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PRESSEKONFERENZ/550: Regierungspressekonferenz vom 1. Februar 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 1. Februar 2013
Regierungspressekonferenz vom 1. Februar 2013

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (24. Deutsch-Spanische Regierungskonsultationen, Kabinettssitzung, Arbeitsbesuch in Paris, Europäischer Rat), gestriger Besuch des italienischen Ministerpräsidenten, Finanzhilfen für Zypern, Aufstockung der Mittel für contergangeschädigte Menschen, sogenannte Lebensleistungsrente, Koalitionsausschuss, Flughafen Berlin Brandenburg

Sprecher: StS Seibert, Kothé (BMF), Kinert (BMFSFJ), Wackers (BMG), Flosdorff (BMAS), Mehwald (BMVBS)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Womit es am Montag in Sachen Termine der Bundeskanzlerin losgeht, hatte ich Ihnen bei der letzten Regierungspressekonferenz schon vorgestellt: Es sind die 24. Deutsch-Spanischen Regierungskonsultationen, die hier in Berlin stattfinden. Ich glaube, wir müssen nicht noch einmal auf den Ablauf eingehen.

Am Mittwoch, dem 6. Februar, tagt wie üblich um 9.30 Uhr das Bundeskabinett.

Am Mittwochabend reist die Bundeskanzlerin zu einem Arbeitsbesuch nach Paris. Sie wird mit Staatspräsident Hollande dort vorbereitende Gespräche für den Europäischen Rat führen, der am 7. und 8. Februar in Brüssel stattfindet. Das setzt diese sehr intensive Gesprächsreihe, die zwischen Deutschland und Frankreich und zwischen der Kanzlerin und dem Präsidenten persönlich besteht, fort. Sie hatten sich zuletzt hier bei den großen Feierlichkeiten zum 50. Jahrestages des Élysée-Vertrags sehr ausführlich ausgetauscht.

Im Anschluss an das Arbeitsgespräch werden Präsident Hollande und die Bundeskanzlerin gemeinsam das Fußballspiel Deutschland-Frankreich im Stade de France besuchen. Es ist ein Freundschaftsspiel, und Anpfiff ist um 21 Uhr.

Am Donnerstag reist die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat nach Brüssel, für den Donnerstag und Freitag angesetzt sind. Es geht um 15 Uhr mit dem üblichen Austausch mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, los. Die erste Arbeitssitzung beginnt um 15.45 Uhr. Das Arbeitsessen ist für 18.30 Uhr programmiert. Am Freitag sollen die Beratungen um 10 Uhr mit der zweiten Arbeitssitzung fortgesetzt werden. Sie wissen, dass diese Dinge sich in der Dynamik der Brüsseler Ereignisse manchmal etwas verschieben können.

Im Mittelpunkt dieses Europäischen Rates wird der mehrjährige Finanzrahmen der EU 2014 bis 2020 stehen. Sie wissen, dass es im November bei dem Gipfel, der ein sehr wichtiger Zwischenschritt war, dazu noch keine Einigung gegeben hat. Wir als Bundesregierung hoffen nun sehr, dass eine solche Einigung möglich sein wird. Die Bundesregierung unterstützt den Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, in dem Ziel, bei diesem Brüsseler Gipfel eine Einigung zu erreichen. Das heißt, dass das sicherlich Kompromissbereitschaft, Lösungen bei Obergrenzen, der Qualität der Ausgaben und der Verteilung der Mittel auf die verschiedenen Ausgabenbereiche, die überzeugend sind, voraussetzt.

Aus deutscher Sicht ist es wichtig, dass der EU-Haushalt zur Konsolidierung der Mitgliedstaaten beiträgt. Gleichzeitig muss er stärker als in der Vergangenheit die Ziele sehr konkret ins Auge fassen, auf die wir hinarbeiten, nämlich bessere Wettbewerbsfähigkeit für die europäischen Mitgliedstaaten, Wachstum und nachhaltige Beschäftigung.

