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PRESSEKONFERENZ/382: Regierungspressekonferenz vom 27. Februar 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 27. Februar 2012
Regierungspressekonferenz vom 27. Februar 2012

Themen: Bericht des Deutschen Jugendinstituts zur Initiative gegen Linksextremismus, Äußerungen des Bundesinnenministers zu Griechenland, vorübergehender Abzug deutscher Mitarbeiter aus Afghanistan, Studie "Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland", Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, Berichte über eine mögliche Lieferung von Patriot-Flugabwehrsystemen an Jordanien, Äußerungen von BM Rösler in der Sendung "Markus Lanz"

Sprecher: StS Seibert, Steegmans (BMFSFJ), Beyer (BMI), Peschke (AA), Kotthaus (BMF), Paris (BMVg), Stamer (BMU), Knauß (BMBF)


Vorsitzender Fichtner eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Steegmans: Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir heute bereits mehrfach nach einem Bericht der Tageszeitung "taz" gefragt worden sind, wonach die Programme gegen Linksextremismus durch das Deutsche Jugendinstitut angeblich "scharfer Kritik" - ich zitiere die "taz" - ausgesetzt sind, möchte ich Sie nur alle wissen lassen: Der von der "taz" zitierte Bericht des Deutschen Jugendinstituts gehört zum jährlichen Standardrepertoire derartiger Modellprogramme und wird in ähnlicher Form seit Jahren auch für die Programme gegen Rechtsextremismus verfasst. Er wird vom BMFSFJ - anders als in der "taz" behauptet - auch nicht unter Verschluss gehalten. Vielmehr lag er bis heute der Hausleitung nicht einmal vor.

Der Bericht hat als erster dieser Reihe die Aufgabe, die Ausgangslage zum Start der Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus zu beschreiben. Die Ausgangslage des Jahres 2011 ist bis dahin leider tatsächlich durch erhebliche Wissens- und Forschungslücken gekennzeichnet. Diese wissenschaftliche Lückenhaftigkeit ist gerade einer der Gründe dafür, dass das Familienministerium diese Modellvorhaben angestoßen hat. Insofern verwechselt die "taz" also komplett Ursache und Wirkung. Von einer negativen Bewertung konkreter Projektergebnisse oder gar von scharfer Kritik durch das DJI kann keine Rede sein. Es liegen nämlich nach diesem ersten Projektjahr laut DJI noch gar keine belastbaren Ergebnisse vor. Im vorliegenden ersten Bericht heißt es vielmehr wörtlich: "Die Phase der interaktiven Evaluation wird in der Zeit von Anfang des Jahres 2012 bis Ende des Jahres 2015 umgesetzt". Wenn also überhaupt ein konkreter Auftrag aus diesem Bericht herauszulesen ist, dann wäre es, dass der Schwerpunkt der Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus im Interesse einer Verbreiterung des Programms nicht nur in Berlin liegen soll: "Die wissenschaftliche Begleitung empfiehlt vor diesem Hintergrund, verstärkt adäquate Projektvorhaben in weiteren städtischen Räumen - zum Beispiel in Hamburg, im Raum Frankfurt am Main - beziehungsweise in Bezug auf den Themenbereich 'islamistischer Extremismus' spezifisch auch in Nordrhein-Westfalen zu fördern beziehungsweise geeignete Programmakteure gezielt zur Antragstellung zu ermutigen."

Frage: Herr Steegmans, Sie haben gesagt, das liege der Hausleitung nicht vor. Lag dieser Bericht denn dem Haus vor?

Steegmans: Dem Fachreferat lag er vor, weil es eine Kurzfassung dieses Berichts gibt, die zwischen dem BMFSFJ und dem DJI abgestimmt wurde. Soweit ich weiß, ist diese Kurzfassung bei uns wie beim DJI auch erhältlich. Es ist bei diesen Berichten auch üblich, dass sie dann insbesondere den Akteuren - sprich den Trägern der Programme vor Ort - zur Verfügung gestellt werden, weil diese wissenschaftliche Begleitung ja den Zweck hat, dass gerade die Akteure vor Ort wissen, wie sie ihre Arbeit verbessern können. Das heißt also, das ist eine wissenschaftliche Begleitung, die den Akteuren helfen soll und die sie gerade nicht kleinmachen soll.

Frage: Herr Seibert, ich habe zwei Fragen zu Herrn Friedrich: Welche Erklärung hat der Bundesinnenminister der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzleramt bezüglich der griechischen Perspektive im Euroland am Wochenende mitgeteilt? Es geht um seine öffentlich zumindest überraschende Erklärung, dass man Anreize für die Griechen schaffen müsse, damit die freiwillig die Euroeinheit verlassen.

Die zweite Frage, da Sie im Kabinett immer dabei sind: Können Sie sich an die Einwände erinnern, die der Bundesinnenminister vorgebracht hat, als es um das zweite Griechenland-Rettungspaket ging? Hat er das also schriftlich gemacht, hat er sich mündlich zu Wort gemeldet, hat er etwas zu Protokoll gegeben oder hat er in einem Sondergespräch mit der Kanzlerin vorab seine Bedenken zum Ausdruck gebracht?

StS Seibert: Wie immer gebe ich über interne Kommunikationen zwischen der Bundeskanzlerin und den verschiedenen Ministern keine Auskunft. Die entscheidende Einlassung des Bundesinnenministeriums ist doch die Zustimmung zu dem Antrag, den das BMF, also die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag zur heutigen Entscheidung hat zukommen lassen. Es ist ein Antrag, der im Übrigen mit allen beteiligten Ressorts - eben auch mit dem BMI - abgestimmt war. Das halte ich für die entscheidende Tatsache. Auf dieser Basis geht die Kanzlerin davon aus, dass auch der Bundesinnenminister heute im Bundestag diesem Antrag zustimmen wird.

Zusatzfrage: Ich mache das Geschäft jetzt schon eine Weile. Ich denke mir, wenn am Wochenende die Nachricht kursierte, dass der Innenminister Austrittsanreize fordert oder sich wünscht, dass dann die Kanzlerin oder von ihr Beauftragte mit dem Verursacher dieser Zitate darüber reden, damit man klar sieht, ob da etwas falsch zitiert wurde, ob etwas aus dem Zusammenhang gerissen wurde und ob das an Vorbehalte anknüpft, die der Politiker im Kabinett gehabt hat. Deshalb frage ich noch einmal, ohne dass Sie über Interna reden: Hat der Innenminister in der fraglichen Kabinettssitzung Einwände gegen das Griechenland-Paket erhoben? Fand man am Wochenende zwischen Merkel und Friedrich zu einer gemeinsamen Sprachregelung für heute?

StS Seibert: Ich will Ihr Denken überhaupt nicht einengen. Trotzdem bleibe ich dabei, dass ich über die interne, vertrauliche Kommunikation der Bundeskanzlerin mit den Ministern keine Auskunft gebe. Das Entscheidende ist, dass es eine abgestimmte Position der Bundesregierung zu diesem zweiten Griechenland-Hilfspaket gibt, abgestimmt auch mit dem Bundesinnenministerium. Sie wurde so dem Bundestag zugeleitet. Dieser Antrag liegt heute zur Abstimmung vor. Das ist das Entscheidende.

Im Bundeskabinett, weil Sie danach fragen, hat es keine Diskussion über etwaige Anreize für einen Austritt Griechenlands gegeben.

Beyer: Ich kann das nur, da Ihr Kollege gerade den Innenminister in seine Frage eingebaut hat, logischerweise ergänzen oder von unserer Seite klarstellen. Ich hatte am Wochenende auf Nachfrage zumindest sagen können, dass das Zitat im "Spiegel" auch autorisiert war. Das war die Äußerung von Hans-Peter Friedrich in seiner Funktion als CSU-Politiker, nicht als Fachminister. Dafür gibt es andere Ressorts, die fachlich die Zuständigkeit innehaben.

