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BUNDESTAG/9863: Heute im Bundestag Nr. 556 - 28.05.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 556
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 28. Mai 2020, Redaktionsschluss: 10.27 Uhr

1. Kritik an Wohnungseigentumsgesetz
2. Dramatischer Appell der Reisebranche
3. Lage der Menschenrechte in Indien
4. FDP: Taskforce zur Corona-Erforschung


1. Kritik an Wohnungseigentumsgesetz

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Die Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ist am Mittwoch Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gewesen. Dazu lagen der Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz - WEMoG)" (19/18791) und ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel "Wohnungseigentum selbstbestimmt und praktikabel gestalten" (19/18955) vor.

Von mehreren Sachverständigen kam eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen und zum Teil auch heftige Kritik am Regierungsentwurf. Andere machten geltend, auch die Eigentümer und der Verbraucherschutz würden durch das Gesetz gestärkt. Die Abgeordneten wollten von den neun eingeladenen Experten unter anderem wissen, wie sie die vorgesehenen weitreichenden Befugnisse der Verwalter und die Modernisierungsmaßnahmen bewerten und wie ein Sachkundenachweis zu einer besseren Kontrolle der Verwalter durch die Eigentümer beitragen könnte. Von der SPD-Fraktion hieß es anschließend, die Kritik, dass die Befugnisse der Hausverwalter zu weit gefasst seien, würden im parlamentarischen Verfahren intensiv geprüft werden. Angestrebt werde eine WEG-Reform für die Wohnungseigentümer, nicht gegen sie.

Der Vorsitzende des Ausschusses Miet- und Wohnrecht im Deutschen Anwaltverein, Michael Drasdo, gab zu bedenken, dass im Ergebnis zahlreicher Paradigmenwechsel und entgegen der Vorgabe in der Gesetzesbegründung die Stellung der Wohnungseigentümer nicht gestärkt, sondern erheblich eingeschränkt werde. Die Rolle des Verwalters werde entgegen dem Interesse der Wohnungseigentümer aufgewertet, ohne dass sichergestellt ist, dass die erforderlichen Qualifikationen für das Amt vorhanden oder nachgewiesen werden.

Gabriele Heinrich, Vorständin des Verbands Wohnen im Eigentum, sagte, der Entwurf dürfe nicht im Hau-Ruck-Verfahren verabschiedet werden. Das Ziel, die Wohneigentümergemeinschaften zu stärken und für die Zukunft zu rüsten, werde nicht erreicht. Bei einem genauen Blick in den Gesetzentwurf mit Analyse der Auswirkungen und Folgen werde deutlich, dass die konkreten gesetzlichen Maßnahmen nicht nur mit einer Vielzahl neuer hoher Risiken und teilweise auch unkalkulierbarer Gefahren für die Wohnungseigentümer verbunden seien. Er führe weder zu mehr Rechtssicherheit, noch zu mehr Modernisierungen, Klimaschutz und Verbraucherschutz und auch nicht zu mehr Effizienz in der Wohneigentumsverwaltung. Heinrich warnte davor, dass Wohnen in Eigentumswohnungen für Selbstnutzer und für Mieter teurer werde und dass Verfahren eingeführt werden, die es Investoren oder Mehrheitseigentümern erleichtern würden, Aufkaufstrategien und Luxussanierungsstrategien zu entwickeln, mit denen wehrlose und finanzschwache Eigentümer aus ihren Wohnungen gedrängt werden.

Manfred Jost, Präsident des Verbands Wohneigentum, unterstützte eine Fortschreibung des Wohneigentumsrechts. Schlankere und transparente Strukturen, besonders hinsichtlich von Beschlussfassung und Umsetzung von Maßnahmen, seien positive Ziele. Dabei sei aber immer vom Eigentum des Einzelnen an seiner Wohnung auszugehen, gleich ob er oder sie diese selbst nutzt oder vermietet. Beschlüsse müssten demokratisch legitimiert sein, und das Recht des Eigentümers dürfe nur soweit wie erforderlich eingeschränkt werden. Wie andere Sachverständige auch sprach sich Jost für die Einführung eines Sachkundenachweises aus.

