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PRESSEKONFERENZ/455: Regierungspressekonferenz vom 23. Juli 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 23. Juli 2012
Regierungspressekonferenz vom 23. Juli 2012

Themen: europäische Schuldenkrise, Interviewäußerung des Bundesverkehrsministers zu Tarifverhandlungen zwischen Deutsche Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Aktenvernichtungen durch den Bundesverfassungsschutz, NPD-Verbotsverfahren, Meldungen über Neubesetzung des Amtes des stellvertretenden Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Ankauf von Bankkundendaten aus der Schweiz durch das Land Nordrhein-Westfalen, CCS-Technologie, Berichte über Vertuschung von Ermittlungspannen im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1972, Kritik des SPD-Vorsitzenden an den deutschen Banken, Olympische Sommerspiele 2012, Syrien, Frauenquote

Sprecher: SRS Streiter, Kothé (BMF), Schlienkamp (BMWi), Strater (BMVBS), Teschke (BMI), Maaß (BMU), Paris (BMVg), Peschke (AA)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich würde das Finanzministerium zum Thema Griechenland befragen, und zwar danach, ob Sie schon in irgendeiner Weise vom Internationalen Währungsfonds über seine Haltung zu künftigen Griechenland-Hilfen informiert worden sind. Sie werden ja wahrscheinlich mit als Erste Signale erhalten.

Zum Zweiten würde mich interessieren, inwiefern die Haltung, die der Bundeswirtschaftsminister im ZDF-Sommerinterview geäußert hat und die in die Richtung geht, er habe die Geduld weithin verloren und eine Pleite Griechenlands habe ihren Schrecken verloren, nur die persönliche Meinung von Herrn Rösler wiedergibt oder ob das die Linie der gesamten Bundesregierung im Moment beschreibt.

Kothé: Zu Ihrer ersten Frage, Herr Heller: Uns liegen diesbezüglich keine Informationen des IWF vor. Das ist aber auch nicht erstaunlich. Der IWF ist ja der Teil der Troika, die in dieser Woche nach Griechenland reisen wird, die dann die Lage vor Ort mit den Behörden und den politischen Entscheidungsträgern in Griechenland erörtern wird, deren Bericht, wie Sie alle wissen, wir dann im September vorliegen haben werden, der dann auch auf europäischer Ebene diskutiert und bewertet werden wird.

SRS Streiter: Damit ist die Frage eigentlich schon fast erschöpfend beantwortet. Es ist nämlich so, dass alle Mitglieder der Bundesregierung dieser Auffassung sind, auch der von Ihnen angesprochene Minister Rösler. Die sind alle der Auffassung, dass es jetzt darauf ankommt, mit welchen Ergebnissen die Troika wieder zurückkehren wird. Dass sie wieder zurückkehren wird, wird etwa Anfang September der Fall sein, und erst, nachdem die Troika ihre Stellungnahme vorgelegt hat, wird man dann im Lichte der Fakten über den Stand der Umsetzung der Verpflichtungen und das weitere Vorgehen sprechen. Darin ist sich die Bundesregierung also völlig einig, und es ist auch nicht erkennbar, dass es dabei irgendeine Abweichung gäbe.

Zusatzfrage: Das verstehe ich irgendwie nicht. Dass sich die abschließende Meinung der Bundesregierung erst nach dem Bericht der Troika bilden wird, kann ich schon nachvollziehen. Aber der Bundeswirtschaftsminister hat ja nun mehr gesagt, als dass er den Troika-Bericht abwarte. Der Bundeswirtschaftsminister hat ja unter anderem gesagt, dass eine Pleite Griechenlands ihren Schrecken nicht nur für die Experten, sondern auch für ihn verloren habe. Der Bundeswirtschaftsminister hat auch von dem Nachlassen von Geduld gesprochen. Ich möchte noch einmal wissen: Ist die Bundesregierung auch in dieser Einschätzung, die der Minister vor dem Vorliegen des Berichts der Troika geäußert hat, einer Meinung?

An das Finanzministerium: Ich weiß, dass die abschließenden Entscheidungen natürlich erst später kommen werden. Aber die Bundesregierung hat ja nun auch Vertreter der deutschen Seite in den Gremien des IWF, sie hat Exekutivdirektoren im IWF. Das heißt, Signale, die der IWF aussendet - nicht Entscheidungen -, müssten ja auch bei Ihnen ankommen. Gibt es solche Signale?

SRS Streiter: Um das noch einmal zu beantworten: Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat der Bundeswirtschaftsminister doch eigentlich nur gesagt, mit welchen Gefühlen er dieses Abwarten begleitet.

Zusatz: Ich weiß nicht, ob es ein Gefühl ist, wenn ich sage "Eine Pleite Griechenlands hat ihren Schrecken für mich verloren". Das halte ich, ehrlich gesagt, für einen Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzenden für eine ganz schön konkrete Aussage, die über das Gefühlsmäßige hinausgeht, und geradezu für eine analytische Aussage.

SRS Streiter: Wenn Sie das so sehen!

Vorsitzender Wefers: Vielleicht möchte sich der Sprecher des Wirtschaftsministers zu der Gefühlslage äußern.

Schlienkamp: Nein, ich habe dem, was Herr Streiter gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Im Übrigen kann ich auch nur darauf hinweisen, dass der Minister in dem Interview, das jetzt hier diskutiert wird, auch sehr deutlich gesagt hat, dass Grundlage für eine Bewertung der Troika-Bericht ist. Der wird im September kommen, und den müssen wir abwarten.

Zuruf: Signale?

Kothé: Keine Signale! Es ist irgendwie müßig, darüber zu spekulieren, was wäre, wenn. An solchen Spekulationen beteiligen wir uns auch gar nicht. Selbst dieser "Spiegel"-Bericht, auf den Sie rekurrieren, war in dieser Beziehung ja relativ undeutlich. Es gab ja auch seitens des IWF gar keine offiziellen Äußerungen.

Frage: Treffen denn Berichte zu, wonach die Kanzlerin beziehungsweise die Bundesregierung ein drittes Hilfspaket für Griechenland ausschließen, weil sie ein solches Paket im Bundestag für nicht durchsetzbar halten?

Dann gibt es noch einen weiteren führenden Koalitionspolitiker neben Herrn Rösler, nämlich den Generalsekretär der CSU, der vorgeschlagen hat, in Griechenland zum Teil - bei Gehaltszahlungen für den öffentlichen Dienst - die Drachme wieder einzuführen. Wie steht die Bundesregierung zu diesem Vorschlag aus ihren Reihen beziehungsweise aus den Reihen der Koalition?