Einige Berichterstatter haben am Wochenende schon gesehen, dass man das Ganze auch einordnen kann: Seine Aussage steht in der Kontinuität seiner persönlichen politischen Haltung, die er auch schon in seiner vorherigen Funktion als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hatte. In dieser Kontinuität von Äußerungen, die es vom Inhalt her auch früher fast wortgleich - zumindest sehr ähnlich - gegeben hat, muss man das Ganze sehen. Damit wollte ich es von meiner Seite aus auch schon bewenden lassen.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundeskanzlerin die Einschätzung ihres Innenministers in der Sache?

StS Seibert: Ich dachte, es wäre aus meinen vorherigen Erklärungen schon klar geworden, dass sie diese Einschätzung nicht teilt, dass sie voll und ganz hinter dem Antrag steht, der heute dem Deutschen Bundestag zur Entscheidung vorliegt, und dass dies immer ihre Position war. Es geht uns darum, Griechenland innerhalb der Eurozone zu stabilisieren, einerseits durch europäische Solidarität und andererseits durch massive griechische Eigenanstrengungen. Das ist die Politik. Dem dient heute das zweite Griechenland-Hilfspaket, und das ist die Politik der gesamten Bundesregierung, wie sie im Kabinett auch an mehreren Punkten beschlossen worden ist.

Zusatzfrage: Wird die Bundeskanzlerin das Gespräch mit Herrn Friedrich suchen, um ihn von der Sinnhaftigkeit ihrer Position, also auch der gemeinsamen Kabinettsposition, zu überzeugen?

StS Seibert: Ich bin sicher, dass es wie auch in der Vergangenheit wieder Begegnungen und Gespräche der Bundeskanzlerin mit dem Innenminister über einen weiten Themenkreis geben wird.

Frage: Herr Peschke, versteht der Bundesaußenminister zum jetzigen Zeitpunkt die Einlassung von Herrn Friedrich? Heute früh habe ich nämlich gelesen, er verstehe sie nicht. Versteht er inzwischen die Einlassungen, weil sich da ein CSU-Politiker geäußert hat, nicht ein Mitglied der Bundesregierung?

Herr Beyer, mit welcher Begründung wird der CSU-Politiker, der auch Bundesminister des Inneren ist, heute im Bundestag für das Euro-Rettungspaket stimmen? Ist Ihnen diese Begründung bekannt?

Peschke: Der Außenminister hat wörtlich gesagt: "Ich verstehe die politischen Spekulationen über ein Griechenland außerhalb der Eurozone nicht. Was ausgehandelt und vereinbart ist, sollte gelten, und zwar auf beiden Seiten." Ich denke, diese Aussage steht für sich. Im Übrigen, glaube ich, hat Herr Seibert für die Bundesregierung als Ganzes alles vorgetragen, was es dazu zu sagen gibt. Das gilt selbstverständlich auch für den Außenminister.

Beyer: Ich kann nur das unterstreichen, was auch Staatssekretär Seibert eben gesagt hat, was die Haltung der Bundesregierung angeht. Die ist einheitlich und abgestimmt. Dazu gibt es auch vom Bundesinnenminister keine andere, gegenteilige Äußerung oder eine Ankündigung eines etwaig anderen Abstimmungsverhaltens. Ich kann jetzt sozusagen nicht für den Abgeordneten sprechen oder das heutige Abstimmungsverhalten vorwegnehmen, aber zumindest diesen Hinweis auf die Haltung und die einheitliche Linie der Bundesregierung geben, die der Regierungssprecher eben vorgetragen hat. Ich denke, die Aussage war eindeutig, und ihr wird auch von unserer Seite nicht widersprochen oder eine andere Bewertung zuteil.

Zusatzfrage: Dann besteht Herr Friedrich aus zwei Personen und hat zwei Meinungen. Habe ich das richtig verstanden? Als Bundesinnenminister hat er, verkürzt gesagt, die Meinung, das Griechenland-II-Rettungspaket sei richtig, und als CSU-Politiker hat er die Meinung, das Rettungspaket sei falsch, weil er sich ja Anreize für einen Austritt Griechenlands und keine Rettung der Euro-Zukunft wünscht. Ist das jetzt schon ein medizinischer Fall, oder ist das ein normaler politischer Meinungsbildungsprozess, Herr Beyer?

Beyer: Ich dachte, meine Klarstellung diente der Klarstellung, dass es keine abweichende Haltung gibt, was die Abstimmung und die Vorabstimmung innerhalb der Koalition angeht. Aber ich habe mir schon fast gedacht, dass so eine Frage oder so eine Zuspitzung von Ihrer Seite kommen wird. Sie erleben in der Beobachtung des politischen Prozesses ja häufiger, dass es natürlich eine politische Meinungsbildung einer Regierung oder auch einer Koalition gibt, auf die man sich nach entsprechenden Debatten und Diskussionen dann auch verständigt, um sich eine Meinung zu bilden. Auch in der Vergangenheit haben Sie wahrscheinlich häufiger beobachten können, dass es natürlich trotzdem persönliche oder auch schon länger gehegte Auffassungen einzelner Personen gibt, losgelöst von der aktuellen Position, die sie bekleiden. Deswegen hatte ich eingangs eben darauf hingewiesen, dass Hans-Peter Friedrich als CSU-Politiker in der Kontinuität seiner bisherigen parlamentarischen Laufbahn Grundauffassungen hat. Das ist eben entsprechend so einzuordnen. Aber ich denke, die gemeinsame Haltung ist wohl auch klar. Ich bin, wie gesagt, nicht Sprecher für ein Fachressort, aber ich habe schon den Eindruck, dass es innerhalb der Bundesregierung und der Koalition - von allen Seiten getragen - darum geht, Griechenland zu helfen und den Euro zu stabilisieren und zu wahren. Unter dieser gemeinsamen Überschrift findet das Ganze auch statt, denke ich.

Frage: Herr Kotthaus, es war ja ein langer und beschwerlicher Weg, um zu diesem Antrag zu kommen, der heute im Bundestag zur Abstimmung steht. Goutiert denn der Finanzminister die Äußerungen von Herrn Friedrich in diesem Zusammenhang, oder ist da ein Schaden entstanden? Hat er das Gefühl, dass man ihm in den Rücken fällt? Haben möglicherweise auch Vertreter anderer Euro-Regierungen - zum Beispiel aus Griechenland - bei ihm nachgefragt, wie man denn damit umzugehen habe, dass ein Kabinettsmitglied offensichtlich öffentlich Abstand von der gemeinsamen Position der Bundesregierung nimmt?

Kotthaus: Ich befürchte, wenn ich mir einmal kurz die Aussagen von Herrn Seibert und des Kollegen aus dem Ministerium vor Augen führe, dem habe ich ehrlich gesagt keine weiteren kreativen Äußerungen hinzuzufügen. Die Bundesregierung hat den Antrag heute eingebracht. Der Bundestag wird darüber heute entscheiden. Ich bin optimistisch, dass der Bundestag auch positiv darüber entscheiden wird. Ich denke, dass ist das Relevante und Wichtige.

Frage: Herr Beyer, wer oder was hat eigentlich Herrn Friedrich gezwungen, ausgerechnet heute, am Tag der Entscheidung, die Kontinuität seiner Aussagen weiterzuführen?

Beyer: Er hat sie ja nicht heute getätigt, sondern er hat gegenüber - - -

Zusatzfrage: Aber er wusste von dem Entscheidungstermin, oder?

Beyer: Die Veröffentlichung geschah, glaube ich, am Samstag.

Zusatzfrage: War ihm das unbekannt? Es war ihm doch bekannt, dass das jetzt veröffentlicht worden ist.

Beyer: Ja, aber nicht heute. Das war am Wochenende, also am Samstag.

Zusatzfrage: Entschuldigung, dann präzisiere ich das. Wer oder was hat eigentlich Herrn Friedrich gezwungen, die Kontinuität seiner Aussagen zum Tag der Entscheidung hin noch einmal zu wiederholen?

