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PRESSEKONFERENZ/603: Regierungspressekonferenz vom 22. Mai 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 22. Mai 2013
Regierungspressekonferenz vom 22. Mai 2013

Themen: Kabinettssitzung (Gesetz zum Vertrag über den Waffenhandel, Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung, Bericht zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung), Reise des Bundesaußenministers nach Jordanien, Lage in Syrien, Aufklärungsdrohne "Euro Hawk", Feierlichkeiten der SPD zu ihrem 150-jährigen Bestehen, parlamentarische Anfrage betreffend Hartz-IV-Klagen, Algerien-Reise des Außenministers, abgesagte Teilnahme William Bowders an einer Menschenrechtskonferenz in Berlin

Sprecher: SRS Streiter, Peschke (AA), Schlienkamp (BMWi), Paris (BMVg), Wendt (BMAS), Albin (BMJ), Lörges (BMI)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Die Bundesregierung hat heute der Unterzeichnung des Vertrags vom 2. April über den Waffenhandel zugestimmt und den vom Bundesaußenminister vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag über den Waffenhandel gebilligt. Mit unserer frühzeitigen Unterzeichnung und Einleitung des Ratifikationsverfahrens unterstreichen wir den besonderen Stellenwert, den dieser Vertrag für die Bundesrepublik Deutschland hat, und tragen zu seinem frühen Inkrafttreten bei. Die Unterzeichnung des Vertrags ist vom 3. Juni an im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York möglich. Von deutscher Seite aus wird er an diesem Tag von Bundesaußenminister Westerwelle unterzeichnet werden. Für das Inkrafttreten des Vertrags bedarf es der Ratifikation durch fünfzig Staaten.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hatte am 2. April den Vertragsentwurf mit großer Mehrheit angenommen. Mit diesem Vertrag werden erstmals international verbindliche Regeln für den Export von Rüstungsgütern festgelegt. Dies ist aus unserer Sicht ein Meilenstein im weltweiten Bemühen um Rüstungskontrolle und Sicherheit. Die Bundesrepublik Deutschland hat den 2006 begonnenen Verhandlungsprozess für einen globalen Vertrag über den Waffenhandel in den Vereinten Nationen von Anfang an unterstützt und war maßgeblich an der Ausarbeitung dieses Kompromisses beteiligt.

Dann hat das Bundeskabinett heute den Tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung beschlossen. Er wird nun dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Der Bericht zeigt, dass die Bundesregierung deutliche Akzente für eine weiterhin dynamische Entwicklung der deutschen Tourismuswirtschaft gesetzt hat. Die Tourismuswirtschaft in Deutschland ist ein Jobmotor mit insgesamt 2,9 Millionen Erwerbstätigen und einer Bruttowertschöpfung von nahezu 100 Milliarden Euro.

Als Drittes hat das Bundeskabinett heute den Bericht zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung beschlossen. Als Folge der Empfehlungen dieses Runden Tisches wurde am 1. Januar 2012 der Fonds für die Opfer "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland für die Jahre 1949 bis 1975" eingerichtet. Zum 1. Juli des vergangenen Jahres startete dann der Fonds "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990".

Mit diesen beiden Fonds ist ein umfassendes und ergänzendes Hilfesystem für ehemalige Heimkinder entstanden, denen Leid und Unrecht zugefügt worden ist und von denen einige noch heute unter den Folgen leiden. Die Fondsleistungen umfassen Rentenersatzleistungen und Leistungen für Folgeschäden. Natürlich können diese Fonds das Unrecht nicht ungeschehen machen. Gleichwohl erfahren die Betroffenen möglicherweise erstmals in ihrem Leben die ausdrückliche Anerkennung ihres persönlichen Leides und eine gewisse materielle Linderung der Folgen.

In ihrem Bericht für den Deutschen Bundestag stellt die Bundesregierung fest, dass die bisherige Arbeit der Fonds außerordentlich positive Wirkungen erzielen konnte. Die angebotenen Hilfeleistungen werden von den Betroffenen sehr gut angenommen. Die Betroffenen hatten seinerzeit auch gefordert, dass sich Missstände, wie sie sie erlebt haben, nicht wiederholen dürfen. Dies nimmt die Bundesregierung sehr ernst. So hat zum Beispiel das neue Bundeskinderschutzgesetz viele Forderungen des Runden Tisches aufgegriffen, zum Beispiel zusätzliche Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten der Kinder in Heimen. - Das war der Bericht aus dem Kabinett.

Peschke: Ich wollte Ihnen mitteilen, dass sich der Bundesaußenminister bereits auf dem Weg nach Jordanien befindet. Dort wird heute in Amman ein Treffen der Kerngruppe der Freunde des syrischen Volkes stattfinden. Ziel des Treffens heute Abend in Amman ist die Vorbereitung der internationalen Syrien-Konferenz, die ja vor wenigen Tagen von Russland und den USA gemeinsam vorgeschlagen wurde und die bereits im Juni erstmals Vertreter des Assad-Regimes mit Vertretern der syrischen Opposition zu direkten Gesprächen zusammenbringen soll.

Wir betrachten die Einigung zwischen den USA und Russland zur Einberufung dieser internationalen Syrien-Konferenz als eine Chance, die genutzt werden sollte. Nur durch eine politische Lösung ist es aus unserer Sicht möglich, die Gewalt in Syrien dauerhaft und nachhaltig einzudämmen. Deutschland bringt sich in den Prozess der Vorbereitung dieser geplanten Konferenz aktiv ein. Dass Außenminister Westerwelle heute zu dem Treffen nach Jordanien reisen wird, zeigt Ihnen das ja.

An diesem heutigen Treffen in Amman werden neben dem jordanischen Außenminister Judeh als Gastgeber auch der amerikanische Außenminister John Kerry sowie weitere ausgewählte Außenminister der Kerngruppe der Freunde Syriens teilnehmen, außerdem auch hochrangige Vertreter der Nationalen Koalition der syrischen Opposition. Es geht ja darum, mit diesen Vertretern zu besprechen, wie die Konferenz vorbereitet werden kann und wie man in dieser schwierigen Situation zu einem Erfolg der Konferenz beitragen kann. Wir sind uns bewusst, dass die Vorbereitung der Konferenz ein sehr schwieriger Prozess ist und dass es überhaupt keine Erfolgsgarantie gibt. Aber wir sind dennoch der Meinung, dass alles versucht werden muss, was getan werden kann, um dieser Konferenz zu einem Erfolg zu verhelfen. Vielen Dank!

Frage: Ich weiß nicht genau, ob sich meine Frage an das Auswärtige Amt oder an das Wirtschaftsministerium richtet. Es dauert ja noch eine Weile, bis dieses Abkommen (über den Waffenhandel) tatsächlich völkerrechtlich in Kraft treten wird. Aber was wären denn die konkreten Auswirkungen auf den deutschen Rüstungsexport?

Schlienkamp: Das kann ich gerne beantworten: Es wird keine Konsequenzen für die deutsche Rüstungsexportpolitik geben. Das hängt damit zusammen, dass ein Kernstück dieses Vertrags die sogenannte "golden rule" ist, wonach Genehmigungen für Waffenlieferungen bei einem eindeutigen Risiko des Missbrauchs nicht erteilt werden. Das ist der Hintergrund dessen. In Deutschland ist das bereits verbindlich, und zwar entspricht das dem gemeinsamen Standpunkte der EU und auch den politischen Grundsätzen der Bundesregierung aus dem Jahr 2000.

Peschke: Ich kann das insofern noch ergänzen und bekräftigen, als es in der Tat so ist, dass mit der Unterzeichnungsvollmacht für den Außenminister heute auch ein Vertragsgesetzentwurf zur Ratifizierung des ATT-Vertrags, also des Vertrags zur Begrenzung von Waffenhandel, beschlossen worden ist. Es ist in der Tat so, dass die Standards, die wir in Deutschland aufgrund europäischer Regelungen und auch aufgrund unserer nationalen Regelungen ohnehin schon haben, höher als die sind, auf die wir uns jetzt international einigen konnten. Wir haben ja nach der Einigung auf den Waffenhandelsvertrag auch mehrfach betont, dass wir uns mehr gewünscht hätten, dass wir zu mehr bereit gewesen wären und dass wir auch auf mehr gedrängt hatten, aber dass aufgrund der internationalen Verhandlungssituation mehr zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich gewesen ist. Insofern ist es gut, den Vertrag zu haben, denn das ist erstmals eine global verbindliche Regelung in Bezug auf den Waffenhandel. Das ist schon ein Fortschritt. Wir werden natürlich darauf drängen, dass es weitere Fortschritte gibt.