SRS Streiter: Den Vorschlag von Herr Dobrindt möchte ich gar nicht kommentieren. Er gehört ja auch nicht der Bundesregierung an. Das ist eine Meinung, die er kundgetan hat.

Zum dritten Hilfspaket: Das kann ich gar nicht kommentieren. Dafür gibt es ja auch gar keine Quelle.

Kothé: Im Übrigen haben wir ja gerade erst das zweite Paket beschlossen, und es geht um die Umsetzung des zweiten Pakets. Es geht als nächsten Schritt um die Auszahlung dieser zweiten Tranche, die ansteht. Ein drittes Paket steht im Augenblick ja überhaupt nicht zur Debatte.

Frage: Ich möchte noch einmal auf den Punkt zurückkommen, nach dem Herr Heller schon gefragt hat. Wenn der Wirtschaftsminister sagt, er sei skeptisch, dass Griechenland die Auflagen erfüllen könne, ist das dann die Meinung von Herrn Rösler, oder ist die Bundesregierung skeptisch, dass Griechenland die Sparauflagen erfüllen wird?

SRS Streiter: Wenn Sie mich fragen, würde ich sagen: Die Bundesregierung ist hoffnungsvoll.

Zuruf: Das ist etwas anderes!

SRS Streiter: Ja, aber wir bewegen uns zwischen hoffnungsvoll, skeptisch, interessiert und gespannt. Das ist aber doch eigentlich immer so gewesen: Immer, wenn die Troika unterwegs war, war man sehr gespannt darauf, was bei ihrer Rückkehr herauskommt. So wird es auch diesmal sein.

Zusatzfrage: Das eine ist also der Daumen nach oben und das andere der Daumen nach unten. Wo ist jetzt die Bundesregierung?

SRS Streiter: Nein, "skeptisch" heißt ja nicht "Daumen nach unten". "Skeptisch" heißt nur, dass man skeptisch ist. Man ist nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass es funktioniert, und man ist auch nicht davon überzeugt, dass es nicht funktioniert. Das würde jetzt auch zu weit führen. Ich glaube, das ist jetzt sehr, wie ich es immer nenne, Kreml-astrologisch, wie das früher war, wenn man versucht hat, aus einem Adjektiv irgendetwas herauszulesen. Das ist wie mit "vollstem Vertrauen" und "vollem Vertrauen".

Zusatzfrage: Frau Kothé, können Sie etwas zum Zeitplan der Troika sagen? Sie sagten, diese Woche werde sie dorthin reisen. Wie lange wird sie dort sein? Wie lange wird sie brauchen, um den Bericht ausarbeiten? Wann - Anfang September oder Ende September - wird er wem zuerst zugestellt werden? Es gab ja schon mehrere Berichte. Vielleicht können Sie mich noch einmal einweisen, weil ich das nicht genau verfolgt habe.

Kothé: Nach unseren Informationen ist geplant - das ist der letzte Stand, den ich habe -, dass die Troika Anfang dieser Woche - die Woche hat begonnen, also in Kürze - nach Griechenland reisen und dort die Arbeit aufnehmen wird. Wie lange die Gespräche erfahrungsgemäß dauern, weiß ich nicht. Es gibt auch zumindest keine mir bekannten offiziellen Verlautbarungen bezüglich der Dauer. In der Vergangenheit nahm das meistens schon einige Zeit in Anspruch. Geplant ist, dass der Bericht dann Anfang September der Eurogruppe vorliegen wird.

Frage: Dies ist eine Frage an Herrn Schlienkamp und Frau Kothé. Ihre beiden Minister haben in Interviews ausgeschlossen, dass es eine Verlängerung des Anpassungsprogramms für Griechenland geben kann. Ist das richtig? Kann es eine Verlängerung also nicht geben? Können Sie das noch einmal bekräftigen oder etwas dazu sagen?

Schlienkamp: Ja, das kann ich an dieser Stelle bekräftigen. Der Minister hat das ja auch mehrfach ausgeführt. Es kann aus seiner Sicht keine Rabatte auf Reformen geben.

Zusatzfrage: Ist das auch die Meinung des Finanzministeriums?

Kothé: Mein Minister hat das heute in einem Interview auch noch einmal sehr klar wiederholt, und das ist auch keine neue Position. Wir haben gesagt: Wenn es zu Verzögerungen gekommen sein sollte, dann ist das nachzuholen. Es geht - ich habe das vorhin schon einmal gesagt - um die Umsetzung des zweiten Programms, wie es vereinbart wurde.

Zusatz: Zu diesem Satz "Wenn es zu Verzögerungen kommen sollte, ist das nachzuholen": Laut der griechischen Regierung wird das dann ja innerhalb der zwei Jahre nachgeholt werden, die sie eben mehr haben will. Das lässt also ein bisschen die Tür dafür offen, dass man das dann auch machen wird.

Kothé: Das ist Ihre Interpretation. Ich habe gerade eben noch einmal gesagt: Wir halten an den Vereinbarungen fest, wie sie mit dem zweiten Programm beschlossen worden sind.

Frage: Ich möchte es gerne noch einmal bei Herrn Streiter versuchen: Hätte ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euroraum denn auch für die Kanzlerin seinen Schrecken verloren? Man kann auch anders fragen: Wäre das für sie auch nicht überraschend?

SRS Streiter: Darüber kann ich hier jetzt wirklich nicht spekulieren.

Zusatz: Aber sie wird sich doch zu der Äußerung des Wirtschaftsministers geäußert haben.

SRS Streiter: Ja, und wir haben ja hier alle festgestellt, dass die Bundesregierung - alle Minister und auch die Bundeskanzlerin - der Überzeugung ist, dass es jetzt sehr sinnvoll ist, den Bericht der Troika abzuwarten, weil das die einzige Maßnahme ist, die jetzt Fakten liefert. Alles andere sind Empfindungen und Deutungen. Jetzt brauchen wir Fakten.

Frage: Ist es denn sinnvoll, in dieser Situation Empfindungen und Deutungen zu äußern, wenn doch alle der Meinung sind, man wolle jetzt abwarten?

SRS Streiter: Ich meine, Sie haben es hier ja auch mit Menschen zu tun!

Zusatzfrage: Ist das also eine menschliche Regung von Herrn Rösler gewesen?