Beyer: Ich denke, so eine Vokabel oder so eine Formulierung - "gezwungen" - ist hier nicht angebracht. Ein Bundesminister, der auch Mitglied des Deutschen Bundestages ist, ist frei in seiner Entscheidung, einem Nachrichtenmagazin gegenüber auf Nachfrage zu einem aktuellen Thema Auskunft zu geben oder seine Haltung, seine Position zu benennen und zu erläutern. Das kann ich, wie gesagt, in diesem Sinne nicht als Zwang oder ähnlich einordnen; wahrscheinlich haben Sie es auch nicht so gemeint. Nehmen Sie es einfach so wahr, wie ich es vorhin schon sagte, nämlich als Äußerung einer politischen persönlichen Meinung des CSU-Politikers Hans-Peter Friedrich.

Zusatzfrage: Dann hat er es offenbar freiwillig getan. Mit welcher Begründung hat er das zu diesem Zeitpunkt getan?

Beyer: Selbstverständlich hat er das freiwillig getan. Ich kenne jedenfalls keinen verantwortlichen Politiker in dieser Position, der nicht frei ist in der Frage, ob und wann er einer Zeitung, einer Redaktion oder einem Sender ein Statement gibt oder nicht gibt.

Zusatzfrage: Begründung? Warum jetzt?

Beyer: Vielleicht belasse ich es jetzt dabei.

Zusatz: Der zweite Teil der Frage lautete ja, warum er das jetzt macht.

Beyer: Es tut mir leid; ich kann dem jetzt nicht mehr hinzufügen, als ich eben gesagt habe.

Frage: Herr Beyer, in der Vorbereitung konnten Sie nicht klären, wieso Herr Friedrich eine spektakuläre Meinungsäußerung genau am Entscheidungswochenende über das Griechenland-Paket platziert hat. Habe ich das richtig verstanden? Wenn Sie es nicht klären konnten, in welcher Form wird sich denn der Minister erklären? Plant er, heute im Bundestag eine persönliche Erklärung nach der Abstimmung abzugeben? Will er sozusagen als Abgeordneter gegen die Bundesregierung - im Bundestag sitzt er ja auch als Abgeordneter - beziehungsweise gegen sich selbst sprechen, da er ja als Minister zugestimmt hat? In welcher Form, denken Sie, wird sich der Minister als CSU-Politiker auch noch einmal im Bundestag erklären? Wissen Sie das?

Beyer: Ich habe ja, wie gesagt, gesagt, dass wir der heutigen Abstimmung im Bundestag nicht vorgreifen können. Aber was vonseiten der Bundesregierung oder der Koalition dazu an Vorabstimmungen stattgefunden hat, ist hier ja bereits vom Regierungssprecher entsprechend dargestellt worden. Das gilt.

Zu Ihrer Frage: Vielleicht war es nicht deutlich genug, was ich eben gesagt habe. Er hat diese Aussagen als CSU-Politiker und auch in der Kontinuität früherer Aussagen als Chef der CSU-Landesgruppe getätigt. Sie wissen, dass es natürlich in allen drei Koalitionsparteien in den letzten paar Tagen eine Meinungsbildung zum Thema des Griechenland-Hilfspakets gegeben hat. Vielleicht ist das, um Ihrer Frage etwas nachzukommen, auch ein Hinweis darauf, dass es innerhalb der Koalitionsparteien Debatten gibt und in den letzten Tagen und am Wochenende auch entsprechende Gremiensitzungen stattgefunden haben. Ich kann jetzt von meiner Seite aus nicht weiter in die Einzelheiten gehen, weil das kein Regierungshandeln im engeren Sinne betrifft. Aber vielleicht hilft Ihnen dieser Hinweis zur Meinungsbildung und als Antwort auf Ihre Frage sowie die des Kollegen.

Frage: Herr Beyer, wenn das Teil der Meinungsbildung von Herrn Friedrich ist, die er uns mitteilen wollte, können wir dann davon ausgehen, dass sich Herr Friedrich noch im Meinungsbildungsprozess befindet, oder hat er mit der Äußerung im "Spiegel" eine abschließende Meinung kundgetan, die er gerne umgesetzt sähe? Wie will er das sozusagen in Regierungshandeln umgesetzt wissen?

Beyer: Nein, Meinungsbildung und das Kundtun der persönlichen politischen Meinung sind etwas verschiedene Dinge, die im Idealfall auch nacheinander ablaufen. In diesem Falle, glaube ich, wenn man verschiedene Äußerungen von Hans-Peter Friedrich aus den letzten Jahren noch einmal Revue passieren lässt, erkennt man doch, dass er zu diesem Thema eine politische Meinung hat, die er als persönliche Meinung auch immer wieder vorgetragen hat. Das - ich sagte es vorhin ja schon - ist losgelöst von der aktuellen Frage. Dazu gibt es die eben auch schon vom Regierungssprecher geäußerten Haltungen und Positionierung der Bundesregierung zu den entsprechenden Kabinettsvorlagen für die heutige Abstimmung im Bundestag.

Frage: Herr Seibert, wie ist Ihre Einschätzung? Steht Herr Friedrich mit seiner Einschätzung, wie er sie jetzt im "Spiegel" kundgetan hat, allein am Kabinettstisch, einmal unabhängig von der Frage, ob darüber offiziell am Kabinettstisch diskutiert worden ist? Wie schätzen Sie das Meinungsbild unter den Ministern in dieser Frage ein?

StS Seibert: Ich halte mich an das, was ich weiß, nämlich dass die Bundesregierung eine abgestimmte Position vertritt, und zwar international wie national. Dies drückt sich auch in dem heutigen Antrag an den Bundestag aus. Die Bundesregierung hat nie behauptet, dass der Weg, den die europäischen Partner zusammen mit Griechenland gehen, ein Weg ohne jedes Risiko sei. Sie hat nie behauptet, dass es auf diesem Weg nicht auch Ereignisse und Erkenntnisse geben kann, die Sorgen auslösen. Aber in der Abwägung ist der Weg, den wir jetzt gehen und den die europäischen Partner - nicht nur Deutschland - gemeinsam mit Griechenland gehen, nach unserer Überzeugung - damit spreche ich für die Bundesregierung - der richtige Weg. Das drückt sich in dem heutigen Antrag an den Bundestag aus, und ich bin zuversichtlich, dass dieser Antrag eine sehr breite Mehrheit finden wird.

Frage: Herr Seibert, hat die Äußerung von Herrn Friedrich der Regierungspositionierung geholfen?

StS Seibert: Es ist an Ihnen, das zu beurteilen, nicht an mir. Die Positionierung hat stattgefunden, und darüber wird heute im Bundestag abgestimmt.

Zusatzfrage: Die Positionierung wurde vonseiten der Bundeskanzlerin kritisiert, aber sie hat das Herrn Friedrich noch nicht persönlich gesagt. Habe ich das auch richtig verstanden?

StS Seibert: Das war jetzt eine Behauptung von Ihnen.

Zusatz: Das war eine Frage.

StS Seibert: Ach so. Sie klang nicht wie eine. Dann komme ich auf den Anfang zurück: Die internen Gespräche der Bundeskanzlerin mit den Ministern sind genau das, nämlich intern. Die Meinung der Bundeskanzlerin und ihre Überzeugung, was jetzt in Sachen Griechenland als das Richtige zu tun sei, drückt sich in dem Antrag aus, der heute dem Bundestag vorliegt, und das spricht für sich.

Frage: Herr Kotthaus, gibt es denn eine gewisse Sympathie für die Haltung des Innenministers?

Kotthaus: Es gibt Sympathie aus meinem Hause dafür, dass der Antrag heute im Bundestag positiv beschieden wird.

Frage: Herr Seibert, ist es für die Bundesregierung von der politischen Symbolik her ein Wert an sich, dass heute die sogenannte Kanzlermehrheit im Bundestag hinter diesem Antrag steht? Wenn ja, hilft denn so eine Äußerung dabei, die Reihen der Koalition zu schließen?

