFERENZ/643: Regierungspressekonferenz vom 5. August 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 5. August 2013
Regierungspressekonferenz vom 5. August 2013

Themen: Zusammenarbeit von BND und NSA, Warnung von US-Behörden vor einem möglichen Terroranschlag, Studie der Berliner Humboldt-Universität zum Doping in Deutschland, Forderung des Bundeswehrverbandes nach einem Verbleib deutscher Kampftruppen in Afghanistan nach 2014, im Wahlprogramm der Grünen vorgesehener Vegetarier-Tag in Kantinen, Stichtagsregelung für Empfänger von Betreuungsgeld, materielle Rückverlegung des deutschen Kontingents aus Afghanistan, Finanzlage der Bundesländer im ersten Halbjahr 2013, Beitragssatz zur Pflegeversicherung

Sprecher: SRS Streiter, Ewert (BMVBS), Wieduwilt (BMJ), Peschke (AA), Jopp (BMG), Paris (BMVg), Fronczak (BMELV), Kinert (BMFSFJ), Kotthaus (BMF)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Dr. Ewert: Guten Tag, meine Damen und Herren, Stefan Ewert mein Name! Ich werde heute von meinem Chef, Herrn Rudolph, als einer der Sprecher unseres Hauses, des Verkehrsministeriums, sozusagen in die BPK eingeführt. Ich bin 34 Jahre alt. Ich bin seit 2011 im BMVBS. Ich war zunächst in der Fachabteilung "Ländliche Infrastruktur, Kulturlandschaften" und bin seit 2012 in der Pressestelle. Dort bin ich auch für die ländliche Infrastruktur, das Thema "Wohnen und Mieten", für Verkehrserziehung und den Radverkehr zuständig. Ich freue mich natürlich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen in der BPK und stehe dann auch - noch nicht heute, aber vielleicht beim nächsten Mal - für Fragen zur Verfügung. Vielen Dank!

Vorsitzende Sirleschtov: Vielen Dank und herzlich willkommen!

Frage: Mich würde das Thema "BND und NSA" interessieren. Die erste Frage geht an Herrn Streiter: Ist der Bundesregierung die Vereinbarung zwischen der NSA und dem BND aus dem Jahr 2002 über die Zusammenarbeit bekannt? Können Sie uns sagen, was darin steht?

SRS Streiter: Der BND hat zu den aktuellen Medienberichten ja ausführlich Stellung genommen. Er hat klargestellt, dass er keine Verbindungsdaten deutscher Staatsbürger weitergeleitet hat. Deutsche Telekommunikationsverkehre und deutsche Staatsangehörige sind von dieser Erfassung nicht betroffen. Es handelt sich also ausdrücklich nicht, wie heute zu lesen war, um Daten aus deutschen Leitungen. Es handelt sich vielmehr um Kommunikationsdaten aus den Krisengebieten, die unter anderem zum Schutz deutscher Soldaten ausgetauscht werden. Im Übrigen wird die Bundesregierung das Parlamentarische Kontrollgremium in seiner Sitzung am 12. August, also heute in einer Woche, weiter unterrichten.

Zusatzfrage: Leitet die NSA - - -

SRS Streiter: Der BND hat diese Vereinbarung in seiner Presseerklärung selbst erwähnt. Insofern können Sie davon ausgehen, dass das der Bundesregierung bekannt ist.

Zusatzfrage: Mich würde eher interessieren, was darin steht. Steht darin Genaueres über den Umfang der Zusammenarbeit? Können Sie ausschließen, dass die NSA aus Deutschland beziehungsweise von einem deutschen Arbeitsplatz aus direkt auf von Deutschland, also vom BND, erhobene Daten Zugriff hat und diese ungefiltert an die USA weiterleitet?

SRS Streiter: Da bin ich kein Experte. Nach allem, was ich weiß, ist es nicht so.

Zusatzfrage: Eine zweite Frage an das Justizministerium: Sind dem Justizministerium, nachdem sich Ihre Ministerin auch umfangreich geäußert hat, die Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Amerikanern hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen der NSA und dem BND bekannt?

Wieduwilt: Sprechen Sie jetzt von der Vereinbarung, nach der Sie eben auch gefragt hatten, also der von 2002?

Zusatzfrage: Unter anderem geht es ja darum, dass die Bundesregierung und auch der BND immer sagen, dass alles auf gesetzlicher Basis ablaufe. Dabei geht es um das Gesetz um den Bundesnachrichtendienst und verschiedene andere Gesetze. Die sind aber so dermaßen ungenau, wenn man die verschiedenen Paragraphen durchliest, dass es darüber ja sehr wahrscheinlich Vereinbarungen zwischen den Ländern gibt. Sind diese Vereinbarungen auch dem Bundesjustizministerium bekannt?

Wieduwilt: Ich habe keine Auflistung darüber, welche Vereinbarungen dem Bundesjustizministerium bekannt sind und welche nicht. Insbesondere zu dieser besagten aus dem Jahr 2002 kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

Zusatzfrage: Müsste das dem Ministerium denn bekannt sein?

Wieduwilt: Auch das weiß ich nicht.

Zusatzfrage: Das wäre schon eine interessante Frage. Kann man das vielleicht einmal prüfen?

Wieduwilt: Ja, ich kann das gerne nachreichen. Ich müsste dann aber, wie gesagt, erst einmal selbst nachfragen.

Frage: Herr Streiter, ich habe eine Frage zur Quantität: Beziehen sich diese 500 Millionen Datensätze pro Monat, von denen jetzt immer die Rede war, denn auf das, wovon wir jetzt gehört haben - also auf die erhobenen Daten, wenn auch nicht aus deutschen Leitungen -, oder um wie viel geht es?

SRS Streiter: Das kann ich Ihnen im Detail gar nicht sagen. Das wird dann auch im PKGr Thema sein. Die Frage ist ja: Was sind eigentlich Datensätze? Also nur einmal - das habe ich jetzt alles gelernt - zur Information: Wenn Sie jetzt irgendwo mit einem Handy telefonieren, dann ist das nicht ein Datensatz, sondern dann sind das schon ganz viele Datensätze, nämlich zum Verbindungsaufbau, zum Verbindungsabbau usw. usw. usw. Wichtig ist halt nur: Es gibt keine millionenfache Grundrechtsverletzung durch deutsche Geheimdienste, und die deutschen Dienste halten sich an die Vorschriften des Datenschutzes. Das ist eigentlich das Wichtige.

Das zweite Wichtige ist: Die Übermittlung personenbezogener Daten deutscher Staatsbürger an ausländische Stellen erfolgt nach dem G-10-Gesetz und auch nur im Einzelfall. Es bleibt dabei: Im Jahr 2012 wurden lediglich zwei Datensätze, die eine Person betreffen, weitergeleitet.

Frage: Herr Pofalla hatte nach der PKGr-Sitzung ja gesagt, dass in seiner Amtszeit zwei Datensätze weitergeleitet wurden. Bezieht sich dieser Hinweis auf das Jahr 2012 jetzt darauf, dass damit die gesamten letzten Jahre gemeint sind, oder gab es in anderen Jahren - also zum Beispiel 2011 oder in diesem Jahr - auch eine Übermittlung von Datensätzen? Das wäre die eine Frage.

Zur zweiten: Herr Steinbrück hat die Kanzlerin aufgefordert, so wie Gerhard Schröder eine schriftliche Erklärung der amerikanischen Regierung darüber anzufordern, dass keine deutschen Rechte und keine deutschen Interessen verletzt wurden. Hat die Bundesregierung eine entsprechende Anfrage an Washington gestellt?

SRS Streiter: Zu beidem ist mir nichts bekannt.

Zusatzfrage: Auch zum zweiten Punkt nicht?

SRS Streiter: Nein.

Zusatzfrage: Sie wissen nicht, was die Bundesregierung in Washington eigentlich angefragt hat?

SRS Streiter: Nein.

Frage: Herr Streiter, wenn ich die Berichterstattung im "Spiegel" jetzt richtig verstanden habe, dann führt man diese 500 Millionen Datensätze auf zwei Erhebungsquellen zurück, an denen der BND jeweils beteiligt ist oder die sozusagen vom BND betrieben werden. Das eine - widersprechen Sie mir, wenn ich jetzt etwas falsch verstanden habe - ist Bad Aibling, das andere die Fernaufklärung in Afghanistan. Deswegen sei auch alles in Ordnung, weil es sozusagen um die Überwachung von Auslandsverkehr gehe, insbesondere eben im Hinblick auf Sicherheitsinteressen und den internationalen Terrorismus. Ich fordere Sie jetzt, wie gesagt, dazu auf, mir zu widersprechen, falls ich etwas falsch verstanden habe. Beziehen sich diese 500 Millionen Datensätze nach Ihrer jetzigen Kenntnis auf diese beiden Quellen oder diesen beiden Verbindungspunkte?

Diese ganze Geschichte gibt es ja jetzt schon seit vielen Wochen. Wir beschäftigen uns jetzt seit vielen Wochen mit dem Vorwurf der massenhaften Überwachung des deutschen Telekommunikationsverkehrs. Es gab hier schon vor Wochen eine intensive Diskussion darüber, an welcher Stelle die NSA möglicherweise in deutschen Netzen diese Daten abzapfen, erheben oder mitschneiden könnte. Jetzt hören wir vom BND, also sozusagen einer Behörde des Bundes, dass das alles ganz einfach ist, dass die Daten von uns kommen, dass sie aus diesen beiden Punkten kommen und dass sie vom BND zur Verfügung gestellt wurden. Meine Frage ist jetzt: Wieso ist es nicht möglich gewesen, diese Frage zum zentralen Vorwurf der massenhaften Überwachung des deutschen Datenverkehrs beispielsweise vor sechs oder acht Wochen zu beantworten, anstatt irgendwelche Spekulationen darüber anzustellen, ob die NSA möglicherweise einen Frankfurter Internetknoten anzapft?