Ein anderes Thema bei diesem Europäischen Rat wird das Thema Handel sein. Die EU hat großes Interesse an einem fairen und möglichst offenen Welthandel. Das schafft Wirtschaftswachstum, das sichert Arbeitsplätze in der EU. Das wird sicherlich auch ein Thema der Beratungen sein.

Dann gibt es noch einen außenpolitischen Teil des Europäischen Rates, der sich mit den Umbrüchen im arabischen Raum und der Partnerschaft der EU mit den Ländern der arabischen Welt befassen wird. Auch die Lage in Syrien und gegebenenfalls Mali werden zur Sprache kommen.

Wir halten wie immer ein Briefing vor diesem Europäischen Rat ab, und zwar hier an dieser Stelle am Mittwoch, dem 6. Februar, um 14 Uhr mit Nikolas Meyer-Landrut, dem Leiter der europapolitischen Abteilung im Kanzleramt. - Das ist es von meiner Seite.

Frage (zum Arbeitsbesuch in Paris): Herr Seibert, ist geplant, dass es eine gemeinsame deutsch-französische Position geben wird, wie das in der Vergangenheit mit Herrn Sarkozy öfter der Fall war, die man dann in Brüssel zusammen vertritt? Oder strebt man das nicht mehr an?

StS Seibert: Beide Seiten haben ein intensives Interesse an einer Einigung auf den mehrjährigen Finanzrahmen in Brüssel. Beide Seiten werden in den Vorgesprächen natürlich ausloten, wie sie zu einer solchen Einigung beitragen können.

Zusatzfrage: Dass alle Interesse an einer Einigung haben, ist ja klar. Ist angestrebt, dass es eine gemeinsame deutsch-französische Position gibt, mit der man dann in Brüssel in die Verhandlungen geht?

StS Seibert: Die Initiative liegt da beim europäischen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Er wird einen neuen Vorschlag machen.

Frage: Eine Frage zum Europäischen Rat in der nächsten Woche und zum gestrigen Besuch von Ministerpräsident Monti. Herr Seibert, Herr Monti hat gestern mehrmals betont, dass Italien zu viel bezahlt, was den europäischen Haushalt angeht. Es sei ungerechtfertigt, was Italien aktuell bezahle. Wie hat Frau Merkel darauf reagiert? Sieht die deutsche Regierung das auch so?

StS Seibert: Es war ein sehr gutes und sehr konstruktives Gespräch, das die Kanzlerin gestern mit Ministerpräsident Monti hatte. Sie haben vielleicht auch die Erklärung vor der Presse kurz vor Beginn des Gesprächs gehört. Sie hat gesagt: Es ist kein Geheimnis, das Mario Monti sehr hart für die Interessen Italiens eintritt und dass daraus manchmal auch schwierige Probleme vorhanden sind. Wir werden sie lösen. Wir haben sie auch in der Vergangenheit gelöst.

In diesem Sinne war das Gespräch ein gutes Gespräch zum Ausloten gegenseitiger Interessen, gegenseitiger Positionen. Beide Seiten sind an einem Gelingen des Europäischen Rates, also an einer Einigung, interessiert.

Zusatzfrage: Wird die deutsche Regierung eine Entlastung für Italien unterstützen?

Zweitens. Wurde auch über die italienische politische Lage gesprochen?

StS Seibert: Das Gespräch hat sich ganz überwiegend mit der Vorbereitung des Europäischen Rates befasst, also mit dem Gespräch über das europäische Budget 2014 bis 2020. Einzelne Positionen jetzt hier wenige Tage vor dem Rat öffentlich zu machen, halte ich nicht für sinnvoll und hilft auch nicht dabei, eine Lösung zu finden.

Zusatzfrage: Wurde hinter den Kulissen über die politische Lage bezüglich des Wahlkampfs in Italien gesprochen?