StS Seibert: Auch da greife ich auf das zurück, was ich in Sachen Mehrheiten jetzt schon mehrfach gesagt habe: Die Bundesregierung bemüht sich, eine eigene Mehrheit zu haben, mit der sie für den heutigen Antrag stimmen wird, und ist zuversichtlich, sie auch zu erreichen. Die Kanzlermehrheit wird im Übrigen auch nicht verlangt, wie wir wissen.

Frage: An das AA, eventuell auch an das BMZ zum Stichwort Afghanistan: Wie viele deutsche Berater im weitesten Sinne sind denn nach den tödlichen Schüssen am vergangenen Freitag aus afghanischen Institutionen abgezogen worden? Wie lange soll das anhalten? Ist das eine eigenständige politische Entscheidung, oder ist sie an ISAF gekoppelt?

Peschke: Dazu gab es ja über das Wochenende hinweg schon verschiedentliche Äußerungen. Sie haben auch wahrgenommen, dass es sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme vorübergehenden Charakters handelt. Die hängt natürlich mit der Entscheidung von ISAF zusammen, nach dem tragischen Vorfall der Tötung von zwei US-Beratern sämtliche militärischen Berater aus afghanischen Institutionen zurückzuziehen. Jetzt haben wir die Situation, dass die Sicherheitssituation unserer Leute in afghanischen Institutionen natürlich insgesamt überprüft werden muss. Aus Vorsicht, um eventuellen weiteren Schaden zu verhindern, wurde zunächst einmal die Rückziehung verfügt.

Es handelt sich bei den deutschen Experten derzeit um ca. 30 von Deutschland - also aus Mitteln des Auswärtigen Amtes und des BMZ - finanzierte Fachexperten, die im Wesentlichen über das Centrum für internationale Migration und Entwicklung vermittelt worden sind und die sich in verschiedenen afghanischen Institutionen, in verschiedenen Ministerien befinden. Es kommen zwei deutsche Experten hinzu, die bei der europäischen Polizeimission in Afghanistan angesiedelt sind, die von dort aus als Berater in afghanischen Institutionen arbeiten und deren Tätigkeit in der beratenden Funktion aus Vorsicht erst einmal gestoppt wurde. Das ergibt einen Eindruck von der Dimension der gesamten Maßnahme.

Nochmals: Es handelt sich um eine Vorsichtsmaßnahme: Wir hoffen natürlich, dass wir bald wieder Bedingungen schaffen können, unter denen unsere Experten - wie auch die anderen internationalen Experten, die ihre Tätigkeit vorübergehend eingestellt haben - wieder tätig werden können. Denn ihr Beitrag ist natürlich ein wesentlicher Beitrag, um die Funktionsfähigkeit und auch den Aufbau von Kapazitäten in afghanischen Institutionen zu erhöhen und zu gewährleisten.

Zusatzfrage: Was bedeutet "bald wieder Bedingungen zu schaffen, unter denen sie arbeiten können"? Müssen die Afghanen noch mehr Sicherheitserklärungen unterschreiben? Werden sie noch stärker überprüft? Was bedeutet das für Zusammenarbeit, Kooperation und Vertrauensverhältnis im weitesten Sinne?

Peschke: Was es im Sinne von Zusammenarbeit und Kooperation im weitesten Sinne bedeutet, ist ja offenkundig: Es ist ein Rückschlag. Was soll es anderes sein? Wir hatten eine Zusammenarbeit, die zunächst erst einmal ausgesetzt werden musste. Für diese Zusammenarbeit ist es natürlich ein Rückschlag; das ist doch ganz klar.

Wann wir diesen Rückschlag überwinden können, kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Es gab in vielen Fällen eine sehr gute, sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit afghanischen Behörden und in afghanischen Behörden. Es gab auch menschlich vertrauensvolle Verhältnisse. Es konnte auf Grundlage dieser Zusammenarbeit viel erreicht werden. Aber aufgrund der Situation, wie sie sich gegenwärtig darstellt, wurde diese Vorsichtsmaßnahme im Einklang mit dem ergriffen, was ISAF entschieden hat.

Zu den Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit wir wieder in einen normalen Arbeitsmodus Vivendi kommen: Wir haben im Moment aufgrund der Vorfälle in der letzten Woche in Afghanistan eine spezifisch angespannte Situation; wir haben das hier am Freitag diskutiert. Das ändert nichts an unserer generellen Bewertung, dass sich die Dinge in Afghanistan in der letzten Zeit eher in die richtige Richtung bewegt haben, dass sich die Sicherheitssituation namentlich in vielen Landesteilen ganz konkret verbessert hat.

Wir haben aufgrund der bedauerlichen Vorfälle in der letzten Woche im Zusammenhang mit der Verbrennung religiöser Schriften, im Zusammenhang mit der Tötung von US-Beratern eine spezifisch zugespitzte Situation, auf die wir reagieren müssen und von der wir nur hoffen können, dass sie sich bald wieder verbessert. Präsident Karsai hat gestern mit seiner Erklärung sicher einen Beitrag zur Verbesserung der Situation geleistet. Wir gehen davon aus, dass die afghanischen Stellen ihrerseits alles tun werden, um weiter an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten. Wir - wenn ich "wir" sage, betrifft das natürlich Deutschland, den deutschen Beitrag, aber auch die internationale Staatengemeinschaft insgesamt - werden unseren Beitrag dazu leisten, dass sich die Ausgangssituation so bald wie möglich wieder verbessert.

Paris: Ich möchte einerseits das unterstreichen, was der Kollege Peschke gesagt hat. Anderseits möchte ich für den militärischen Bereich noch einmal deutlich machen, dass der COMISAF diese Entscheidung vorübergehender Natur getroffen hat, ganz besonders vor dem Hintergrund, dass es um den Schutz der eingesetzten Beraterinnen und Berater geht.

Was den Sachverhalt angeht, ist es so, dass vonseiten der Bundeswehr insgesamt drei Personen beratend, respektive als Verbindungsoffizier in afghanischen Ministerien eingesetzt waren: ein Oberst als Mentor im afghanischen Verteidigungsministerium, ein weiterer Oberst als Verbindungsoffizier im afghanischen Verteidigungsministerium und ein dritter Stabsoffizier im Rang eines Oberstleutnants als Mentor im afghanischen Innenministerium.

Wir sind, wie gesagt, natürlich der Entscheidung des COMISAF, General Allen, gefolgt und haben die Personen dort auch abgezogen. Das ist vorübergehender Natur, bis die Lage, wie Herr Peschke es ausgeführt hat, es erlaubt, den schutzwürdigen Interessen der eingesetzten Offiziere und auch der anderen zivilen Mitarbeiter gerecht zu werden, um in einem wieder gesicherten Umfeld ihrer Arbeit nachgehen zu können.

Beyer: Auch von unserer Seite aus eine Bemerkung: Das betrifft natürlich auch die deutschen Polizisten, die in den beiden Auslandsmissionen - bei EUPOL und bei unserem bilateralen Polizeiprojekt - in Afghanistan eingesetzt sind. Wie in der Vergangenheit auch schon hat natürlich der Schutz der aus Deutschland entsendeten Polizisten oberste Priorität. Bereits in der vergangenen Woche sind im Zuge der Unruhen und Demonstrationen wegen der Koran-Verbrennungen erste Maßnahmen eingeleitet worden. Das heißt, Fahrten sind auf das notwendigste Maß reduziert worden, und die Ausbildung findet in den gesicherten Camps und Compounds an den Ausbildungsstandorten statt, die wir in Afghanistan haben.

Aufgrund der Erschießungen zweier Offiziere im Innenministerium in Kabul ist jetzt noch entschieden worden, dass auch wir die beiden deutschen Polizeivollzugsbeamten abziehen, die bisher als Berater des Innenministers beziehungsweise als Berater des stellvertretenden Innenministers im afghanischen Innenministerium eingesetzt sind.