SRS Streiter: Die Antwort haben Sie sich gerade schon selbst gegeben: Es handelt sich hierbei um zwei verschiedene Dinge. Das eine ist die Überwachung von deutschem Fernmeldeverkehr, und das andere ist die Überwachung von ausländischem Fernmeldeverkehr. Für die Überwachung von ausländischem Fernmeldeverkehr ist der BND zuständig. Das ist das, was dort geschieht, zum Beispiel in Bad Aibling. Dort werden überhaupt keine deutschen Verkehrsdaten erfasst. Das sind zwei verschiedene Dinge. Das eine ist die Erfassung deutschen Fernmeldeverkehrs - möglicherweise durch amerikanische Dienste, worüber uns aber bisher keine Erkenntnisse vorliegen -, und das andere ist das, wofür der BND zuständig ist, nämlich die Überwachung ausländischen Fernmeldeverkehrs.

Zusatzfrage: Heißt das sozusagen, auch von Ihrer Seite wird der Vorwurf, der Verdacht oder die Aufforderung an die Amerikaner zur Aufklärung aufrechterhalten, wenn es um die Frage geht, ob und in welcher Form 500 Millionen deutsche Verbindungsdaten - oder eine andere Zahl, jedenfalls massenhaft - von der NSA erhoben werden?

SRS Streiter: Von 500 Millionen deutschen Verbindungsdaten wissen wir gar nichts. Wir haben einige Fragen an die Amerikaner geschickt. Wir harren der Antwort.

Zum anderen: Sie dürfen das - die Überwachung von deutschem Fernmeldeverkehr durch ausländische Dienste und die Überwachung ausländischen Fernmeldeverkehrs durch deutsche Dienste -, wie gesagt, nicht miteinander vermischen, und das wird jetzt leider in der Auseinandersetzung getan. Der BND ist zuständig für die Überwachung ausländischen Fernmeldeverkehrs. Das ist seine Aufgabe, dafür wurde er erfunden, und das ist nun nicht neu.

Zusatzfrage: Haben das eine, also die BND-Überwachung des Auslandsdaten- und -telekommunikationsverkehrs, und das andere, also der Verdacht, die Amerikaner würden im großen Stil deutsche Verbindungsdaten abschöpfen und kontrollieren oder speichern, also aus Ihrer Sicht nichts miteinander zu tun?

SRS Streiter: Das hat nichts miteinander zu tun, auch wenn in der Öffentlichkeit durch ungenaue Formulierungen gerne der Eindruck erweckt wird und das ein bisschen miteinander vermischt wird. Es gibt keine millionenfache Grundrechtsverletzung deutscher Fernmeldedaten durch deutsche Dienste! Das gibt es nicht! Das gibt es nicht!

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung weiterhin den begründeten Verdacht, dass es diese Abschöpfung deutscher Verbindungsdaten durch ausländische Dienste - durch die NSA oder andere Dienste - gibt, oder sind Sie inzwischen der Auffassung, dass es sie nicht gegeben hat?

SRS Streiter: Nein, die Bundesregierung hat darüber keine eigenen Erkenntnisse. Die Bundesregierung hat die amerikanischen Kollegen darüber um Auskunft gebeten. Es geht auch nicht um einen begründeten Verdacht, sondern es geht darum, dass diese Behauptung, der Verdacht, in der Öffentlichkeit transportiert wurde. Aber die Bundesregierung macht sich den Verdacht nicht zu eigen, sondern sie fragt einfach: Was ist da los?

Frage: Ich habe zwei Fragen dazu. Sie sagen, es stimme nicht, dass deutsche Verbindungsdaten von deutschen Behörden ausspioniert werden würden.

SRS Streiter: Wie wir es ja heute lesen konnten!

Zusatzfrage: Eigentlich war der Verdacht ja ein anderer, nämlich, dass die Amerikaner deutsche Verbindungsdaten ausspionieren, dass sie damit deutsche Grundrechte verletzten und dass die Bundesregierung nicht für den nötigen Schutz sorgt. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass wir zum einen von 500 Millionen Datensätzen ausgehen, die womöglich von Amerikanern abgeschöpft werden, und außerdem noch einmal von 500 Millionen Datensätzen, die der BND jeden Tag oder jede Woche den Amerikanern gibt, wenn keine Deutschen betroffen sind? Dann sind wir ja inzwischen bei 1 Milliarde angekommen, bei doppelt so viel! Habe ich Sie da richtig verstanden?

Zur zweiten Frage: Der Kollege Rinke fragte Sie eben, worauf sich diese zwei Datensätze, die den Amerikanern übermittelt wurden, bezogen. Sie haben sie auf das Jahr 2012 bezogen. Herr Pofalla hat das auf seine gesamte Amtszeit bezogen. Deshalb stelle ich noch einmal die Frage: Bezogen Sie sich auch auf die gesamte Amtszeit von Pofalla oder nur auf das Jahr 2012? Das ist ja schon ein ziemlicher Unterschied.

SRS Streiter: Ich habe mich auf das Jahr 2012 bezogen, und ich meine, Herr Pofalla hätte das auch getan. Das weiß ich aber nicht, ich kann das nicht auswendig sagen, ich war nicht dabei.

Was die Zahlen betrifft, können wir ja nur Auskunft darüber geben oder abschätzen oder überschlägig beurteilen, was von einem deutschen Dienste nach außen gegangen ist. Darüber wird es dann Informationen geben, aber nicht hier.

Zusatzfrage: Wer schützt denn meine Daten als deutscher Bürger davor, dass der amerikanische Geheimdienst in Deutschland oder in Europa darauf zugreift, wenn nicht die Bundesregierung? Soll ich da selbst vorgehen? Das ist doch Ihre Aufgabe, oder?

SRS Streiter: Ja, aber im Moment ist ja noch gar nicht erwiesen, dass Ihre Daten irgendwo gelandet sind, wo sie nicht hingehören.

Zusatzfrage: Müsste ich Ihnen das nachweisen?

SRS Streiter: Das müssen Sie mir gar nicht nachweisen.

Zusatz: Der Verdacht steht doch seit sechs Wochen im Raum, und Sie sagen seit sechs Wochen, dass Sie keine Erkenntnisse darüber haben.

SRS Streiter: Bisher!

Zusatz: Genau.

SRS Streiter: Richtig. Vielleicht wird sich das ja einmal ändern.

Zusatzfrage: Eine letzte Frage: Wie gehen Sie denn vor? Wie versuchen Sie, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, außer dadurch, Briefe nach Washington zu schreiben? Stimmt der Verdacht?

SRS Streiter: Das werde ich Ihnen nicht sagen. Aber Sie können davon ausgehen, dass nicht nur Briefe geschrieben werden.

Frage: Herr Streiter, der "Spiegel" schreibt, es gebe mindestens seit 2004 zwei gemeinsame Operationen zwischen NSA und BND, nämlich ein gemeinsames Analysezentrum und eine gemeinsame Fernmeldeaufklärung. Sind der Bundesregierung diese gemeinsamen Operationen bekannt, und dauern die an?

Zur zweiten Frage: Habe ich Sie vorhin richtig verstanden, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass die NSA-Mitarbeiter, die auf deutschem Boden arbeiten, nicht eigenständig Material an die NSA weitergeben, sondern dass die Weiterleitung vom BND nach einer Vorsichtung geschieht?

SRS Streiter: Das weiß ich gar nicht. Ich weiß gar nicht, ob NSA-Mitarbeiter auf deutschem Boden arbeiten, und ich weiß auch gar nicht, was sie arbeiten. Das wird ja erst in dem Moment interessant, in dem sie möglicherweise gegen deutsche Gesetze verstoßen würden. Die können ja hier arbeiten, was sie wollen. Sie dürfen halt nur nicht gegen deutsche Gesetze verstoßen.

Jetzt habe ich die andere Frage schon wieder vergessen.

Zusatzfrage: Es gibt ja, schreibt der "Spiegel", eine Zusammenarbeit in Bad Aibling. Die Frage ist: Wenn von Deutschen erhobene Spionagedaten an die NSA im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen zwei befreundeten Nachrichtendiensten weitergegeben werden, ist dann sichergestellt, dass nur Deutschland solche Daten aus Deutschland weitergibt, oder ist auch eine Möglichkeit, dass die NSA über ihre Kontaktstellen hier in Deutschland selbst Daten aus der deutschen Aufklärung abzapft und ungefiltert an die USA weitergibt?

SRS Streiter: Das weiß ich nicht. Das glaube ich nicht. Darüber wird es im PKGr mit Sicherheit einen Austausch geben. Auf jeden Fall weiß ich, dass die Frage, was in Bad Aibling geschieht, dem PKGr durchaus bekannt ist.

Frage: Herr Streiter, können Sie etwas zum Verfahren sagen, mit dem der BND die erhobenen Metadaten filtert? Werden Bestandsdaten abgefragt, also ob das eine E-Mail-Adresse eines deutschen Staatsbürgers ist, oder wie funktioniert das?

SRS Streiter: Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen, aber ich weiß es noch nicht einmal. Darüber wird es im PKGr mit Sicherheit Auskünfte geben.

Frage: Herr Streiter, können Sie ein bisschen genauer etwas zu den Fragen sagen, die die Bundesregierung an die Amerikaner geschickt hat? Wie viele sind das? Haben Sie eine Art von Termin genannt, bis zu dem Sie eine Antwort bekommen wollen? Was hat es mit dieser Behauptung auf sich, viele Informationen müssten noch deklassifiziert werden? Wie umfangreich sind die Fragen, die Sie geschickt haben?

SRS Streiter: Dazu möchte ich Ihnen eigentlich gar nichts sagen.

Frage: Herr Streiter, Herr Peschke, Sie wurden vor zwei Wochen explizit gefragt, ob es über diese Vereinbarung von 1968 hinaus noch weitere Abkommen, Verträge oder Vereinbarungen über die Zusammenarbeit mit der NSA gibt. Ich wundere mich ein bisschen darüber, dass jetzt en passant eingeräumt wird, dass es diese Vereinbarung seit 2002 gibt. Es stellt sich natürlich die Frage: Warum haben Sie das nicht längst einfach einmal von sich aus berichtet? Warum können Sie nicht sagen, um was es in dieser Vereinbarung geht?

SRS Streiter: Ich kann nur für meine Seite sagen, dass es dabei ja um eine ganz andere Art von Vereinbarung geht als darüber, worüber wir hier vor zwei Wochen diskutiert haben. Diese Vereinbarung von 2002 ist bekannt, und für den, der das kritisiert, gilt der alte Spruch: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche!

