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PRESSEKONFERENZ/389: Regierungspressekonferenz vom 9. März 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 9. März 2012
Regierungspressekonferenz vom 9. März 2012

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Reise nach Rom, Kabinettssitzung, Empfang des tunesischen Ministerpräsidenten, Zukunftsdialog mit Bürgerinnen und Bürgern in Heidelberg, Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft in München, Besuch der Internationalen Handwerksmesse, Wahl des 11. Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung)
weitere Themen: Reise des Bundesaußenministers nach Jemen und Saudi-Arabien, Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen auf Ebene der Außenminister, Arbeitslosengeld II für EU-Bürger in Deutschland, Hilfen für Griechenland, Praxisgebühr, Freilassung von in Äthiopien entführten deutschen Staatsangehörigen

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Flosdorff (BMAS), Kotthaus (BMF), Schlienkamp (BMWi), Klaus (BMG)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Schönen guten Tag, meine Damen und Herren! Die öffentlichen Termine der nächsten Woche sehen für die Bundeskanzlerin so aus, dass sie am kommenden Dienstag, also am 13. März, nach Rom fliegen wird, um dort Gespräche mit dem italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano und Ministerpräsident Mario Monti zu führen. Das Gespräch mit Herrn Monti ist für 17 Uhr vorgesehen. Gegen 18.15 Uhr wird es dann eine gemeinsame Pressebegegnung der beiden geben. Den Abschluss dieses deutsch-italienischen Treffens wird dann ein Abendessen bilden, gegeben von Staatspräsident Napolitano im Beisein von Ministerpräsident Monti. Sie erinnern sich, dass die Kanzlerin von Herrn Monti bei seinem Besuch hier in Berlin Mitte Januar eingeladen worden war. Dies ist also nun der Gegenbesuch.

Am Mittwoch, den 14. März, wird, wie fast immer, um 9.30 Uhr das Bundeskabinett unter Leitung der Kanzlerin tagen.

Mittags, gegen 12.30 Uhr, wird sie im Bundeskanzleramt den tunesischen Ministerpräsidenten Hamadi Jebali mit militärischen Ehren empfangen. Das ist sein Antrittsbesuch in Deutschland. Es geht natürlich um die bilateralen Beziehungen, aber auch um die Transformationspartnerschaft, die Deutschland mit mehreren nordafrikanischen und arabischen Ländern im Gefolge des arabischen Frühlings aufgebaut hat, um den Beschäftigungspakt und die Energiepartnerschaft. Auch dort ist eine gemeinsame Pressebegegnung geplant, und zwar gegen 13.45 Uhr.

Am Mittwochabend wird die Bundeskanzlerin dann im Rahmen des Zukunftsdialogs das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern fortsetzen. Sie wird dieses Mal mit etwa 100 Bürgerinnen und Bürgern in Heidelberg zu einem Austausch unter der Fragestellung "Wie wollen wir lernen?" zusammenkommen. Es geht also um berufliches, lebenslanges Lernen sowie um die Nutzung digitaler Technologien und des Internets. Ein dritter solcher direkter Bürgerdialog wird dann am 28. März in Bielefeld stattfinden.

Damit sind wir beim Freitag, den 16. März, angelangt. Da wird die Kanzlerin - das ist mittlerweile schon eine Tradition - am jährlichen Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft in München teilnehmen. Dieses Spitzengespräch dient dem vertraulichen Austausch über die aktuellen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Es ist nicht presseöffentlich. Es wird aber gegen 12.30 Uhr von einer Pressekonferenz gefolgt werden. Anschließend wird die Bundeskanzlerin der Internationalen Handwerksmesse einen kurzen Besuch abstatten.

Die kommende Woche wird, wie Sie wissen, mit der Wahl des 11. Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung enden. Am Sonntagmorgen um 9 Uhr wird die Bundeskanzlerin zunächst in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt an einem Gottesdienst teilnehmen. Anschließend wird dann um 12 Uhr die Bundesversammlung im Reichstagsgebäude zur Wahl des Bundespräsidenten zusammentreten.

Frage: Weiß man schon, welche Themen auf der Agenda des Treffens mit Herrn Monti am Dienstag stehen werden?

StS Seibert: Man ahnt, welche Themen mit Sicherheit angesprochen werden: die Entwicklung in der Eurozone, die wirtschafts- und finanzpolitische Entwicklung in Europa insgesamt und die Wachstumsinitiativen, die auf europäischer Ebene ergriffen werden. Aber ins Detail möchte ich nicht gehen und niemandem vorgreifen.

Schäfer: Ich möchte Ihnen mit Blick auf die Umbrüche in der arabischen Welt eine Reise des Bundesaußenministers Westerwelle ankündigen. Der Außenminister wird am morgigen Samstag, am 10. März, für zwei Tage der arabischen Halbinsel einen Besuch abstatten und in diesem Rahmen zunächst nach Jemen und dann nach Saudi-Arabien fliegen. Zunächst wird er in der Hauptstadt des Jemen, in Sanaa, politische Gespräche mit dem jemenitischen Präsidenten Hadi sowie mit dem jemenitischen Außenminister al-Kirbi führen.

Im Jemen haben nach dem unter der Ägide des Golf-Kooperationsrates ausgehandelten Machtverzicht von Ex-Präsident Saleh erst vor wenigen Wochen Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Der Jemen steht damit vor einem neuen politischen Kapitel unter der Führung eines neuen Präsidenten. Aus der Sicht des Außenministers ist das deshalb ein guter Zeitpunkt, dem Jemen einen Besuch abzustatten und die deutsche Unterstützung für den jetzt dort beginnenden Übergangsprozess zu bekunden. Sie sollten dazu auch wissen, dass Deutschland ja einer der Hauptgeber für die entwicklungspolitischen Entwicklungen im Jemen ist.