Frage: Herr Peschke, eine Nachfrage der Vollständigkeit halber: Bleiben die Berater im Land? Oder werden sie nach Deutschland gebracht? Mit welchem Zeithorizont ist zu rechnen, wann sie ihre Arbeit wieder aufnehmen können, wenn sich das überhaupt schon sagen lässt?

An das Verteidigungsministerium die Frage: Teil des militärischen Sicherheitskonzepts ist es ja auch, afghanische Sicherheitskräfte seitens der Bundeswehr zu begleiten, also Partnering zu betreiben. Findet das derzeit überhaupt noch statt?

Peschke: Über den genauen Verbleib kann ich Ihnen jetzt keine Einzelanalyse geben. Grundsätzlich ist es so, dass sie nicht aus dem Land abgezogen werden. Ihr Einsatz wurde vorübergehend ausgesetzt. Das heißt, ich gehe davon aus, dass ein großer Teil der Personen noch vor Ort ist und sich dort unter gesicherten Bedingungen aufhält.

Zur zweiten Frage, wann der Einsatz wieder möglich sein wird: Das hängt natürlich ganz davon ab, wie es auch die Kollegen geschildert haben, wann das aus Sicherheitsgründen unserer Analyse zur Folge wieder möglich sein wird, wann wir mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen können, dass im Interesse der Schutzwürdigkeit unserer Berater deren Einsatz wieder mit einem vertretbaren Risiko möglich ist. Diese Frage werden wir am Ende natürlich allein entscheiden, uns aber sehr eng mit unseren internationalen Partnern abstimmen, insbesondere natürlich im Rahmen von ISAF.

Paris: Für die drei erwähnten Bundeswehrsoldaten ist es so, dass wir sie in das Hauptquartier der ISAF in Kabul verlegt haben und sie, soweit möglich, von dort aus ihre Arbeit weiter fortführen - es gibt ja auch durchaus Möglichkeiten der technischen Kommunikation; man muss ja nicht unbedingt vor Ort sein -, bis eben ein Zeitpunkt erreicht ist, wo der COMISAF, General Allen, letztendlich die Weisung geben wird, die Posten als Berater, respektive Mentor in den genannten Ministerien wieder einzunehmen.

Darüber hinaus wird das Partnering eine der weiteren und wichtigen Säulen für den Prozess der Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte sein. Deshalb halten wir am Partnering fest. Das Partnering wird aber derzeit nicht ausgeübt. Das heißt, die Kräfte bewegen sich aus den entsprechenden Compounds nicht gemeinsam mit den Afghanen heraus, um - ich nenne es einmal so - eine recht schmale Silhouette in der doch unruhigen Situation zu zeigen, die wir in der letzten Woche verzeichnen konnten. Sobald die Lage es wieder erlaubt, wird das Partnering selbstverständlich auch fortgesetzt werden, weil es, wie gesagt, eines der wesentlichen Bestandteile der Ausbildung und insbesondere der Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Kräfte ist und auch bleiben wird.

Frage: Herr Paris, Herr Peschke, die Geschichte des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ist ja sozusagen auch eine Geschichte des "downsizing" in der Zielsetzung. Zuletzt waren wir bei dem Ziel angekommen, eine sich selbst tragende Sicherheitsarchitektur aufzubauen, um eine Übergabe in Verantwortung organisieren zu können. Muss man im Angesicht der Ereignisse der letzten Tage nicht von dieser Zielsetzung wieder abrücken? Muss man auch hier nicht wieder das Ziel etwas kleiner schrauben?

Peschke: Ganz klar: Nein, von diesem Ziel muss man nicht abrücken. Von diesem Ziel werden wir nicht abrücken. Das ist weiterhin Grundbestandteil nicht nur unserer eigenen, sondern der internationalen Strategie. Der Rahmen bleibt genauso, und die Zielsetzung bleibt, bis Ende 2014 die Sicherheitsverantwortung vollständig in afghanische Hände zu übergeben und die Afghanen dabei gleichzeitig so zu ertüchtigen, dass sie dann in der Lage sind, für die Sicherheit in ihrem Lande mit allem, was dazu gehört, selbst zu sorgen. Natürlich ist unser Ziel damit verknüpft - das verfolgen die Afghanen ja auch selbst -, dass das in einer hinreichenden Qualität gewährleistet werden kann. Darauf werden wir weiter hinarbeiten und unsere Anstrengungen ausrichten.

Wir waren uns immer bewusst - das hat der Bundesaußenminister, aber, soweit ich weiß, auch alle anderen Vertreter der Bundesregierung betont -, dass es auf diesem Wege Rückschläge geben würde, dass vermutlich auch weiterhin mit Rückschlägen zu rechnen sein wird. Das ist eben eine schwierige Aufgabe. Aber wenn man einen Strich unter die Dinge zieht, wenn man betrachtet, wie weit wir mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung bisher schon vorangekommen sind, bleibt unter dem Strich und bei allen bedauerlichen Rückschlägen, wie wir sie zum Beispiel letzte Woche hatten, eine positive Bilanz. Über die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt derzeit schon wieder in Gebieten, in denen die Sicherheit federführend von afghanischen Kräften gewährleistet wird. Die Übergabe von Provinzen, Gebieten, Städten an die afghanischen Kräfte geht weiter voran, und damit verknüpft auch die Planungen für die weitere Reduzierung internationaler Truppen.

Wenn man also einen Schlussstrich zieht, bleibt eine positive Bilanz. Allerdings - da darf sich niemand Illusionen machen - ist jeder weitere Schritt auf diesem steinigen Weg sehr schwierig.

Paris: Von mir gibt es ein ganz klares Nein. Es bleibt bei der Abzugsperspektive 2014. Es bleibt dabei, dass bis zum Ende 2014 dieser Übergabeprozess sehr verantwortlich durch die deutschen, aber insbesondere auch durch die internationalen Truppen weiter begleitet wird.

Sie wissen, dass sich der schrittweise Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan sicher, geordnet und auch nachhaltig vollziehen wird. Daran werden wir weiter arbeiten. Die Rückschläge in der vergangenen Woche sind bedauerlich, aber nichtsdestotrotz sind sie kein Grund, in irgendeiner Art und Weise von den strategischen Zielen der Übergabe in Verantwortung abzurücken - ganz und gar nicht.

Ich glaube auch, dass der kommandierende General im RC North, General Kneip, es auch noch einmal richtig ausgedrückt hat, indem er gesagt hat, dass das, was wir erleben mussten, letztendlich keine neue Qualität sei. Es hat auch in der Vergangenheit auf diesem steinigen Weg, wie von Herrn Peschke beschrieben, immer wieder Rückschläge gegeben; wir schließen das auch für die Zukunft nicht aus. Wir müssen aber damit arbeiten, und wir müssen damit umgehen. Man geht damit um, indem man lageanpasst damit umgeht. Das beweist beispielsweise auch, dass zum Schutz der eingesetzten Kräfte die Arbeitsplätze in den afghanischen Ministerien vorübergehend geräumt werden. Das beweist auch, dass wir das Partnering natürlich im Bereich der gesicherten Compounds weiter fortsetzen. Man kann auch beispielsweise im Compound planen, Herr Sobolewski, was man dann wieder tut, wenn man guten Gewissens wieder herausgehen kann.

Um noch einmal auf das Thema Talokan und die Berichterstattung vom Wochenende einzugehen, wo unter anderem gesagt wurde, das sei eine übereilte Räumung und Flucht, teilweise wurde von Feigheit gesprochen: Das verkennt doch den Sachverhalt, den ich bereits am Freitag vergangene Woche dargestellt habe.