SRS Streiter: Sie versuchen wieder, etwas hineinzuinterpretieren, was nicht da ist. Wir haben jetzt doch mehrfach festgestellt, dass alle Mitglieder der Bundesregierung - der eine gespannt, der andere skeptisch, der Dritte hoffnungsvoll - auf den Bericht der Troika warten. Ich glaube, das ist auch verständlich.

Zusatzfrage: Herr Streiter, Sie haben gesagt, zu diesen Behauptungen, dass ein drittes Hilfspaket ausgeschlossen sei, könnten sie gar nichts sagen, weil es keine Quelle gebe. Das heißt für mich im Umkehrschluss, es ist nicht ausgeschlossen.

SRS Streiter: Nein. Ich habe das - - -

Zuruf: Wenn Sie es nicht ausschließen wollen!

SRS Streiter: Nein, ich habe es wie Sie in der Zeitung gelesen, habe aber keine Quelle für diese Äußerung erkennen können.

Zuruf: Dann lassen wir doch einmal beiseite, ob es dafür eine Quelle gibt oder nicht. "Ist ein drittes Hilfspaket ausgeschlossen, Ja oder Nein", das ist doch die Frage!

SRS Streiter: Ja, aber darüber kann ich doch nicht - - -

Zuruf: Nun sagen Sie "Kein Kommentar". Dann muss ich das doch so verstehen, dass es nicht ausgeschlossen ist!

SRS Streiter: Nein, das ist auch wieder überinterpretiert. Sie versuchen jetzt, aus einem Nicht-Stellung-Nehmen wiederum einen Kommentar herauszulesen. Ich sage dazu nichts!

Frage: "El País" berichtet, dass möglicherweise sechs spanische Regionen Hilfe von der Zentralbank benötigen. Daraufhin sind die spanischen Anleiherenditen auf neue Höchststände geklettert. Morgen wird, soweit ich weiß, Herr de Guindos nach Berlin kommen, um Herrn Schäuble zu treffen. Wird über dieses Thema diskutiert werden? Halten Sie es für möglich, dass Herr de Guindos Hilfe aus den europäischen Rettungstöpfen auch für den spanischen Staat einfordern oder diese benötigen wird?

Kothé: Zu Ihrer ersten Frage: Ja, es ist richtig, dass sich der spanische Finanzminister morgen Abend mit unserem Minister zu einem üblichen bilateralen Gespräch treffen wird. Über den Inhalt solcher Gespräche geben wir vorher keine Auskunft, aber ich denke, sie werden über die Zukunft in Spanien reden.

Was die Situation in Spanien und diese Finanzanträge oder Unterstützungsanträge seitens der Regionen anbetrifft, gibt es ja in Spanien einen nationalen Fonds, der eben extra dafür eingerichtet worden ist, den Regionen zu helfen. Ein solcher Antrag ist dann eben auch über diesen Fonds abzuwickeln. Das ist also ein innerstaatliches Thema und hat mit dem europäischen Hilfsprogramm erst einmal nichts zu tun. Das europäische Hilfsprogramm ist, wie Sie wissen, ein Programm, das sich allein auf die Rekapitalisierung des spanischen Bankensektors bezieht.

Zusatzfrage: Es geht mir auch darum, ob Spanien zusätzliche Mittel benötigen wird; denn jetzt sieht es ja so aus, als hätte der spanische Staat hinsichtlich der Regionen einen Finanzierungsbedarf. Es geht explizit nicht um die Rekapitalisierung der Banken, sondern darum, ob der spanische Staat Hilfe aus dem Rettungsfonds benötigen wird.

Kothé: Das Programm in Bezug auf Spanien ist jetzt auf den Weg gebracht und von der Eurogruppe beschlossen worden. Von weiteren Hilfsersuchen ist mir und uns innerhalb der Bundesregierung nichts bekannt.

Frage: Ich wollte nur wissen, ob Morgen nach dem Gespräch der beiden Finanzminister ein Pressegespräch, eine Unterrichtung, eine Pressemitteilung oder was auch immer vorgesehen ist.

Kothé: Nein, bisher ist nichts vorgesehen.

Zusatzfrage: der Zinsentwicklung: Ist denn die Bundesregierung, nachdem man Spanien mit den Beschlüssen der Eurogruppe vom Freitag ja gerade so kräftig unter die Arme greift, von der Marktreaktion negativ überrascht worden? Hatte man möglicherweise erwartet, von den Märkten eine Honorierung dessen zu erhalten, dass das Bankensystem der Spanier jetzt auf sichere Füße gestellt wird?

Kothé: Wir sind der Auffassung, dass das Spanien-Programm, wie es jetzt auf den Weg gebracht worden ist, Zug um Zug auch zu einer Beruhigung der Märkte beitragen wird.

Frage: Herr Streiter, entschuldigen Sie, wenn ich da noch einmal nachfrage. Aber Ihre Art, das Interview von Herrn Rösler an diesem Wochenende zu kommentieren, hinterlässt den Eindruck, als ob die Bundesregierung Griechenland insgesamt schon aufgegeben hat und Herr Rösler der einzig Mutige ist, der das bisher auszusprechen wagt. Können Sie diesen Eindruck bestätigen oder nicht?

SRS Streiter: Das halte ich, mit Verlaub, für eine völlige Fehlinterpretation dessen, was ich hier gesagt habe. Ich habe gesagt: Alle Mitglieder der Bundesregierung sind sich völlig einig darin, dass sie jetzt abwarten, mit was die Troika zurückkommen wird. Nichts anderes habe ich gesagt. Ich habe nichts in Richtung dessen gesagt, wie Sie das jetzt interpretiert haben. Falls Sie es so verstanden haben und ich mich dabei vielleicht unklar ausgedrückt haben sollte, tut mir das leid.

Frage: Frau Kothé, Sie haben gesagt, es gehe jetzt darum, das zweite Paket umzusetzen. Vielleicht haben Sie ja einen Zwischenstand. Wie viele Milliarden sind jetzt eigentlich aus dem zweiten Paket geflossen? Wie viel war es im ersten Paket? Ich muss gestehen: Ich habe da ein bisschen den Überblick verloren. Es geht mir einfach einmal um die Fakten.