StS Seibert: Nein. Es war ein Vorbereitungsgespräch für den Europäischen Rat.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Herrn Seibert und eine Frage an Frau Kothé, was den Besuch von Herrn Rajoy angeht.

Herr Seibert, wird das Thema "Korruption in Spanien" in dem Gespräch mit Herrn Rajoy eine Rolle spielen? Gibt es in der Bundesregierung die Sorge, was Korruption in Europa und nicht nur in Spanien angeht? Wir befinden uns in einer großen Krise, und die Bundeskanzlerin sagt immer, dass wir Vertrauen zurückbekommen müssen. Das scheint aber nicht so einfach zu sein.

Frau Kothé, denken Sie nicht, dass Länder wie Spanien Reformen im politischen Bereich brauchen, um sich zu finanzieren? Brauchen sie mehr Transparenz und nicht nur Reformen im wirtschaftlichen Bereich?

StS Seibert: Sie bemühen sich jetzt sehr, mich in eine innerspanische Debatte hineinzuziehen, aber das wird Ihnen nicht gelingen.

Ich kann Ihnen ganz grundsätzlich sagen, dass die Bundesregierung natürlich sowohl national als auch international alles tut, um die Korruption politisch zu bekämpfen. Das ist eine grundsätzliche Bemerkung.

Die deutsch-spanischen Regierungskonsultationen, die am Montag hier abgehalten werden, dienen dazu - das ist der Reiz dieses Formats -, dass man wirklich in großer Konkretion von Ressort zu Ressort miteinander bespricht, was man für gemeinsame Projekte vorantreiben kann, was man gegenüber dem letzten Treffen erreicht hat und wie man im Interesse gemeinsamer Ziele weiterarbeiten kann. Das wird am Montag das Ziel dieser Veranstaltung sein.

Im Übrigen gibt es ein Gespräch der Kanzlerin mit Ministerpräsident Rajoy, das ebenso wie das Gespräch mit Herrn Hollande oder Herrn Monti der Vorbereitung dieses wichtigen Europäischen Rates dient.

Kothé: Ich möchte Sie um Verständnis bitten, dass auch ich innenpolitische Dinge in Spanien nicht kommentiere.

Was die wirtschafts- und finanzpolitischen Reformen in Spanien angeht, so hat sich unser Minister oft dahingehend geäußert, dass er da großes Vertrauen hat. Mehr sage ich dazu nicht von meiner Seite.

Zusatzfrage: Denken Sie, dass die Transparenz, die es in Europa im politischen Bereich gibt, ausreichend ist? Brauchen wir mehr Transparenz? Ich beziehe das nicht nur auf Spanien, sondern auch auf Europa.

Kothé: Ich habe dazu gesagt, was ich dazu sagen möchte. Wir werden hier nicht innenpolitische Diskussionen in Spanien kommentieren.

Frage: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Frau Kothé, heute lesen wir in den Zeitungen Äußerungen von Unionspolitikern - zum Beispiel von Herrn Barthle -, der damit rechnet, dass Zypern als systemrelevant für die gesamte Eurozone eingestuft wird. Werden vonseiten des Bundesfinanzministeriums solche Überlegungen angestellt? Oder bleibt das Bundesfinanzministerium bei seiner Position, dass Zypern nicht systemrelevant ist?

Kothé: Ich kenne keine Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums, in der wir gesagt hätten, dass Zypern systemrelevant ist oder nicht. Wir haben immer darauf verwiesen, dass es eine rechtliche Vorgabe gibt, diese Frage zu prüfen. Das muss jetzt erfolgen. Sie kennen die Verfahren, die auf europäischer Ebene laufen. Es muss eine Verständigung über ein "Memorandum of Understanding" für Zypern geben, wenn die Systemrelevanz festgestellt worden ist. Der Prozess läuft. Da gibt es im Augenblick nichts Neues.