Es ist so, dass das ein typischer Fall gewesen ist, wie Übergabe der Verantwortung erfolgt. Das PAT, also das Provincial Advisory Team, in Talokan ist kein PRT. Der Unterschied ist entscheidend der, dass aus einem PRT heraus militärische Operationen vollzogen werden. Bei einem PAT ist das nicht der Fall. Ein PAT ist dafür da, sozusagen einen sicheren Bereich für den sogenannten "comprehensive approach" zu schaffen, den es zwischen Auswärtigem Amt, BMZ und anderen Kräften gibt, dass man also ein gesichertes Umfeld schafft.

Schon Ende des letztens Jahres war die Überzeugung, dass dieser Posten aufgegeben werden kann. Deshalb wurde auch vor anderthalb Wochen konsequent das Militär dort herausgelöst und letztendlich in der vergangenen Woche nur deshalb aus Talokan nach Kundus abgezogen, damit man den eingesetzten Kräften dort auf Grundlage der Geschehnisse vor Ort das höchstmögliche schutzwürdige Interesse zuteilwerden lässt. Das ist alles in einem Plan. Das ist in einer Phase. Diese Pläne und Phasen werden durch solche Aktionen durchaus beeinträchtigt, aber nicht in der Art und Weise, dass man hier davon sprechen könnte, es würde übereilt abgezogen. Wir werden daran weiter arbeiten. Es gibt zu den genannten Modi Operandi, die ich genannt habe, keine wirklichen Alternativen.

Frage: Zwei Dinge habe ich noch nicht ganz verstanden. Erstens. Welche Bedingungen müssen die Afghanen erfüllen, damit die internationale Gemeinschaft sagt: Wir schicken unsere Berater wieder zu euch.

Zweitens. Eine Gefährdung wird auch durch afghanische Sicherheitskräfte gesehen, wo ein Mann, der Zugang zu deren Umfeld hatte, für die Tat am Freitag verantwortlich war. Wie verträgt sich das mit dem schon überschwänglichen Lob, das sowohl General Kneip bei seiner Abschiedsrede wie auch COMISAF Allen gestern verkündet haben?

Peschke: Sie haben die Frage schon einmal gestellt. Ich habe schon einmal versucht, sie zu beantworten - offensichtlich nicht zu Ihrer Zufriedenheit. Ich kann dennoch über das hinaus, was ich vorhin schon gesagt habe, wenig zur zusätzlichen Erkenntnisfindung beitragen. Die grundlegende Bedingung, die erfüllt sein muss, ist, dass wir zu einer Sicherheitsanalyse kommen, die uns unter Gewichtung aller Faktoren - das ist eine ganz komplexe Analyse, die aus sehr vielen einzelnen Hinweisen, Erkenntnissen, Einschätzungen beruht - zu der Schlussfolgerung veranlasst: Ja, es ist wieder verantwortbar, die Berater, die übrigens noch im Land sind - das bezieht sich auch auf die Frage von Ihrem Kollegen; ich habe gerade dazu einen Hinweis bekommen -, ihre beratende Tätigkeit in den jeweiligen Institutionen wieder aufnehmen können.

Das ist das entscheidende Kriterium. Aber das kann ich Ihnen nicht weiter herunterbrechen. In eine Sicherheitsanalyse einer so komplexen Art fließen natürlich ganz unterschiedliche Faktoren ein. Das ist die politische Gesamtsituation. Das ist die sicherheitsmäßige Gesamtsituation. Das ist die Lage, die sich nach den Verbrennungen religiöser Schriften mit großen Demonstrationen und einer Aufheizung der Gemüter in Afghanistan ergeben hat, zu deren Beruhigung verschiedene internationale Statements versucht haben, einen Beitrag zu leisten - mit durchaus gemischtem Erfolg. Das ist die Situation bei den afghanischen Sicherheitskräften. Das ist die Situation im Land.

Es sind also ganz verschiedene Faktoren, die da einfließen müssen und die am Ende ein sich aus vielen komplexen Details zusammensetzendes Gesamtbild ergeben, das man dann gewichten muss und wo man zur Schlussfolgerung kommen muss: "Ja, es ist verantwortbar" oder "Nein, es ist nicht verantwortbar". Dass wir hier keinen endgültigen Schlussstrich ziehen wollen, ziehen können, können Sie allein daraus ersehen, dass sowohl der Rückzug der internationalen Berater als auch der nationalen Berater ganz ausdrücklich als vorübergehende Maßnahme konzipiert ist. Es ist eine vorübergehende Maßnahme, die auf die im Moment zugespitzte Sicherheitssituation übergreifend in Afghanistan aufgrund der Ereignisse in der letzten Woche reagiert. Unsere Hoffnung - ich gehe fest davon aus, dass das auch die Hoffnung unserer afghanischen Partner ist -, ist, dass sich diese Situation so schnell wie möglich wieder beruhigt.

Paris: Ich möchte ergänzen: Es ist sinnvoll und wir tun auch gut daran, die Entscheidungen der Verantwortlichen vor Ort - COMISAF oder Commander RC North - von hier aus nicht weiter zu hinterfragen und zu hinterleuchten, insbesondere, wenn sie auf den Schutz der eingesetzten Kräfte abstellen. Ich denke, dass sie ganz gut wissen, wann sie ihre Kräfte vorübergehend zurückziehen und dass sie auch bestimmt ziemlich gut wissen werden, wann es wieder verantwortbar sein wird, diese Kräfte wieder in ihre ursprünglichen Aufgabengebiete gehen zu lassen.

Das betrifft auch das Partnering. Ich hatte auf die Frage von Ihrem Kollegen gesagt, dass das Partnering derzeit ruht, also nicht vor den Toren des jeweiligen Compounds stattfindet, und dass man derzeit andere Maßnahmen ergreifen kann, um gemeinsam zu trainieren und sich gemeinsam zu besprechen. Insofern gibt es beim Partnering keine wirkliche Alternative. Wir hatten leider in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Ereignisse, wo es zu Übergriffen seitens afghanischer Kräfte gekommen ist - zuletzt das französische Beispiel. Das ist schlimm, aber es ist nicht etwas, was uns davon abhalten wird, dieses Verfahren weiter durchzuführen.

Frage: Ich habe verschiedene Fragen an Herrn Seibert, Herrn Beyer und auch Herrn Knauß. Es gibt eine Studie "Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland", die im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellt worden ist und die offenbar - so besagt es ein Bericht der "FAZ" - kurz vor Veröffentlichung zurückgezogen worden ist. In der "FAZ" steht, dass es das Bundeskanzleramt gewesen sei, das verfügt habe, die Studie zurückzuziehen; ich höre, dass die endgültige Mitteilung an das Wirtschaftsforschungsinstitut in Halle aus dem Bundesinnenministerium kam. Können Sie da vielleicht kurz für Aufklärung sorgen?

Eine Anschlussfrage an Herrn Knauß: Wie bewerten Sie die Zurücknahme von wirtschaftlichen Studien?

StS Seibert: Ich will nur ganz kurz - dann bin ich, glaube ich, aus der Sache auch schnell raus, und die Herren können sich dazu äußern - sagen: Es hat keinen Versuch des Bundeskanzleramtes gegeben, eine Veröffentlichung durch das BMI in irgendeiner Weise zu behindern, zu untersagen oder dabei einzugreifen.

Zusatzfrage: War im Kanzleramt die Studie denn bekannt?

StS Seibert: Ich denke, es ist am sinnvollsten, wenn jetzt der Auftraggeber der Studie, nämlich das Bundesinnenministerium, die Details dazu liefert.

Zusatzfrage: Ich frage nur, weil das Bundeskanzleramt im "FAZ"-Artikel ausdrücklich erwähnt worden ist, und frage mich, woher diese Information kommt und ob Ihnen im Kanzleramt die Studie bekannt war.

StS Seibert: Woher Informationen kommen, frage ich mich in diesem Fall nicht. Ich will Ihnen nur sagen: Es hat keinen Versuch einer Untersagung einer Veröffentlichung gegeben. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nicht weiter über Kenntnis des Bundeskanzleramts berichten; das kann ich nachreichen.