Am Samstagabend wird der Außenminister dann nach Saudi-Arabien weiterreisen. Dort wird er dann am Sonntag politische Gespräche zur Lage in der gesamten Region führen, etwa mit dem Generalsekretär des Golf-Kooperationsrates, Herrn al-Sajani, sowie mit dem saudischen Außenminister al-Faisal. Daneben sind unter anderem Begegnungen mit Teilnehmern des deutsch-saudischen Jugendforums sowie ein Besuch der König-Faisal-Stiftung für Forschung und islamische Studien geplant.

Wie Sie wissen, ist Saudi-Arabien als ein Staat der G20, als Sitz des Golf-Kooperationsrates und als wichtiges Mitglied der Arabischen Liga ein Schlüsselland in der Region, mit dem ein regelmäßiger Austausch in regionalen und internationalen Fragen zweckmäßig und geboten ist. Natürlich wird es in Saudi-Arabien auch um den Stand der bilateralen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Deutschland gehen, aber im Kern wird es darum gehen, sich über die aktuellen Konfliktherde wie die in Syrien und im Iran auszutauschen.

Außenminister Westerwelle wird dann schließlich am Montag nach New York weiterreisen. Dort wird unter britischem Vorsitz eine Sitzung im Sicherheitsrat auf der Ebene der Außenminister stattfinden. Die Aussprache wird sich um die Umbrüche in der arabischen Welt drehen. Man kann sicher davon ausgehen, dass der Fokus - das wird Sie nicht überraschen - bei diesem Austausch auf der dramatischen Lage in Syrien liegen wird. In New York wird der Außenminister eine Reihe weiterer Gespräche zu aktuellen Fragen führen.

Frage: Herr Schäfer, wird das Thema Menschenrechte auch in Saudi-Arabien angesprochen werden, oder versucht man, das einfach zu ignorieren?

Schäfer: Ich kann dem Verlauf der Gespräche in Riad natürlich nicht vorgreifen. Aber Sie wissen ja, dass Menschenrechte auf dieser Art von Reisen regelmäßig und immer eine wichtige Rolle spielen. Sie wissen auch, dass die Einschätzung der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sowohl dort vor Ort als auch hier in Deutschland allseits bekannt ist. Sie findet sich auch in offiziellen Publikationen der Bundesregierung wie im aktuellen Menschenrechtsbericht wieder.

Frage: Frage an das Arbeitsministerium: Was hat Sie zu dieser Weisung veranlasst, dass EU-Ausländer kein Hartz IV mehr beziehen sollen? Ab wann gilt die Regelung? Wie viele wird das betreffen?

Flosdorff: Danke für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, noch einmal etwas klarzustellen. Hier geht es nicht um die prinzipielle Frage, ob EU-Ausländer Hartz IV beziehen, sondern um die Frage: Wer hat in Deutschland ab dem ersten Tag Anspruch auf Arbeitslosengeld II? Wir hatten bis zu einem Urteil des Bundessozialgerichts Ende 2010 die Lage, dass alle EU-Bürger irgendwie gleich behandelt werden, nämlich so, dass grundsätzlich eine Karenzzeit von drei Monaten gilt. Danach sollte das für Bürger, die nicht nur EU-Bürger sind, sondern auch Bürger aus Ländern des Europäischen Fürsorgeabkommens sind, nicht mehr gelten. Ab diesem Zeitpunkt gab es eine Ungleichbehandlung von EU-Bürgern. Es galt also nicht mehr dasselbe für den Arbeitssuchenden aus Frankreich und den Arbeitssuchenden aus Österreich. Es war absehbar, dass, wenn EU-Bürger ungleich behandelt werden, das dazu führen würde, dass es rechtliche Probleme mit Brüssel gibt. Deswegen war es zwingend notwendig, dass eine Rechtsangleichung für alle EU-Bürger vorgenommen wird.

Das heißt nicht, dass EU-Bürger hier kein Hartz IV mehr bekommen. Nach drei Monaten gibt es unter den gegebenen Voraussetzungen selbstverständlich Ansprüche auf Hartz IV. Eine Ausnahme ist, wenn sich Menschen ausschließlich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Das ist auch logisch. Es gibt zum Beispiel die Zentrale Auslandsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, sodass sich die EU-Bürger auch in ihren Herkunftsländern über Jobchancen hier in Deutschland informieren können. Wer innerhalb dieser Zeit schon einmal selbstständig tätig war, wer geringfügig beschäftigt war, wer eine Tätigkeit aufgenommen hat, wer also schon gearbeitet hat, der hat auch die Möglichkeit, hier Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II zu beantragen. Es geht nur sozusagen darum, wer hierher kommen kann, ohne dass er bisher tätig geworden ist, und bereits ab dem ersten Tag Arbeitslosengeld II beantragen kann. Diesbezüglich gibt es jetzt eine Gleichbehandlung innerhalb der EU, und das war notwendig, weil es innerhalb der Gemeinschaft zweierlei Recht gab.