Kothé: Beschlossen ist ja diese erste Tranche aus dem ersten Programm; das waren 75 Milliarden Euro. Die nächste Tranche, die jetzt nach diesem Auszahlungsplan, der ja auch bekannt ist, eigentlich für das zweite Quartal ansteht, umfasst 31,3 Milliarden Euro. Diese Tranche ist jetzt eben aufgrund der Verzögerung, die es gegeben hat, noch nicht ausgezahlt worden. Darüber wird dann die Eurogruppe im September entscheiden, eben nach der Vorlage dieses Troika-Berichts. Sie wissen: Jede Tranche wird erst dann ausgezahlt - das Ganze erfolgt Zug um Zug - , wenn die Troika entsprechend auch den Programmvollzug in Griechenland festgestellt und bescheinigt hat.

Zusatzfrage: Habe ich Sie eben richtig verstanden, dass diese Milliarden eigentlich schon im zweiten Quartal geflossen sein sollten?

Kothé: Ja, nach dem ursprünglichen Plan.

Frage: Es gab ja, wenn ich mich recht erinnere, sowohl von Herrn Juncker als auch von Herrn Schäuble allgemeine Aussagen dazu, dass man, wenn die Griechen im August Probleme haben sollten, ihnen helfen werde. Können Sie mir sagen, ob es inzwischen konkrete Beschlüsse oder Vorstellungen dazu gibt, wie man den Griechen quasi eine Überbrückung gewährleisten kann? Angeblich schaffen es die Griechen ja nämlich nicht, finanziell über den August zu kommen. Wenn wir das nächste Programm erst im September vor uns haben beziehungsweise die Troika-Mission erst Anfang September zu Ende gegangen sein wird, dann könnte es ja passieren, dass der Patient schon vorher still und heimlich entschlummert ist. Gibt es bezüglich der Überbrückung irgendwelche konkreten Vorstellungen?

Kothé: Ich habe noch einmal - Entschuldigung, Herr Petersen - kurz in meine Unterlagen geschaut: Die erste Tranche ist vollständig ausgezahlt.

Zu Ihrer Frage, Herr Heller: Es gibt eine Vorstellung dazu, wie das funktionieren kann und wie es auch schon funktioniert hat. Griechenland hat sich das Geld in der Vergangenheit entsprechend mit kurzfristigen Geldmarktdarlehen und -papieren besorgt, und das wird es dann auch tun müssen. Das hat, wie gesagt, in der Vergangenheit funktioniert, und das ist der Weg, der dafür angedacht ist.

Zusatzfrage: Dabei ist die europäische Seite aber nicht beteiligt. Ist das eine separate Geschichte Griechenlands?

Kothé: Genau, die gehen selbst an den Geldmarkt. Das bedeutet das Wort Geldmarkt.

Frage: Zu den Zahlen, Frau Kothé, den 31,3 Milliarden Euro, die jetzt noch nicht ausgezahlt worden sind: Ist denn bezüglich der zweiten Tranche noch etwas im Topf, sodass sozusagen eine weitere Auszahlung möglich wäre, oder wäre das Programm, wenn die ausgezahlt worden sind, damit sozusagen abgearbeitet? Wäre das dann also auch vollständig ausgezahlt, oder ist dann noch etwas übrig?

Zweite Frage: Macht es eigentlich einen Unterschied für den Fall, dass Griechenland es nicht schafft und die Troika zu dem Ergebnis kommt, dass Griechenland es nicht schafft, ob Griechenland insolvent ist - oder wie man das bei Staaten bezeichnen möchte -, bevor der ESM in Kraft getreten ist? Das Bundesverfassungsgericht will ja erst Mitte September entscheiden. Das heißt, der kann dann noch nicht wirksam sein. Macht eine solche Pleite mit oder ohne ESM einen Unterschied aus, und was für einen Unterschied macht das aus?

Kothé: Ich fange mit der letzten Frage an: Alle sind bestrebt, dieses zweite Programm erfolgreich umzusetzen. Von daher erübrigt sich für mich im Augenblick jegliche Spekulation über angebliche Pleiten.

Noch einmal zu den Zahlen des Griechenland-Programms: Es gibt einen festen Auszahlungsplan, und danach wäre jetzt die zweite Tranche fällig. Wie viel ist das insgesamt? Das läuft bis 2014. Das heißt also - diese Umsetzung ist aber so vorgesehen und vereinbart worden -, dass halt vor der Auszahlung dieser Tranchen immer eine neue Bewertung durch die Troika erfolgen muss; das hatte ich vorhin schon ausgeführt. Von daher ist in dem regulären Programm - das ist jetzt ja auch neu - viel Geld drin. Insgesamt hat es ja ein Volumen von 160 Milliarden Euro, 160,4 Milliarden Euro, um präzise zu sein. Die erste Tranche umfasste eben diese 75,7 Milliarden Euro, und die nächste Tranche, die jetzt anstehen würde, wäre die über 31,3 Milliarden Euro. Das sind die Zahlen inklusive der IWF-Beteiligung.

Frage: Das erste Griechenland-Programm ist damals mit 75 Milliarden Euro abgeschlossen. Es ist ja nicht voll zum Tragen gekommen. Habe ich das richtig in Erinnerung?

Kothé: Das ist sozusagen in dem zweiten Programm mit aufgegangen.

Zuruf: Ich habe das wegen des Handy-Gebimmels nicht verstanden. Wie viele Milliarden umfasste das erste Programm? Es wurde doch eben eine Zahl genannt.

Kothé: Das erste Griechenland-Programm hatte insgesamt ein Volumen von 110 Milliarden Euro. Die Zahlen sind bei uns im Internet im Detail abrufbar.

Frage: Frau Kothé, ich habe für das zweite Programm nicht ein Volumen von 164 Milliarden Euro, sondern von 130 Milliarden Euro im Kopf.

Kothé: Die Restmittel aus dem ersten Programm sind in dieses jetzt laufende Programm mit eingeflossen. Deswegen gibt es diese höheren Zahlen.

Frage: Jenseits von Griechenland und Spanien eine Frage an das Bundesverkehrsministerium. Herr Strater, warum mischt sich der Bundesverkehrsminister eigentlich in laufende Tarifverhandlungen ein? Heute Nachmittag gehen die Tarifverhandlungen zwischen Deutsche Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer weiter.

Strater: Ich möchte zunächst einmal das Wort "Einmischung" zurückweisen. Der Minister hat sich heute in einem Interview mit dem "Focus" zu Bahn-Themen geäußert, auch zu diesem Thema, also den laufenden Tarifverhandlungen zwischen der GDL, also den Lokführern, und der Deutschen Bahn.