Beyer: Um damit gleich anzufangen: Ich habe auch keine Erkenntnisse und wir haben auch bei uns im Hause keine Erklärung dafür, wie die Behauptung der "FAZ" zustande kommt, es habe eine Einflussnahme des Kanzleramtes auf die Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung dieser Studie gegeben.

Der Hintergrund ist: Am 17. Februar, also vor zehn Tagen, hatten wir eine Anfrage von der "FAZ" zu diesem Thema, allerdings nur zur Frage der Veröffentlichung der Studie, ohne den Tenor, der heute in der Zeitung veröffentlicht wurde. Noch am selben Tag, also vor zehn Tagen, haben wir der anfragenden Zeitung Auskunft gegeben - was heute auch in dem Artikel zitiert ist.

Um noch weiter auszuholen: Insgesamt geht es um das Thema "Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland". In der Zuständigkeit unseres Hauses liegt ja auch der Beauftragte für die Neuen Bundesländer. Dieser Beauftragte für die Neuen Bundesländer, der Parlamentarische Staatssekretär Bergner, hat diese Studie zur Politikberatung in Auftrag gegeben, und als Auftraggeber obliegt ihm dann auch die Entscheidung über die Veröffentlichung der Studie.

Wichtigstes Ergebnis des Gutachtens ist aus unserer Sicht, dass der Solidarpakt II bis 2019 von den an der Studie beteiligten Instituten nicht in Frage gestellt wird. Insofern beinhaltet die Studie auch keine radikale Änderung der Förderpolitik für die neuen Bundesländer, für Ostdeutschland.

Es entspricht - das möchte ich vielleicht noch hinzufügen - bei der Vergabe von Forschungsprojekten auch den üblichen Gepflogenheiten, dass sich der Auftraggeber die Veröffentlichung vertraglich vorbehält. Eine Veröffentlichung durch den Auftragnehmer kann insofern nur mit Zustimmung des Auftraggebers erfolgen. In diesem Fall hat es keine entsprechende Genehmigung für eine Veröffentlichung dieser Studie gegeben.

Wenn Sie jetzt fragen, warum es eine solche Genehmigung nicht gegeben hat oder was da der Hintergrund ist: Es ist bisher vom Beauftragten für die Neuen Bundesländer davon abgesehen worden, weil das Gutachten selbst - es ist ja von fünf beteiligten Instituten daran mitgewirkt worden - ausdrücklich Meinungsunterschiede der Gutachter artikuliert. Diese Meinungsunterschiede werden in dem nachfolgenden Dialog auch mit der Wissenschaft erörtert werden müssen. Dieser Dialog ist eingeleitet, insofern dient das Ganze der Politikberatung auch im Sinne des Wortes. Diese Beratung findet auch statt.

Zusatzfrage: Eine der Kernthesen des Gutachtens ist offenbar, dass die derzeitige Förderung für Ostdeutschland aufgebrochen werden müsste, und zwar zugunsten einer Förderung für Regionen bundesweit, die bedürftig sind. Nach meiner Kenntnis der Studieninhalte sind die Differenzen, die da aufgetan werden, eher Detailangelegenheiten, und aus Ansicht der Forscher, mit denen ich gesprochen habe, keinen Grund, eine Studie zurückzuziehen oder zurückzuhalten. Deshalb möchte ich noch einmal fragen: Was ist die wirkliche inhaltliche Begründung, warum ist es - was ja eher ungewöhnlich ist - nicht möglich, diese Studie zu veröffentlichen?

Sie wissen wahrscheinlich auch, dass es unter den Wirtschaftsforschungsinstituten die Absprache gibt, Studienaufträge - auch von öffentlicher Seite - nur dann anzunehmen, wenn die Veröffentlichung im Grunde zugesagt ist. Studien, die von vornherein nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind, werden von diesen Instituten gar nicht angenommen. Warum also dieser ungewöhnliche Schritt?

Trifft es zu, wie die "FAZ" schreibt, dass Herr Bergner die Studie mündlich freigegeben habe, weswegen ja auch Einzelexemplare zum Beispiel an der Universitätsbibliothek der Uni Kiel vorlegen? Die Studie ist ja schon gedruckt.

Beyer: Wie ich schon sagte: Sie dient ja auch der Politikberatung und der entsprechenden Meinungsbildung innerhalb dieses Prozesses, im Dialog mit der Wissenschaft. Um diesen Dialog zu führen - auf Basis der von den fünf beteiligten Instituten vorgelegten Arbeit -, ist es natürlich auch so - für mich klingt das jedenfalls ganz selbstverständlich -, dass die Studie auch anderen Beteiligten bereits zur Verfügung gestellt wird, damit man in diesen Dialog eintreten kann und damit weiter daran gearbeitet werden kann. Das ist der Stand der Dinge.

Zusatzfrage: Sie wollen in einen Dialog mit der Wissenschaft eintreten, ohne die Studie zu veröffentlichen, habe ich das richtig verstanden?

Beyer: Natürlich muss man zunächst einmal mit der Autorenschaft der Studie sprechen; das ist der erste Schritt. Wie gesagt, die Details kann ich Ihnen jetzt nicht erläutern; ich bin auch kein Experte auf diesem Gebiet, ansonsten würde ich das gerne tun. Sie müssen sich das aber so vorstellen, dass natürlich zunächst mit den Beteiligten aus dem Konsortium - ich nenne es einmal so, auch wenn das vielleicht das falsche Wort ist; es sind jedenfalls mehrere Institute, die daran beteiligt sind - der Dialog geführt wird, aber vielleicht auch darüber hinausgehend mit beteiligten Stellen, die hier auch eine Rolle spielen können. Das kann man durchaus in einer - wenn man so will - Teilöffentlichkeit oder in der Fachlichkeit, die es dann auch betrifft, machen. Es ist ja durchaus möglich, diesen Dialog zwischen Instituten, Experten und Vertretern unseres Hauses zu führen.

Frage: Ich habe das noch nicht ganz verstanden. Ist die Studie jetzt abgeschlossen oder führt dieser Prozess jetzt dazu, dass diese Studie zu einem einheitlicheren Bild kommt - denn offensichtlich gibt es ja Meinungsverschiedenheiten unter den Instituten - und dann erst abgeschlossen wird?

Beyer: Ja, man befindet sich in diesem Prozess - so habe ich das bisher verstanden - beziehungsweise in einem Dialog, um die aus der Studie zum Ausdruck gebrachten Meinungsunterschiede der Gutachter entsprechend erörtern zu können. In diesem Stadium der Arbeit ist man.

Zusatzfrage: Und wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, würde die Studie veröffentlicht?

Beyer: Die Veröffentlichung steht - so kenne ich das jedenfalls - immer am Ende eines solchen Prozesses der Meinungsbildung. Über das Ob und Wann einer Veröffentlichung vermag ich jetzt nicht zu urteilen.

Frage: Herr Beyer, die Studie ist ja schon im letzten Sommer abgeschlossen worden und nach der mündlichen Freigabe von Herrn Bergner in Druck gegangen. Daraufhin sind mehrere hundert Exemplare gedruckt - eine übliche Auflage - und zum Teil schon an die Universitätsbibliotheken verschickt worden, und dann ist die Studie zurückgezogen worden. Was war der genaue, ausschlaggebende Grund, sie erst freizugeben und sie dann wieder zurückzuziehen? Ich kann mir nicht erklären, dass das nur aufgrund der Meinungsverschiedenheiten passiert ist; denn die waren ja schon vorher bekannt, das ist ja Teil der Studie - es gibt einen kleinen Anhang dazu, was das Minderheitenvotum angeht. Können Sie da vielleicht einmal für Aufklärung sorgen?

Zweite Frage. Wenn Sie sagen, es müsse ein Dialog mit den beteiligten Instituten geführt werden: Warum ist der bisher nicht geführt worden? Einige der von mir angesprochenen Wissenschaftler, die daran beteiligt waren, waren sehr überrascht, dass sie erst heute erfahren haben, dass die Studie zurückgezogen sei; das wussten sie bisher gar nicht.