Daneben möchte ich auch noch einmal grundsätzlich etwas sagen, weil das in der Presse mit dem Wort "Willkommenskultur" zusammengeworfen wurde. Es geht, wenn wir über das Thema Zuwanderung sprechen, um qualifizierte Fachkräfte. Es geht nicht um Zuwanderung in die Sozialsysteme. Auch in anderen Ländern, die in hohem Maße auf Zuwanderung setzen, wird Willkommenskultur nicht so verstanden, dass es dabei in erster Linie um eine Zuwanderung in die Sozialsysteme geht, sondern so, dass es um die Möglichkeit geht, hier eine Arbeit aufzunehmen. Zuwanderer sind hier willkommen, qualifizierte Fachkräfte sind hier willkommen. Es gibt die Möglichkeit, sich bereits im Ausland zu informieren, wie die Jobchancen hier aussehen. Selbstverständlich können Leute aus allen EU-Staaten nach Deutschland kommen und sich hier selbstständig, auf eigene Faust auf die Suche nach einer Arbeitsgelegenheit machen. Aber das heißt nicht, dass sie hier ab dem ersten Tag und parallel zu ihrer Arbeitssuche schon einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben.

So wird das Europäische Fürsorgeabkommen im Übrigen auch von den anderen EU-Staaten verstanden. Auch dort ist es ausdrücklich so, dass die Freizügigkeit nicht dazu führen soll, dass ein ungezügelter Zugang zu den jeweiligen Sozialleistungssystemen der anderen Länder gewährleistet ist.

Zusatzfrage: Meine Frage war einfach: Ab wann gilt das, und wie viele Leute betrifft das?

Flosdorff: Es galt sozusagen, um das noch einmal klar zu sagen, für ein Zeitfenster von Ende 2010 bis Ende 2011.

Wie viele Leute das betrifft, kann ich jetzt nicht sagen. Das ist faktisch so. Es geht also praktisch um eine rechtliche Möglichkeit, die faktisch aber so gut wie nie in Anspruch genommen worden ist. Bitte fragen Sie also die Bundesagentur für Arbeit, ich kenne dazu keine genaue Zahl. Aber das ist ja heute auch schon der Presseberichterstattung zu entnehmen. Ich glaube, die Wortwahl der Sprecherin war, dass sich das im Promillebereich bewegt und dass jetzt auch nicht feststellbar war, dass es aus den Ländern aufgrund dieser vorübergehend geltenden Rechtslage - davor galt immer die Rechtslage, die jetzt wieder hergestellt worden ist - einen großen Andrang gegeben hätte. Deswegen ist auch klar: Hierbei geht es nicht um Prävention und darum, dass man glaubt, dass jetzt Menschenströme (nach Deutschland) kommen, sondern es geht wirklich darum, dass wir eine rechtliche Harmonisierung erreichen und auch mögliche Schritte der Europäischen Kommission vermeiden, die sonst doch auf uns zukommen würden, wenn es unterschiedliche Rechtslage für unterschiedliche EU-Bürger gäbe.

Frage: Wenn Sie keine konkreten Zahlen haben und wenn die Arbeitsagentur sagt, dass kein Bedarf für eine solche Handlung bestehe, was ist dann der politische Hintergrund dessen, dass Sie so eine Maßnahme treffen? Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Zuwanderung innerhalb der EU und Freizügigkeit?

Flosdorff: Erst einmal dachte ich, die Frage hätte ich beantwortet. Es geht sozusagen um rechtlich einheitliche Voraussetzungen, dass für den Franzosen dieselben Voraussetzungen gelten wie für den Österreicher. Die Österreicher haben zum Beispiel das Europäische Fürsorgeabkommen nicht unterzeichnet. Für sie würden andere Voraussetzungen gelten. Es geht hier um die rechtliche Situation.

Das Zweite ist: Freizügigkeit ist die Möglichkeit, eine Arbeit aufzunehmen, von einem Land zum anderen zu gehen und sich dort ohne rechtliche Hürden eine Existenz aufzubauen. Dazu gehört aber nicht - das ist davon zu trennen - eine Einwanderung in die Sozialsysteme, also dass man von einem Land zum anderen geht, aber nicht mit dem Zweck der Arbeitsaufnahme. Also wenn hier Leistungen erbracht werden, dann gibt es selbstverständlich auch die Leistungen, die hier den Inländern zur Verfügung stehen. Aber wenn noch keine Leistungen erbracht sind, dann wird das auch von anderen europäischen Ländern nicht so verstanden, dass dann sofort Zugang zu allen Versicherungen und Sozialversicherungen bestehen soll, die es dort gibt.

Zusatzfrage: Ich bestehe auf die politische Dimension dieser Maßnahme. Denn es wird auch ein politisches Signal gesendet in einer Zeit, in der die sich Spanien, Portugal und Griechenland in einer Notlage befinden. In dieser Zeit kommt so eine Maßnahme. Man spricht hier in Deutschland von einer Zuwanderung in die Sozialsysteme, und dabei hat man keine konkrete Zahl, die so etwas belegt. Also da wird ein bestimmtes politisches Signal gesendet.

Flosdorff: Entschuldigung, aber die Zahl lässt sich sicher eruieren. Die Bundesagentur für Arbeit hat sie uns heute Vormittag noch nicht zur Verfügung gestellt. Aber gestern sind Aussagen dazu getroffen worden. Ich gehe davon aus, dass auch konkrete Zahlen zur Verfügung stehen.