Zusatzfrage: Solange Sie nicht sagen, dass Zypern systemrelevant ist, bleibt die Option, dass Zypern letztendlich nicht systemrelevant sein könnte.

Kothé: Diese Frage ist jetzt zu prüfen. Sie wird geprüft. An irgendwelchen Spekulationen über die Frage "Was wäre wann?", beteilige ich mich immer sehr ungern.

Frage: Eine Frage zum gestrigen Koalitionsausschuss. Wie ist das Verfahren für die Unterstützung der Contergan-Opfer vorgesehen?

Kinert: Vielen Dank für die Frage. - Das Thema der Aufstockung der Mittel für die contergangeschädigten Menschen ist in der Tat gestern im Koalitionsausschuss behandelt worden. Es gab eine Einigung. Es ist eine konkrete Summe genannt worden, nämlich bis zu 120 Millionen Euro sollen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

Es gibt ein ganz normales weiteres parlamentarisches Verfahren. Auf dem Weg der Haushaltsaufstellung wird letztendlich darüber entschieden werden, wie viel Geld tatsächlich zur Verfügung gestellt wird. Das Bundesfamilienministerium wird gegebenenfalls, wenn es von Abgeordneten des Deutschen Bundestages gewünscht wird, mit einer Formulierungshilfe zur Verfügung stehen. Dann geht das alles weiter seinen parlamentarischen Gang. Ich kann Ihnen leider keinen Zeitplan nennen, was wann wo passiert. Das liegt erst einmal beim Parlament.

Heute Nachmittag findet eine Anhörung im Familienausschuss statt. Dort wird eine Studie zum Leben und zur Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen vorgestellt. Hier ist das Familienministerium in Form der Ministerin vertreten, die an der Sitzung teilnehmen wird, um auch dort mit den Opfern, also den contergangeschädigten Menschen, noch einmal selber zu sprechen. Ich denke, nach der Sitzung wissen wir dann mehr.

Frage: Auch an das Gesundheitsministerium und an das Finanzministerium: Es gibt einen Bericht, der besagt, dass die Reserven von Kassen und Gesundheitsfonds auf über 30 Milliarden Euro gestiegen seien. Ist das eine Summe, die sich abzeichnet? An das Finanzministerium: Besteht dann nicht auch noch Spielraum für Einsparungen, was die Zuschüsse des Bundeshaushaltes an den Fonds angeht?

Wackers: Wie Sie wissen, berichten wir regelmäßig über die Finanzergebnisse der gesetzlichen Krankenkassen. Das passiert turnusmäßig. Die nächsten Ergebnisse werden im März vorliegen. Da werden wir dann alle Einzelergebnisse zusammenfassen und bis dahin auch auf Plausibilität überprüft haben. Jetzt haben wir aber erst Anfang Februar; insofern kann ich mich noch nicht zu dem, was Sie heute im "Handelsblatt" gelesen haben, äußern.

Zusatzfrage: Es ist aber richtig, dass die Reserven wachsen?

Wackers: In Einzelfällen bestätigen wir gerne einmal den Trend, wenn es ein paar Tage vor Veröffentlichung dieser KV-45-Statistik ist. Wir befinden uns jetzt aber noch einen Monat vor der offiziellen Verkündigung, daher können wir uns dazu im Moment nicht äußern.

Zusatzfrage: An das Finanzministerium: Sehen Sie da, wenn sich die Summen so bewahrheiten würden, grundsätzlich noch Chancen, den Bundeshaushalt zu entlasten?