Insbesondere ist die Tatsache, dass wir den Vertrag jetzt, gleich am Anfang, unterzeichnen wollen und dass wir ihn durch eine Ratifizierung auch innerstaatlich schnell umsetzen wollen, auch dem Bestreben geschuldet, die internationalen Bemühungen darum, dass dieser Vertrag jetzt möglichst schnell in Kraft treten kann, (zu unterstützen). Wir wollen uns dabei also weiterhin sehr aktiv einbringen. Das hat vor allem eine Bedeutung über unsere Landesgrenzen hinaus und im internationalen Kontext, weniger für unsere eigene Praxis.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, das werde eigentlich keine großen Auswirkungen haben, wie sieht es dann mit der Transparenzforderung aus? Könnte es dabei bleiben, dass Rüstungsexportanfragen nur im Bundessicherheitsrat beraten werden, oder müsste dann zum Beispiel auch der Bundestag einbezogen werden?

Peschke: Die Beantwortung können wir uns auch gerne teilen, aber das sind ja zwei verschiedene Diskussionen. Zum einen geht es um die Rüstungsexportkontrolle in Deutschland. Die ist restriktiv und richtet sich nach eingespielten Verfahren. Es gibt die Beratungen im Bundessicherheitsrat. Das ist der eine Strang. Der andere Strang sind die Regelungen, die sich aus dem gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union, aus den nationalen Vorgaben für Rüstungsexporte und jetzt aus dem ATT- Vertrag ergeben. Das sind also zwei verschiedene Paar Schuhe.

Sie wissen, dass es ganz unabhängig von dem ATT-Vertrag auch national eine Diskussion darüber gibt, inwiefern man die Verfahren der Transparenz und der besseren Information zum Beispiel des Parlaments in Bezug auf die Rüstungsexportkontrolle anpasst oder verbessert. Darüber gibt es ja eine Diskussion im parlamentarischen Raum. Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben: Der Bundesaußenminister hat sich kürzlich in einem Interview auch dazu eingelassen und gesagt, aus seiner Sicht wäre es schon wünschenswert, dass man zum Beispiel die Fristen hinsichtlich der Veröffentlichung von genehmigten Rüstungsexporten im Rüstungsexportbericht verkürzt und dass man eventuell darüber nachdenkt, ein in entsprechender Vertraulichkeit tagendes Gremium im Bundestag zu schaffen - parallel zum parlamentarischen Kontrollausschuss für die Nachrichtendienste -, das dann auch vorab schon einmal über Rüstungsexporte beraten könnte. Das sind alles Dinge, die in die Diskussion eingebracht werden und die natürlich erst einmal im parlamentarischen Raum besprochen werden müssen.

Schlienkamp: Die Position - Herr Peschke hatte sie ja erläutert - ist klar: Die Gespräche über den Umgang mit Informationen aus dem Rüstungsexportbericht laufen, auch auf der Ebene der Koalitionsfraktionen. Es gibt dazu jetzt im Prinzip keine Neuigkeiten, die wir hier verkünden könnten. Herr Peschke hatte einige Überlegungen vorgestellt. Wir haben an dieser Stelle auch schon darauf hingewiesen, dass es etwa die Überlegung gibt, den Rüstungsexportbericht vorzuziehen oder etwa die Quantität zu erhöhen. Gleichwohl bleibt es dabei: Die Gespräche laufen, und es gibt hier jetzt noch keine Neuigkeiten zu verkünden.

Frage: Herr Peschke, wie beurteilt die Bundesregierung die veränderte Einstellung des Bundesnachrichtendienstes, was die Stabilität des Assad-Regimes angeht?

Peschke: Ich nehme nicht an, dass Sie jetzt ernsthaft eine klare Antwort oder Kommentierung von mir erwartet haben. Das sind Medienberichte über eine, wie ich es den Berichten entnehmen kann, vertrauliche Unterrichtung von Sicherheitsexperten durch die Dienste. Zu solchen vertraulichen Unterrichtungen - zumal dann, wenn sie durch die Dienste erfolgen - kann ich hier natürlich gar keine öffentliche Stellung nehmen, sonst wäre ja auch jede Vertraulichkeit hinfällig und unnütz.

Was ich Ihnen grundsätzlich sagen kann, ist, dass wir die Lage natürlich mit allergrößter Sorge beobachten. Das sehen Sie ja auch daran, dass der Außenminister auf seiner kürzlich unternommenen Nahost-Reise Gespräche geführt hat und jetzt schon wieder in die Region fährt, um in Jordanien an einem Treffen hinsichtlich des Syrien-Konflikts mit Vertretern aus der Region und Vertretern aus der Opposition teilzunehmen. Unserer Einschätzung ist - die stützt sich natürlich auf eine ganz breite Informationspalette; dabei fließt alles ein, was wir an Informationen zugänglich gemacht bekommen haben -, dass sich der Konflikt in Syrien immer weiter zugespitzt hat. Es gab Kämpfe um die Stadt Kusseir im syrisch-libanesischen Grenzgebiet, die von einer sehr großen Brutalität und Heftigkeit gekennzeichnet waren. Der Konflikt hat also weiter an Brutalität zugenommen.

Das alles führt uns zu zwei Schlussfolgerungen, nämlich dass zum einen die Bemühungen, auf ein Ende der Gewalt hinzuwirken, dringlicher denn je sind. Die zweite Schlussfolgerung ist, dass wir auch als internationale Staatengemeinschaft unseren Beitrag dazu leisten müssen, der syrischen Opposition unter Führung der Nationalen Koalition zu helfen, sich auf einer gemäßigten, demokratischen Plattform zu einer handlungsfähigen Alternative zum Assad-Regime zu entwickeln.

Zusatzfrage: Dann frage ich anders. Bis vor gar nicht langer Zeit gehörte zu jeder Stellungnahme des Ministers zum Thema Syrien die Formulierung "Das Regime von Präsident Assad erodiert". Manchmal hieß es "Die Erosion beschleunigt sich". Seit einiger Zeit höre ich diese Formulierung in den Stellungnahmen nicht mehr. Ist das ein Zufall, überhöre ich dabei etwas, oder würde der Minister diese Formulierung weiterhin mit gleicher Deutlichkeit vertreten?

Damit verbunden ist eine zweite Frage. "Eine Zukunft Syriens kann es mit Assad nicht geben" war eigentlich auch ein Stammsatz jeder Stellungnahme. Ist das aus deutscher Sicht immer noch ein Axiom der Zukunftsplanung für Syrien?

Peschke: Zu dem ersten Punkt muss man einfach sagen, dass es in Syrien natürlich viele parallel verlaufende Prozesse gibt, die sich zu einer sehr verhängnisvollen Gesamtgemengelage verbinden. Es gab und es gibt natürlich Erosionserscheinungen innerhalb des Regimes, wie es ja auch Zerfallserscheinungen innerhalb des gesamten Landes gibt. Syrien ist ja im Moment ein Flickenteppich aus diversen, einander widersprechenden Gebieten. Einige Gebiete sind ganz offensichtlich unter Kontrolle des syrischen Regimes, aber selbst diese Kerngebiete des syrischen Regimes werden von gewaltsamen Anschlägen und Vorfällen heimgesucht. Einige Gebiete sind unter weitestgehender Kontrolle von Kräften der Opposition. Andere Gebiete sind heftig umkämpft. Syrien ist also ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Gewaltstrukturen - alle zulasten der Menschen in Syrien; das muss man ganz klar festhalten. Das sind die Hauptleidtragenden dieses Konfliktes. Es gibt Erosionserscheinungen.

Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch andere bedrohliche Tendenzen zur Kenntnis nehmen, nämlich dass jenseits des Regimes und jenseits der gemäßigten Plattform der Opposition auch radikale Kräfte, die auch in Gegnerschaft zum Assad-Regime stehen, an einigen Stellen an Einfluss gewonnen haben. Ich rede hierbei besonders über die Al-Nusra-Brigaden als radikale islamistische Kräfte, die ja auch zum Beispiel von den USA als internationale Terrororganisation eingestuft wurden. Auch das sind Tendenzen, die uns mit großer Sorge erfüllen müssen.

Es gibt also keinen einheitlichen Nenner, über den man die Lage in Syrien jetzt einfach scheren könnte. Es gibt viele besorgniserregende Tendenzen.

Könnten Sie die zweite Frage noch einmal wiederholen?

Zusatzfrage: Die Frage war, ob dieser kategorische Satz, eine Zukunft Syriens könne es mit Assad nicht geben, bei einer möglicherweise veränderten Einschätzung dessen, wie stabil Assad sein Machtregime noch weiter unter Kontrolle hält, weiterhin aufrechterhalten wird.

Peschke: Der Minister hat in der Tat immer wieder gesagt, dass es aus seiner Sicht schwer vorstellbar ist, dass es eine Zukunft in Syrien unter Einschluss von Assad gibt, weil er, aber zum Beispiel auch viele andere Vertreter in Europa der Meinung sind, dass Assad mit der Gewalt gegen sein eigenes Volk zu weit gegangen ist. Am Ende - das hat der Minister auch immer wieder gesagt - ist es aber natürlich eine Entscheidung der Syrer selbst, wer in ihrem Land die Verantwortung übernehmen muss. Wir können dem syrischen Volk diese Entscheidung auch nicht abnehmen. Wir können nur sagen: Aus unserer Sicht ist Assad zu weit gegangen.