Noch einmal: Es war jetzt nicht ein willkürlicher Zeitpunkt, der hier gewählt wurde, um ein Signal zu setzen, sondern der Ausgangspunkt war ein Urteil des Bundessozialgerichts am Ende des Jahres 2010. Es mussten Fristen eingehalten werden, um einen Vorbehalt einzulegen. Deutschland ist übrigens nicht das einzige Land, das einen Vorbehalt eingelegt hat. Es gibt noch andere Länder - wie Luxemburg, Norwegen, Großbritannien, die Türkei und Belgien -, die auch Vorbehalte eingelegt haben. Das ist ausdrücklich so im Europäischen Fürsorgeabkommen vorgesehen, dass Vorbehalte eingelegt werden können. Es ist wirklich ein hinreichend wichtiger Grund dafür, dass wir eine rechtliche Harmonisierung in der Europäischen Union haben.

StS Seibert: Ich wollte das nur bekräftigen, was der Kollege des Arbeitsministeriums sagt. Es wäre falsch, jetzt den Kurzschluss einer politischen Botschaft ziehen zu wollen. Es gab eine klare rechtliche Notwendigkeit dieser - sagen wir einmal - Begradigung oder Harmonisierung, die Deutschland vornimmt, wie sie auch andere Länder schon vorgenommen haben.

Unsere Grundsätze bleiben ganz klar: Wir wollen Zuwanderung. Wir stehen zu Freizügigkeit. Wir brauchen kluge Köpfe. - Aber dieses Prinzip der Zuwanderung und der Freizügigkeit hochzuhalten, heißt eben gerade, damit es akzeptabel bleibt, auch gegen Leistungsmissbrauch vorzugehen. Dies ist ein alter und überhaupt kein neuer und aus einer politischen Aktualität geborener Grundsatz, und an dem hat sich nichts geändert.

Frage: Mich würde die rechtliche Bewertung des Ganzen interessieren. Das Verfassungsgericht hat ja gerade in Bayern beim Landeserziehungsgeld entgegengesetzt entschieden und gesagt, darauf haben sogar Nicht-EU-Bürger Anrecht. Sind Sie sicher, dass dieser Vorbehalt tatsächlich ausreicht, um das durchzusetzen?

Flosdorff: Also ich stecke jetzt nicht in den Feinheiten, welche Voraussetzungen es jetzt in Bayern beim Landeserziehungsgeld für irgendein Urteil gab. Ich kann nur sagen: Für uns war die Ungleichbehandlung innerhalb der EU-Bürger, innerhalb der Union, entscheidend. Deshalb war es zwingend notwendig, dass das rechtlich begradigt wird, und das ist jetzt passiert.

Frage: Darum die Frage: Warum ist dieser Vorbehalt beim Europäischen Fürsorgeabkommen eingelegt worden? Ich habe es immer noch nicht begriffen.

Flosdorff: Es gab seit diesem Urteil des Bundessozialgerichts Ende 2010 einen Widerspruch zwischen EU-Recht und dem Europäischen Fürsorgeabkommen, also platt gesagt, den faktischen Folgen. Innerhalb der EU gilt für die einen sozusagen EU-Recht - die Österreicher -, für die anderen gilt zusätzlich das Europäische Fürsorgeabkommen. Daraus resultiert rechtlich eine Ungleichbehandlung.

Faktisch - das haben wir festgestellt - hat das keine großen Auswirkungen gehabt. Aber es hätte absehbar Probleme mit Brüssel gegeben, wenn diese zwei unterschiedlichen Rechtslagen für Bürger unterschiedlicher Herkunft aufrechterhalten worden wären. Deswegen ist das jetzt begradigt worden.

Zusatzfrage: Aber wenn das Europäische Fürsorgeabkommen doch einen Großteil der EU betrifft?

Flosdorff: Es betrifft Mitgliedsländer des Europarates. Es betrifft zum Beispiel - das habe ich eben gesagt - auch die Türkei; sie haben einen Vorbehalt eingelegt. Es betrifft einen Großteil europäischer Länder. Sie können ein anderes Binnenrecht haben als wir. Es müssen sich ja nicht die Leistungsansprüche, die wir hier gegenüber dem Staat haben, in jedem Land decken. Es kann in Spanien oder in Frankreich andere Zugangsvoraussetzungen geben.

Wichtig ist nur: Was ist mit den EU-Ländern bei uns im Land? Was ist mit den Inländern? - Es ist ausdrücklich vorgesehen, dass es unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen geben kann. Was es nur nicht geben darf, sind unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen für EU-Länder unterschiedlicher Herkunftsländer in einem Land.

Zusatzfrage: Glauben Sie, dass Sie im Bundestag damit durchkommen? Es gibt schon die ersten Reaktionen darauf, die Bundesrepublik möge doch bitte diesen Vorbehalt zurückziehen.

Flosdorff: Dann würde mich die Begründung interessieren. Ich glaube nicht, dass jetzt im Bundestag Europarecht ausgehebelt wird.

Noch einmal: Wie ich der Presse entnehmen konnte, lautet die Begründung, dass das ein falsches Signal im Sinne der Willkommenskultur ist. Hier in Deutschland sind qualifizierte Fachkräfte aus allen Ländern, übrigens nicht nur EU-Ländern, willkommen, die hier weiterhelfen. So ist das übrigens auch in anderen Einwanderungsländern. Es entspricht, wie Herr Seibert eben richtig gesagt hat, auch dem Geist der Freizügigkeit, dass man dieses hohe Gut der Freizügigkeit, das wir in Europa hochhalten, nicht dadurch diskreditiert, dass man Missbrauchstatbeständen Tür und Tor öffnet.

Zusatzfrage: Mich interessiert dann noch die Zahl.