Vorangestellt und als erste Antwort in diesem Interview können Sie nachlesen, dass er die Tarifautonomie für ein hohes Gut hält und hieran auf jeden Fall festhält. Streikrecht und Tarifautonomie sind hohe Güter, die der Minister in keinster Weise infrage stellt. Seine Worte haben mahnenden beziehungsweise warnenden oder appellativen Charakter an die Tarifparteien, hier ihrer Verantwortung gerecht zu werden beziehungsweise Vernunft am Verhandlungstisch walten zu lassen, weil ein Streik gerade in der Urlaubszeit - das ist übrigens nicht nur im Bahnverkehr so; Sie werden ähnliche Äußerungen des Ministers auch für den Luftverkehr finden, als es zum Beispiel um die Streikdrohung der Fluglotsen ging - hohen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet und vor allen Dingen auf dem Rücken von Fahrgästen, Bahnkunden oder im Flugverkehr von Fluggästen anrichtet. Insofern keine Einmischung, sondern warnende beziehungsweise mahnende Worte.

Frage: Herr Teschke, eine Frage zu den sogenannten Schredder-Vorfällen im Zusammenhang mit der NSU. Ende letzter Woche konnten Sie noch nicht genau sagen, ob die Schredder-Aktionen im April und im Mai mittel- oder unmittelbar etwas mit der NSU zu tun gehabt haben. Können Sie uns sagen, ob Sie jetzt nähere Erkenntnisse dazu haben und ob Sie sich noch einmal einen Gesamtüberblick verschafft haben? Kommt da noch irgendetwas in Sachen Schreddern über das hinaus ans Licht, was Sie hier schon letzte Woche benannt haben oder nicht?

Teschke: Ich kann Ihnen das mitteilen, was wir schon am Donnerstag und Freitag vergangener Woche gesagt haben: Am 14. November 2011 gab es eine Löschungsanweisung an das BfV, Akten zu löschen. Insgesamt waren es 124, davon sind sechs Maßnahmen gegen Rechtsextremisten gewesen. Diese Akten mussten wegen der klaren Löschungsanordnungen, die im G-10-Gesetz vorgesehen sind, gelöscht werden.

Diese sechs Maßnahmen hatten keinen NSU-Bezug; das habe ich am Donnerstag und Freitag schon klargestellt. Das BfV hat dann angefangen, Akten zu löschen. Im April und Mai wurden Akten dieser sechs Maßnahmen gelöscht. Meine Auskunft, dass im April und Mai gelöscht wurde, bezieht sich auch auf Akten, bei denen am 14. November angewiesen wurde, sie löschen. Diese Akten haben, wie gesagt, keinen NSU-Bezug. Damit sind die Aktenlöschungen von April/Mai auch ohne NSU-Bezug.

Zusatzfrage: Jetzt bin ich ganz verwirrt. Welche hatten denn nun Ende letzter Woche NSU-Bezug?

Teschke: Die vom Dezember, deren Löschungsanweisung aber aus dem Jahr 2005 stammt.

Frage: Diese Frage ist geklärt. Vielen Dank! - Dann zwei andere Fragen zum Umfeld NSU, aber auch zur NPD: Gibt es eine Art Wasserstandsmeldung, wie die Vorbereitungen bei Bund und Ländern in Sachen NPD-Verbotsverfahren laufen, was ja im Spätherbst ein Ergebnis bringen soll?

Zweite Frage. Was können Sie im Ministerium zu Meldungen sagen, dass der Minister plant, das Amt des stellvertretenden Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutzes eventuell neu zu besetzen?

Teschke: Zum Thema NPD-Verbot gibt es einen klaren Auftrag der IMK. Da sind wir nach wie vor in der Beweissammlung und der Sammelphase, sodass ich mich derzeit nicht zu Wasserstandsmeldungen hinreißen lasse. Wir werden im Herbst in die konkrete Ausgestaltung gehen beziehungsweise wieder in die Diskussion einsteigen.

Zur Personalie des stellvertretenden BfV-Präsidenten äußere ich mich erwartungsgemäß nicht, weil wir zu Personalspekulationen natürlich keine Stellung nehmen.

Frage: Herr Teschke, Sie sagen, dass die Akten, die geschreddert wurden, keinen direkten Bezug zur NSU hatten. Hatten Sie einen indirekten Bezug?

Teschke: Nein. Es gibt keinen NSU-Bezug bei den vom 14. November verfügten Löschanweisungen, die auch sechs Maßnahmen aus dem rechtsextremistischen Bereich betrafen. Bei diesen sechs rechtsextremistischen Maßnahmen gibt es keinen NSU-Bezug - weder indirekt noch direkt.

Zusatzfrage: Warum hat das Innenministerium überhaupt Schredder-Aktionen angeordnet?

Teschke: Weil wir das regelmäßig machen müssen; das ist das Interessante. Wir sind nach G-10-Maßnahmen verpflichtet, regelmäßig Akten zu löschen. Dieses Intervall beträgt eigentlich alle sechs Monate. Deswegen war die Anweisung vom 14. November eine regelmäßig wiederkehrende Anweisung, die innerhalb von sechs Monaten wiederholt wird.

Zusatzfrage: Sind Sie sich sicher, dass in allen Anweisungen, die nach dem 14. November getroffen wurden - - -

Teschke: Nach dem 14. November gibt es keine Anweisungen des BMI, G-10-Maßnahmen zu löschen.

Frage: Ich habe es nicht ganz verstanden, Herr Teschke. Bleibt Herr Eisvogel im Amt? Oder bleibt er nicht im Amt?

Teschke: Frau, es gibt für uns keinen Anlass für Personalspekulationen. Wir kommentieren keine Personalspekulationen.

Zusatzfrage: Das war doch eine klare Frage, keine Spekulation. Bleibt er im Amt oder nicht?

Teschke: Die Meldung aus dem "Focus" ist eine Spekulation. Dazu nehme ich keine Stellung.

Frage: Ich möchte eine Frage zur Steuer-CD und Nordrhein-Westfalen stellen. Nordrhein-Westfalen will das Steuerabkommen mit der Schweiz nicht unterstützen. Frau Kothé, wie wollen Sie Nordrhein-Westfalen noch ins Boot holen?

Kothé: Wir haben hier in breiter Form und intensiv immer wieder über die Vorzüge dieses Abkommens kommuniziert und sie dargestellt. Wir hoffen auf die Einsicht. Das wird im Herbst in den entsprechenden Gremien im Bundesrat behandelt. Dann schauen wir einmal.

Zusatzfrage: Herr Schäuble wirft dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Scheinheiligkeit in diesem Zusammenhang vor. Was ist denn dann die Botschaft des heutigen Tages in Richtung Nordrhein-Westfalen?