Roland Kempfle, Richter am Landgericht München I und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbunds, empfahl, zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes einen Sachkundenachweis für gewerbliche Wohnungseigentumsverwalter einzuführen. Dieser müsse den vielfältigen fachlichen Ansprüchen, die an Wohnungseigentumsverwalter zu stellen seien, in jeder Hinsicht genügen. Kempfle bewertete die Vorlage ausschließlich aus dem Blickwinkel der gerichtlichen Praxis. Dabei ergäben sich mehr problematische als positive Punkte. Gegen eine Reihe der vorgeschlagenen Neuregelungen bestünden erhebliche Bedenken.

Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, begrüßte, dass mit dem WEMoG das Wohnungseigentumsgesetz transparenter und einfacher werde. Doch an vielen Stellen gehe der Entwurf noch immer zu weit, an einigen noch immer nicht weit genug. So sei die Harmonisierung des Miet- und WEG-Rechts im Rahmen der WEG-Reform erstmalig ausführlich behandelt worden - jedoch mit unzureichendem Ergebnis. Kritik äußerte Warnecke an den Regelungen zu baulichen Veränderungen und der Ausweitung der Befugnisse von Verwaltern. Um hier das Gleichgewicht zwischen Verwaltung und Eigentümergemeinschaft wiederherzustellen, bedürfe es einer Änderung des Systems der Vertretungsmacht des Verwalters.

Christian Rietschel, Vorsitzender von Haus & Grund Dresden, kritisierte, dass der Entwurf erheblich in die verbrieften Rechte der Wohnungseigentümer eingreife und ihr Eigentum damit entwerte. Ziel des Wohnungseigentumsgesetzes dürfe nicht sein, den Verwaltern und der Bauwirtschaft mehr und leichter Profite auf Kosten der Wohnungseigentümer zu ermöglichen, sondern die Verwalter als Dienstleister den Wohnungseigentümern helfend und ausgleichend zur Seite zu stellen.

Johanna Schmidt-Räntsch, Richterin am Bundesgerichtshof, erklärte, der Entwurf weise gelungene technische Verbesserungen auf und behebe mehrere konstruktive Schwächen des geltenden Wohnungseigentumsrechts. Der Vorwurf, dem Verwalter werde mehr und zu viel Macht als früher eingeräumt, treffe nicht zu. Die Befugnisse des Verwalters hielten sich in den traditionellen Grenzen. Die praktisch wichtigste Verbesserung sei die Umgestaltung der Beschlussmängelklagen von einem Mitgliederprozess der Wohnungseigentümer untereinander zu einem Verbandsprozess. Das Ziel des Gesetzes, den Modernisierungsstau in vielen Wohnungseigentumsanlagen zu beheben, sei uneingeschränkt zu begrüßen, erklärte Schmidt-Räntsch. Die Regelungsvorschläge müssten im Einzelnen aber noch ergänzt werden, da sie ansonsten ungewollt den Modernisierungsstau verstärken würden.

Mit einer ganzen Reihe von Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen meldete sich Oliver Elzer, Richter am Kammergericht Berlin, zu Wort. Angesichts vieler kritischer Stellungnahmen sagte er, der Entwurf sei kein schlechtes Produkt. Die Verbrauchersrechte würden eindeutig gestärkt und es würden klare Strukturen eingeführt. Auch das Verfahrensrecht sei gut gelungen. Er warne davor, die Essenz des Entwurfs aufzuweichen. Mit seiner Stellungnahme wolle er mögliche Knackpunkte des WEMoG aufzuzeigen und dringende Verbesserungen anregen. So solle Irrtümern und Fehlern entgegengetreten, die Handhabung des Gesetzes für alle Beteiligten praktikabler gemacht und die Wohnungseigentümer gestärkt werden.

Der Geschäftsführer des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland, Martin Kaßler, bescheinigte dem Entwurf eine hohe Qualität. Er sei rechtsdogmatisch konsistent und löse viele Probleme der Praxis. Der Ansatz des Entwurfes sei überzeugend und entwickle die vom Bundesgerichtshof bereits seit 2005 anerkannte Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer weiter. Notwendigen Änderungsbedarf sieht Kaßler auch vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Es zeige sich hier, wie wichtig die zeitgemäße Anpassung gesetzgeberischer Regelungen an die schnell fortschreitenden technischen Möglichkeiten ist. So müsse die Durchführung virtueller Eigentümerversammlungen ermöglicht werden. Kaßler befürwortete auch eine Stärkung des Verbraucherschutzes durch einen Sachkundenachweis des Verwalters.