Peschke: Ich kann, weil Sie mich angesprochen haben, dazu auch nur sagen: Es gab diese Bitte an das Auswärtige Amt, Regelungen in seinem Geschäftsbereich zu prüfen, die völkerrechtlichen Charakter hätten. Diese Prüfbitte wurde ja auch von der Bundeskanzlerin in ihrer Jahrespressekonferenz geäußert. Dieser Prüfbitte gehen wir natürlich umfassend nach.

Ich habe hier ja zweimal die Gelegenheit gehabt, auszuführen, dass die Prüfung andauert. Ich kann ihnen jetzt sagen, dass die Prüfung ein bisheriges Zwischenergebnis erbracht hat, nämlich dass über die Regelung im Zusammenhang mit dem Nato-Truppenstatut und den in Rede stehenden Verwaltungsvereinbarungen nach bisherigen Erkenntnissen keine weiteren einschlägigen Dokumente existieren. Das ist aber - das möchte ich ausdrücklich festhalten - ein vorläufiges Prüfergebnis, das sich im Rahmen weiterer Prüfungen und Erkenntnisse - es geht hierbei ja um große Archive einer über fünfzigjährigen Verwaltungsgeschichte mit völkerrechtlichem Bezug - durchaus auch noch weiter verändern kann. Aber wir haben nach bisheriger Sichtung der uns unmittelbar zugänglichen Unterlagen festgestellt, dass es zum einen - das war ja auch schon verschiedentlich Thema in dieser Runde - das Nato-Truppenstatut mit den Zusatzvereinbarungen gibt, also das Nato-Truppenstatut von 1951 mit den Zusatzvereinbarungen von 1959 und 1993, dann die darauf aufbauende Rahmenvereinbarung von 2001, die 2003 und 2005 geändert wurde, dann auch Notenwechsel mit völkerrechtlichem Charakter sowie einzelne Ausnahmegenehmigungen im gewerblichen Bereich für amerikanische Firmen, die für amerikanische Truppen hier in Deutschland tätig sind. Das ist also ein Rechtsbereich, den es gibt und der im Übrigen in jeder einzelnen Windung von Ihnen öffentlich nachvollzogen werden kann. All die Dokumente, die ich eben genannt habe, sind im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Sie können das also alles im Einzelnen nachlesen. Das ist alles veröffentlicht worden, und es gibt keinerlei Schleier der Geheimhaltung. Wichtig ist, dass nach Art. 2 des Nato-Truppenstatuts die amerikanischen Streitkräfte und ihr ziviles Gefolge in Deutschland dazu angehalten und verpflichtet sind, deutsches Recht einzuhalten. Das ergibt sich also aus diesem ganzen Rechtsbereich.

Das Zweite sind diese Verwaltungsvereinbarungen, die im Jahr 1968/69 mit den damaligen westlichen Besatzungsmächten in Bezug auf das G-10-Gesetz geschlossen wurden, und dies mit bestimmten Ausnahmeregelungen, die die Schutzbedürftigkeit ausländischer Truppensteller im ehemaligen Westdeutschland betrafen. Wir sind seit einigen Wochen dabei, diese inzwischen ja obsolet gewordenen Verwaltungsvereinbarungen aufzulösen. Das ist uns mit den Amerikanern und Briten durch einen entsprechenden Notenwechsel am vergangenen Freitag gelungen. Mit den Franzosen, und das haben wir ja auch verschiedentlich deutlich gemacht, sind wir diesbezüglich auf einem guten Weg. Das ist das, was ich Ihnen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes dazu sagen kann.

Zusatzfrage: Herr Streiter, habe ich Sie richtig verstanden? Meinten Sie, diese Vereinbarung von 2002 sei öffentlich bekannt oder dem entsprechenden Kontrollgremium bekannt? Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe.

SRS Streiter: Ich gehe davon aus, dass das den Kontrollgremien bekannt ist.

Frage: Ich möchte gerne direkt an das anschließen, was Herr Peschke gesagt hat. Der Freiburger Historiker Foschepoth hat gesagt, dass die Aufhebung der Verwaltungsvereinbarungen gar nichts an der Rechtsgrundlage ändern würde, was die Situation der Spionagemöglichkeiten der früheren Alliierten angeht, insbesondere der Amerikaner, sondern dazu müsse das von Ihnen auch zitierte Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut geändert werden. Sieht die Bundesregierung Anlass, darüber in Verhandlungen einzutreten?

SRS Streiter: Wen haben Sie jetzt gefragt?

Zusatz: Herrn Peschke.

Peschke: Ich habe ja gerade ausführlich ausgeführt, dass sich weder auf Grundlage des Nato-Truppenstatuts noch auf Grundlage des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut noch auf Grundlage der Zusatzvereinbarungen zum Nato-Truppenstatut und zum Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut noch auf Grundlage der einzelnen Notenwechsel, die auf Grundlage der zusätzlichen Rahmenvereinbarung abgeschlossen wurden, noch auf Grundlage irgendeines dieser völkerrechtlichen Regelungen eine Handhabe für die amerikanischen Truppen selbst oder für zivile Firmen, die für diese Truppen arbeiten, ergibt, gegen deutsches Recht zu verstoßen. Damit ist, glaube ich, die Frage beantwortet.

Zusatzfrage: Nein. Das habe ich ja auch gar nicht gefragt. Ich bezweifele mit dieser Frage ja gar nicht, dass die amerikanischen Truppen oder Nachrichtendienste gegen deutsches Recht verstoßen, sondern es besteht ja durchaus die Möglichkeit, dass das alles nach deutschem Recht passiert, wie die Kanzlerin ja auch sagt, aber dass dennoch - darüber führen wir hier in Deutschland jetzt seit Wochen eine Diskussion - eine bestimmte Art von Souveränität Deutschlands eingeschränkt wird, nämlich insofern, als Deutschland sich gar nicht in das einmischen kann, was die Amerikaner auf deutschem Boden machen. Darauf zielt die Frage ab. Muss das geändert werden?

Peschke: Ich habe Ihnen gesagt, dass weder das Nato-Truppenstatut noch die von mir hinlänglich geschilderten nachrangigen Vereinbarungen in Deutschland Spionage gegen Deutschland oder das Ausspähen beziehungsweise Abfangen von Daten von Bundesbürgern erlauben.

Zusatz: Aber durchaus die Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Behörden. Die Zusammenarbeit wird ja explizit gefordert!

Peschke: Aber dabei geht es um das Nato-Truppenstatut. Dabei geht es um amerikanische Truppen in Deutschland, wie es um amerikanische Truppen nach dem Nato-Truppenstatut in allen Ländern geht. Das ist ja eine übergreifende Vereinbarung. Dabei geht es um die Rechte und Pflichten dieser Truppen, die in Deutschland sind. Sofern die Truppen - wie unsere Truppen gelegentlich auch - zu der Schlussfolgerung kommen, bestimmte Aufgaben an externe Dienstleister auszulagern - das ist völlig normal; auch amerikanische Truppen unterliegen manchmal einem Spardiktat, und dann beauftragen sie private Firmen -, werden bestimmte Vereinbarungen getroffen, die den Status dieser Firmen und die Vorrechte dieser Firmen regeln. Darüber gibt es eben Vereinbarungen. Das ist der Kern des Nato-Truppenstatuts. Das regelt gewerbliche Befreiungen. Diese Rahmenvereinbarungen und die Notenwechsel betreffen also Befreiungen im gewerblichen Bereich, im Handelsbereich und im Bereich des Arbeitsschutzrechtes. Darum geht es. Das ist die Materie dieser Statute. Darin ist weder geregelt, dass gegen deutsches Recht verstoßen wird, noch werden irgendwelche Spionageaktivitäten geregelt.

Zusatzfrage: In diesem Nato-Truppenstatut steht auch, wenn ich das einmal auf Deutsch zusammenfassen darf, dass der Truppenannehmer, also das Land, in dem diese Truppen stationiert sind, dafür Sorge tragen muss, dass die Sicherheit dieser Truppen gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang wird möglicherweise - das frage ich Sie - eine weitreichende Ermächtigung für den BND gegeben, auch mit der NSA zusammenzuarbeiten, um mögliche Gefahren für diese Truppen abzuwenden.

Peschke: Ja, wir erwarten zum Beispiel auch von Empfangsländern unserer Botschaften, dass die nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen für die Sicherheit der Auslandsvertretungen zuständig sind. Das scheint mir ein sehr selbstverständlicher Sachverhalt zu sein. Auch dass darüber hinaus natürlich auch die Einrichtungen selbst Vorkehrungen für ihre Sicherheit treffen, ist nichts Ungewöhnliches. Auch wir haben an verschiedenen Auslandsvertretungen zusätzliches Sicherheitspersonal, um die Sicherheit unserer Auslandsvertretungen zu gewährleisten.

Aber das ist nicht der Kern dessen, worauf Sie hinaus möchten. Das ist ein ganz anderer Regelungsbereich. Weil Deutschland eben aufgrund einer spezifischen Situation in der spezifischen Lage einer begrenzten souveränen Handlungsfähigkeit gegenüber den damaligen Besatzungsmächten war und weil damals, als das G-10-Gesetz verabschiedet wurde, diese spezifischen Vorrechte der Besatzungsmächte abgeschafft wurden, gab es diese Ausnahmeregelung im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung, die es den Besatzungsmächten erlaubte, für sich im Interesse der Sicherheit ihrer eigenen Truppen auf Antrag bestimmte Ausnahmeregelungen vom G-10-Gesetz geltend zu machen.

Dann ist man zu dem Schluss gekommen: Ja, das Rad der Geschichte hat sich weiter gedreht. Deutschland hat die volle Souveränität erlangt. Seit 1990 gab es keinen entsprechenden Antrag mehr. Man hat gesagt: Diese Verwaltungsvereinbarungen existieren noch, aber sie ergeben keinen Sinn mehr. Also haben wir sie jetzt abgeschafft. Wir sind mit den Ländern in Verbindung getreten, haben positive Rückmeldungen bekommen und konnten sie jetzt abschaffen. Damit ist sozusagen auch in diesem Bereich einer auch bis dahin schon nicht mehr relevant angewendeten Regelung, wenn Sie so wollen, die Souveränität Deutschlands vollständig wiederhergestellt.