Beyer: Das müssten wir gegebenenfalls nachreichen, ich kann das von dieser Stelle aus nicht weiter erläutern. Die Zeit bis zum Beginn der Regierungspressekonferenz war sozusagen die Zeit, die ich zur Vorbereitung hatte; daher wollte ich erst einmal das abstecken, was ich Ihnen in diesem Moment sagen kann.

Zusatzfrage: Entschuldigung, aber sie wissen doch schon seit Längerem, dass diese Anfrage der "FAZ" vorliegt, insofern müssten Sie diesen Vorgang doch etwas genauer kennen?

Beyer: Ich persönlich war damit nicht befasst. Das ist, wie gesagt, auch nicht mein Fachgebiet. Von daher kann ich jetzt und an dieser Stelle nichts Näheres dazu ausführen. Die Antworten auf Ihre beiden Fragen würden wir Ihnen gerne noch später am Tage nachreichen.

Frage: Mir ist das immer noch nicht so ganz klar. Mir ist klar, dass die Studie bei dem Beauftragten für die ostdeutschen Länder liegt. Ist das Finanzministerium eigentlich einbezogen? Denn die Themen, die wir im Zusammenhang mit dieser Studie angesprochen haben, sind ja eigentlich alles Finanzthemen.

Kotthaus: Nein.

Frage: Frau Stamer, laut eines Berichts plant das Bundesumweltministerium, die Auflagen für Dämmungen an Gebäuden und für den Einbau von Heizkesseln zu verschärfen. Stimmt das so? Wenn ja: Was ist genau geplant und zu wann soll das in Kraft treten?

Stamer: Derzeit befindet sich der Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in der hausinternen Abstimmung des Bundesumweltministeriums. Dieses Gesetz ist seit dem 1. Januar 2009 in Kraft, und der Erfahrungsbericht beschreibt, wie der Name schon sagt, die Erfahrungen beim Einsatz der erneuerbaren Energien im Wärmebereich. Der Bericht selber trifft keine Festlegungen über neue Auflagen oder neue Vorschriften. Der Bericht wird Basis sein für eine Novelle des Gesetzes, die geplant ist. Derzeit lässt sich aber überhaupt noch nicht sagen, zu welchem Zeitpunkt diese Novelle kommt und wie sie dann ausgestaltet werden soll.

Vielleicht noch ein Hinweis zu den geltenden Regelungen: Für Neubauten gibt es derzeit ordnungsrechtliche Pflichten, und für den Gebäudebestand gibt es über marktwirtschaftliche Instrumente Anreize, erneuerbare Energien einzusetzen. Das BMU fördert zum Beispiel den Einsatz der erneuerbaren Energien im Wärmebereich über das Marktanreizprogramm.

Zusatzfrage: Das heißt, diesen Zeitungsbericht von heute würden Sie so nicht stehenlassen, den würden Sie dementieren?

Stamer: Wie gesagt, dieser Erfahrungsbericht ist in Arbeit. Er befindet sich in der hausinternen Abstimmung, wird anschließend den Ressorts zur Abstimmung zugeleitet und wird dann vom Kabinett beschlossen. Wie gesagt, der Bericht selber trifft keine Festlegungen über gegebenenfalls neue Auflagen. Über die Ausgestaltung der Novelle kann ich Ihnen heute auch noch nichts sagen.

Zusatzfrage: Es geht aber um das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und nicht um die Energieeinsparverordnung?

Stamer: Richtig, es geht um das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz.

Frage: Herr Paris, in der vergangenen Woche gab es Berichte - ich glaube, vom "Figaro" -, dass Jordanien am Erwerb beziehungsweise der Übernahme - wie auch immer - deutscher gebrauchter Patriot-Flugabwehrsysteme interessiert sei. Hat sich das in irgendeiner Form konkretisiert oder erledigt? Oder waren diese Berichte von vornherein falsch?

Paris: Da ich in der letzten Woche nicht dazu gekommen bin, lieber Herr Wiegold, den "Figaro" zu studieren, müsste ich die Antwort auf diese Frage gegebenenfalls nachreichen - wenn wir überhaupt zuständig sind.

Zusatzfrage: Dann würde ich gerne hilfsweise vielleicht Herrn Seibert oder das Wirtschaftsministerium fragen: Weiß irgendjemand etwas von einer jordanischen Anfrage nach gebrauchten Flugabwehrsystemen aus deutschem Besitz?

StS Seibert: Ich kann Ihnen dazu keine Auskunft geben.

Paris: Ich tippe einmal, es ist wie immer so, dass wir dazu eh nichts sagen.

Zusatzfrage: Naja, dann müssen Sie halt warten, bis wieder ein Frachter irgendwo von der Polizei gestoppt wird, und da sind dann Ihre Raketen für Korea drin - irgendwo fällt es dann ja doch auf.

Paris: Das ist jetzt aber eine böswillige Unterstellung, dass wir darauf warten müssen.

Zusatz: Aber das ist doch passiert!

Paris: Das mag sein. Sie wissen aber auch, dass da von den zuständigen Behörden - die meines Erachtens nicht deutsche waren - dann durchaus auch öffentlich ziemlich zurückgerudert wurde, obwohl es ein Frachter war.

Sollte meine Antwort auf Ihre Frage so ausfallen, wie gerade gemutmaßt, dann würde ich Ihnen das auch noch einmal schriftlich zu kommen lassen.

Frage: Herr Seibert, schaut die Kanzlerin eigentlich zuweilen die Fernsehsendung "Lanz"? Was hält sie davon, dass der Vizekanzler in dieser Fernsehsendung in lockerem Plauderton über eine halbe Stunde lang Details aus vertraulichen Gesprächen im Kanzleramt über die Kür des Präsidentschaftskandidaten ausplaudert?

StS Seibert: Da kann man nun wirklich nicht sagen, dass Sie besonders früh mit dieser Frage ankommen - wenn ich das, mit der Bitte um Entschuldigung, so sagen darf. Zu dieser Frage habe ich mich in der Regierungspressekonferenz am Freitag geäußert; das kann man nachlesen. Ich würde dem jetzt keinen einzigen Kommentar hinzufügen. Die ganz konkrete Frage kann ich aber beantworten: Sie hat die Sendung nicht gesehen.

Zusatzfrage: Dann allgemein gefragt: Der Vizekanzler ist ja seit einer Woche damit beschäftigt, seinen Triumph in dieser Frage öffentlich zur Schau zu stellen. Wie findet die Kanzlerin das? Trägt das zum Koalitionsfrieden bei?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin wendet sich den großen Herausforderungen der Tagespolitik zu. Heute ist das das Thema des Hilfsprogramms für Griechenland. In der letzten Woche haben wir einen erheblichen Schritt voran gemacht - gemeinsam als Bundesregierung, getragen von drei Koalitionsparteien - in dem wichtigen Bereich der Energiewende. Genau das ist der Fokus der Bundeskanzlerin: die tagespolitische Arbeit, die Arbeit an dem, wofür sie beauftragt ist.

Frage: Ich habe im Zusammenhang mit der Studie "Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland" eine Frage vergessen, und zwar die Frage an Herrn Knauß vom Wissenschaftsministerium. Wir haben ja eben von Herrn Beyer gehört und gelernt, dass es üblich sei, Studien erst mündlich freizugeben, sie dann wieder zurückzuziehen und dann in einen Dialog zu treten, an dem die Wissenschaftler nicht beteiligt sind. Ist das aus Sicht des Fachministeriums ein Vorgehen, das Sie für ratsam halten?

Knauss: Ich kann zu dem konkreten Fall leider überhaupt nichts beitragen.

Zusatzfrage: Die Frage war auch gar nicht konkret, sondern allgemein.

Knauss: Auch im Allgemeinen will ich dazu jetzt wirklich nichts sagen, was über das, was der Kollege gesagt hat, hinausgeht. Das kann ich nicht.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 27. Februar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/02/2012-02-27-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2012