Kothé: Dass wir einfach das Abkommen für den besseren und auch zielführenderen Weg halten, den Missstand abzustellen, dass Steuerflüchtige in der Schweiz Vermögen haben, das nicht besteuert wird und der Steuer entzogen ist. Dafür ist das Abkommen umfassend und erfasst auch einen viel größeren Personenkreis. Was die Zielsetzung angeht, sind wir uns einig. Wir sagen: Das Abkommen ist der bessere Weg und das bessere Instrument, um dieses Ziel zu realisieren.

Frage: Eine Frage an das Umweltministerium. Herr Maaß, Ihr Minister hat gesagt, dass die Einlagerung von CCS gegen den Willen der Bevölkerung nicht durchsetzbar sei. Heißt das im Umkehrschluss, dass er sich gegen weitere rechtlich mögliche Probebohrungen in den Ländern ausspricht?

Maaß: Das heißt zunächst einmal nur das, was er gesagt hat. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Es tut mir leid.

Zusatzfrage: Man muss ja eine solche Äußerung immer im Zusammenhang mit bereits verabschiedeten Gesetzen sehen. Wenn das verabschiedete Gesetz erst wenige Wochen zurückliegt, ist ja die Frage nach dem Hintergrund von Probebohrungen, die ja rechtlich möglich sind, nicht völlig abwegig. Es ist auch so, dass der niedersächsische Ministerpräsident McAllister sich im Sinne Ihres Ministers geäußert hat. Deshalb wäre ich schon an einer etwas präziseren Antwort interessiert.

Maaß: Ich kann Sie Ihnen aber leider nicht liefern. Es tut mir leid.

Frage: Ich möchte trotzdem nachfragen. Viele interpretieren die Aussagen Ihres Ministers als Absage an die CCS-Technologie. Es gibt aber Länder wie beispielsweise Brandenburg, die diesen Probebetrieb aufnehmen oder schon aufgenommen haben. Andere Länder wehren sich dagegen. Laut Gesetz können ja die Länder darüber entscheiden. Ich hätte gerne gewusst: Was ist denn nun die Zukunft dieses Gesetzes?

Maaß: Das Gesetz ist im Vermittlungsausschuss verabschiedet. Der Minister hat sich zu der Zukunft der Technologie geäußert. Ich habe den Worten des Ministers, wie gesagt, nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Teschke, am Wochenende wurde berichtet, dass im Zusammenhang mit dem Attentat bei den Olympischen Spielen 1972 in München die Ermittlungspannen durch den Bund und das Land Bayern systematisch vertuscht worden seien. Wie kommentieren Sie diese Berichterstattung? Stimmt das?

Teschke: Das kann ich derzeit nicht kommentieren. Die Akten liegen im Bundesarchiv. Es gibt, glaube ich, im Hause niemanden mehr, der die Vorgänge damals aktiv miterlebt hat. Insofern kann ich dazu keine Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Haben Sie die Akten einmal durchgesehen? Ist Ihnen bei der Durchsicht aufgefallen, dass es entsprechende Vertuschungen gegeben hat?

Teschke: Das kann ich derzeit auch nicht kommentieren. Die Akten sind von den entsprechenden Medien angefordert beziehungsweise eingesehen worden, aber nicht von unserem Haus aus.

Zusatzfrage: Wenn eine solche Akte oder mehrere Akten angefordert werden, dann überlässt es das Ministerium den anfordernden Medien, irgendetwas herauszufinden, was das Ministerium selbst auch überrascht?

Teschke: Die Akten liegen im Bundesarchiv. Sie befinden sich nicht mehr direkt bei uns. Insofern habe ich keine Kenntnis, dass wir eine Vorsichtung vornehmen oder Ähnliches. Die Journalisten fragen an und haben das Recht, bestimmte Akten einzusehen. Es wäre ja Vertuschung, wenn ich sagte: Die Akten geben wir nicht heraus. Es gibt klare Richtlinien, an die wir uns zu halten haben, nach denen Journalisten Einsicht in die Akten bekommen können.

Zusatzfrage: Veranlasst Sie denn jetzt die Berichterstattung oder das Ergebnis der Durchsicht durch die Medien, diesen Vorwürfen nachzugehen?

Teschke: Wir werden uns die Berichterstattung noch einmal genau ansehen und dann sicherlich noch einmal die Akten vornehmen, um nachzuhalten, ob diese Vorwürfe berechtigt sind.

Frage: Mein Thema sind die Banken. Der SPD-Vorsitzende hat sich am Wochenende veranlasst gesehen, relativ deftige Kritik an den deutschen Banken zu üben. Mich interessiert, ob die Bundesregierung durchaus auch ihre Probleme mit ethisch-moralischen Fragen hat, denen die Banken nicht nachkommen.

Mich interessiert im Konkreten, ob der Skandal um die Libor-Manipulation die Bundesregierung in irgendeiner Weise veranlasst, bei Aufsichts- oder Regulierungsregeln nachzuschauen, ob man möglicherweise noch nachbessern muss.

Eine weitere Frage: Hat der Libor-Skandal irgendwelche Rückflüsse auf finanzpolitische Aspekte der Bundesregierung? Diese Libor-Sätze sind Orientierungspunkte in vielen Dingen, inklusive der Zinsbemessung von Euro-Hilfsprogrammen. Interessiert sich die Bundesregierung für diesen Sachverhalt?

Kothé: Die Thesen von Herrn Gabriel haben wir zur Kenntnis genommen. Unser Minister - ich darf Sie da auch auf das Interview, das heute veröffentlich wurde, verweisen - hat ja auch durchaus zugestanden, dass es in diesem Bereich Exzesse und Fehlverhalten gab. Die Bundesregierung ist sehr engagiert und mit viel Nachdruck dabei, hierzu auf verschiedensten Ebenen - international, auf G20-Ebene, auf Europaebene, aber auch national - auf die notwendigen Anpassungen und Veränderungen hinzuwirken und zu einer besseren Finanzmarktregulierung zu kommen, wo dies notwendig ist.

Nur als Beispielpunkte möchte ich da in Erinnerung rufen: Die Kommission hat Vorschläge für das Bankeninsolvenzrecht vorgelegt, wir haben Eckpunkte zum Hochfrequenzhandel vorgestellt, wir arbeiten an einem Gesetzentwurf, wir treten sehr dafür ein, die Eigenkapitalanforderungen für Banken im Rahmen der CRD-IV-Verhandlung rasch zu verbessern, wir arbeiten auch am Thema Einlagensicherung usw. Insofern ist es nicht so, dass hier nichts passiert wäre - das Gegenteil ist der Fall.