Frage: Herr Peschke, welche Schritte oder Überlegungen gibt es in Bezug darauf, die von Ihnen erwähnten extrem islamistischen Kräfte - Al-Nusra und andere Al-Qaida nahestehende Kräfte - bei einer Syrien-Konferenz direkt, indirekt oder auf Umwegen zu beteiligen? Sie sind nämlich eine militärische Macht. Ohne sie wäre es sehr schwierig, überhaupt zu einer Lösung zu kommen, wenn sie denn möglich wäre.

Peschke: Diese Fragen nach den Teilnehmern dieser geplanten Syrien-Konferenz sind - das liegt in der Natur der Dinge - sehr schwierige Fragen. Darauf kann ich Ihnen von dieser Stelle aus heute auch keine abschließende Antwort geben. Das ist ja eine der Fragen, die heute zum Beispiel auch in Amman zu erörtern sein werden: Wer wird oder soll an dieser geplanten Genfer Konferenz zu Syrien teilnehmen?

Es ist ganz klar: Es müssen Vertreter des Regimes teilnehmen. Aus unserer Sicht sollten das Vertreter sein, die sich möglichst keiner Verbrechen schuldig gemacht haben. Es müssen aber natürlich auch Vertreter sein, die abschlussberechtigt sind und die mit einigermaßen viel Fug und Recht für die entscheidenden machtpolitischen Strömungen sprechen können.

Umgekehrt ist auch die Frage, wer von der syrischen Opposition an der Konferenz teilnehmen wird. Für uns ist ganz klar, dass der Fokus der Teilnahme natürlich auf den Vertretern der Nationalen Koalition liegen muss. Aber es gibt ja auch innerhalb der Nationalen Koalition beziehungsweise innerhalb der syrischen Opposition Beratungsbedarf in Bezug darauf, wer die Opposition beziehungsweise die Koalition bei einer solchen Konferenz repräsentieren kann. Sie wissen: Dazu gibt es auch verschiedene öffentliche Stellungnahmen und öffentliche Stimmen. Es ist ganz offensichtlich, dass es da noch Beratungsbedarf gibt. Diesen Beratungsbedarf versuchen wir von unserer Seite aus heute in Amman abzubauen, aber es gibt sicherlich auch noch Beratungen, die innerhalb der syrischen Opposition geführt werden müssen.

Klar ist aus unserer Sicht, und das hat Außenminister Westerwelle auch immer wieder deutlich gemacht: Nicht jeder, der in Opposition zum Assad-Regime steht, ist deswegen automatisch unser Freund. Radikale islamistische Kräfte, für die Damaskus in erklärten Stellungnahmen möglicherweise nur ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Jerusalem ist, können für uns keine Partner für die Zukunft Syriens sein. Das ist schon ganz klar. Aber darüber hinaus gibt es natürlich noch einen sehr großen Beratungsbedarf.

Zusatzfrage: Herr Peschke, wenn jetzt aber von anderer Seite - die Bundesregierung ist ja nur ein Teil dieser Verhandlungsdelegation - extremistische islamistische Kräfte durchaus an der Konferenz beteiligt werden sollten, was wäre dann die Position der Bundesregierung?

Peschke: Noch einmal: Ich kann Ihnen - jetzt wird die Fragestellung immer hypothetischer - zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Antwort darauf geben. Ich kann Sie auch wieder nur darauf verweisen, dass die Nationale Koalition bei ihrem letzten Treffen in Istanbul mit den Freunden des syrischen Volkes sehr klare eigene Stellungnahmen abgegeben hat, was auch die Abgrenzung gegenüber radikalen Kräften betrifft. Das sind Stellungnahmen, die für uns zunächst einmal einschlägig sind. Ansonsten werden wir die Gespräche natürlich auf Grundlage unserer Positionierung führen, und dann werden wir schauen, zu welchen Schlussfolgerungen die internationale Gemeinschaft gemeinsam mit der syrischen Opposition kommen wird. Aber dazu kann ich hier jetzt keine abschließenden Vorabbewertungen abgeben. Dazu dienen ja auch die Gespräche, die heute in Amman geführt werden müssen.

Frage: Herr Peschke, wie wir heute erfahren haben, hat sich der Außenminister für eine Listung der Hisbollah oder wenigstens des militärischen Arms der Hisbollah auf der europäischen Terrorliste ausgesprochen. Nun ist die Hisbollah ja auch in Syrien aktiv, auch in der hart umkämpften Stadt Kusseir, wie Sie erwähnt haben. Denken Sie, dass eine Listung der Hisbollah eine Auswirkung auf die Kämpfe in Syrien haben würde? Hat das zu der Positionsänderung der Bundesregierung geführt oder dazu beigetragen?

Peschke: Das sind drei verschiedene Komplexe, zum einen der Komplex eines möglichen Mitwirkens am Syrien-Konflikt durch Kämpfer von außen. Es ist richtig: Es gibt diese Besorgnis. Ich kann Ihnen hier keine abschließenden Erkenntnisse darüber präsentieren, aber es gibt die Besorgnis. Es gibt Hinweise darauf, dass Kämpfer von außen am Syrien-Konflikt mitwirken. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung, die zu einer Regionalisierung des Konfliktes führen könnte, wie man bereits jetzt im Libanon mit Besorgnis feststellen muss. Das ist der eine Aspekt.

Die Frage einer möglichen Listung der Hisbollah oder zumindest des militärischen Arms der Hisbollah ist davon natürlich getrennt zu bewerten. Das ist ein rechtserheblicher Tatbestand, der sich ja nur aufgrund nachweisbarer und auch gerichtsfester terroristischer Aktivitäten einer Organisation verwirklichen lässt. Das ist ein davon getrennter Vorgang, der ja innerhalb der EU seit Längerem diskutiert wird und nach dem Anschlag in Burgas, in Bulgarien, erneut an Fahrt gewonnen hat. In der letzten Zeit hat es einen signifikanten Erkenntniszuwachs hinsichtlich des gesamten Komplexes gegeben. Es gab auch neue Erkenntnisse, die von zyprischen Behörden zugänglich gemacht wurden. Das alles hat dazu geführt, dass Außenminister Westerwelle in der Tat der Meinung ist, dass eine Listung zumindest des militärischen Arms der Hisbollah von Deutschland unterstützt werden muss und dass die entsprechenden Diskussionen in der Europäischen Union mit dem Ziel einer Listung jetzt zügig zu Ende geführt werden sollten.

Das ist allerdings - das ist der dritte Aspekt, auf die nicht zu sprechen kommen wollte - keine Änderung der bisherigen deutschen Position. Das ist eine Fortentwicklung der bisherigen deutschen Position. Wir haben nämlich immer gesagt: Für eine Listung der Hisbollah beziehungsweise von Teilen der Hisbollah müssen entsprechende Fakten diskutiert und zugänglich gemacht werden. Das war ein laufender Prozess, den wir sehr engagiert mit unseren Partnern durchlaufen haben. Jetzt ist es so, dass wir zu der Bewertung kommen, dass die Faktenlage insoweit ausreichend ist, als eine erfolgreiche Listung möglich sein könnte. Wir sagen: Gut, aus unserer Sicht ist die Faktenlage so weit gediehen, dass wir die Listung jetzt konkret angehen können.

Zusatzfrage: Ist es also als ein Zufall anzusehen, dass diese Listung genau zu dem Zeitpunkt unterstützt wird, an dem Deutschland auch um die Situation in Syrien besorgt ist, wo die Hisbollah ja involviert ist?

Peschke: Wie ich gerade gesagt habe, sind das zwei voneinander unabhängige Themen.

Frage: Herr Peschke, welche Informationen gibt es über den Fall des verhafteten deutschen Journalisten in Syrien?

Peschke: Es gibt keinen neuen Stand.

Frage: Herr Paris, die "WELT" schreibt heute, der Vertrag über die Drohne mit dem Hersteller Northrop Grumman sei noch gar nicht gekündigt worden. Stimmt das? Vielleicht können Sie ein bisschen erläutern, wie die Vertragssituation aussieht.

Paris: Ich möchte da nicht zu sehr ins Detail gehen, weil Sie wissen, dass wir - mit dem Ziel, den Verteidigungsausschuss am 5. Juni insgesamt über das Projekt "Euro Hawk" zu unterrichten - derzeit dabei sind, diese Historie in einer Arbeitsgruppe im Ministerium und auch im nachgeordneten Bereich umfassend aufzuarbeiten. Das geht ja weit zurück. Es ist jetzt mehr als zehn Jahre her - es war ca. 2001 -, dass grundlegende Entscheidungen zum Erwerb dieses "Euro Hawk" getroffen worden sind. Ich bitte schlicht um Nachsicht dafür, Ihnen Detailfragen im Moment einfach nicht beantworten zu können, weil diese Arbeiten gemacht werden.