Frage: Ist es nicht so, dass Personen, die unter dieses Nato-Truppenstatut fallen - also in Deutschland stationierte Angehörige von US-Streitkräften oder auch Geheimdiensten -, sozusagen nicht unter die deutsche, sondern unter die amerikanische Militärgerichtsbarkeit fallen, wenn sie sich strafbar machen? Wie ist das dann bei Delikten, die nach amerikanischem Recht sozusagen überhaupt nicht strafbar sind, nämlich Spionage für die USA im Ausland, und die nur nach deutschem Recht strafbar sind?

Peschke: Diesbezüglich will ich Sie gerne verweisen. Sie können ja das Nato-Truppenstatut und all die verwandten nachrangigen Dokumente einsehen. Wenn Sie das wirklich detailliert interessiert, bitte ich Sie, das einfach Regelung für Regelung nachzulesen.

Ich kann Ihnen das nur in allgemeiner Weise schildern: Es ist bei solchen Statuten genauso wie bei anderen Statuten, für die ich das relativ genau weiß, nämlich bei diplomatischen Bevorrechtigungen. In der Tat gibt es im Bereich der Diplomatie und der konsularischen Beziehungen bestimmte Bereiche der Anwendung der Gerichtsbarkeit. Das sind persönliche Immunitäten und Befreiungen von der Gerichtsbarkeit eines Entsendestaates. Die gelten zum Beispiel für ausländische Diplomaten in Deutschland und umgekehrt für deutsche Diplomaten im Ausland. Diese Befreiung von der Gerichtsbarkeit heißt aber nicht, und das ist in diesen jeweiligen Abkommen ausdrücklich geregelt, dass diese fraglichen Personen, die diese bestimmten Ausnahmeregelungen genießen, von dem Recht des Empfangsstaates befreit wären. Das heißt es ausdrücklich nicht! Jeder deutsche Diplomat, der im Ausland seinen Dienst tut, ist gehalten, das Recht des jeweiligen Gastlandes zu achten und zu beachten.

Frage: Vorausgesetzt, dass all die Dokumente, von denen Sie sprachen, Herr Peschke, öffentlich zugänglich sind und wir uns deswegen gar nicht so aufregen sollten, ist es lustig, dass ein Haus mit 5.000 Mitarbeitern wie das Ihre mehr als sechs Wochen braucht, um eine vorläufige Einschätzung dazu darzulegen, ob das zur Anwendung kam oder nicht; das aber nur als Vorbemerkung.

Gibt es denn - die Frage geht an das Auswärtige Amt und an den Regierungssprecher -, allgemein gefragt, eine Rechtsgrundlage, die es amerikanischen Stellen ermöglicht, in größerer Art Zugriff auf die Telekommunikationsdaten zu erhalten, sei es über das Telefon, das Internet oder was es sonst telekommunikationsmäßig gibt? Ich meine nicht nur das, was Herr Streiter sagte, nämlich: Das ist öffentlich im PKGr, das wissen wir alle seit 2002, und es gibt ein Truppenstatut. Gibt es nach Ihrer Kenntnis eine Rechtsgrundlage, die den amerikanischen Stellen regelmäßig den Zugang zu den Kommunikationsdaten von Deutschen ermöglicht?

SRS Streiter: Ich fühle mich ein bisschen überfragt. Ich glaube, das ist nicht der Fall.

Peschke: Ich habe, was den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes betrifft, ausführlich vorgetragen. Zu Tätigkeiten der Dienste hat ja Herr Streiter Stellung genommen. Ich kann nur sagen, was unseren Geschäftsbereich betrifft: Dazu kann ich Ihnen nicht mehr als das vortragen, was ich Ihnen vorgetragen habe.

Im Übrigen, zu Ihrer Eingangsbemerkungen: Sie können schon davon ausgehen, dass wir uns sehr aufrichtig bemühen, die Dinge entsprechend den Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, in der Öffentlichkeit aufzuklären. Aber ich muss Ihnen sagen: Das Geflecht der völkerrechtlichen Vereinbarungen ist ein recht komplexes Geflecht. Dazu eine abschließende Stellungnahme abzugeben, würde ich hier nicht wagen.

Zusatz: Mir ging es mehr darum, dass Sie erwartet haben, dass wir Medienunternehmen uns in diesem Geflecht so zurechtfinden und das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden.

Peschke: Nein, ich wollte nur im Hinblick auf eine bestimmte Berichterstattung gerade in der letzten Woche, die zunächst erst einmal den Anschein erweckte, es handele sich hierbei um geheim gehaltene Vorgänge, ausdrücklich hinterherschicken: Was diesen Fall betrifft, ist volle Transparenz hergestellt. Sie können das alles im Einzelnen nachlesen, angefangen von 1951 bis hin zu den Notenwechseln, die es 2001 gab. Das ist alles veröffentlicht worden und alles transparent nachvollziehbar. Es gibt also keinen Grund, dahinter eine Geheimhaltung zu vermuten.

Frage: US-Behörden warnen vor einem möglichen Terroranschlag. Hat die Bundesregierung auch Kenntnisse in dieser Richtung? Hat es einen Informationsaustausch mit amerikanischen Diensten gegeben?

SRS Streiter: Das ist ja erst einmal ein ganz anderes Thema. Wie Sie mitbekommen haben, hat ja auch das Auswärtige Amt hier und da eine Vertretung geschlossen. Allein daraus können Sie schon ersehen, dass es einen Austausch gibt.

Vorsitzende Sirleschtov: Ich schlage vor, wir schließen dieses NSA-Thema erst einmal ab und kommen dann zu diesem anderen.

Zusatz: Indirekt hat es ja schon damit zu tun!

Vorsitzende Sirleschtov: Ja, indirekt hat es damit zu tun. Ich möchte trotzdem erst dieses andere Thema abschließen. - Herr Kollege!

Frage: Es wurde ja mittlerweile eingeräumt, dass der BND massenhaft Daten an die NSA weiterreicht, mutmaßlich millionenfach. Diese Daten erlauben es ja, ein Bewegungsprofil zu erstellen, wenn es denn wirklich Metadaten aus Handyverbindungen sind. Selbst wenn keine Deutschen darunter sind: Können Sie denn ausschließen, dass die Amerikaner diese Daten benutzen, um beispielsweise Drohnenangriffe auf Terrorverdächtige zu verüben?

SRS Streiter: Ich kann gar nichts ausschließen. Das wäre sehr verwegen. Sie sagten jetzt "Der BND musste einräumen". Aber ich meine: Dafür ist der BND da! Der BND ist dafür da, im Ausland aufzuklären. Das tut er. Er arbeitet dabei mit der NSA zusammen, und das ist gut und richtig so. Das ist nicht schlimm. Das ist richtig.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium: Es gibt von einigen deutschen Politikern die Forderung, dass nun auf EU-Ebene der Datenschutz verschärft werden sollte. Das BMI ist, glaube ich, federführend. Können Sie uns sagen, warum trotz dieser Forderungen, die sich im Moment parteiübergreifend häufen, die Datenschutzverordnung auf EU-Ebene noch nicht beschlossen wurde und wer Ihrer Meinung nach hier blockiert?

Spauschus: Ich kann zunächst einmal den Vorwurf zurückweisen, dass die Bundesregierung in irgendeiner Weise die Verhandlungen zur EU-Datenschutzgrundverordnung blockieren würde. Es ist einfach ein sehr komplexes Thema, den Datenschutz im Wege einer Verordnung EU-weit zu regeln. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu einer Richtlinie, wo die einzelnen Mitgliedstaaten einen entsprechenden Handlungsspielraum haben. Das heißt, eine Verordnung so zu konzipieren, dass sie tatsächlich nicht an der einen oder anderen Stelle zu Einschränkungen führt, die so gar nicht gewollt sind, ist schwierig. Das ist ein dickes Brett, das gebohrt werden muss.

Es geht also nicht darum, irgendetwas zu blockieren. Wir sind als Bundesinnenministerium schon von Anfang an dabei, uns konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen. Nicht nur wir, sondern auch andere Mitgliedstaaten haben zahlreiche Fragen gestellt. Diese werden jetzt eben entsprechend abgearbeitet.

Was den anderen Punkt angeht, ist es so, dass das Bundesinnenministerium eine entsprechende Note mit einem Formulierungsvorschlag übersandt hat - das ist, glaube ich, Art. 41 der EU-Datenschutzverordnung -, wo es letztlich darum geht, das Verhältnis zu Drittstaaten zu regeln. Das heißt, da ist ein konkreter Vorschlag gemacht worden, der demnächst mit den beteiligten Partnern diskutiert werden wird.

Zusatzfrage: Das Verhältnis zu Drittstaaten könnte auch die Datenweitergabe, die bisher nach diesem "Safe-Harbor"-Prinzip geregelt wurde, verändern. Können Sie das bitte noch ein bisschen erläutern?

Zweitens. Gibt es eigentlich eine abgestimmte Position der Bundesregierung zu diesem Thema?

Spauschus: Soweit ich weiß, ist dieser Formulierungsvorschlag mit dem Bundesjustizministerium abgestimmt worden. Von daher sind wir auf einer Linie.

Es geht nach den mir vorliegenden Informationen darum, dass die Weitergabe von Informationen durch Unternehmen geregelt werden soll. Es geht also in diesem Fall nicht um die geheimdienstliche Tätigkeit, sondern um die Weitergabe von (Informationen von) Unternehmen, die im europäischen Raum ihren Sitz haben, an Staaten außerhalb der EU und um bestimmte Informationspflichten, beispielsweise dass informiert werden muss, wenn Daten weitergegeben werden etc. Es geht also darum, dass in dem Bereich sozusagen Transparenz geschaffen wird.

Zusatzfrage: Um das klarer zu machen: Das heißt, es würde zum Beispiel Google und Facebook betreffen? Wenn diese vom amerikanischen Geheimdienst oder der US-Regierung gefragt würden, Daten von Deutschen zu speichern, müssten sie dies irgendeiner EU-Behörde oder der deutschen Behörde mitteilen?

Spauschus: Es geht letztlich um die Übermittlung der Daten an Drittstaaten.

Frage: Eine ganz kleine Frage an Herrn Streiter: Sie haben mehrfach davon gesprochen, dass die Daten von deutschen Staatsbürgern nicht von deutschen Stellen an die NSA übermittelt würden. Kann ich sichergehen, dass Sie deutsche Staatsbürger meinten? Oder meinten Sie Leute, die in Deutschland leben? Es gibt ja auch in Deutschland mehrere Millionen ausländische Staatsbürger.