Flosdorff: Wie gesagt, die Bundesagentur für Arbeit hat gestern gesagt - das ist ja heute auch der Presse zu entnehmen -, dass sich das im Promillebereich bewegen würde. Ich gehe davon aus, dass das richtig ist. Aber welche Zahl jetzt genau dahinter steckt, (kann ich Ihnen noch nicht sagen). Wenn ich sie bekomme, dann schicke ich sie der Bundespressekonferenz. Ansonsten, glaube ich, ist der schnellere Weg, wenn Sie in Nürnberg anrufen.

Frage: Noch einmal zur Klarstellung wegen des Promillebereichs: Ist dem zu entnehmen, dass die konkrete Zahl der Fälle, die es in den vergangenen Monaten gegeben hat, für Ihre Überlegung gar keine Rolle gespielt hat?

Dann noch eine Frage in die gleiche Richtung: Es hat in den vergangenen Wochen auch Berichterstattung darüber gegeben, insbesondere über junge spanische Arbeitslose, die nach Berlin zuwandern. Ist das bei Ihnen registriert worden? Hat es irgendeinen Einfluss auf diese Entscheidungsfindung gehabt?

Flosdorff: Es sind rechtliche Fristen einzuhalten, wie man nach diesem Urteil einen Vorbehalt einlegt. Das hat sozusagen diesen Vorlauf gebraucht. Es hat keine Rolle gespielt, was hier faktisch passiert ist. Das sehen Sie ja schon daran: Es gibt wenig Andrang. Es ist nicht spürbar, dass es hier in dem Umfang Wanderungsbewegung gegeben hätte.

Sehr willkommen sind uns die Wanderungsbewegungen aus allen europäischen Ländern, wenn es sich um qualifizierte Menschen handelt. Wir haben hier 1,1 Millionen offene Stellen. Wir laufen in den nächsten Jahrzehnten absehbar in einen Fachkräftemangel hinein. Es gibt die Institution der zentralen Auslandsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit. Sie verzeichnet übrigens für die meisten EU-Länder, die auch Schwierigkeiten haben, eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitsaufnahmen in Deutschland. Das heißt, man kann sich dort auch informieren.

Es wird aber von der Bundesagentur für Arbeit keine Statistik darüber geführt, wer auf eigene Kosten nach Deutschland kommt und hier schaut und sich, vielleicht auch über das Internet, aus Spanien bewirbt. Darüber gibt es keine Statistiken. Wir können nur fragen: Wer kommt aus solchen Ländern und hat hier Arbeitslosengeld II beantragt? - Das ist nach Aussagen der Bundesagentur für Arbeit eine sehr kleine Gruppe.

Frage: Ich habe noch eine Lernfrage zu diesem Fürsorgeabkommen. Wird jetzt durch diesen Vorbehalt nur ein Teil dieses Fürsorgeabkommens außer Kraft gesetzt oder wie habe ich mir das vorzustellen?

Flosdorff: Also ich habe hier die Geschäftsanweisung. Ich kann das jetzt auf die Schnelle nicht abklopfen, sodass ich Ihnen das sagen kann. Das sind hier zwei kleingedruckte Seiten; ich kann sie aber gern in Gänze der Bundespressekonferenz zur Verfügung stellen.

Vorsitzender Mayntz: Okay.

Flosdorff: Ich gehe einmal davon aus, dass das ein Teil ist. Das ist wohl nicht das ganze Fürsorgeabkommen, das noch viel weitergehende Regelungen enthält. Hier geht es sicherlich um den Bezug von Arbeitslosengeld II ab dem ersten Tag. Das möchte ich an der Stelle betonen: Es geht um den Bezug von Arbeitslosengeld II "ab dem ersten Tag". Nach drei Monaten ist die Situation eine andere.

Vorsitzender Mayntz: Gut, dann legen wir das nachher in unseren Verteiler. - Dazu sehe ich nun keine dringenden Fragen mehr. Dann widmen wir uns dem Thema Griechenland. Herr Heller!

Frage: Zwei formale Fragen an Herrn Kotthaus, zwei inhaltliche an Herrn Seibert: Wenn der Minister heute um 14 Uhr eine Pressekonferenz macht, dann kann er nicht an einer Telefonkonferenz um 14 Uhr teilnehmen. Also da gab es einmal diesen Zeitpunkt 14 Uhr. Wann ist dann die Telefonkonferenz der Eurogruppen-Finanzminister? Ist es vorstellbar, dass schon bei dieser Telefonkonferenz das zweite Griechenland-Paket freigegeben wird? Oder wäre das eine Sache, die dann beim physischen Treffen der Minister am Montag entschieden würde?

Herr Seibert, Sie möchte ich gern fragen: Die Kanzlerin hat sicherlich eine grundsätzliche Bewertung zu dem Ergebnis der Abstimmung über den Forderungsverzicht, das heute Morgen herausgekommen ist. Das würde mich interessieren.

Zum Zweiten höre ich: An den Märkten gibt es offenbar die These, dass die Kanzlerin nicht zufrieden mit dem Punkt Zwangsumschuldungen sei, den die griechische Regierung vorhat, nämlich der Aktivierung der Umschuldungsklauseln und die Versuche, das noch auszuhebeln. Ist das richtig oder ist das völliger Blödsinn?

Kotthaus: Ihr logisches Vermögen ist wie immer beeindruckend. Sie haben Recht: Diese Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister wird heute um die Mittagszeit herum stattfinden, wahrscheinlich gegen 12.30 Uhr. Von daher kann der Finanzminister nach derselben Sitzung Ihnen auch über die Ergebnisse dieser Telefonkonferenz berichten.