Fest steht, dass wir aus dem Entwicklungsvertrag zum "Euro Hawk" aussteigen werden. Inwieweit das dann letztendlich auch schon Kündigungen oder Ähnliches wie Kontaktaufnahme mit der Herstellerfirma, die Sie gerade nannten, zur Folge gehabt hat, kann ich nicht bestätigen und auch nicht dementieren. Klar ist aber, dass wir die Entwicklungsphase letztendlich beendet haben.

Vielleicht muss man hier zur Klarstellung noch einmal sagen, dass man bei solchen Projekten, die ja nicht marktverfügbar sind - man kann ja nicht losgehen und sagen "Ich erwerbe jetzt frei auf dem Markt eine Aufklärungsdrohne wie so einen 'Euro Hawk'" -, immer zwischen zwei Vertragsgestaltungen unterscheiden muss:

Man muss zum einen die grundsätzliche Entscheidung treffen, ob man so etwas entwickeln möchte. Wenn man diese Entscheidung getroffen hat, und so ist sie in der weiten Vergangenheit auch getroffen worden, dann muss man in einen sogenannten Entwicklungsvertrag eintreten. Ein solcher Vertrag hat im Allgemeinen zum Inhalt, dass mit einer Firma ein Vertrag geschlossen wird, der zum Ziel hat, ein Produkt, das es noch nicht gibt, das aber bestimmte Fähigkeiten haben soll, zu entwickeln. Deshalb heißt das Entwicklungsvertrag. Dieser Vertrag ist quasi dann als erfolgreich zu Ende gebracht anzusehen, wenn im Ergebnis dieses Entwicklungsvertrags auch ein Produkt steht, das dann die Marktreife oder Serienreife erreicht hat. Wenn man dieses Ziel im Rahmen des Entwicklungsvertrags erreicht, dann ist dieser Vertrag für beide Seiten erfolgreich beendet.

Dann geht man in der Regel zum sogenannten zweiten Schritt über, nämlich zum Beschaffungsvertrag. Man sagt: Okay, ich habe jetzt ein getestetes Gerät, das meinen Anforderungen auch gerecht wird, und jetzt ist es an der Zeit - weil ich mich davon habe überzeugen können, dass es auch funktioniert -, in die Beschaffungsvertragsphase überzugehen, sodass ich dann mehrere Stücke eben dieses Musters erwerbe.

Ich hatte hier auch schon einmal etwas breiter dargelegt, dass dieser Erfolg, den wir aus dem Entwicklungsvertrag ziehen wollten oder den wir uns aus dieser Entwicklungsphase erhofft haben, nicht eingetreten ist und wahrscheinlich auch nicht eingetreten wäre, wenn man erhebliche Mittel investiert hätte, um diesen Entwicklungsvertrag noch zu verlängern. Deshalb haben wir die Entscheidung getroffen, diesen Entwicklungsvertrag nicht bis zu seinem Ende in Anspruch zu nehmen.

Inwieweit wir jetzt mit der Firma Kontakt aufgenommen haben, weiß ich schlichtweg nicht. Es mag sein, dass es Kontakte gibt. Sicherlich wird das alles auch einmal sein formales Ende finden. Fest steht aber, dass wir uns aus der Entwicklungsphase verabschiedet haben, weil wir keine Möglichkeit mehr gesehen haben, zu einem positiven Entwicklungsergebnis zu kommen. Das bezieht sich, noch einmal ausdrücklich gesagt, auf das unbemannte Flugobjekt "Euro Hawk". Es bezieht sich, noch einmal ausdrücklich gesagt, nicht auf den Inhalt dieses Geräts, auf das sogenannte SIGINT-System, dieses technische Aufklärungssystem. Das ist im Moment der Stand der Dinge.

Wir sind jetzt dabei, historisch und chronologisch über einen doch recht weiten Zeitraum von mehr als zehn Jahren hinweg im Wege einer Arbeitsgruppe, die eigens dafür im Ministerium eingerichtet worden ist, eben all die Facetten (aufzuarbeiten), die mit dem Thema "Euro Hawk" in Verbindung stehen, seien es die vertraglichen Fragen, sei es die Frage, wann das Parlament beteiligt worden ist, oder sei es die Frage, wann das Prüfbegehren des Bundesrechnungshofs einbezogen worden ist. In einem zweiten Bereich geht es um die Fragen der Zulassung von solchen unbemannten Fluggeräten im nationalen wie europäischen Luftraum. Drittens geht es insbesondere auch um die Frage, was wir daraus für die Zukunft ableiten. Dabei ist vielleicht auch noch einmal ein Segment zu sehen, nämlich dass man natürlich auch schauen muss, ob es in der Entwicklungsvertragsphase vielleicht auch noch Ansprüche gibt, die wir geltend machen können, möglicherweise in Form des Schadensersatzes oder Ähnlichem. Das läuft derzeit.

Insofern möchte ich das, was die "WELT" vermeldet, nicht kommentieren und weder bestätigen noch dementieren. Fest steht aber, dass wir keine Möglichkeit mehr gesehen haben, der Entwicklungsvertrag erfolgreich zu Ende zu bringen.

Frage: Es werden jetzt nach wie vor und immer wieder auch neue Fragen aufgeworfen, was die Höhe des Betrags angeht, der abgeschrieben werden muss. Zu den Informationsabläufen, Herr Streiter: Welche Erwartungen hat die Bundeskanzlerin an die Information durch den Bundesverteidigungsminister, an die Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber der Regierung, gegenüber dem Kabinett und gegenüber Institutionen wie dem Bundesrechnungshof?

SRS Streiter: Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in Bundesminister de Maizière. Er hat heute auch im Bundeskabinett das, was Herr Paris jetzt lang vorgetragen hat, kurz vorgetragen, nämlich dass er zum nächstmöglichen Zeitpunkt Information darüber liefern wird, wie dieses ganze Beschaffungsprojekt verlaufen ist und wie das Entwicklungsprogramm dann beendet wurde.

Zusatzfrage: Ist es vom Kabinett und von der Kanzlerin als normal und akzeptabel hingenommen worden, dass der Vorgang offenbar erst vor Kurzem im Bundeskabinett als normaler Beschaffungsvorgang dargestellt wurde?

SRS Streiter: Das ist nicht diskutiert worden.

Zusatzfrage: Heißt das, dass wird damit also als normal und akzeptabel hingenommen?

SRS Streiter: Ich habe gesagt: Das ist nicht diskutiert worden.

Paris: Darf ich dazu etwas ergänzen? Sie sagten sinngemäß, es seien jetzt viele Fragen im Raum. Das ist zugegebenermaßen so. Die Vielzahl der Fragen haben wir natürlich auch alle auf dem Zettel, und wir versuchen, sie entsprechend abzuarbeiten und aufzuklären. Aber ich möchte die Gelegenheit hier vielleicht nutzen, weil manche Dinge so dargestellt worden sind oder auch noch zurzeit dargestellt werden, wie sie nicht wirklich gewesen sind.

Es wird gerne - ich halte sie einmal hoch - immer wieder diese eine Seite in die Kameras gehalten und gesagt: Genau hier ist der Betrug angelegt. - Das ist schlichtweg falsch. Wenn man nämlich eine Seite eines 70-seitigen Berichts in die Kamera hält, ihn liest oder sich darauf bezieht, dann sollte man sich zumindest die Mühe machen, vielleicht eine Seite oder zwei Seiten vorher zu lesen. Wenn man sich diese Mühe macht - ich tue es gerne für Sie -, dann sieht man nicht nur die Tabelle auf Seite 29, sondern man sieht, dass auf Seite 28 etwas dazu geschrieben worden ist. Dort heißt es: "Die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Zahlen geben die durch den Bundesminister der Verteidigung gebilligten Obergrenzen der strukturrelevanten Hauptwaffensysteme der Teilstreitkräfte vor."

Es handelt sich hierbei um einen Bericht zum Stand der Neuausrichtung der Bundeswehr. Es ist, glaube ich, allen bekannt, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr maßgeblich im Jahr 2011 entschieden worden ist. Im Jahr 2011 gab es Entscheidungen zu den verteidigungspolitischen Richtlinien. Es gab Entscheidungen zur Neuausrichtung der Bundeswehr. Es gab Entscheidungen zu Standortfragen. Das liegt alles im Bereich der Monate Mai bis September. Es ging um Organisationsfragen etc. pp.