SRS Streiter: Es geht um alle, für die die Grundrechte, die in Deutschland gelten, gelten.

Zusatz: Also nicht nur deutsche Staatsbürger, sondern alle, die in Deutschland leben.

SRS Streiter: Wer ein Recht hat, dessen Recht wird nicht verletzt.

Frage: Noch eine kleine Frage zur Datenweitergabe durch Firmen. Die Bundesjustizministerin hat am Wochenende in einen Interview gesagt, dass solche Firmen, die Daten weitergeben, sanktioniert werden sollten, bis hin zum Ausschluss aus dem deutschen und europäischen Markt. Nach aktuellem Stand würde das Firmen wie Google, Microsoft, Facebook betreffen. Habe ich die Ministerin richtig verstanden?

Wieduwilt: Zum Teil. Das Wort "Sanktion" ist bei der Ministerin nicht gefallen. Das möchte ich hier an dieser Stelle unterstreichen. Sie haben alle die journalistische Freiheit, Überschriften zu finden, wie Sie möchten. Aber das hat sie nicht gesagt.

Was Sie gesagt hat, ist: "US-amerikanischen Firmen, die sich nicht an diese Standards halten, muss der Zugang zum europäischen Markt verschlossen werden." Das ist im Kontext der gerade eben schon erwähnten europäischen Datenschutzgrundverordnung zu lesen. Darin befindet sich unter anderem als wichtiger Bestandteil das sogenannte Marktortprinzip. Das heißt, das neue Datenschutzrecht, das dann auf europäischer Ebene geschaffen wird, wird auch auf ausländische Unternehmen angewandt, sofern diese sich an den europäischen Markt wenden. Ich vereinfache das hier ein bisschen, um es juristisch nicht verklausuliert zu machen.

Wenn sich ein amerikanisches Unternehmen an den europäischen Markt wendet, aber die Regeln der EU-Datenschutzverordnung nicht einhält, könnten zum Beispiel auch Bußgelder verhängt werden. Da sind Sanktionen vorgesehen, und da haben wir das Wort "Sanktionen" wieder. Das ist der Kontext, in dem diese Äußerung gefallen ist. So ist sie auch zu lesen.

Frage: In dem Zusammenhang die Nachfrage nach dem "Safe-Harbor"-Abkommen, nach der der Kollege schon gefragt hat. Es gab vor etwa einer Woche die Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten, dass sozusagen der Anschein, den das "Safe-Harbor"-Abkommen erweckt, nicht mehr genügt und dass die Unternehmen verstärkt selber prüfen müssen. Gibt es dazu eine Meinung der Bundesregierung?

Vorsitzende Sirleschtov: Wer möchte?

SRS Streiter: Ich fühle mich gar nicht angesprochen. Ich dachte, das BMI sei zuständig.

Zusatz: Ich meinte die zuständigen Ministerien, also Justiz und Innen.

Wieduwilt: Die Ministerin hat sich immer schon kritisch dazu geäußert und hat gesagt, dass man auf allen Ebenen nachdenken muss, etwas zu unternehmen. Das schließt natürlich das "Safe-Harbor"-Abkommen mit ein.

Spauschus: Dem schließe ich mich insoweit an.

Wieduwilt: Also das Abkommen. Es ist ja nicht nur ein festes Abkommen. Aber Sie wissen, was ich meine.

Frage: An das Justizministerium: Bislang ist es ja so, dass geheimdienstliche Tätigkeiten von diesen Datenschutzrichtlinien auf EU-Ebene dezidiert ausgenommen sind. Da gibt es die Klausel "alles nationale Sicherheit". Gibt es Bestrebungen in Ihrem Haus, gegen diese Klausel vorzugehen und den Datenschutz um diesen Aspekt zu erweitern?

Wieduwilt: Welche Maßnahmen dem Bundesjustizministerium da vorschweben, haben wir schon mehrfach und immer wieder öffentlich kund getan und haben dafür auch geworben. Das ist zunächst auf europäischer Ebene besagte Datenschutzgrundverordnung, aber eben auch die Arbeit auf intergouvernementaler Ebene, dass man also einen gemeinsamen Kodex, gemeinsame Standards schafft, was Geheimdiensttätigkeiten angeht.

Des Weiteren weise ich auch noch einmal darauf hin, dass es auf internationaler Ebene die Initiative gibt, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte um ein Zusatzprotokoll zu erweitern. Das ist Ihnen alles bekannt.

Das sind im Moment die Maßnahmen, die dem Bundesjustizministerium vorschweben. Ob das noch um weitere erweitert werden muss oder kann, wird sich zeigen. Dazu kann ich Ihnen zurzeit nichts sagen.

Zusatzfrage: Es würde die einzelne Forderung etwas glaubhafter machen, wenn man in der Regierung sitzt und sagt "Wir wollen den Datenschutz ausbauen" und gleichzeitig als Bundesregierung aber natürlich auf die eigene nationale Sicherheit beharrt. Wenn man von Deutschland aus vorangehen und sagen würde "Wir wollen das nicht mehr, wir wollen unsere Geheimdienste diesem Datenschutz unterwerfen", wäre das natürlich noch ein Schritt weiter. Aber das ist bisher bei Ihnen noch nicht angedacht?

Wieduwilt: Für das Bundesjustizministerium kann ich dazu nichts sagen, weil das auch, soviel ich weiß, Dinge betrifft, die in den Bereich der Geheimdienste und deren Tätigkeitsspielraum fallen. Mir ist aus unserem Haus dazu nichts bekannt. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Ich kann nicht für die Regierung sprechen.

Vorsitzende Sirleschtov: Wenn es dazu keine weiteren Fragen mehr gibt, kommen wir zu dem Terrorwarnungsbereich zurück. Ich darf Sie bitten, noch einmal ein Stichwort zu nennen.

Frage: Die Frage war, ob die Bundesregierung auch Informationen über einen drohenden Terroranschlag hat und ob es hier auch einen Informationsaustausch mit der US-Regierung oder mit US-Diensten gegeben hat.

Peschke: Sie meinen die weltweiten Sicherheitshinweise der Vereinigten Staaten von Amerika?

Zusatz: Genau!

Peschke: Das ist natürlich eine Entwicklung, die wir sehr genau beobachten und verfolgen. Sie wissen, es gibt die aktuelle Maßnahme der Schließung unserer Botschaft in Sanaa im Jemen gestern und heute. Ich kann Ihnen mitteilen, dass auf Veranlassung von Außenminister Westerwelle heute unter Leitung unseres Staatssekretärs eine Besprechung des Krisenstabes mit unseren Sicherheitsexperten zur Sicherheits- und Gefährdungslage im Nahen und Mittleren Osten stattfand.

Dazu ist als Ergebnis festzuhalten, dass es, auch wenn uns weiterhin keine konkreten Hinweise auf konkrete Gefährdungen vorliegen, unserer Einschätzung nach aber insgesamt eine äußerst sensible Sicherheitslage in der gesamten Region zu verzeichnen gibt. Die Einschätzung "sensible Sicherheitslage" gründet sich auf die verheerende Sicherheits- und faktische Lage in Syrien, auf die sehr schwierige Sicherheitslage im Irak, auf die sehr gespannte politische Situation in Ägypten, auf die sehr komplizierte Sicherheits- und politische Lage in Libyen und die Situation in vielen anderen Ländern der Region. Das vor dem Hintergrund, dass in wenigen Tagen das Ende des Ramadan gefeiert wird und das ein besonderer Fokus auch der Emotionen in der muslimischen Welt sein kann.

Wir gehen von einer durchaus sehr sensiblen Sicherheitslage aus, die genauestens verfolgt werden muss. Deswegen wurden auf Bitten des Außenministers alle deutschen Botschaften in der Region angewiesen, jetzt und in den nächsten Tagen eine erhöhte Wachsamkeit zu üben. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Es wurden alle zuständigen Stellen angewiesen, anlassbezogen eine Überprüfung der Reise- und Sicherheitshinweise für alle Länder der gesamten Region vorzunehmen, um diese Reise- und Sicherheitshinweise auch wirklich sicher à jour zu haben und um unseren Landsleuten eine entsprechende Entscheidungsgrundlage zu geben. Das ist zu den konkreten Schlussfolgerungen zu sagen, die wir aus einer eingängigen Besprechung und Analyse der Sicherheits- und Gefährdungslage vor dem Hintergrund der amerikanischen Sicherheitshinweise gezogen haben.

Was die Zusammenarbeit mit Amerikanern und unseren Partnern betrifft, so kann ich Ihnen sagen, dass wir in einem sehr engen Sicherheitskontakt stehen, dass wir uns vor Ort - zum Beispiel zwischen Botschaften vor Ort - auf das Engste abstimmen. Sie werden gesehen haben, dass die Schließung unserer Botschaft in Sanaa im Jemen abgestimmt mit Briten und Franzosen erfolgte, die ihre Botschaft auch an den beiden Tagen geschlossen halten. Inwiefern und wann wir die Botschaft wieder öffnen, wird auch voraussichtlich eine abgestimmte Entscheidung mit wichtigen Partnern sein. Da gibt es also selbstverständlich einen sehr engen Kontakt auf allen Ebenen, um frühzeitig Gefährdungslagen zu erkennen und auch entsprechend minimieren zu helfen.

Frage: War im Rahmen der Kooperation mit der NSA diese Drohung vorher den deutschen Behörden bekannt?

Peschke: Ich glaube, da kann man keinen wirklichen Zusammenhang ziehen. Hinsichtlich der Kooperation, zu der Herr Streiter Stellung genommen hat, zwischen der sogenannten technischen Aufklärung und den entsprechenden Diensten und unserem Austausch mit unseren Partnern zu konkreten Sicherheitslagen weltweit gibt es eine Vielzahl von Stellen, die zusammenarbeiten - nicht zuletzt die Botschaften vor Ort, die auch einen eigenes Erkenntnisaufkommen haben, die die jeweiligen Sicherheits- und Gefährdungslagen natürlich abchecken. Es gibt natürlich logischerweise einen ganz engen Austausch gerade in so schwierigen Ländern - ich will jetzt keines herausgreifen, aber weil dort die Botschaft geschlossen wurde, will ich es erwähnen - wie Jemen. Natürlich reden die Botschaften täglich miteinander, stimmen sich ab, überprüfen die Gefährdungslage, den Erregungspegel im Land, die politische Aufheizung. Auch in Kairo stehen unsere Botschaften und die Behörden entsprechend in einem engen Kontakt, um die Sicherheitslage vor dem Hintergrund der politischen Zuspitzung, der Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern in Ägypten natürlich immer wieder zu überprüfen. Da gibt es einen sehr engen Kontakt auf einer täglichen Basis; ich möchte fast sagen auf einer stündlichen Basis.

