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BUNDESTAG/9603: Heute im Bundestag Nr. 294 - 13.03.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 294
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 13. März 2020, Redaktionsschluss: 09.55 Uhr

1. Zeuge berichtet über Videoauswertung
2. Kurzarbeitergeld in Krisenzeiten
3. Grüne mit Plan gegen Umsatzsteuerbetrug
4. MINT-Bildung für aktive Teilhabe
5. Mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung


1. Zeuge berichtet über Videoauswertung

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Nach dem radikalislamischen Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz hat das Bundeskriminalamt mehr als 600 Hinweise aus der Bevölkerung in Form von Fotos und Videos erhalten. Auf einem entsprechenden Internetportal seien 651 Datensätze eingegangen, bei denen es sich aber nicht ausschließlich um relevantes Bildmaterial handelte, berichtete ein damals mit der Auswertung befasster Beamter am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss (Breitscheidplatz). Der heute 47-jährige Kriminalhauptkommissar T.V. ist seit 1992 im BKA tätig, seit Herbst 2016 im Ermittlungsbereich des Polizeilichen Staatsschutzes. Seit Mitte Februar 2017 war er der "EG Video" des Berliner Landeskriminalamts zugeteilt, die im brandenburgischen Schulzendorf das Bildmaterial sichtete.

Unter dem Arbeitstitel "Boston Cloud" schaltete das BKA am Morgen nach dem Anschlag ein Internetportal frei, wo Hinweisgeber auch anonym ermittlungsrelevante Videos hochladen konnten. Bereits am selben Nachmittag wurde die Plattform zum Ziel eines zweistündigen Hackerangriffs. Unter den gesammelten Datensätzen seien daher auch einige, die die eigenen IT-Experten bei der Abwehr dieser Attacke zu Testzwecken aufgespielt hätten, sagte der Zeuge. In anderen Fällen hätten Bürger sich einen Scherz gemacht und Katzenvideos oder Diebstahlsanzeigen hochgeladen. Es seien auch Hinweise auf Bilder eingegangen, die andernorts in sozialen Netzwerken kursierten.

Die Ausbeute der "Boston Cloud" habe in der Gesamtmasse des Bildmaterials, das in Schulzendorf gesichtet wurde, nur einen "verschwindend" geringen Prozentsatz ausgemacht, sagte der Zeuge. Zum weit überwiegenden Großteil habe es sich um Aufnahmen aus Überwachungskameras gehandelt.

Die Auswertung des Bildmaterials hat seither hin und wieder Anlass zu spekulativen Erörterungen gegeben. Im Mittelpunkt standen dabei das Bild eines Mannes in blauen Handschuhen sowie das sogenannte "Ersthelfervideo". Bei dem Behandschuhten soll es sich um Bilel ben Ammar gehandelt haben, einen engen Freund des Attentäters Anis Amri, der diesem tatkräftig Beihilfe geleistet und nach dem Anschlag den Weg freigeschlagen haben soll. Das "Ersthelfervideo" soll Aufschluss über das Schicksal eines am Tatort Anwesenden geben, der dort unter ungeklärten Umständen eine schwere Kopfverletzung mit bleibenden gesundheitlichen Folgen erlitt.

Zu beiden Sachverhalten hatte der Zeuge allerdings nichts Neues beizutragen. Es habe im Kollegenkreis "unterschiedliche Auffassungen" gegeben, ob der Mann mit den blauen Handschuhen Ben Ammar war. Er selbst wie letztlich die Mehrheit seien der Überzeugung gewesen, dass Ben Ammar nicht im Bild war. Bei dem "Ersthelfervideo" handele es sich um eine Sequenz, an deren Ende "wahrscheinlich eine körperlich-verbale Auseinandersetzung wahrscheinlich zweier Männer" zu sehen sei. Doch seien "weder Anlass noch Verlauf noch Ausgang dieser Auseinandersetzung zu erkennen".

Für Aufsehen sorgte die Vorführung mehrerer Videosequenzen aus Überwachungskameras der Berliner Verkehrsbetriebe. Man sieht hier Anis Amri Minuten nach dem Anschlag völlig entspannt, proper gekleidet und federnden Schrittes durch eine Unterführung schlendern. Nichts lässt vermuten, dass er gerade einen Weihnachtsmarkt überrollt und zwölf Menschen umgebracht hat. Den AfD-Obmann Stefan Keuter bewegte der Eindruck dieser Bilder zu der in eine Frage gekleideten Andeutung, dass Amri womöglich gar nicht der Täter gewesen sei.

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2. Kurzarbeitergeld in Krisenzeiten

Arbeit und Soziales/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/AW) Nach dem Willen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion soll die Bundesregierung befristet bis zum 31. Dezember 2021 Rechtsverordnungen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, erlassen können, die den Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtern, Betriebe entlasten und Leiharbeitern den Bezug von Kurzarbeitergeld ermöglichen. Den entsprechenden Gesetzentwurf (19/17893) begründen die Koalitionsfraktionen mit den durch die schnell zunehmende Verbreitung des Coronavirus Covid19 ausgelösten konjunkturellen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft.