In diesem Zeitraum, also 2011, hat der Minister auch eine Entscheidung über eben diese Obergrenzen der strukturrelevanten Hauptwaffensysteme getroffen. In diesem Zeitraum, also 2011, ist Mitte des Jahres in diese Tabelle auch der "Euro Hawk", - Planung 5, Obergrenzen 5 - eingepflegt worden. Jetzt wird gerne der Eindruck erweckt, das sei am 7. Mai 2013 dort hineingeschrieben worden. Das ist falsch, und das möchte ich hier noch einmal ganz deutlich klarstellen. Ich bitte also, hierbei auch darauf zu achten, dass man nicht nur eine Seite zeigt und liest, sondern letztendlich ein Stück weit auch das Prozesshafte einer Neuausrichtung - die Entscheidungen liegen logischerweise weiter zurück, stammen nämlich aus dem Jahr 2011 - darstellt.

Der zweite Punkt, den ich anmerken möchte, bezieht sich auf den Bundesrechnungshof: Ja, der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Jahren seinem Auftrag gemäß auch Untersuchungen in Bezug auf das Projekt "Euro Hawk" durchgeführt und vorgenommen. Dem Bundesrechnungshof ist in diesem Zusammenhang auch eine Vielzahl von Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung gestellt worden. Es hat bei einem Teil der Unterlagen Schwärzungen gegeben. Das liegt daran, dass hinsichtlich der Konstruktion insbesondere amerikanische Rechte sehr strikt gewahrt werden sollten. Das liegt daran, dass die Vereinigten Staaten den Bundesrechnungshof als deutsche Institution, als unabhängige Institution hier in Deutschland, als Dritten ansehen. Das amerikanische Recht sieht bei solchen technischen Transferleistungen vor, dass bestimmte Informationen nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen. Dementsprechend haben die Amerikaner auch dafür gesorgt, dass bestimmte Informationen nicht offen an den Rechnungshof weitergegeben wurden.

Wir haben jetzt entschieden, dass diese Interessenkollision aufgelöst werden muss und dass der Bundesrechnungshof volle Einsicht in die Unterlagen bekommen soll, indem die Unterlagen, die dem Rechnungshof bisher nicht in voller Breite und Tiefe zur Verfügung gestellt werden konnten - eben aufgrund dieser rechtlichen Problematik -, in der Einstufungsform "Geheim" zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass der Rechnungshof seine Arbeit tun kann. Das bedeutet, dass die amerikanischen Rechte insoweit zunächst einmal gewahrt sind. Wir stehen aber weiterhin in Kontakt mit den Amerikanern darüber, wie man das vielleicht noch klären kann.

Dieser Prozess über die Streitigkeit hinsichtlich der Einsicht in die Unterlagen hat im letzten Jahr, im Jahr 2012, eine Rolle gespielt. Er ist zu Beginn dieses Jahres auch noch einmal mit dem Rechnungshof diskutiert worden, und zwar mit der Zielrichtung, diesen Weg zu gehen, die Einstufung "Geheim" vorzunehmen und dadurch auch dem Rechnungshof die Möglichkeit zu geben, in Gänze in die Unterlagen hineinzuschauen. Das sind die zwei Punkte, die ich gerne noch anmerken wollte.

Frage: Ich habe noch eine Frage, auch wenn Sie gesagt haben, dass die Arbeitsgruppe jetzt alles aufarbeiten werde: Was können Sie nach heutigem Stand zum Stand des Nato-Aufklärungsprojekts AGS sagen? Wie viel Geld ist da schon hineingeflossen? Es gibt ja jetzt Forderungen nach einem sofortigen Ausstieg und einem Zahlungsstopp. Ist das erfolgt? Wie konkret wird das diskutiert?

Paris: Diskutieren werden wir das sicherlich in Zukunft. Im Moment ist der Stand, Frau Trams, dass wir diese Arbeitsgruppe eingerichtet haben. Diese Arbeitsgruppe deckt im Kern - ich möchte es noch einmal kurz darstellen - drei Aufgabenbereiche ab. Ich umschreibe sie einmal so:

Der eine Bereich betrifft die Frage nach Verantwortung. Dahinter verbirgt sich letztendlich die historische Aufarbeitung seit dem Jahr 2001 und die Darstellung dessen, welchen Sinn und Zweck die Vertragskonstruktionen sowie auch die vertraglichen Regelungen hatten, die in Bezug auf den "Euro Hawk" geschaffen worden sind. Es geht um die Darstellung der Fragen, welche Leistungsverpflichtungen bestanden haben und welche Leistungserbringungen erfolgt sind. Dann wird dargestellt werden, welcher Mittelabfluss stattgefunden hat, welcher Mittelbedarf dem im Voraus gegenübergestanden hat, wie die Entscheidungsprozesse verlaufen sind, wie das Parlament eingebunden worden ist, wie das Parlament informiert worden ist und wie auch der Rechnungshof informiert worden ist. Das ist der erste Komplex.

Den zweiten Komplex würde ich als die Zulassungs- und Flugbetriebsebene umschreiben. Dabei geht es im Kern um die Fragen, wie es eigentlich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zulassung von solchen unbemannten Fluggeräten, also von diesen Drohnen, aussieht, wie die flugbetrieblichen, operationellen und technischen Details aussehen, worauf zu achten ist und welche Papiere dafür erforderlich sind. Dabei ist es natürlich auch wichtig, Schlussfolgerungen in Bezug darauf zu ziehen, wie wir jetzt mit der Durchführung weiter vorgehen. Das ist letztendlich die Frage, die Frau Marschall eben gestellt hat.

Der dritte Komplex wird sich mit der Frage beschäftigen müssen: Welche Auswirkungen und Konsequenzen hat das in Bezug auf das "Euro Hawk"-Projekt, sprich, wie können wir das, was sich technisch im "Euro Hawk" befindet - das Aufklärungselement SIGINT -, weiter nutzen und was müssen wir tun, um dieses Gerät mittels eines anderen Trägers in den Himmel zu bringen? Des Weiteren wird es um die Frage gehen: Welche Auswirkungen mag das auch auf andere Drohnenprojekte - seien sie bewaffnet beziehungsweise bewaffnungsfähig, seien sie unbewaffnet - haben? Letztendlich werden wir uns natürlich auch mit der Frage beschäftigen, die Sie jetzt angesprochen haben: Was heißt das für die deutsche Beteiligung an "Global Hawk" beziehungsweise AGS - "Alliance Ground Surveillance"? Diesbezüglich werden wir sicherlich Vorschläge machen, wie wir damit verfahren.

Hinsichtlich Ihrer Frage "Wie viel Geld ist bisher in den Bereich AGS geflossen?" möchte ich Ihnen die Antwort schuldig bleiben. Ich kann sagen: Ja, es ist Geld geflossen. Ich möchte heute aber nicht eine Zahl nennen, die ich vielleicht morgen nach oben oder auch nach unten korrigieren muss, um mich dann dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen: Da hat jemand die Öffentlichkeit falsch unterrichtet. Deshalb bitte ich um Geduld, dass auch das im Zuge der Arbeitsgruppen-Aufarbeitung des gesamten Prozesses stattfinden. Dann können wir Sie sicherlich mit entsprechenden Zahlen über den bisher erfolgten Mittelabfluss, über die Mittelplanung, insbesondere aber auch über unsere Vorschläge in Bezug auf die Frage "Wir unterrichten wir unsere Nato-Partner, wie unterrichten wir die Stellen, die damit befasst sind, und wie teilen wir das, was wir beim Projekt "Euro Hawk" an Erfahrungen gesammelt haben, mit den zuständigen Stellen im Bereich des Nato-Bündnisses?" informieren. Das ist eine Aufgabenstellung, das blenden wir auf keinen Fall aus; denn die Dinge sind nicht unbedingt eins zu eins vergleichbar, aber sie hängen schon miteinander zusammen.

Frage: Herr Paris, Sie haben eben geschildert, wie Sie den Interessenkonflikt gelöst haben, dass einerseits der Bundesrechnungshof die kompletten Unterlagen haben wollte, andererseits die Amerikaner diese Unterlagen aber nicht freigeben wollten. Die Lösung, die Sie uns dann präsentiert haben, dass man das einfach "geheim" stempelt, ist ja eigentlich recht einleuchtend - fast hätte ich gesagt, banal. Deswegen meine Frage: Warum ist man darauf erst jetzt gekommen? Dieser Konflikt währt ja schon recht lange, wenn ich das richtig beurteile.