Kothé: Auch an dieser Stelle würde ich mich ungern an Spekulationen beteiligen. Wie Sie wissen, haben wir gestern im Rahmen des Haushaltsverfahrens die ersten Gespräche mit den Ressorts gehabt. Ihnen ist bekannt, dass wir ein ehrgeiziges, aber machbares Ziel anstreben, nämlich das Ziel, im Bundeshaushalt für 2014 eine strukturelle Null auszuweisen. Es gibt aber auch das gemeinsame Verständnis - auch nach dem gestrigen Gespräch -, dass das insgesamt eine Mannschaftsleistung sein muss. Aus dem Bereich des Gesundheitsministeriums ist ja durch Koalitionsbeschluss auch ein hoher Beitrag zu erbringen beziehungsweise wird ein hoher Beitrag erbracht. Von daher gibt es von unserer Seite auch keine Festlegungen oder Pläne hinsichtlich zusätzlicher Einsparungen usw.

Frage: Ich hätte auch noch eine Frage zum Koalitionsausschuss: Herr Seibert, können Sie uns einmal erklären, ob die Kanzlerin eine Meinung zu der Frage hat, ob man eher die Geringverdiener oder eher die Mütter bei der Rente besserstellen will beziehungsweise ob man eventuell auch beides machen möchte und kann?

StS Seibert: Noch einmal eine allgemeine Antwort: Zu den großen und wichtigen politischen Fragen hat die Kanzlerin selbstverständlich immer eine Meinung.

Zusatz: Das ist schon einmal beruhigend.

StS Seibert: Ich habe auch nicht daran gezweifelt, dass Sie nicht daran zweifeln. - Der Koalitionsausschuss hat sich gestern einen Arbeitsprozess gegeben, wie er sich dieser Frage nähert, er hat eine Arbeitsgruppe gegründet, um diese Frage, die für die Bundesregierung eine Frage von hoher Priorität ist, zu klären. Da gibt es einen Ablauf. Der wird eingehalten. Sie werden erfahren, was diese Arbeitsgruppe dann an konkreten Vorschlägen macht und wie sie die verschiedenen Interessen miteinander in Ausgleich bringt.

Zusatzfrage: Verstehe ich Sie richtig: Es gibt eine Meinung der Kanzlerin dazu, die möchten Sie jetzt aber lieber noch nicht öffentlich machen?

StS Seibert: Die Kanzlerin bringt sich als Bundeskanzlerin selbstverständlich auch immer in solche Prozesse ein.

Zusatzfrage: Warum dauert das Ganze so lange? Die Vorschläge der Arbeitsministerin liegen schließlich schon seit Monaten auf dem Tisch, und es gibt auch Parteitagsbeschlüsse zum Thema Entlastung von Müttern, die auch schon älter sind. Warum ist die Sache dermaßen zäh?

StS Seibert: Sie nennen sie zäh; ich würde sagen: Es ist ein Thema von so großer Komplexität, dass man wirklich gründlich dabei vorgehen muss. Warum es so komplex ist, kann Ihnen der Sprecher des BMAS sicherlich genau erklären. Der Wunsch, dass sehr komplexe Dinge mit einem Handstreich oder einem Federstrich geklärt werden, mag verständlich sein, aber das entspricht nicht dem komplizierten sozialen System, das wir in diesem Lande aufgebaut haben, auf das wir stolz sind und das wir weiterentwickeln wollen.

Vorsitzende Sirleschtov: Gehen wir hinein in die Details des komplexen Themas, Herr Flosdorff?