Frage: Herr Peschke, eine Nachfrage zu dem, was Sie gerade sagten. Zu der Analyse einer insgesamt "äußerst sensiblen Sicherheitslage", von der Sie sprachen, wären Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, auch ohne die besondere Sicherheitswarnung der amerikanischen Partner gekommen. Sie sagten, das sei auf Basis der Analyse der Situation in den verschiedenen Ländern erfolgt.

Die zweite Frage richtet sich im Zweifelfall an Herrn Spauschus: Hat diese Warnung der Amerikaner irgendwelche Konsequenzen für die Einschätzung der Sicherheitslage in Deutschland?

Peschke: Zu der ersten Frage: Das ist ganz klar eine eigene Einschätzung aufgrund unserer eigenen Lagebeurteilung, die wir jetzt aber aktuell und anlassbezogen vor dem Hintergrund der amerikanischen Sicherheitshinweise vorgenommen haben.

Spauschus: Ich möchte das dahingehend ergänzen, dass wir weiterhin, wie auch andere westlichen Staaten, im Zielspektrum des internationalen dschihadistischen Terrorismus stehen. Wir sehen für Deutschland aber durch die aktuellen Entwicklungen keine weitere Verschärfung der Sicherheitslage.

Frage: Herr Peschke, Sie haben das Ende des Ramadan-Festes als einen Grund für die Einschätzung "äußerst sensible Sicherheitslage" genannt. War das in den Vorjahren auch schon so zum Ende des Ramadan-Festes?

Peschke: Man kann schlecht sagen, ob das in den Vorjahren so war. Es ist so, dass es bestimmte Gefährdungslagen gibt. Ich habe auf die verheerende Sicherheitslage in Syrien, auf die aktuellen politischen Spannungen in Ägypten, auf die sehr schwierige Sicherheitslage in Libyen hingewiesen. Natürlich ist es so, dass man dann, wenn sich große gesellschaftliche auf eine bestimmte Lage draufsetzen, bestimmte Zuspitzungen nicht ausschließen kann. Ich will das nicht mit den vergangenen Jahren in einen Kontext bringen. Es ist eine Einschätzung, zu der wir jetzt aktuell aufgrund der Lage kommen, die sich gerade in den Ländern, die ich genannt habe, jetzt wenige Tage vor Ende des Ramadan vollzieht. Das ist eine Zeit, die im muslimischen Kalender von einer besonderen Bedeutung gekennzeichnet ist, in der sich auch immer wieder bestimmte politische Meinungsäußerungen in besonderer Weise fokussieren, zuspitzen. Da muss man eben im Moment von einer äußerst sensiblen Lage ausgehen. In den vergangenen Jahren gab es manchmal in bestimmten Ländern vor anderen Festlichkeiten oder anderen öffentlichen Feiertagen bestimmte Zuspitzungen der Sicherheitslage.

Frage: Ich würde gerne zwei Fragen zur Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" der Berliner Humboldt-Universität stellen. Herr Spauschus, wann wird diese Studie denn der Öffentlichkeit vorgestellt, übergeben? Ist sie vielleicht schon an den Sportausschuss gegangen?

Ganz schlicht gefragt: Gab es nach dem, was Sie jetzt wissen, staatlich geförderte Forschung mit Dopingmitteln und die Anwendung von Epo, Anabolika etc.? Bis wann ist das der Fall gewesen?

Spauschus: Erst einmal das Wichtigste vorweg: Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft wird noch heute im Laufe des Tages den Abschlussbericht der Forschungsnehmer in der von dem Bundesdatenschutzbeauftragten geprüften Fassung auf seiner Internetseite veröffentlichen. Darauf aufbauend wird das Bundesinstitut für Sportwissenschaft eine entsprechende fachspezifische Bewertung vornehmen. Dem wird sich dann auch eine entsprechende politische Bewertung anschließen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Aktuell möchte ich, solange der Abschlussbericht noch nicht veröffentlicht ist und er noch nicht fachspezifisch bewertet wurde, den Inhalt von hier aus nicht kommentieren.

Vorsitzende Sirleschtov: Wird es heute aus Ihrem Haus noch eine Kommentierung geben?

Spauschus: Davon gehe ich nicht aus. Es ist, wie gesagt, erst einmal der Abschlussbericht der Forschungsnehmer. Darauf aufbauend wird dann das Bundesinstitut eine Stellungnahme dazu erarbeiten.

Zusatzfrage: Das habe ich nicht kapiert. Wer wird denn die sportpolitische Bewertung vornehmen? Ihr Haus?

Spauschus: Es soll natürlich eine breite Diskussion mit der Veröffentlichung dieses Berichts - wobei man sagen muss: aller Abschlussberichte - angestoßen werden. Heute wird, wie gesagt, erst einmal der Abschlussbericht der Forschungsnehmer, also der Universität, veröffentlicht. Wenn dann alle Abschlussberichte vorliegen, wird darauf aufbauend sicherlich auch die entsprechende politische Bewertung erfolgen können.

Frage: Herr Spauschus, kann sich denn die Bundesregierung, nachdem Dopingopfer in Ostdeutschland entschädigt worden sind, vorstellen, dass es eine solche Entschädigung für Dopingopfer im Westen geben könnte?

Die zweite Frage: Doping ist im Breitensport auch angekommen. Sieht die Bundesregierung eine größere Gefahr für die Gesundheit im Sport, für die Gesundheit in Deutschland?

Spauschus: Wie gesagt, zu sportpolitischen Schlussfolgerungen möchte ich heute noch nichts sagen. Das wird man eben sehen, wenn der Abschlussbericht vorliegt. Er wird ausgewertet werden, und dann wird man die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen.

Zum Thema Doping als solches muss man natürlich sagen, dass die Bekämpfung des Dopings in erster Linie Sache des Sports selbst ist, die Bundesregierung aber den Kampf gegen Doping im Rahmen der Zuständigkeit unterstützt, sich entsprechend für einen sauberen und manipulationsfreien Sport einsetzt und dafür auch entsprechende Steuergelder aufwendet. Es gibt beispielsweise die NADA, die Nationale Anti Doping Agentur, die finanziell unterstützt wird, und zwar allein im Jahr 2013 mit 3,5 Millionen Euro.

Es ist, wie gesagt, schon so, dass das Thema von hier aus sehr ernst genommen wird und der Bund im Rahmen der Zuständigkeit in erster Linie durch die Bereitstellung von Finanzmitteln auch den Kampf gegen Doping fördert.

Jopp: Von mir nur ein ganz kurzer Hinweis, weil Sie das Doping im Breitensport erwähnt haben: Es gab im letzten Jahr eine Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts, das detailliert die Anwendung leistungsfördernder Substanzen im Breitensport untersucht hat.

Frage: Bisher standen ja datenschutzrechtliche Bedenken der Veröffentlichung des Berichts entgegen, hieß es. Nun sind diese ausgeräumt. Können Sie sagen, wann und wie sie ausgeräumt wurden? Es gab unter anderem die Forderung der beteiligten Forscher nach Rechtsschutz gegen mögliche Klagen bei der Veröffentlichung von Namen. Wie wurde das denn gelöst?

Spauschus: Es hat eine datenschutzrechtliche Bewertung durch den Bundesdatenschutzbeauftragten stattgefunden.

Um das vorwegzunehmen: Es geht am Ende darum, dass man einen Bericht hat, der auch uneingeschränkt verwertbar ist. Das heißt, niemandem wäre mit einem Bericht geholfen, der von dritter Seite angreifbar wäre. Insofern ist es nachvollziehbar - und das sollte auch selbstverständlich sein -, dass man versucht, im Vorfeld mögliche rechtliche Hindernisse beziehungsweise rechtliche Bedenken aus dem Weg zu räumen. Dazu gab es nach meinem Kenntnisstand im Laufe der letzten Woche eine entsprechende Freigabe - so nenne ich es einmal - seitens des Bundesdatenschutzbeauftragten.

Das bedeutet nicht, dass in dem Abschlussbericht, der jetzt vorgestellt wird, keine Namen mehr genannt würden, aber dies kann eben nur unter Geltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen erfolgen, beispielsweise wenn aus zeitgeschichtlichen Gründen eine Namensnennung unerlässlich ist. Auch dann ist eine Namensnennung grundsätzlich möglich. Es geht aber darum, dass natürlich bei der Erstellung der Studie solche rechtlichen Vorgaben beachtet werden müssen.

Zusatzfrage: Die Frage des Rechtsschutzes ist damit gegenstandslos? Oder wie habe ich das zu verstehen?

Spauschus: Die eine Sache ist der Datenschutz. Das andere ist natürlich, dass die Validität der wissenschaftlichen Aussagen und auch die daraus getroffenen Schlussfolgerungen noch ein gewisses Gerichtsrisiko beinhalten. Man wird das nie vollständig ausschließen können. Verantwortlich sind entsprechend einerseits die Wissenschaftler, aber mit der Veröffentlichung besteht auch sicherlich eine gewisse Verantwortung aufseiten des Bundesinstituts für Sportwissenschaft.

Frage: Jetzt heißt die Studie ja "Doping in Deutschland von 1950 bis heute". Von den Forschern heißt es, dass der Teil 1990 bis in die Gegenwart noch nicht wirklich bearbeitet werden konnte. Wird es von Ihrem Haus einen Auftrag beziehungsweise Gelder dafür geben?

Spauschus: Da habe ich andere Informationen. Die Studie war ja insgesamt in drei Teile untergliedert. Jetzt stand noch der dritte Teil aus. Aber, soweit ich weiß, gibt es da keine - - Ich sehe nicht, dass das noch nicht beendet ist. Ich weiß nicht, ob die Wissenschaftler sagen: Wir haben jetzt unsere Arbeit beendet.