Paris: So lange währt er noch nicht, wenn man einmal die Gesamtprojektlaufzeit sieht. Wir sprechen hier über ein Problem, das sich insbesondere im Bereich des letzten Jahres noch einmal verdeutlicht hat. Vielleicht muss ich es noch einmal ein bisschen deutlicher machen: Es geht darum, dass das amerikanische Recht sagt, dass solche Informationen an Dritte nicht weitergegeben werden können. Wenn Sie es trotzdem tun, machen Sie sich nach amerikanischem Recht strafbar. Dieses Phänomen haben wir auch mit der amerikanischen Seite zu lösen versucht, damit man eben nicht diese hilfsweise Geheimstempelung machen muss. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass der Bundesrechnungshof einem sogenannten "Technical Assistance Agreement" beitritt. Das tut der Rechnungshof aus guten Gründen nicht, weil er sich als unabhängige Institution sieht und keine Veranlassung sieht, so etwas zu tun. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, dass die Amerikaner hier vielleicht zurückgehen und sagen: Okay, wir machen hierbei eine Ausnahme. Das haben sie aber nicht getan; das liegt an dem mit Blick auf Exportgeheimnisse sehr strengen amerikanischen Recht. Deshalb haben wir mit dem Bundesrechnungshof sehr intensiv über dieses Problem gesprochen. Die Lösungen, so wie ich Sie ihnen dargestellt habe, sind Anfang des Jahres auch sehr intensiv zwischen einem Staatssekretär unseres Hauses, Herrn Wolf, und auch dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes erörtert worden, mit der Zielrichtung, dass man diesen Weg gehen möchte. Das haben wir letztendlich auch als sinnvolle Problemlösung angesehen, und das wird der amerikanischen Seite auch so gesagt.

Der Rechnungshof hat - darauf kommt es mir an - jetzt die Möglichkeit, in die Unterlagen komplett Einblick zu nehmen. Ich bitte auch noch einmal um Verständnis: Er hatte eine sehr breite Möglichkeit, eine Vielzahl von Dokumenten zu prüfen. Es geht hierbei um einen gewissen Teil von Dokumenten, die von amerikanischer Seite geschwärzt worden sind. Das haben wir jetzt auf. Damit wird der Rechnungshof umgehen. Sie müssen nur an eines denken: Wenn gewisse Teile von solchen Unterlagen offen sind und andere Teile als "vertraulich", "NfD" oder "geheim" eingestuft sind, dann ist das natürlich in Bezug auf die Berichte, die der Rechnungshof später erstellt, und auch in Bezug auf die parlamentarische Debatte dazu immer mit einer gewissen Schwierigkeit versehen. Wir erleben es hier ja regelmäßig, dass Sie Fragen stellen und dann gesagt wird: Darüber können wir nichts sagen. Weil wir aber einen sehr transparenten Ansatz verfolgen, möchten wir gerne auch dazu kommen, dass wir die vertraglichen Verbindungen und die einzelnen Bestandteile dieses Projekts so gut wie möglich offenlegen können - zunächst einmal, um die Arbeit auf diesem Weg weiter voranschreiten zu lassen.

Wie sich das en détail klären wird, wird die Zukunft zeigen. Zunächst einmal ist mir wichtig zu sagen: Der Bundesrechnungshof hat jetzt hundertprozentig Einsicht. Ich würde sagen, bisher hatte er nur ungefähr 80-prozentig Einsicht.

Zusatzfrage: Inwiefern ist eigentlich der Minister selbst mit diesem ganzen Projekt befasst gewesen und inwiefern - Sie haben ja geschildert, der Staatssekretär habe mit dem Bundesrechnungshof verhandelt - ist das alles Sache von Staatssekretären oder Abteilungsleitern? Denn Ihr Minister wird ja stets persönlich dafür verantwortlich gemacht. Insofern meine Frage: Inwiefern ist er als Minister - abgesehen von der Verantwortung, die er als Minister logischerweise hat - überhaupt in diese Dinge eingebunden?

Paris: Ein Minister, der im Amt ist, ist ein Minister im Amt, das ist völlig klar. Ich möchte hier auch gar nicht die Stimmen kommentieren, die den Minister oder auch andere handelnde Personen diesbezüglich jetzt auf die eine oder andere Art und Weise oder mit dem einen oder anderen Argument persönlich die Verantwortung nehmen. Fest steht, dass diese Entscheidung insgesamt durch das Verteidigungsministerium getroffen worden ist. Dazu gehören alle Personen, die dem Verteidigungsministerium angehören und auch mit dieser Sache befasst gewesen sind. Wie genau wer zu welcher Zeit unterrichtet wurde und wer wann welche Entscheidungen getroffen oder eben auch nicht getroffen hat, das sind Fragen, die jetzt in einer chronologischen Aufarbeitung weit zurückreichend in die Jahre ab 2001 gehen. Dieser Zeitraum muss aufgearbeitet werden, er muss chronologisch aufgearbeitet werden, er muss sorgfältig aufgearbeitet werden - insbesondere mit Blick auf die Zeitschiene und insbesondere auch mit dem Ziel, dass das Ergebnis, das am 5 Juni zur Befassung des Verteidigungsausschusses vorgelegt werden wird, all diese Fragen, die jetzt vielleicht von Ihnen und auch von Parlamentariern gestellt werden, beantworten können wird. Ich kann diese Fragen im Moment nicht beantworten, und zwar schlicht und ergreifend auch deshalb, weil die Arbeitsgruppe derzeit tagt und mir ein Bericht oder ein Entwurf des Berichtes noch nicht vorliegt. Das ist aber auch normal, denn die Damen und Herren haben viel zu tun.

Frage: Es kann sein, dass das früher schon einmal gefragt wurde, aber ich frage es trotzdem noch einmal: Ist es richtig, dass das Verteidigungsministerium eingestanden hat, dass der Minister seit November 2011 wusste, dass diese Drohne im europäischen Luftraum ohne eine zusätzliche Ausrüstung, ohne eine zusätzliche Investition nicht zulassungsfähig ist?

Paris: Auch da möchte ich darum bitten, dass wir abwarten, was der Bericht dazu aussagen wird. Ich habe solche Behauptungen oder Tatsachenbehauptungen auch gelesen. Ich möchte Sie vor dem Hintergrund dessen, dass wir gegenüber dem Parlament berichtspflichtig sind und derzeit dabei sind, das akribisch und chronologisch aufzuarbeiten, um Verständnis bitten, dass wir das nicht kommentieren.

Mir ist vielleicht noch eines wichtig - weil Sie die Zulassungsprobleme insgesamt ansprechen, ohne auf bestimmte Zeitpunkte abzustellen -: Es wird häufig behauptet, dass es ein Kernzulassungsproblem gegeben habe, nämlich das Kollisionsvermeidungssystem. Das ist so nicht richtig. Die Kernprobleme bei der Zulassung bestehen darin, dass wir nach unserem nationalen Recht der zuständigen Zulassungsstelle die Möglichkeit geben müssen, ein Fluggerät anhand einer Papierlage zu überprüfen. Es reicht nicht aus, dass Sie ein Fluggerät wie den "Euro Hawk" nach Manching stellen, die Truppe der Prüfer dann darum stellen und sagen: "So bitte, hier sind Schraubenzieher, guckt euch das alles einmal an." Die gucken zwar einmal, aber sie brauchen für das, was sie sehen - insbesondere die Teile, in die man nicht hineingucken kann, weil sie technisch so verbaut sind, und vor allem auch, weil sie zusammenwirken -, auch eine Papierlage. Das ist schlicht und ergreifend deshalb so, damit man - ich sage das einmal ein bisschen flapsig - dem deutschen Prüfwesen nachkommen und sagen kann: Das ist das Papier, das ist technisch nachvollziehbar, das garantiert ganz bestimmte technische Dinge, und deshalb bekommt das einen Stempel, dass es so in Ordnung ist. Eine Vielzahl dieser Papiere - das hängt nicht mit dem Kollisionsvermeidungssystem zusammen, sondern das hängt letztendlich mit sämtlichen Teilen, die darin verbaut sind, zusammen - sind von der Herstellerseite aber nicht in der ausreichenden Form zur Verfügung gestellt worden. Das wiederum liegt an genau dem, was ich eben im Zusammenhang mit der Prüfung durch den Bundesrechnungshof dargelegt habe, nämli ch dass solche Produkte - auch, wenn sie nur in der Entwicklung sind - aufgrund der amerikanischen Exportbestimmungen einem hohen Geheimhaltungsgrad unterliegen.

Insofern gilt: Wenn Sie diese Voraussetzungen nicht bekommen, dann tun Sie sich hier mit der Zulassung naturgemäß sehr, sehr schwer. Dann kommen Sie irgendwann zu einem Punkt, an dem Sie sagen: "Was müsste ich denn jetzt tun, um auf einem anderen Wege zu dieser Erkenntnis zu gelangen?". Das würde bedeuten, dass Sie letztendlich alles, was dort steht und was Sie vom Hersteller nicht bekommen, eigenproduzieren. Sie müssten die Teile ausbauen, Sie müssten die selbst überprüfen - Sie müssten quasi das fehlende Papier selbst erstellen. Das wäre so aufwändig und mit so hohen Kosten verbunden gewesen - und insbesondere auch nicht wirklich erfolgversprechend gewesen -, dass man gesagt hat: Bevor wir jetzt noch so viel Geld investieren, um es zu erreichen, dieses Fluggerät zulassungsfähig zu machen, verzichten wir auf dieses Trägersystem "Euro Hawk"; wir nutzen weiter das, was sich darin befindet, nämlich das SIGINT-System, geben aber nicht noch mehr Geld für die Zulassung aus; insbesondere gehen wir nicht von der Erprobung in eine Beschaffungsphase über, denn die Erprobung hat uns ja gezeigt: Das werden wir mit Zuverlässigkeit nicht in den deutschen Luftraum bekommen. Das war der Grund.