Damit habe ich, glaube ich, auch Ihre erste Frage beantwortet: Wir beobachten diese ganze Entwicklung, und wo es Regulierungsbedarf gibt, werden wir diesen berücksichtigen. Viele dieser Themen sind aber eben - darüber muss man sich auch im Klaren sein - nur auf europäischer oder internationaler Ebene überhaupt lösbar.

Zusatzfrage: Hat denn insbesondere diese Libor-Geschichte irgendwelche konkreten Einflüsse oder Auswirkungen auf finanzpolitisches Regierungshandeln? Ist man da in irgendeiner Weise betroffen, möglicherweise gar als Geschädigter? Haben Sie da irgendwelche Analysen angestellt, ob das Rückwirkungen auf die Finanzpolitik der Bundesregierung hat?

Kothé: Das ist mir im Augenblick nicht bekannt - jedenfalls was konkret diesen Fall betrifft.

Zusatzfrage: Und aus diesem Skandal hat sich für Sie bisher auch kein detailliertes Handeln, was nur aus Erkenntnissen über Libor herrührt, ergeben?

Kothé: Wir verfolgen das natürlich. Welche konkreten Felder, die in unserem Zuständigkeitsbereich liegen, davon jetzt irgendwie betroffen wären, kann ich Ihnen im Augenblick aber nicht sagen.

Frage: Ich möchte das Thema Olympische Spiele gerne noch einmal in aktueller Version aufgreifen, denn die beginnen ja diese Woche. Gibt es Pläne der Kanzlerin, zu den Wettkämpfen zu fahren, oder gibt es entsprechende Absichten anderer Minister?

SRS Streiter: Für die Kanzlerin ist mir das derzeit nicht bekannt; sie ist ja zurzeit im Urlaub. Ich habe gehört, dass der Bundespräsident zur Eröffnung fährt. Über weitere Reisepläne weiß ich aber nichts. Die Bundeskanzlerin ist jetzt erst einmal weg.

Teschke: Ich kann für den Sportminister nachreichen, dass er sich ab dem 1. August in London aufhalten wird und einige Wettkämpfe besuchen wird - welche, kann ich Ihnen nicht sagen, aber er ist auf jeden Fall ein paar Tagen bei den Olympischen Spielen dabei.

Paris: Herr Voss, Herr Verteidigungsminister de Maizière wird aufgrund der Vielzahl von Sportsoldatinnen und -soldaten, die wir in den Olympischen Kader abgestellt haben - es sind rund 120 - vom 5. bis zum 7. August in London sein.

Vorsitzender Wefers: Sind weitere Teilnahmen zu vermelden? - Sieht nicht so aus.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Peschke zu Syrien. Der Minister hat am Wochenende von einem Wendepunkt in dem Konflikt gesprochen, und in einem Papier aus dem Auswärtigen Amt heißt es, es müssten andere, neue Wege gefunden werden, um die Gewalt einzudämmen. Können Sie das ein bisschen konkreter machen und sagen, wie die aussehen sollen oder können?

Peschke: Ich kann die Diskussion an dieser Stelle natürlich nur bis zu einem gewissen Grad der Konkretheit führen, denn genau zu diesen Fragen diskutieren heute ja auch die EU-Außenminister in Brüssel. Das von Außenminister Westerwelle in Auftrag gegebene Papier, das im Auswärtigen Amt erstellt wurde, ist ja ein Diskussionsbeitrag für die laufende Diskussion im EU-Außenministerrat in Brüssel. Insofern ist es zu früh, den Ergebnissen dieser Diskussion vorzugreifen.

Ich möchte einige Aspekte zu Ihrer Frage ansprechen. Zunächst, was den Wendepunkt betrifft: Dieser Wendepunkt setzt sich zusammen aus mehreren Faktoren, wie auch eine Analyse der komplexen und besorgniserregenden Lage vor Ort und im internationalen Umfeld zeigt.

Wir haben zum einen die Lage vor Ort, die gekennzeichnet ist von einer noch weiteren Eskalation der Gewalt. Es ist aber auch eine Tatsache - dazu hat sich heute Morgen auch Staatsminister Link geäußert -, dass das Regime von Präsident Assad nicht mehr in der Lage ist, die effektive Staatsgewalt im gesamten Territorium Syriens auszuüben. Wir gehen davon aus, dass es Gebiete gibt, in denen oppositionelle Kräfte derzeit die Lage kontrollieren. Das ist eine qualitative Lageverschiebung im Vergleich zu der Situation, die noch vor wenigen Wochen herrschte.

Wir haben zum zweiten auf der internationalen Ebene die Situation im Sicherheitsrat, die aufgrund der Vetos von Russland und China blockiert ist, sodass ein effektives Handeln des Sicherheitsrats im Moment nicht möglich ist. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Sicherheitsrat wieder handlungsfähig wird - im Moment ist er es nicht.

Wir haben zum dritten die Sitzung der Arabischen Liga am Wochenende in Doha gehabt, die eine weitere Präzisierung der arabischen Position gebracht hat, nämlich dergestalt, dass die Arabische Liga Präsident Assad ganz klar und eindeutig zum Rückzug aufgefordert hat und festgehalten hat, dass es eine politische Zukunft in Syrien nur ohne Präsident Assad geben kann. Das ist eine Klarstellung, eine Deutlichmachung der Position, die es in dieser Form vorher auch noch nicht gegeben hat.

Das alles führt den Außenminister dazu, von einem Wendepunkt zu sprechen, und hat ihn dazu geführt, in unserem Hause darüber nachdenken zu lassen, wie man mit dieser neuen Situation umgeht. Da geht es - das werden wir heute in Brüssel auch entsprechend zur Diskussion stellen - um einige neue Elemente. Zunächst einmal ist es so, dass für uns der Sechs-Punkte-Plan, der von den Vereinten Nationen indossiert worden ist, weiterhin die Grundlage einer politischen Lösung in Syrien ist.