Wie gesagt: Es gibt aus unserem Verantwortungsbereich keine Hindernisse, die einer Vollendung im Wege stehen würden.

Zusatzfrage: Also er konnte genauso umfänglich bearbeitet werden wie die anderen beiden Teile, also "1950 bis 1970" und "1970 bis 1990"?

Spauschus: Nach meinen Informationen: Ja.

Frage: Herr Spauschus, doch noch zwei Nachfragen: Wenn die Berichte stimmen, soll das genannte Bundesinstitut über 500 Forschungsprojekte mit den entsprechenden Ergebnissen vorgelegt haben. Ist es dann nicht problematisch, wenn sich genau dieses Institut um die Vergangenheitsbewältigung kümmern muss?

Spauschus: Ich verstehe Ihre Bedenken nicht. Es wurde ja eine entsprechende Studie bei unabhängigen Wissenschaftlern in Auftrag gegeben, die das nach wissenschaftlichen Standards erstellen. Also ich sehe da keinen Interessenkonflikt.

Zusatz: Also man muss da möglicherweise Kritik an ihrer eigenen Vergangenheit, also an dem üben, was sie bis dahin gemacht hat.

Spauschus: Ich kann nur wiederholen, dass das Bundesinnenministerium ein großes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung und Bewertung der Dopingvergangenheit hat und das Ziel des Projektes eine vorbehaltlose gründliche Aufklärung der Geschichte des Dopings in Deutschland, und zwar ungeachtet der beteiligten Personen, war und ist. Von daher gibt es da keine inhaltlichen Restriktionen.

Frage: Herr Spauschus, was die politische Bewertung dieser Studie angeht, ist das eine die Veröffentlichung, die bis jetzt nicht stattgefunden hat, die, wie Sie sagen, heute stattfinden soll. Diese Studie liegt ja schon eine Weile vor. Sie liegt sozusagen dem Auftraggeber vor, mittelbar damit auch Ihrem Haus. Jetzt gibt es seit Tagen eine Berichterstattung darüber. Jetzt gibt es beispielsweise eine Diskussion darüber, ob es im Westen so schlimm wie im Osten war oder weniger schlimm, oder ob das eine mit dem anderen überhaupt vergleichbar ist.

Jetzt sagen Sie, eine politische Bewertung können Sie noch nicht abgeben, obwohl Sie diese Studie lange kennen. Ich frage mich jetzt nach dem Grund, ob man sich in Ihrem Haus über die Bewertung dieser Ergebnisse noch keine Gedanken gemacht hat oder ob Sie erst einmal abwarten wollen, was die anderen sagen. Was ist jetzt seitens des Auftraggebers das Problem daran, eine Bewertung abzugeben und zu sagen, ob man das ernst nimmt, in welcher Weise man das ernst nimmt und ob das eine schlimme oder eine harmlose Vergangenheit war?

Spauschus: Wir sprechen ja hier von dem Abschlussbericht, der eben, soweit ich weiß, noch nicht so lange auf dem Markt ist. - Gut, dann müsste ich mich noch nach den genauen Daten informieren.

Aus Sicht des Bundesinnenministeriums ist es letztlich entscheidend, dass noch kein Abschlussbericht oder abschließender Bericht des Bundesinstituts für Sportwissenschaft vorliegt, auf dessen Grundlage dann das Bundesinnenministerium als sozusagen vorgeordnete Behörde - um es einmal umgekehrt zu formulieren - eine entsprechende politische Bewertung vornehmen würde. Also das sind die Dinge, die jetzt noch ausstehen. Da bitte ich um Verständnis, dass ich das jetzt nicht vorwegnehmen kann.

Frage: An das Verteidigungsministerium: Herr Paris, es gibt heute eine Forderung des Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, dass man doch bitte nach dem Abzug oder der Rückverlegung der Bundeswehr 2014 deutsche Kampftruppen in Afghanistan belassen möge. Wie steht denn Ihr Haus zu dieser Forderung?

Paris: Sie wissen, dass wir vor gewisser Zeit gesagt haben, dass wir beabsichtigen, in dem sogenannten "Speichenmodell", wenn es denn zustande kommen wird, nach 2014 ca. 600 bis 800 Soldaten in Afghanistan zu belassen.

Wir haben immer deutlich gemacht, dass die Soldaten, die wir zu entsenden bereit sind, dort natürlich auch einen bestimmten Auftrag erfüllen sollen. Dieser Auftrag zeichnet sich dahingehend ab, dass er im Bereich der Ausbildung stattfinden wird, in der Hochwert-Ausbildung. Das ist ein anderer Auftrag, als ihn derzeit die eingesetzten, auch deutschen Soldaten, dort wahrnehmen.

Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass im Rahmen unseres Angebotes natürlich eine entsprechende Schutzkomponente für unsere Soldaten vorhanden sein wird. Das alles haben wir auch unter Bedingungen gestellt.

Ich muss nicht alle wiederholen. Aber eine ist hier wichtig zu sehen: Wir müssen dort natürlich im Verbund mit unseren Partnern arbeiten. Wir werden nicht allein in Afghanistan verbleiben, sondern im Bereich der Nato-Partner und anderer.

Insofern kommt es erstens auf den Auftrag an, den die Soldaten haben werden. Dieser Auftrag wird ein anderer sein als bisher. Das leitet sich auch aus den Beschlüssen von Chicago ab.

Ich wiederhole es noch einmal: "This is not a combat mission", wurde damals gesagt. Wir werden sehr intensiv im Bereich der Ausbildung und weiteren Begleitung der afghanischen Sicherheitskräfte auf einem sehr hohen Niveau tätig sein. Im Übrigen werden wir natürlich dafür sorgen, dass im Rahmen dieses veränderten Auftrages unsere eingesetzten Kräfte durch eigene wie auch durch andere Kräfte geschützt werden. - Das ist meine Antwort auf das, was Sie mich gefragt haben.

Frage: Ich hätte noch eine Frage an das Verbraucherministerium: Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Künast hat heute im Rahmen ihres Wahlprogramms den vorgesehenen Vegetarier-Tag in Kantinen protegiert. Die Frage an Sie: Sieht die Bundesregierung beziehungsweise das Verbraucherministerium einen solchen Tag als unterstützenswert an? Bringt das etwas für die Volksgesundheit?

Fronczak: Wir haben ja eine ganze Menge unternommen - wenn das Stichwort Kantine fällt -, um den Kantinen Empfehlungen auf den Weg zu geben. Wir haben auch gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Form des Bundesprogrammes für gesunde Ernährung und Bewegung, das nicht nur unser Haus trägt, sondern an dem auch andere Ministerien beteiligt sind, Qualitätsstandards erarbeitet.

Wir halten generell wenig von Bevormundungen. Im Zweifel muss also jeder entscheiden können, wie und wann er sich wie ernährt. Fleisch gehört zur Ernährung dazu. Da gilt wie in der Medizin: Das Maß macht aus, was am Ende auf dem Teller landet. - Dafür hat jeder seine eigenen Grundüberzeugungen. Das ist auch wichtig.

Es ist nicht nur eine Frage von ernährungsphysiologischen Grundlagen, sondern es ist eine Frage von Grundwerten. Es ist zum Beispiel bei denjenigen, die katholisch erzogen wurden und groß geworden sind, schon gang und gäbe, dass man in der Woche freitags kein Fleisch isst. Es gibt zahlreiche Haushalte, die das entsprechend gestalten.

Es gibt zwar international - um das vielleicht auch noch einmal zu sagen - die Tendenz, dass mehr Fleisch konsumiert wird. Aber in Deutschland wird, wenn man sich die Trends der letzten Jahre ansieht, immer weniger Fleisch konsumiert. Den Trend unterstützen wir bei denjenigen, die zu viel haben. Auf der anderen Seite braucht man natürlich auch eine ausgewogene Ernährung. Dazu gehört auch Fleisch.

Frage: Eine Frage an das Bundesfamilienministerium: Sieht die Ministerin Anlass, die Zusage der Wahlfreiheit für die Eltern von Kleinkindern einzuschränken oder zu modifizieren, nachdem die Stichtagsregelung für Empfänger von Betreuungsgeld - Geburtsdatum 01.08.2012 - offenbar auch in der Union auf Kritik gestoßen ist?

Kinert: Die Regelungen zum Betreuungsgeld, so wie sie jetzt sind, sind in den Fraktionen des Deutschen Bundestages entstanden. Deswegen würde ich Sie bitten, sich mit allen Fragen, die Sie zur Stichtagsregelung haben, an die Fraktionen zu wenden.

Zusatzfrage: Können Sie noch einmal erklären, wie es zu der Stichtagsregelung gekommen ist? Es wurde berichtet, da hätten finanzielle Aspekte eine Rolle gespielt. Die Frage ist also auch: Kann man berechnen, wie viel es gekostet hätte, das Betreuungsgeld in vollem Umfang auch für die Kinder auszuzahlen, die vor dem 01.08.2012 geboren wurden?

Kinert: Ich würde Sie bitten, diese Fragen an die Fraktionen zu richten. Dort sind die richtigen Ansprechpartner.

Frage: Herr Kinert, handelt es sich aus der Perspektive der Exekutive denn jetzt bei dieser Regelung um eine Panne, oder ist es genauso gedacht? Finden Sie es gut, dass die Jahrgänge da erst schrittweise hineinwachsen, oder ist das nicht in Ihrem Sinne?

Kinert: Es tut mir leid, dass ich meine Antwort an der Stelle wiederholen muss. Es ist nicht meine Aufgabe, Entscheidungen der Fraktionen zu bewerten. Ich würde Sie bitten, auch diese Frage an die Fraktionen im Bundestag zu richten.

Zusatzfrage: Ich finde, es wäre nicht ausgeschlossen, dass die Bundesfamilienministerin zu dieser Frage, ob es so gedacht ist oder nicht so gedacht ist, ob das in ihrem Sinne oder nicht in ihrem Sinne ist, eine eigene Haltung hätte.

Kinert: Ich werde das hier nicht bewerten. Es tut mir leid.