Schwerpunkte des Gesetzentwurf sind der grundsätzliche Anspruch sowohl von Wohnungseigentümern als auch Mietern auf den Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug, der barrierefreie Aus- und Umbau sowie Maßnahmen des Einbruchsschutzes und ein Glasfaseranschluss auf eigene Kosten. Die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen der Wohnanlage soll vereinfacht werden, vor allem für Maßnahmen, die zu nachhaltigen Kosteneinsparungen führen oder die Wohnanlage in einen zeitgemäßen Zustand versetzen.

Die Rechte von Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümern sollen erweitert werden, indem das Recht auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen im Gesetz festgeschrieben und ein jährlicher Vermögensbericht des Verwalters eingeführt wird, der über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft Auskunft gibt. Weitere Schwerpunkte betreffen die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Wie die Bundesregierung in dem Entwurf schreibt, steigt das Bedürfnis, Wohnungen barrierereduzierend aus- und umzubauen. Für die Erreichung der Klimaziele sei die energetische Gebäudesanierung unerlässlich. Daneben verlange auch die Errichtung von Lademöglichkeiten zur Förderung der Elektromobilität Eingriffe in die Bausubstanz.

Die FDP schreibt in ihrem Antrag, die Bundesregierung versuche das Fundament des Wohnungseigentumsrechts zu untergraben. Das Wohnungseigentumsrecht benötige und verdiene eine Reform, um die mittlerweile unüberschaubar gewordene Kasuistik der in Jahrzehnten gewachsenen Rechtsprechung zu ordnen und auf eine festere Basis zu stellen. Im Einzelnen gehe es um die Bestellung und die Befugnisse des Verwalters, die Beschlussfindung und die Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung sowie die verbindliche Nutzung einer digitalen Plattform für die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft.

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2. Dramatischer Appell der Reisebranche

Tourismus/Anhörung

Berlin: (hib/WID) In der deutschen Tourismuswirtschaft wächst die Verzweiflung über existenzbedrohende Einbußen durch die Folgen der Coronakrise. In einer öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses bekräftigten Vertreterinnen und Vertreter der Branche am Mittwoch in dramatischen Appellen ihre Forderung nach einem staatlichen Rettungsfonds. Dieser müsse jetzt "sehr, sehr schnell" eingerichtet werden, hieß es. Die Politik habe wertvolle Wochen vertrödelt. Es sei nicht mehr viel Zeit.

"Wir brauchen Geld, das eint uns alle", sagte die Vorsitzende des Verbandes unabhängiger selbständiger Reisebüros, Marija Linnhoff. "Kommt das in den nächsten zwei Wochen nicht, dann gnade Ihnen Gott. Wir haben bereits Suizide in der Branche." Die Reisebüros hätten schon vor dem offiziellen Beginn der coronabedingten Restriktionen Mitte März keine Einnahmen mehr erzielt: "Sie haben keine Zeit mehr, es kann nicht so lange dauern - maximal zehn Tage." Wenn es bis dahin den geforderten Rettungsfonds nicht gebe, "drohen nicht nur Insolvenzen, sondern Schlimmeres".

Die 11.000 Reisebüros und 3.000 Reiseveranstalter in Deutschland seien derzeit "per Gesetz verpflichtet, über Monate unentgeltlich zu arbeiten", klagte Anke Budde vom Vorstand der Allianz selbständiger Reiseunternehmen. Allein 3.000 Beschäftigte der Reisebüros seien derzeit arbeitslos. Seit Mitte März arbeiteten die Betriebe nur noch Stornierungen ab. Zu zwei Dritteln befürchteten sie, das Jahresende nicht mehr zu erleben. Nur staatliche Direkthilfe könne ein "Massensterben touristischer Unternehmen" noch abwenden.

Von einer "bitterernsten Notstandslage" sprach auch der Präsident des Internationalen Bustouristik-Verbandes, Benedikt Esser: "Die Bus- und Gruppentouristik bricht jetzt schlicht zusammen." Durch das Verbot von Busreisen seien die Unternehmen seit Anfang März auf "Null-Umsätze" festgenagelt bei gleichbleibend hohen Betriebskosten. Dies komme einem "Berufsverbot" gleich, aus dem "schlicht der Zwang in die Insolvenz" folge. "Machen Sie Druck", appellierte Esser. "Das ist nicht mehr allein zu schaffen."