Das andere Thema: Es geht heute bei der Telefonkonferenz im Wesentlichen um die Prüfung, ob die Voraussetzungen gegeben sind, die die Eurogruppe in der Nachtsitzung von Montag, den 20.02, auf Dienstag gestellt hat, also ein Schuldenstand von 120,5 Prozent bis im Jahre 2020, ein dafür einsetzbares Paket in Höhe von 130 Milliarden Euro und die Erledigung der "prior actions", die ja, wie Sie wissen, noch endgültig zu klären waren.

Wenn das gegeben ist, dann könnten bei der heutigen Telefonkonferenz der Eurofinanzminister zwei Summen freigegeben werden: Das sind zum einen die "sweeteners" - das sind 30 Milliarden Euro -, die eingesetzt werden, um den Umtausch für die privaten Gläubiger attraktiver zu machen, was ja offensichtlich auch Früchte getragen hat. Und es gibt 5,5 Milliarden Euro für die aufgelaufenen Zinsen, die auch noch freigegeben werden müssten.

Ich gehe davon aus: Das Griechenland II-Paket wird nächste Woche in der Eurogruppe diskutiert werden.

StS Seibert: Ohne den sicherlich ausführlichen Einlassungen des Bundesfinanzministers jetzt vorzugreifen, kann ich für die Bundeskanzlerin allgemein sagen, dass sie mit dem Ergebnis zufrieden ist, also mit der hohen Beteiligung privater Gläubiger am Anleihetausch. Das ist nach Auffassung der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung ein ermutigendes Ergebnis, das helfen wird, Griechenland auf Stabilitätskurs zu bringen.

Jetzt ist wichtig, dass Griechenland die Chance nutzt, die dieser Schuldenschnitt bietet, dass es also die vereinbarten Programme umsetzt. Finanzminister Venizelos hat heute selber von ehrgeizigen Reformen und Anpassungsprogrammen gesprochen. Genau dieses ehrgeizige Programm ist nun auch umzusetzen. Bei dieser Umsetzung bietet die Bundesregierung, wie bisher auch, in vielfältiger Form ihre Hilfe und Unterstützung an.

Zu Ihrer anderen Frage: Marktgerüchte kommentiere ich nicht.

Zusatzfrage: Dann möchte ich, wenn ich darf, auch das Finanzministerium fragen. In der kurzen Stellungnahme Ihres Hauses zu diesem Ergebnis wird das Wort "freiwillig" besonders strapaziert; das habe ich an zwei Stellen gelesen. Es wurde heute Morgen betont, dass es eine Zustimmung zu einem freiwilligen Umtausch gibt. Kann ich daraus den Rückschluss ziehen, dass die von der griechischen Regierung geplante Aktivierung eines Zwangsmittels, nämlich diese Umschuldungsklausel, von Ihnen nicht positiv bewertet wird?

Kotthaus: Nein.

Frage: Herr Kotthaus, es war ursprünglich auch das Ziel Griechenlands, diesen Zwangsumtausch zu vermeiden. Ist das jetzt ein Schönheitsfehler, dass dieser Zwangsumtausch doch stattfindet?

Kotthaus: Wir haben einige klare Kriterien aufgestellt, wann der Umtausch als solcher in dem Sinne Sinn macht, dass er zu einer Schuldentragfähigkeit von Griechenland führt. Dafür braucht man eine Beteiligung von über 90 Prozent, dass man die Vorgaben erfüllt, die in der Eurogruppe am 20. Februar - respektive am 21. Februar morgens - getroffen worden sind. Es liegt in der Entscheidungsgewalt der griechischen Regierung, wie richtig vorzugehen ist. Die griechische Regierung hat heute in ihrer Pressemitteilung erklärt, dass sie das so tun wird. Das wird auch sicherlich so besprochen werden.

Noch einmal: Wir dürfen nicht vergessen, dass es darum geht, dass wir Griechenland langfristig stabilisieren. Es geht darum, die dafür erforderlichen Bedingungen zu erfüllen. Das ist ein Weg, der sicherlich gegangen werden kann.

Zusatzfrage: Es ist das erste Mal, dass Anleihekäufer sozusagen per Zwang verpflichtet werden, einen Nachlass zu geben. Was heißt das für die Eurozone insgesamt? Ist das ein Makel? Ist das ein Nachteil, der jetzt eingetreten ist?

Kotthaus: Ich glaube, die Frage der Collective Action Clauses ist im Vorhinein ausgiebig diskutiert worden, auch mit den Märkten. Sie wissen, dass die Diskussion im Endeffekt über ein Jahr ging, was die Vor- und Nachteile sind und welche Auswirkungen das haben wird. Ich glaube, den Märkten ist auch bewusst, was das bedeutet. Dass Griechenland ein besonderer, ein einzigartiger, ein spezieller Fall ist, hat, glaube ich, die gesamte Eurozone auf allen Ebenen mehrfach, nachhaltig und umfassend klar gemacht. Daher gehe ich davon aus, dass man das genauso betrachten wird.

Frage: Herr Kotthaus, Sie haben von der Liste der Prioritäten gesprochen. Ist diese Frist für die Umsetzung der Liste abgelaufen? Oder gibt es ein paar Sachen, die die griechische Regierung in dem Zeitraum nach Ende Februar umsetzen soll?

Herr Seibert, nach diesem geglückten Schuldenschnitt beginnt in Griechenland eigentlich der Wahlkampf. Sieht die Bundesregierung die politischen Voraussetzungen für die Umsetzung des Pakets als gegeben an?