Wir müssen aber natürlich den neuen Gegebenheiten Rechnung tragen. Das heißt, wir müssen einerseits unsere Kontakte zur Opposition noch einmal intensivieren. Wir haben es mit Kräften zu tun, die zurzeit schon die effektive Kontrolle über Teile des Gebietes von Syrien ausüben. Das muss in unsere Beziehungen zu der Opposition Einfluss finden - unter anderem auch in der Forderung, die wir auch an die Opposition erheben, Grundsätze des humanitären Völkerrechts und des Umgangs mit der Bevölkerung in den Gebieten, die sie selbst kontrollieren, einzuhalten. Das hat Auswirkungen auf unsere Arbeit im Bereich der humanitären Hilfe. Es gibt jetzt in Syrien auch Gebiete, die nicht mehr nur vom Regime von Präsident Assad kontrolliert werden. Dadurch ergeben sich natürlich auch andere Möglichkeiten des Zugangs, zum Beispiel zu Gebieten, die von der Opposition kontrolliert werden.

Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass die Flüchtlingsströme in den letzten Tagen rasant angestiegen sind, und zwar in alle drei Nachbarländer: in die Türkei, nach Libanon und nach Jordanien. Wir haben bereits Hilfe für diese Flüchtlinge geleistet, und überlegen derzeit, wie diese Hilfe intensiviert werden kann.

Wir müssen uns - ein dritter Punkt - weiter und intensiver mit der Frage beschäftigen, wie es in Syrien weitergehen soll, wenn das Regime von Präsident Assad eines Tages die komplette Kontrolle verloren haben wird und gefallen ist. Dazu gibt es ja bereits internationale Vorüberlegungen, unter anderem in der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes und den entsprechenden Unterarbeitsgruppen. Es gibt zum Beispiel eine Unterarbeitsgruppe, die von uns gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten geleitet wird: Das ist die Gruppe "Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung": In dieser Gruppe wurden bereits signifikante Vorarbeiten geleistet. Es geht darum, diese Arbeiten so weiterzuführen und zuzuspitzen, dass die Menschen - immer mehr Menschen - in Syrien begreifen, dass es eine gute Zukunft Syriens auch wirtschaftlich nur ohne Präsident Assad geben kann. Das ist ein Appell oder eine Aussage, die sich natürlich auch an Bürger Syriens richtet, die heute immer noch unentschieden abwarten, wie sich die Lage gestaltet. Unsere Botschaft mit diesen Vorarbeiten lautet: Eine Zukunft Syriens wird es nur ohne Präsident Assad geben.

Zusatzfrage: Diese Aussagen des Ministers - die Einschätzung, dass es ein Wendepunkt ist, und dass es wieder eine weitere Eskalation der Gewalt gibt - bedeuten aber nicht, dass er inzwischen militärische Schritte nicht mehr ausschließt, oder bedeutet es das doch? Haben die Aussagen, die er getroffen hat, auch dahingehend irgendeine Bedeutung?

Peschke: Nein, diese Aussagen haben eine Bedeutung, wie ich sie gerade unter den kritischen Augen der Vorsitzenden etwas länglich erläutert habe. Da war wohlweislich nicht die Rede von militärischen Lösungen. Das ist keine Sache, die wir derzeit international diskutieren - weder in der EU noch in der UN noch in den vorliegenden Dokumenten der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes.

Frage: Herr Streiter, Sie haben eben gesagt: "Die Bundeskanzlerin ist jetzt erst einmal weg." Dazu eine Nachfrage: Ist es ein Geheimnis, wie lange sie wegbleibt? Wenn ich mich richtig erinnere, war es in der Vergangenheit stets so, dass der Urlaub der Bundeskanzlerin mit einem Besuch der Bayreuther Festspiele begann. Deswegen meine Frage: Nimmt die Kanzlerin auch in diesem Jahr daran teil, oder ist sie möglicherweise so weit weg, dass sie daran nicht teilnimmt?

SRS Streiter: Da bringen Sie mich jetzt in einen Konflikt; denn ich bin nicht autorisiert, Ihnen über den Urlaub der Bundeskanzlerin jetzt genau Auskunft zu geben.

Zusatzfrage: Auch nicht, was die Dauer anbelangt? Zwei oder drei Wochen?

SRS Streiter: Da liegen Sie jetzt nicht so falsch.

Zusatz: Gut, dann schreibe ich "drei Wochen".

Frage: Ich habe den Konflikt jetzt nicht ganz verstanden. Ich glaube, die Frage zielte nicht darauf, wohin die Kanzlerin geht, sondern nur, ob sie nach Bayreuth geht.

SRS Streiter: Ich glaube, der Urlaub in diesem Jahr wird sich nicht besonders vom Urlaub im vergangenen und vorvergangenen Jahr unterscheiden.

Kothé: Ich habe noch einen kurzen Nachtrag in Sachen Libor: Unsere Bankenaufsicht ist natürlich - diesen Hinweise möchte ich an dieser Stelle noch loswerden - in engem Kontakt mit den ermittelnden Behörden im UK und in den USA.

Frage: Ich habe noch eine Frage zum Thema Frauenquote. Ich habe am Wochenende gelesen, dass sich die Kanzlerin im September mit Unionsfrauen betrifft, die im Hinblick auf eine feste Frauenquote zunehmend Druck machen. Vor diesem Hintergrund würde ich von Herrn Streiter gerne wissen: Ist die Kanzlerin im Moment dabei, ihre Position zu diesem Themenfeld zu überdenken?

SRS Streiter: Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich Ihnen sagen: Sie erwischen mich auf dem völlig falschen Fuß. Ich nehme aber an - da ich die Bundeskanzlerin jetzt ja auch schon ganz gut kenne -, dass sie sich deshalb mit den Frauen trifft, um vielleicht gemeinsam eine Position zu entwickeln und Meinungen auszutauschen. Wenn das jetzt ganz wichtig für Sie wäre, würde ich aber noch eine extra Runde unternehmen, um zu versuchen, aufzuklären, ob sich da eine Änderung ergeben hat.

Zusatz: Wenn Sie dazu etwas Neues erfahren, wäre es schön, wenn Sie uns das mitteilen.

SRS Streiter: Ich weiß es wirklich nicht, aber ich meine: Sie trifft sich ja wahrscheinlich deshalb mit den Frauen, um mit ihnen einmal über dieses Thema zu sprechen. Ich glaube aber nicht, dass da jetzt schon ein Beschluss herauskommt.

Zusatzfrage: Die Frage ist, ob sie ihre eigene Position überdenkt.

Vorsitzender Wefers: Falls Sie also etwas Neues ermitteln können, nehmen wir das gerne entgegen und verteilen es gerne weiter.

SRS Streiter: Ja. Ich melde mich aktiv, wenn es sich um etwas Neues handelt.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 23. Juli 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/07/2012-07-23-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2012