Wann wer darüber unterrichtet worden ist und wann was entschieden worden ist, wird Gegenstand der chronologischen Aufarbeitung sein. Ich kann es schlichtweg im Moment nicht beantworten.

Zusatzfrage: Ich habe die Frage auch deshalb gestellt, weil das zum Beispiel in dpa-Texten so vorkam. Da hieß es: Der Minister wusste das seit Ende 2011, und das hätte das Verteidigungsministerium auch schon eingestanden.

Paris: Ich persönlich habe es nicht eingestanden. Ich behaupte einmal, dass auch der Minister das nicht eingestanden hat, so wie Sie es formulieren; denn der Minister hat sich zu diesem Thema bereits im Deutschen Bundestag geäußert und gesagt: Hier komme ich dem Begehren des Parlamentes sehr gerne und auch in einem eigenen Interesse nach. Das wird nun chronologisch - und zwar nicht beginnend im Jahr 2011, sondern beginnend im Jahr 2001 und über die Jahre 2004, 2007 etc., also über alle Projektschritte hinweg - aufgearbeitet.

Frage: Habe ich Sie richtig verstanden: Wenn die Amerikaner alle Papiere auf den Tisch gelegt hätten, hätten Sie mutmaßlich auch eine Zulassung?

Paris: Ich würde das jetzt nicht wie ein deutscher Prüfer mit dem Prüfsiegel "Ja, Herr Petersen, Sie haben Recht" versehen. Ich würde aber sagen: Wenn wir diese Schwierigkeiten nicht gehabt hätten, dann wäre das Zulassungsproblem durchaus ein deutlich, deutlich kleineres gewesen.

Frage: Herr Paris, wer leitet die Arbeitsgruppe im Bundesverteidigungsministerium und an wen berichtet die Leitung der Arbeitsgruppe?

Paris: Die Arbeitsgruppe wird letztendlich an den Bundesminister berichten, weil der Bundesminister dann ja auch im Verteidigungsausschuss Auskunft geben wird. Diese Arbeitsgruppe setzt sich nicht aus einer einzigen Abteilung oder gar einer einzige Person zusammen. Sie ist in ihrem Kern in der Abteilung AIN - das war vor der Reform die sogenannte Rüstungsabteilung; heute heißt diese Abteilung "Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung" - aufgehängt. Dort ist ein Sekretariat eingerichtet worden. Stellen Sie sich darunter aber nicht das klassische Sekretariat vor; vielmehr ist das eine Gruppe, die über den drei Arbeitssträngen, die ich Ihnen eben genannt habe, eingerichtet worden ist. In diesen verschiedenen Arbeitssträngen sind sicherlich Mitarbeiter der zuständigen Abteilung AIN, aber auch Vertreter aus den Bereichen Haushalt, Führung Streitkräfte und Politik vertreten; denn das Thema, das beackert werden muss, bezieht sich ja nicht nur auf den "Euro Hawk" selbst, sondern insbesondere auch auf die Frage - ich sagte es eben -: Was für Konsequenzen hat das möglicherweise für andere Beschaffungsobjekte im Bereich der unbemannten Fluggeräte, was für Auswirkungen hat das möglicherweise auf "Global Hawk"/AGS? Letztendlich sind dem Ganzen auch noch Mitarbeiter aus dem Bereich Organisation und Revision beigestellt.

Das hat man einfach so gemacht, damit jetzt nicht allein diejenigen, die vielleicht schon seit langer Zeit mit dem Thema befasst sind, diesen Bericht erstellen. Vielmehr ist das eine Gesamtaufgabe aus verschiedenen Bereichen des Hauses, die das insgesamt zu einem Bericht verdichten, der über die ministeriellen Hierarchien - über die Abteilungsleitung und die Staatssekretäre hin zum Minister - vorbereitet wird, um dann als Produkt des Verteidigungsministeriums dem Deutschen Bundestag in Gestalt des Verteidigungsausschusses und wahrscheinlich auch des Haushaltsausschusses übergeben, vorgetragen und dann auch entsprechend parlamentarisch beraten zu werden.

Zusatzfrage: Gibt es eine Leiterin oder einen Leiter dieser Arbeitsgruppe?

Paris: Da wird es sicherlich jemanden geben, aber ich wüsste im Moment noch nicht einmal, wer es ist. Es gibt das Sekretariat. Dieses Sekretariat wird jemanden an der Spitze haben. Ich kann es Ihnen aber nicht sagen, ich weiß es einfach nicht. Ich reiche das gerne nach.

Vorsitzende Sirleschtov: Das interessiert sicherlich auch andere, deshalb verbreiten wir das gerne, Herr Paris.

Frage: Zunächst an den Regierungssprecher: Herr Streiter, die Kanzlerin wird an den Feierlichkeiten der SPD zu ihrem 150-jährigen Bestehen, die in Leipzig stattfinden werden, teilnehmen. Meine Frage: Was empfindet Frau Merkel - nicht als Verfassungsorgan Bundeskanzlerin, sondern als CDU-Vorsitzende, als Mensch -, welche Empfindungen begleiten sie, wenn sie das Jubiläum der ältesten und traditionsreichen deutschen Partei, der SPD, besucht?

SRS Streiter: Sie empfindet, dass sie dabei ist, wie die große, traditionsgroße SPD ihr Jubiläum feiert. Ich möchte da nicht zu tief in ihre Empfindungen eindringen. Das ist mir, ehrlich gesagt, auch nicht bekannt.

Zusatzfrage: Haben Sie darüber mit ihr nicht gesprochen?

SRS Streiter: Nein, habe ich nicht.

Frage: Dann habe ich noch eine Frage an das Arbeitsministerium. Es geht um die Antwort auf die parlamentarische Anfrage betreffend Hartz-IV-Klagen. Da gibt es ja einen neuen Stand: 44 Prozent der Klagen sind erfolgreich. Das ist auch keine Neuentwicklung, sondern das war ja vor mehreren Jahren auch schon so. Meine Frage: Sieht das Ministerium möglicherweise Anlass dafür, das Leistungsrecht etwas weniger kompliziert zu gestalten? Dass es zu kompliziert ist, wird ja auch von der Bundesagentur für Arbeit und auch von Gerichten - etwa dem Sozialgericht Berlin - beklagt. Oder belässt man es bei dieser Bilanz und nimmt sie nur zur Kenntnis?

Wendt: Es ist in der Tat so, dass es Klagen gibt und dass solche Klagen von den Gerichten durchaus auch erfolgreich beschieden werden. Alles in allem werden aber nur 6 Prozent der Bescheide, die herausgegeben werden, beklagt. Das ist sicherlich mit einem gewissen Verwaltungsaufwand verbunden. Nichtsdestotrotz gehen wir davon aus, dass die Bundesagentur für Arbeit das alles im Sinne der Gesetze handhabt. Es gibt im Moment keine Bestrebungen, etwas an den Vorschriften zu ändern.

Zusatzfrage: Ich weiß nicht, wie Sie auf 6 Prozent kommen - da ist doch von 44 Prozent die Rede, also fast jeder zweiten Klage.

Wendt: Die erfolgreich beschieden werden, richtig. Aber wenn man die Klagen in Gänze nimmt, dann sieht man, dass überhaupt nur 6 Prozent der Bescheide beklagt werden. Von diesen 6 Prozent ist dann sozusagen knapp die Hälfte erfolgreich.

Zusatzfrage: Es soll ja auch - ich weiß nicht, ob das Justizministerium, das dabei federführend ist, dazu etwas sagen will - das Prozesskostenhilferecht verändert werden, was sich auf diejenigen auswirken würde, die von Hartz IV betroffen sind und gegen Bescheide klagen. Wird es dazu in dieser Wahlperiode noch kommen? Gibt es vielleicht Überlegungen, dies aufgrund der Ergebnisse der parlamentarischen Anfrage zu ändern?

Albin: Mein letzter Stand ist, dass die Änderung im Prozesskostenhilferecht den Bundestag in der vergangenen Woche in der zweiten und dritten Lesung passiert hat.

Frage: Ich habe zwei Fragen zum Themenkomplex Algerien beziehungsweise zur Algerien-Reise des Außenministers.

Zunächst an Herrn Streiter, aber gern auch an die Fachsprecher: Der algerische Außenminister hat bei dem Besuch von Herrn Westerwelle gesagt, der gemeinsame Antiterrorkampf sei ein Schwerpunkt der bilateralen Beziehungen und das geschehe auf Anweisung von Bundeskanzlerin Merkel und dem algerischen Präsidenten auf höchster Regierungsebene und bringe bereits sehr konkrete Ergebnisse. Deshalb die erste Frage: Welcher Art ist diese enge Kooperation?