Flosdorff: Wenn der Wunsch besteht, hole ich noch einmal aus. - Es gibt ja Ansprüche, die im Koalitionsvertrag und auch im vorigen Koalitionsausschuss formuliert worden sind. Da ist immer die Rede von unterschiedlichsten Gruppen, für die Verbesserungen im Rentensystem erreicht werden sollen. Ich nenne diese Gruppen jetzt einmal: Es geht um die älteren Mütter, die Kinder vor 1992 bekommen haben, es geht um Geringverdiener, die nach 40 Jahren Arbeit am Ende nicht mit einer auskömmlichen Rente dastehen und zum Sozialamt müssen - einfach nur, weil wir das Rentenniveau aus demografischen Gründen absenken müssen -, es gibt die Erwerbsminderungsrentner, für die wir Verbesserungen erzielen wollen, es gibt ältere Arbeitnehmer, die einen gleitenden Übergang in die Rente wünschen - das ist die Kombirente. Für all diese Gruppen sind Konzepte erarbeitet worden. Alle haben unterschiedliche Gründe und berechtigte Bedürfnisse, denen wir entsprechen wollen. Das muss alles zum Ausgleich gebracht werden. Dahinter steht natürlich auch noch das übergreifende Ziel dieser Koalition, dass wir einen gesunden Haushalt haben wollen. Das macht die ganze Sache so komplex. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir am Ende des Tages ein rundes Gesamtpaket haben werden, in dem für alle diese Gruppen und auf die Probleme, die wir da im Rentensystem angehen, am Ende eine Antwort finden.

Zusatzfrage: Ist denn auch vorstellbar, dass man sozusagen eine große Lösung wählt, also sowohl für die Mütter als auch für die Geringverdiener?

Flosdorff: Es gibt dazu ja - ohne dass da Rangverhältnisse aufgestellt worden sind - Parteitagsbeschlüsse und Koalitionsbeschlüsse. Insofern finde ich, dass man all diese Gruppen nicht gegeneinander ausspielen sollte - die Erwerbsgeminderten gegen die Mütter gegen die Geringverdiener. Wir sollten vielmehr den Anspruch haben, dass wir Antworten für alle diese Gruppen finden.

Zusatzfrage: Daher rührt ja meine Frage, weil es diese Beschlüsse eben gibt. Es ist also durchaus denkbar, dass man eine große Lösung wählt, in der alle etwas bekommen?

Flosdorff: Der Rentenministerin ist wichtig, dass am Ende des Tages ein rundes Gesamtpaket steht, in dem sich alle diese Gruppen wiederfinden.

Frage: Herr Flosdorff, die Rentenministerin ist ja mit ihrem eigenen Konzept in diese Runde gegangen. Ich nehme einmal an, dass das runde Konzept, von dem all diese Gruppen profitieren sollen, im Zweifelsfall das Konzept ist, das Ihre Ministerin vertritt beziehungsweise das in Ihrem Hause erarbeitet worden ist. Warum wird denn jetzt nichts daraus? Warum ist es denn so schwierig, die Lebensleistungsrente - von der all die Gruppen, die Sie gerade genannt haben, im Zweifelsfall ja auch profitieren würden - jetzt durchzusetzen? Oder ist die mit dem Beschluss von gestern Abend erledigt?

Flosdorff: Ich darf noch einmal daran erinnern: Die Ministerin ist gestern nicht in diese Runde gegangen, denn Fachminister nehmen an dieser Runde nicht teil. Es ist auch nicht nur ihr Konzept, sondern es gibt dazu seit dem vergangenen Herbst eine Beschlusslage innerhalb der Koalition, die mehrere Punkte umfasst.

Zusatzfrage: Ist die Lebensleistungsrente, so wie Ihre Ministerin sie sich vorstellt, damit endgültig erledigt?

Flosdorff: Ich kann jetzt nicht für diejenigen sprechen, die gestern beteiligt waren, es ist aber kommuniziert worden, dass jetzt erst einmal Gespräche innerhalb der Union geführt werden sollen und dass es dann Gespräche mit der FDP geben soll - mit dem Ziel, dass man dabei in den nächsten Wochen zu einer Einigung und zu einem Gesamtkonzept kommt. Wenn ich da etwas falsch verstanden habe, bitte ich die Beteiligten um Korrektur.

Zusatzfrage: Sie und Herr Seibert haben jetzt ja viel von den Abläufen und den Diskussionsprozessen in den nächsten Wochen gesprochen. Gibt es vom Verfahren her überhaupt noch eine realistische Aussicht darauf, dass noch innerhalb dieser Legislaturperiode eine Entscheidung zu diesem Thema fällt, die dann auch umgesetzt werden kann?