Über eine kränkende Ansage aus dem Bundesgesundheitsministerium beschwerte sich Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes: Jahrmärkte und Volksfeste würden zuallerletzt wieder zugelassen, sie seien am ehesten verzichtbar. Hakelberg sah das als Zeichen der Missachtung für eine Branche, die auf eine 1.200-jährige Tradition zurückblicke, und unter deren 5.000 Betrieben viele in vierter oder fünfter Generation bestünden. Nach der Absage des Oktoberfestes zeichne sich ab, dass die Schausteller auch im Herbst noch keine Geschäfte machen. Wenn dann auch noch die Weihnachtsmärkte ausfielen, blieben sie 15 Monate ohne Verdienst.

Der Geschäftsführer des Ausstellungs- und Messeausschusses der Deutschen Wirtschaft, Jörn Holtmeier, wies darauf hin, dass in Deutschland zwei Drittel aller "Welt-Leitmessen" stattfinden. Der Sektor zähle 230.000 Beschäftigte und erwirtschafte in einem normalen Jahr 28 Milliarden Euro. Seit Anfang März hätten die Messe-Veranstalter über zwölf Milliarden an Einbußen erlitten, und es seien mehr als 100.000 Arbeitsplätze "akut gefährdet". Von "politisch unterlassener Hilfeleistung" sprach der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes, Dirk Inger, und forderte 140 Millionen Euro für die Reisebüros und 120 Millionen für die Reiseveranstalter. Dies sei das "Minimum", um die "Strukturen zu sichern".

Norbert Kunz aus der Geschäftsführung des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) wies darauf hin, dass von drei Millionen Beschäftigten der Branche derzeit eine Million in Kurzarbeit seien, und die Umsätze in diesem Jahr günstigstenfalls um 40, ungünstigstenfalls um 60 Prozent sinken würden.

Die 1.700 deutschen Jugendherbergen verlieren nach den Worten des Hauptgeschäftsführers des Jugendherbergswerks, Julian Schmitz, derzeit 500.000 Euro am Tag und hätten einen Finanzbedarf von 1,1 Milliarden. Zahlen nannte auch Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA): Nach seinen Worten belief sich der Umsatzrückgang der Branche im März auf 50 Prozent, im April auf 90 Prozent, im Mai auf 75 Prozent. Auch nach der partiellen Wiedereröffnung erwirtschafteten 80 Prozent der Betriebe weniger als 50 Prozent ihrer normalen Umsätze.

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3. Lage der Menschenrechte in Indien

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/SAS) Die Bundesregierung beobachtet mit Sorge die Entwicklungen im früheren indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir. Die Aufhebung des in der indischen Verfassung garantierten Sonderstatus und die Aufspaltung in zwei Unionsterritorien im August 2019 sei mit "massiven Einschränkungen von bürgerlichen Freiheiten" einhergegangen, sagte ein Vertreter der Bundesregierung am Mittwoch im Rahmen einer Unterrichtung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Tausende Menschen seien inhaftiert worden, darunter auch Politiker. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International werteten den Ausfall der Kommunikation, darunter auch die Abschaltung Internets, als Versuch, unabhängige Berichterstattung und Dokumentation der Lage durch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten zu unterbinden. Inzwischen seien viele der Restriktionen zwar aufgehoben worden, so der Regierungsvertreter. Trotzdem sei die Situation von Normalität noch weit entfernt.

Ebenfalls kritisch betrachtet die Bundesregierung die im Dezember 2019 verabschiedete Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes. Der Citizenship Amendment Act (CAA) soll Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus den Erwerb der indischen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung und Registrierung ermöglichen. Allerdings gelte die Regelung nur für Hindus, Sikhs, Buddhisten, Jains, Parsen und Christen aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan, die am oder vor dem 31. Dezember 2014 nach Indien eingereist sind.

Menschen muslimischen Glaubens seien von der Regelung ausgenommen. Dies sei klar eine "Diskriminierung", so der Vertreter des Auswärtigen Amtes. Aus diesem Grund werde das umstrittene Gesetz auch gerichtlich angefochten. Aus Sicht der Kritiker verstoße es gegen die indische Verfassung, die eine Diskriminierung aufgrund von Religion ausschließe. Eine Entscheidung des indischen Supreme Courts stehe aus. In Kraft getreten sei das Gesetz daher noch nicht.