Kotthaus: Die Liste der prioritär zu erledigenden Aktionen, also die Aktionen die noch aus dem Griechenland-I-Pakt ausstanden, ist mehrfach diskutiert worden. Grundsätzlich hatte sich die griechische Regierung bereit erklärt, diese Liste (zu erfüllen). Das sind Sachen, die gemacht werden müssen. Sie wissen, dass es sieben Blöcke sind, angefangen bei Mindestlöhnen und endend bei Pensionen, der Art und Weise, wie man einkauft und Ähnliches mehr. Die sollten eigentlich bis Ende Februar erledigt sein.

Sie wissen, dass es deswegen eine Sitzung der Eurogruppe in Brüssel gegeben hat, die festgestellt hat: Es sieht ganz gut aus. Aber Sie wissen auch, dass die letzten Beiträge zu dieser Sitzung der Eurogruppe ungefähr zwei Minuten vor Beginn der Sitzung hereinkamen und deswegen noch nicht ausschließlich und ausgiebig bewertet werden konnten. Es wird heute die Aufgabe der Troika in der Telefonkonferenz, die um 12.30 Uhr beginnen wird, sein, zu schauen, ob alles erledigt ist. Das muss sicherlich heute auch der Fall sein. Aber es sah, wie gesagt, schon bei der Sitzung der Eurogruppe am letzten Februartag alles ganz gut aus. Ich bin, wie gesagt, nicht die Troika. Warten wir ab, was sie heute bewertet.

StS Seibert: Ich will mich nicht in den griechischen Wahlkampf einmischen. Es ist aber so, dass mit Hilfe dieser hohen Zustimmung der privaten Gläubiger zum Anleihetausch nun der Weg für die bisher historisch größte Umschuldung eines Staates geöffnet wird. Wenn ich gerade auch die Stimmen aus Athen heute Morgen und gestern Abend richtig verstanden habe - Herr Venizelos sprach auch von Dankbarkeit gegenüber den Privatgläubigern, die dies möglich gemacht haben -, dann ist doch das Bewusstsein, dass dem griechischen Staat eine Chance gegeben wird, offensichtlich vorhanden.

Bei allen Schwierigkeiten, die der Staat in Griechenland hat, bei aller persönlichen Härte, die sicherlich viele Griechen in diesen Tagen und Monaten erleben, gibt die internationale Gemeinschaft durch ihr zweites Rettungsprogramm und geben die privaten Gläubiger durch die Zustimmung zu diesem Anleihetausch dem Staat Griechenland und seinen Bürgern doch auch eine große Chance.

Kotthaus: Man muss natürlich festhalten: Jetzt beginnt die weitere Arbeit. Das ist heute ein weiterer Schritt durch die Eurogruppe. Wenn das Griechenland-II-Paket freigegeben wird, dann arbeiten wir alle gemeinsam daran - sicherlich gerade Griechenland intensiv -, dass wir Griechenland wieder auf einen wirtschaftlich gesunden Kurs bekommen. Heute kann dafür ein wichtiger Schritt gemacht werden.

Frage: Mich würde vom Wirtschaftsministerium interessieren, wie man bei den Aktivitäten im Hinblick auf die wirtschaftliche Unterstützung der deutschen Unternehmen für griechische Wirtschaftsunterstützung vorankommt und ob es da irgendwelche positiven Anzeichen gibt.

Schlienkamp: Vielen Dank, für die Frage. - Sie wissen, dass der Minister unter anderem auch während seines Besuchs in Athen mehrfach darauf hingewiesen hat, dass die von der griechischen Seite zugesagte Lösung der sogenannte Altfälle eine wichtige Voraussetzung für Investitionsbereitschaft aus dem Ausland ist. Sie wissen - das werden Sie auch gelesen haben -, dass es offenbar eine Verständigung mit Siemens gibt. Ich kann und will hier an dieser Stelle nur sagen, dass natürlich dieser Verständigung ein erstes wichtiges, erfreuliches und sicherlich auch ermutigendes Signal ist. Dabei möchte ich es dann aber auch belassen.

Flosdorff: Ich kann zum Thema Arbeitslosengeld-II-Bezug für EU-Ausländer noch etwas nachreichen. Sie hatten ja gefragt, ob das nur das Arbeitslosengeld II betrifft. Ich habe mir das noch einmal durchgelesen: Das betrifft wirklich nur das Arbeitslosengeld II, ansonsten ist das Europäische Fürsorgeabkommen nicht betroffen.

Was die Zahlen betrifft: Die Zahlen der BA sind wenig aussagekräftig. Unsere Fachleute klären das noch. Ich möchte aber um Verständnis bitten, denn das hat auch etwas damit zu tun, dass diese Zahlen bei der Entscheidung keine Rolle gespielt haben; es ging wirklich darum, die rechtliche Situation zu begradigen. Deswegen mache ich dazu an dieser Stelle jetzt nur Trendaussagen. Wenn wir das im Laufe des Tages klären können und genauere Zahlen herausbekommen können, dann liefern wir diese selbstverständlich nach.

Frage: Herr Flosdorff, wenn Sie schon sagen, dass Sie die Zahlen nicht haben: Können Sie uns denn die Länder nennen? Es hieß ja, dass sich die ganze Sache doch wieder in Richtung Portugal, Griechenland, Italien zuspitzen würde.