Konkret sieht die Gesetzesinitiative eine Änderung im Dritten Buch Sozialgesetzbuch vor, die es durch eine Verordnung der Bundesregierung ermöglicht, dass nur zehn Prozent der Beschäftigten eines Betriebes vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen. Nach geltendem Recht ist vorgesehen, dass mindestens ein Drittel der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen. Zudem soll auf den Aufbau von negativen Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes ganz oder teilweise verzichtet werden können. Zudem sollen den Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge vollständig oder teilweise erstattet werden können.

Durch Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wird die Möglichkeit für eine Verordnung durch die Bundesregierung geschaffen, damit Kurzarbeitergeld auch an Leiharbeitskräfte gezahlt werden kann. Voraussetzung für eine solche Verordnung ist eine krisenhafte Situation, die für Branchen oder Regionen übergreifend erhebliche Auswirkungen auf Beschäftigungsverhältnisse und den Arbeitsmarkt hat.

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3. Grüne mit Plan gegen Umsatzsteuerbetrug

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt eine wirksame Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges. In einem Antrag (19/17748) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, sich für einen Systemwechsel bei der Umsatzsteuererstattung zu einem generellen Reverse-Charge-Verfahren einzusetzen. Dieses Reverse-Charge-Verfahren bedeutet eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Außerdem soll es ein digitales Verfahren zur Abwicklung der Umsatzsteuererstattung über unterschiedliche Konten geben. Unter Berufung auf Schätzungen der EU-Kommission wird der europäische Steuerschaden durch die organisierte Umsatzsteuer-Kriminalität auf rund 50 Milliarden Euro beziffert.

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4. MINT-Bildung für aktive Teilhabe

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) In einem Antrag (19/17792) setzt sich die Fraktion Die Linke dafür ein, Bildung in MINT-Fächern für mündige und aktive gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. MINT-Bildung umfasst die Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Konzeptualisierung des MINT-Aktionsplans zu überarbeiten und um die Aufnahme der Handlungsfelder "Ethik und Technikfolgenabschätzung" sowie "Politik, Gesellschaft und Technikentwicklung" zu erweitern. Zudem soll auch ein kritisch-reflexives Handeln im Rahmen der MINT-Bildung gefördert werden, das sich an Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit orientiert. Sozialwissenschaftliche und ästhetische Bildung sollen bei der MINT-Bildung miteinbezogen werden. Zudem soll sich die Bundesregierung gegenüber der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen, klare Kriterien für Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft, Verbänden und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft zu formulieren, die eine einseitige und interessengeleitete Einflussnahme in Unterricht und Schule ausschließen. Ferner soll gemeinsam mit den Ländern darauf hin gewirkt werden, dass in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften aller Schulen (verpflichtende) Module eingeführt werden, die für die Gefahren der Einflussnahme von Lobbygruppen auf Unterricht sensibilisieren.

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5. Mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen tritt in einem Antrag (19/17796) für mehr Engagement bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Deutschland ab 2020 ein. Die Abgeordneten fordern, dass die 2017 beschlossenen Maßnahmen des Nationalen Aktionsplan für BNE zügig und vollumfänglich umgesetzt werden und dafür die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Das soll insbesondere bei der Stärkung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen, bei der Stärkung der frühkindlichen, schulischen, beruflichen, akademischen formalen, non-formalen und informellen Bildung sowie in der Erwachsenenbildung gelten, um verstärkt jetzige und zukünftige Generationen zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Ferner soll Stärkung der beruflichen Bildung durch Intensivierung der Modellversuche des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BiBB) bei der Verankerung von BNE in laufenden und zukünftigen Ordnungsverfahren und bei weiteren curricularen Umsetzungen gestärkt werden. Ferner sollen Inhalte des Nationalen Aktionsprogramms mit der Agenda 2030 verknüpft und hierbei die Zusammenarbeit und die Zielsetzungen mit anderen Staaten, insbesondere in Europa, gestärkt werden. Ferner soll der Grundgedanke der Bildung für nachhaltige Entwicklung einer nachhaltigeren Ausgestaltung der Bildungsinstitutionen zugrunde gelegt werden, nach dem Bildung für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ungeachtet ihres sozioökonomischen Hintergrunds, ihres Geschlechts oder anderer Faktoren inklusiv zugänglich sein soll. Die Zahl der Schul-, Ausbildungs- und Studienabbrüche soll weiter reduziert werden.

Mittlerweile liegen erste Evaluierungen bezüglich des Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung vor, die durch das Institut Futur an der Freien Universität Berlin durchgeführt werden. Erste Erkenntnisse würden zeigen, dass durchaus Fortschritte bei der Verankerung von BNE gemacht wurden, aber noch immer ein weiter Weg zu gehen ist, um BNE tief im Bildungssystem zu verankern.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 294 - 13. März 2020 - 09.55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2020

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