Trotz ethnisch-religiöser Spannungen sei Indien aber alles andere "als ein autokratischer, diktatorischer Staat, der die Menschenrechte mit Füßen tritt", betonte der Regierungsvertreter. Es gebe soziale Diskriminierungen und große soziale Unterschiede auch aufgrund des indische Kastensystems. Jedoch garantiere der Rechtsstaat weitreichende Freiheiten. Trotz der Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts sei die "Religionsausübung noch nahezu uneingeschränkt möglich."

Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, der die Abgeordneten insbesondere über die aktuelle Situation religiöser Minderheiten informierte, äußerte sich skeptischer: Deren Lage sei seit dem Amtsantritt des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi 2014 doch insgesamt "schwieriger" geworden, gab er zu bedenken. Gerade Muslime seien "gesellschaftlich stark benachteiligt". Ähnliches gelte auch für die Christen, die darüber hinaus auch dadurch diskriminiert würden, dass sie oft zu den Katenlosen "Dalits" zählten, sagte Grübel.

Indien sei aber nichtsdestotrotz eine Demokratie und ein Rechtsstaat, sagte der Beauftragte für Religionsfreiheit: "Gegen Diskriminierungen kann man sich in Indien wehren." Deshalb sei ein Vergleich mit China, wie ihn etwa die US-Kommission für die globale Lage der Religionsfreiheit (USCIRF) in ihrem jüngsten Bericht gezogen habe, "fehl am Platz". Die Ende April veröffentlichte USCIRF-Länderstatistik bescheinigt Indien erstmals seit 2004 eine "besorgniserregende Lage" hinsichtlich der Religionsfreiheit - so wie auch 13 anderen Staaten, darunter China, Nordkorea und Saudi-Arabien.

In der anschließenden Diskussion zeigten sich Vertreter sowohl der Koalition- als auch der Oppositionsfraktionen insbesondere beunruhigt über das Erstarken des Hindunationalismus in Indien und die wachsende Diskriminierung von religiösen Minderheiten. Fragen der Abgeordneten zielten zudem unter anderem auf die Einführung eines nationalen Bürgerregisters, die Entstehung von Haftanstalten für "illegalisierte" Menschen sowie Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in Indien.

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4. FDP: Taskforce zur Corona-Erforschung

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die FDP-Fraktion spricht sich für die Bildung einer internationalen Taskforce zur Erforschung von Ursprung und Verbreitung des Coronavirus aus. Nur wenn Ursprung und Herkunft von Coronaviren bestmöglich erforscht werden können, sei es möglich, das weltweite Risiko durch SARS-CoV-2 sowie das Risiko einer Verbreitung ähnlicher Krankheiten zu verringern oder ganz zu verhindern, schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (19/19515). Dies liege nicht nur im Interesse Deutschlands und der EU, sondern im Interesse der gesamten Weltbevölkerung.

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, sich gegenüber der chinesischen Regierung in bilateralen Gesprächen und in multilateralen Formaten für maximale Transparenz bei der Aufklärung der Herkunft und Verbreitung des Coronavirus in der chinesischen Provinz Wuhan einzusetzen und mit Nachdruck dafür einzutreten, dass internationale Experten Zugang zu allen relevanten Informationen, Daten, Personen und Orten erhalten, die für eine Analyse der Ursachen und Verbreitung von SARS-CoV-2 in China relevant sind. Eine internationale Taskforce zur Erforschung des Ursprungs und der Verbreitung von SARS-CoV-2 in China sollte unter dem Dach der Vereinten Nationen angesiedelt und unter dem Vorsitz einer international respektierten Persönlichkeit mit unabhängigen Experten besetzt und mit einem starken Mandat ausgestattet werden.

Weitere Forderungen der Abgeordneten zielen auf die internationale Kooperation bei der Entwicklung eines Impfstoffs, eine spätere Krisenbilanz zur Rolle der Weltgesundheitsorganisation WHO sowie auf die Einführung einer völkerrechtlich verbindlichen Meldepflicht im Falle solcher Epidemien.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 556 - 28. Mai 2020 - 10.27 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2020

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