Zweitens. Wie ist sichergestellt, dass der Antiterrorkampf nicht die Chiffre dafür ist, die Repressionen zu verstärken und die Menschenrechtssituation in Algerien weiter zu verschlechtern? Damit verbunden: Welche Kontrollinstrumente gibt es denn von deutscher Seite, um sicherzustellen, dass nicht unter der Überschrift des Antiterrorkampfs Repressionen und möglicherweise Folter und andere Menschenrechtsverletzungen erfolgen?

SRS Streiter: Das ist, glaube ich, eine Frage der Formulierung. Ich würde das Thema gerne sofort an Herrn Peschke abgeben.

Zusatzfrage: Könnten Sie nur zur ersten Frage etwas sagen? Wenn gesagt wird, das sei auf Anweisung von Bundeskanzlerin Merkel und dem algerischen Präsidenten geschehen: In welcher Weise ist die Bundeskanzlerin involviert gewesen?

SRS Streiter: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann das nicht bestätigen.

Peschke: Sie waren ja, soweit ich mich erinnere, dabei. Wir haben diese Fragen auf der Reise ja ausführlich erörtert - womöglich nicht ausführlich genug, wie Ihre Frage zeigt.

Es gibt da zunächst einmal den Aspekt der Bekämpfung des Terrorismus. Das ist - das hat der Außenminister auch bestätigt - in der Tat ein gemeinsames Anliegen, das Deutschland und Algerien verbindet. Das betrifft die Vorgänge in Mali, das betrifft die terroristische Geiselnahme in Algerien selbst, das betrifft die Sicherheitslage in der gesamten Region - also Maghreb, aber vor allem Sahel. Wir müssen ja alle feststellen - nicht nur Algerien und die Region, sondern auch wir -, dass dort das Erstarken terroristischer Kräfte, extremistischer Kräfte zu einer erheblichen Verschärfung der Sicherheitslage geführt hat, was wiederum unter anderem dazu geführt hat, dass ein gesamter Staat, nämlich Mali, existenziell bedroht wurde. Soweit zu dem gemeinsamen Interesse.

Wie sich das herleitet: Sie wissen, dass - meines Erachtens war das im letzten Jahr - Präsident Bouteflika auch in Deutschland war und hier Gespräche geführt hat. Das gliedert sich in einen Dialog ein, der auf mehreren verschiedenen Ebenen geführt wird. Zuvor war Außenminister Westerwelle ja schon einmal zu Gesprächen in Algerien gewesen. Jetzt war er wieder da. Im Rahmen dieser Gesprächskontakte auf ganz verschiedenen Ebenen - angefangen vom Präsidenten und der Bundeskanzlerin über die Außenminister bis zu den zuständigen Fachleuten - wurde auch besprochen, dass man sich im Rahmen breiterer Konsultationen auch in Sicherheits- und Antiterrorfragen eng abstimmt. Das ist insofern Stand der bilateralen Zusammenarbeit, so wie sie sich aus den Gesprächen der Regierungschefs, aber auch der Außenminister und anderer Experten ergibt. Dazu gibt es bereits regelmäßig tagende bilaterale Gremien und dazu sind jetzt erneut Staatssekretärs-Konsultationen vereinbart worden. Da spielen die Sicherheitsfragen eine Rolle.

Zur Frage "Wie wird das kontrolliert?": Das wird natürlich auf ganz verschiedenerlei Art kontrolliert beziehungsweise nachverfolgt. Das ist möglicherweise während des Besuchs nicht so klar deutlich geworden, aber der Außenminister hat sowohl während des Besuchs als auch in anderen Zusammenhängen immer wieder gesagt, dass wir natürlich immer die gesamte Bandbreite der Lage in einem Land zugrundelegen. Es spielen nicht nur außenpolitische, sicherheitspolitische und wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, sondern es spielen immer auch Fragen der inneren Reformen, des inneren Zustands und der Menschenrechtssituation eine Rolle. Das ergibt ein Gesamtbild, im Lichte dessen wir unsere Kooperation bewerten und Kooperationsmöglichkeiten auslooten.

Bei Algerien ist die Sache so, dass wir einerseits Defizite sehen, die wir ansprechen, und dass wir Reformen ermutigen, dass es andererseits aber auch Reformprozesse in Algerien gibt - wie zum Beispiel den Verfassungsreformprozess, wie zum Beispiel das Frauenbeteiligungsgesetz, wie zum Beispiel das Gesetz zur Diversifizierung der politischen Landschaft - die aus unserer Sicht natürlich weitergehen müssen, die man in gewisser Weise ermutigen muss, für die man aber natürlich auch ein stabiles Umfeld schaffen muss. Ich glaube, es ist niemandem gedient, wenn die terroristischen Quellen und Bewegungen, die es gibt - in Algerien selbst, vor allem aber in den Nachbarländern Algeriens, von wo aus sie über die sehr langen Landgrenzen, die es zum Beispiel mit Mali gibt, nach Algerien hinein schwappen -, dazu führen, dass sich die Lage in Algerien oder in anderen Ländern so weit destabilisiert, dass innere Reformprozesse unmöglich werden.

Insofern gibt es immer ein Gesamtbild. Das wird - das muss ich Ihnen so sagen, - eigentlich täglich neu bewertet.

Zusatzfrage: Herr Peschke, ich habe daraufhin noch einmal den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung gelesen, in dem ausdrücklich gesagt wird, dass, wenn man in Sachen Sicherheit und Antiterrorbekämpfung kooperiert, das Eintreten für die Menschenrechte in der Balance umso wichtiger ist. Deshalb die Frage: Warum ist auf der Reise auch auf mehrfaches Nachfragen von uns Journalisten in keiner öffentlichen Stellungnahme - auch in Gegenwart der algerischen Medien, in Gegenwart der algerischen Gastgeber - das Wort "Menschenrechte" oder das, was man als Substanz damit verbindet, vom Außenminister in den Mund genommen worden? Das erweckt doch zumindest den Eindruck, dass die Balance - jedenfalls in der öffentlichen Darstellung - nicht intakt war.

Peschke: Der Eindruck ist falsch. Wenn dieser Eindruck entstanden ist, muss ich das zur Kenntnis nehmen; er ist zumindest nicht sachlich begründet. Es gibt sehr wohl eine Balance. Der Stand der inneren Reformen hatte in den Gesprächen - ich war ja dabei - einen breiten Raum eingenommen; Außenminister Westerwelle hat sich ausführlich über den Stand der inneren Reformen unterrichten lassen. Er hat auch in der Pressekonferenz gleich zu Beginn gesagt: Das Thema der inneren Verfasstheit, der inneren Reformen war Thema unserer Gespräche. Ich glaube, auch der algerische Außenminister hat das eingeräumt. Das war also Thema. Wir haben es deutlich gemacht - nicht nur bei diesem, sondern auch beim letzten Besuch - und sagen das auch immer wieder.

Man muss aber auch - deswegen ist es eine Balance - zur Kenntnis nehmen, dass es in Algerien - wie in anderen Ländern auch beziehungsweise gerade auch im Vergleich zu anderen Ländern - positive Entwicklungen gibt. Es hat keinen Sinn, dass wir, wenn wir Probleme sehen, das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir müssen vielmehr - das ist ganz wichtig - die Gesamtheit der Entwicklungen sehen. Da gibt es Probleme, die wir ansprechen und auf deren Besserung wir hinwirken, aber es gibt auch Ansatzpunkte und Ansatznotwendigkeiten für Zusammenarbeit. Es hat doch keinen Sinn, dass wir in einer Situation, wo eine ganze Region droht, über die Klippe zu springen, in dem einzigen Land, wo es funktioniert und wo man noch Ansatzpunkte hat, um Stabilität zu schaffen, diese Ansatzpunkte nicht nutzen, sondern stattdessen ausschließlich die innere Entwicklung kritisieren. Natürlich machen wir das, aber wir können das andere doch nicht aus der Zusammenarbeit ausschließen.

Frage: Ein Kritiker der russischen Regierung, William Browder, sagt, dass er einer geplante Reise nach Deutschland zu einer Menschenrechtskonferenz in Berlin abgesagt habe, weil ihm, wie er behauptet, die Bundesregierung nicht zusagen konnte, ihn vor dem Zugriff russischer Behörden zu schützen. Er befasst sich relativ aktiv mit der Magnitski-Affäre. Ich möchte wissen: Können Innenministerium oder Auswärtigen etwas dazu sagen? War man in Kontakt mit Herrn Browder?

Lörges: Mir ist der Fall nicht bekannt.

Peschke: Ich kann Ihnen auch nichts dazu sagen. Ich glaube, da müssten wir uns die Fakten noch einmal ansehen. Das können wir gern checken und dann Kontakt aufnehmen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 22. Mai 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/05/2013-05-22-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2013