Flosdorff: Ich kann Ihnen zwei Länder nennen, die das Abkommen nicht unterzeichnet haben, die direkte Nachbarstaaten sind: Österreich habe ich eben schon genannt, und auch Polen hat das Abkommen nicht unterzeichnet. Die Länder, die das Abkommen unterzeichnet haben, sind Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Türkei und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland - wobei die Türkei für die EU-Rechts-Problematik keine Rolle spielt.

Frage: Frau Klaus, sind Sie so nett und sagen noch einmal, was die Position Ihres Hauses und die Position Ihres Ministers zur Praxisgebühr ist und was gegebenenfalls daraus folgt?

Klaus: Die Position des Ministers dazu ist bekannt, die ist auch nicht neu. Zuletzt hat er sich in einem Interview in der "Wirtschaftswoche" Mitte Februar geäußert. Da wurde er gefragt, ob die Praxisgebühr weg solle. Seine Antwort war: "Ich war nie ein Freund der Gebühr, aber Eigenbeteiligungen sind nötig ... Bei uns gehen die Menschen häufiger zum Arzt als in allen Nachbarländern."

Es ist so, dass die Diskussion um die Praxisgebühr schon eine Weile andauert. Wenn Sie sich erinnern: Im Dezember gab es den Vorschlag, pro Arztbesucht fünf Euro zu nehmen. Diesen Vorschlag hat der Minister abgelehnt. Das äußert er auch in diesem Interview. Er sagt zum Schluss: "Wir werden in diesem Jahr über die Praxisgebühr und vor allem über das Einzugsverfahren beraten." Das ist ja auch Grundlage des Koalitionsvertrages. Das ist nach wie vor der aktuelle Stand des Hauses und des Ministers.

Wir haben zuletzt eine Kleine Anfrage der Grünen zum Thema Praxisgebühr - die können Sie in Bundestagsdrucksache 17/8646 nachlesen - beantwortet. In der Antwort auf diese Anfrage [Anm.: Drucksache 17/8774] sind auch einige Zahlen aufgeführt, zum Beispiel eine Zeitreihe - ich meine, seit dem Jahr 2005 - dazu, wie viel an Einnahmen die Praxisgebühr jährlich erbringt. Ich kann Ihnen diese Zeitreihe auch kurz darstellen: Bei der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung waren es 2005 etwas mehr als 2 Milliarden Euro, 2007 ist das auf 1,898 Milliarden Euro gesunken und 2011 ist das wieder auf 1,988 Milliarden Euro angestiegen. Das ist der Rahmen, in dem sich die Einnahmen aus der Praxisgebühr über die Jahre bewegt haben.

Zusatzfrage: Wann, wie und auf welcher Ebene soll das in der Koalition besprochen werden?

Klaus: Die Termine, zu denen das in den Gesprächen mit den Koalitionspartnern auf die Tagesordnung kommt, kann ich Ihnen nicht nennen. Ziel ist aber auf alle Fälle, über dieses Einzugsverfahren zu sprechen und sicherlich auch eine Einigung zu erzielen; denn es hat sich ja gezeigt, dass die Praxisgebühr keine Steuerungswirkung hat. Eine solche Steuerungswirkung war ja das Ziel, das man seinerzeit mit der Einführung der Praxisgebühr verfolgt hat. Das Einzugsverfahren hat sich auch als bürokratisch gewiesen, deswegen ist es auch Ziel dieses Verfahrens, dieses Verfahren unbürokratischer zu gestalten. Wann genau man sich darauf verständigt, bleibt abzuwarten. Es werden sicherlich noch einige Gespräche dazu geführt werden müssen. Der Minister hat aber in dem genannten Interview Mitte Februar in Aussicht gestellt: "Wir werden in diesem Jahr über die Praxisgebühr und vor allem über das Einzugsverfahren beraten." - Das können Sie also durchaus so zitieren.

Zusatzfrage: Kann der Regierungssprecher noch irgendwie zur Wahrheitsfindung beitragen?

StS Seibert: Ich glaube, es ist sehr klar geworden, dass der Auftrag des Koalitionsvertrages gilt, sich zu überlegen, ob es ein Erhebungsverfahren für die Praxisgebühr gibt, das unbürokratischer ist als das derzeitige. Das ist zu prüfen und das wird sicherlich auch geprüft werden. Pläne zur Abschaffung der Praxisgebühr gibt es in der Bundesregierung nicht.

Frage: Eine Frage an Herrn Schäfer: Gestern wurde die Freilassung der Deutschen in Äthiopien bestätigt. Können Sie vielleicht noch etwas mehr zu den Entführern und den Umständen der Freilassung sagen? Gab es eventuell Lösegeldforderungen?

Schäfer: Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen: Das kann ich nicht. Ich kann aber noch einmal wiederholen, dass die beiden deutschen Staatsangehörigen, die schon seit einiger Zeit, nämlich seit dem 17. Januar, nach einem bewaffneten Überfall auf eine Reisegruppe in sehr entlegenen Gebieten im Nordosten Äthiopiens vermisst wurden und wohl entführt worden sind, inzwischen wieder frei sind und sich seit gestern in deutscher Obhut befinden. Ich kann Ihnen ferner bestätigen, dass es - den Umständen entsprechend - den beiden Deutschen sehr gut geht. Ich will hinzufügen, dass wir jetzt alles tun werden - Vertreter des Auswärtigen Amtes sind auch vor Ort, um das sicherzustellen -, damit die beiden möglichst schnell zu ihren Angehörigen und Freunden nach Deutschland zurückkehren können.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 9. März 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/03/2012-03-09-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2012