Frage: Noch einmal an das Verteidigungsministerium: Herr Paris, es gibt ja diese Meldung im "Spiegel", dass in Afghanistan Rüstungsgüter oder Ausrüstungsgüter im Wert von 150 Millionen Euro zurückgelassen worden sind. Ist die Zahl erstens zutreffend? Ist das viel? Ist das wenig? Kann man das irgendwie im Vergleich setzen zu Erfahrungen, die man mit anderen Auslandseinsätzen hat, wo man möglicherweise Ausrüstungsmaterial zurückgelassen hat.

Paris: Herr Siebert, jeder Einsatz ist anders. Deshalb ziehe ich keine Vergleiche.

Wie Sie wissen, haben wir in Vorbereitung der materiellen Rückverlegung des deutschen Kontingents aus Afghanistan im Jahr 2012 eine Bestandsaufnahme begonnen und eine Kategorisierung vorgenommen.

Im Rahmen dieser Kategorisierung wurde festgelegt, dass von den erfassten Artikeln knapp 47 Prozent nach Deutschland zurückgeführt werden. 42 Prozent werden in Afghanistan ausgesondert und dort der Verwertung - Verwertung bedeutet zum Beispiel Verkauf, Abgabe an afghanische Behörden oder Verschrottung - zugeführt. Bei 11 Prozent des Materials ist noch zustandsabhängig zu entscheiden, was damit geschehen soll. Es ist also noch zu klären: Werden sie nach Deutschland zurückgeführt oder verbleiben sie vor Ort?

Die Planung insgesamt wird kontinuierlich fortgeschrieben. Wir müssen auch schauen, was wir im Hinblick auf eine mögliche ISAF-Folgemission, sprich ab 2014, im Land verbleiben lassen sollten, um das dann zu nutzen.

Seitdem wir mit der materiellen Rückverlegung begonnen haben, wurden im Rahmen der Bestandsaufnahme dieser Einzelartikel jeweils knapp 12 Prozent nach Deutschland zurückgeführt. Also von diesen geplanten 47 Prozent sind 12 Prozent wieder da.

Nach einer ersten Abschätzung - das bezieht sich auf Ihre zweite Frage - betrug der Anschaffungswert des bereits in Afghanistan ausgesonderten beziehungsweise des noch auszusondernden Materials ungefähr 150 Millionen Euro. Ich betone: Das ist der Anschaffungswert.

Aufgrund der enormen materiellen Beanspruchung in Afghanistan und des eingetretenen Verschleißes dieses Materials liegt der aktuelle Wert des Materials weit unter diesem Anschaffungswert. Aus diesem Grund muss man überlegen: Ist noch eine Rückverlegung nach Deutschland sinnvoll oder nicht? Ist also der Anschaffungswert deutlich höher als der Wert, der aktuell bei diesem Einzelmaterial zur Verfügung steht?

Ich möchte noch einmal betonen: Aussonderung ist nicht gleich Verschrottung. So wurde es ein bisschen suggeriert, sondern es gibt verschiedene Formen dieser sogenannten Verwertung, und das ist eben der Verkauf, die Abgabe und gegebenenfalls auch die Verschrottung vor Ort.

Zusatzfrage: Wenn jetzt beispielsweise Geländewagen, von denen ja in dieser "Spiegel"-Meldung auch die Rede war, im Land verbleiben, werden sie dann automatisch für die Bundeswehr hier ersetzt? Oder wartet man ab, ob man sie jemals wieder braucht? Wird das, was dort ausgesondert wird, für den nächsten Einsatz wiederbeschafft? Wird die Liste abgearbeitet?

Paris: Das könnte ich abschließend gar nicht beantworten. Denn wir verfügen über recht viel Material.

Die Bundeswehr, obwohl sie ja im Rahmen der Neuausrichtung verkleinert wird, benötigt eine Vielzahl von Material. Wir müssen natürlich schauen, dass die Materialerhaltung beziehungsweise Neubeschaffung von Material immer mit der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr korrespondiert. Das tun wird.

Es ist aber auch so - das wissen Sie -, dass im Zuge des Einsatzes in Afghanistan viel Gerät angeschafft wurde. Das hatte damals auch mit der Veränderung der Sicherheitslage zu tun. Es wurden mehr sondergeschützte Fahrzeuge nach Afghanistan verbracht. Das ist letztlich auch alles ein bisschen der Genese des Einsatzes geschuldet.

Wir haben im Moment keinen Einsatz, der von der Größe her mit dem Einsatz in Afghanistan vergleichbar ist. Insofern muss man sich natürlich für die Zukunft darauf ausrichten, was ich für potenzielle mögliche Einsätze brauche. - Das tun wir. Das ist auch Gegenstand der Neuausrichtung der Bundeswehr. Dort, wo Material ersetzt werden muss, um diese Einsatzfähigkeit zu erhalten, tun wir das natürlich. Dort, wo es nicht unbedingt sinnvoll und notwendig ist, tun wir es eben nicht.

Aber das ist ein Geschäft, das sehr laufend ist, weil Sie letztendlich nur bedingt in die Zukunft schauen können. Ich kann Ihnen nicht sagen, über welches Einsatzszenario wir hier vielleicht in zwei Jahren diskutieren. Da habe ich keine Ahnung.

Wir haben die Einsätze, die wir fahren. Sie kennen sie. Der größte und jetzt zurückzuführende Einsatz ist der in Afghanistan. Was in Zukunft sein wird, das müssen wir schauen.

Frage: Eine Nachfrage zu Ihrer prozentualen Aufstellung des Materials, das in Afghanistan verbleiben soll: Können Sie da noch einmal unterteilen, in welcher Prozentzahl das die sondergeschützten Fahrzeuge betrifft? Dass man Wohncontainer und so zurücklässt, ist ja eher nachvollziehbar, als wenn man in größerem Maße klassisches, auch später noch erkennbares deutsches Militärgerät zurücklässt.

Paris: Das kann ich nicht, Herr Hebestreit. Ich glaube auch nicht, dass ich jetzt das Einsatzführungskommando beauftragen möchte, das zu erheben. Das ist ein laufender Prozess.

Ich habe Ihnen gesagt: Wir haben ungefähr 12 Prozent der Dinge, die wir nach Deutschland zurückholen wollen, wieder hier. Darüber hinaus sind wir dabei zu schauen: Was passiert nach 2014? Was ist noch verwertbar für uns selbst? Was geht vielleicht nicht mehr?

Wie sich das genau verhält, wie das Verhältnis - um Ihr Beispiel aufzunehmen - zwischen Wohncontainern und Dingos ist, da muss ich passen. Das werden wir sicherlich einmal unter dem Strich bewerten. Wenn 2014 der Einsatz in seiner jetzigen Form abgeschlossen sein wird, dann kann man bestimmt eine Bilanz ziehen.

Man muss aber immer auch berücksichtigen - das ist ja mit Ihrer Frage von vorhin in Verbindung stehend -, dass wir die Bereitschaft erklärt haben, nach 2014 noch in Afghanistan zu verbleiben. Weil wir dort aber einen anderen Auftrag wahrnehmen werden, werden wir sicherlich auftragsbedingt schwerpunktmäßig über anderes Material verfügen müssen. Es wird bestimmt auch identisches Material sein. Möglicherweise müssen wir auch Verschlissenes austauschen. Das hängt alles irgendwie miteinander zusammen.

Insofern sehe ich mich außerstande, Ihre Frage zu beantworten. Das ist ein laufender Prozess. Es wird sicherlich irgendwann von statistischem Interesse sein, das zu erheben. Aber dafür ist, glaube ich, der August 2013 nicht der geeignetste Zeitpunkt.

Zusatzfrage: Noch eine Verständnisfrage, Herr Paris: Sind die von Ihnen genannten 12 Prozent 12 Prozent von 100 Prozent oder 12 Prozent von 47 Prozent?

Paris: So wie ich meinen Zettel verstehe, sind das 12 Prozent von 47 Prozent.

Zusatz: Okay.

Zweite Frage: Im Hinblick auf die Rückverlegung gibt es ja offenbar noch eine Reihe von Baumaßnahmen, die in der deutschen Niederlassung dort vollendet werden müssen. Gibt es darüber eine Aufstellung, was das noch kostet? Also ich denke jetzt zum Beispiel an die Teilung des Abwassersystems, Aufbau einer Mauer, Teilung des ganzen Lagers. Gibt es da eine Übersicht?

Paris: Das hatte ich einmal im Kopf. Das ist mir entfallen. Ich war eine Woche im Urlaub - sehr erholsam. Ich liefere das gern an Sie nach. Sprechen Sie einfach einmal mit Oberstleutnant Pieta; der kann das nachts um drei aufsagen.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium: Herrn Kotthaus, die Bundesländer haben ja im ersten Halbjahr 2013 erstmals seit Jahren einen Überschuss erzielt. Es sind auch ein paar Überraschungskandidaten dabei, die gut abgeschnitten haben, zum Beispiel Berlin. Inwieweit wird das die Diskussion über den Länderfinanzausgleich wieder anfeuern? Inwieweit würden Sie das für notwendig halten?

Kotthaus: Ich bin da grundsätzlich vorsichtig. Denn es ist nur eine Bilanz des ersten Halbjahres 2013. In der Vergangenheit war es immer so, dass die ersten Halbjahre positiver als die zweiten Halbjahre liefen aufgrund der Tatsache, dass es zum Teil noch Überhänge vom Vorjahr gab und Ähnliches mehr.

Es ist zu begrüßen und positiv, dass sich das so zu entwickelt hat. Aber mit Bewertungen, was das erste Halbjahr 2013 für das Gesamtjahr 2013 bedeutet, bin ich - geschweige denn für den Länderfinanzausgleich - höchst zurückhaltend.

Frage: Eine Frage an das Bundesgesundheitsministerium: Herr Steinbrück und Herr Bsirske haben ja jetzt gefordert, die Leistungen in der Pflege zu verbessern und dafür den Pflegebeitragssatz um 0,5 Prozent zu erhöhen. Gibt es schon eine Haltung des Ministers dazu?

Jopp: Das haben sie, glaube ich, vor einer dreiviertel Stunde gefordert, als ich schon hier in der Pressekonferenz saß. Mein Handy hat bisher noch nicht geklingelt.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 5. August 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-05-reg-pk.html;jsessionid=8CF7030FD4D27ED2F129508754ED1723.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2013