StS Seibert: Wenn Sie auf Fristen der parlamentarischen Befassung anspielen: Diese Chancen gibt es noch, ja.

Zusatzfrage: Wir haben gerade im Zusammenhang mit einem anderen Gesetz, das nächste Woche im Kabinett sein soll - dabei handelt es sich um die Verbraucherschutzrechte, die hier vorgestern eine Rolle gespielt haben -, von der Justizministerin gelernt, dass das genau die Kabinettssitzung ist, die man erreichen muss, wenn man vor der Sommerpause beziehungsweise vor Ende der Legislaturperiode noch ein Gesetz ins Gesetzblatt bekommen möchte. Wenn das gilt, dann hat sich das mit der Rente ja für diese Legislaturperiode erledigt, wenn es in der nächsten Woche nicht im Kabinett ist?

StS Seibert: Allgemeine Bemerkung: Die Kabinettssitzung in der nächsten Woche ist die, die man erreichen sollte, wenn man es in bequemer Einhaltung aller Fristen schaffen will. Es gibt Möglichkeiten der Fristverkürzung und es gibt andere Möglichkeiten, da noch ein paar Wochen einzusparen.

Frage: Ich habe noch eine allgemeine Frage zum Koalitionsausschuss. Herr Seibert, Sie sind zwar Sprecher der Bundesregierung, nicht des Koalitionsausschusses, aber trotzdem möchte ich noch einmal nach der Meinung der Kanzlerin fragen: Welchen Sinn hat es denn, dass man sich jetzt, wo die Bundestagswahl näher rückt, wieder häufiger in dieser Runde treffen will, nachdem man das in den vergangenen Jahren ja eher unregelmäßig getan hat?

StS Seibert: Ich glaube, man muss einmal mit dem Irrtum aufräumen, dass es in der Zeit, in der vielleicht größere Zwischenräume zwischen Sitzungen des Koalitionsausschusses lagen, keine intensive Kommunikation miteinander gab. Das heißt, diesen Schluss können Sie schon einmal nicht treffen. Es ist jetzt beschlossen worden, sich da relativ regelmäßig zu treffen. Das hat es auch schon zu anderen Zeiten gegeben, und manchmal hat es auch Phasen mit größeren Intervallen gegeben. Für die Qualität der Zusammenarbeit in dieser Bundesregierung und für die Qualität der Regierungsarbeit, die wir miteinander leisten, ist das nicht die entscheidende Frage.

Zusatzfrage: Wenn es diese Kommunikation ohnehin immer schon gegeben hat, drängt sich umso mehr die Frage auf, warum man das jetzt so macht.

StS Seibert: Da bitte ich Sie, die Parteivertreter zu fragen.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium (im Zusammenhang mit dem Flughafen Berlin Brandenburg): Wie schätzen Sie die Qualitäten des ehemaligen Ex-Fraport-Managers und -Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Bender ein? Würden Sie ihm auch ein großes Projekt, das in Schwierigkeiten ist, zutrauen?

Mehwald: Die Entscheidung über die Einsetzung eines neuen Chefs der Flughafengesellschaft ist Entscheidung der Gesellschafterversammlung. Wir werden uns zu Personalspekulationen nicht äußern.

Zusatzfrage: Ich glaube, das war nicht meine Frage. Die Frage war, wie im Verkehrsministerium die Qualifikation von Herrn Bender - er ist als Manager ja bekannt und war auch häufig in Berlin - eingeschätzt wird.

Mehwald: Die Qualifikation von Herrn Bender liegt auf der Hand, das kann man an seinem Lebenslauf sehen. Wir werden uns zu potenziellen Spekulationen zu Personalangelegenheiten nicht äußern.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 1. Februar 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/02/2013-02-01-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2013