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BUNDESTAG/9585: Heute im Bundestag Nr. 276 - 11.03.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 276
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 11. März 2020, Redaktionsschluss: 12.13 Uhr

1. Spahn informiert Gesundheitsausschuss
2. Aufhebung des Lkw-Sonntagsfahrverbots
3. Regelung zu Sterbehilfe
4. FDP-Antrag zu Messstellen abgelehnt
5. Fristverlängerung für Kita-Ausbau
6. Konsequenzen aus Klima-Gutachten


1. Spahn informiert Gesundheitsausschuss

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Abgeordneten im Gesundheitsausschuss des Bundestages erneut über die aktuelle Lage in der Coronakrise informiert. Spahn sprach am Mittwoch von einer weiterhin dynamischen Situation.

Verglichen mit Italien stehe Deutschland momentan besser da, was auch an den guten Testkapazitäten liege. Das deutsche Laborsystem sei ausgesprochen leistungsfähig. Durch das frühzeitige Testen habe Deutschland im Vergleich zu Italien einen Zeitvorteil erlangt.

Spahn sagte, es gehe weiterhin darum, die Verbreitung des neuen Coronavirus (Sars-CoV-2) möglichst zu verlangsamen. Ein Gesundheitsrisiko bestehe vor allem für Ältere ab 65 Jahren und ältere chronisch Kranke. Es müsse also darum gehen, die Eltern- und Großelterngeneration besonders zu schützen, dies sei mit staatlichen Mitteln allein nicht zu bewältigen, sondern nur über eine Verhaltensanpassung der Menschen im Umgang miteinander.

Um auf eine größere Zahl schwerer Erkrankungen vorbereitet zu sein, sollen mehr Intensivkapazitäten auf Vorrat angeschafft werden. Derzeit gibt es in Deutschland rund 28.000 sogenannte Intensivbetten in Krankenhäusern. Auf den Intensivstationen stehen unter anderem Beatmungsgeräte zur Verfügung.

Spahn wandte sich erneut gegen eine allgemeine Schließung von Kitas und Schulen. Dies würde das öffentliche Leben stark beeinträchtigen. Es sei aber richtig, auf Großveranstaltungen zu verzichten..

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2. Aufhebung des Lkw-Sonntagsfahrverbots

Verkehr und digitale Infrastruktur/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Das Sonntagsfahrverbot für Lkw soll deutschlandweit bis mindestens Ende April komplett aufgehoben werden. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Enak Ferlemann (CDU), am Mittwoch im Verkehrsausschuss an. Vereinbart worden sei dies am gestrigen Dienstag bei einer Telefonkonferenz zwischen dem Ministerium, den 16 Landesverkehrsministern und Vertretern der in der Verkehrswirtschaft tätigen Verbände, sagte er. Hintergrund der geplanten Maßnahme sei die problematische Versorgung von Lebensmittel- und Drogerieläden in einigen Regionen Deutschlands angesichts der Corona-Krise, erläuterte Ferlemann. Aus seiner Sicht müsse auch über die Möglichkeit der Sonntagsarbeit nachgedacht werden. Das BMVI sei dazu in Kontakt mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Es bringe schließlich nichts, so Ferlemann, das Sonntagsfahrverbot aufzuheben, wenn der Handel die gelieferte Ware dann nicht abnehme. Daher gelte es, die gesamten Lieferketten zu betrachten.

Einschränkungen im Nah- und Fernverkehr der Bahn seien derzeit nicht vorgesehen, sagte der BMVI-Vertreter. Eine Ausnahme stellten die Reisen nach Italien dar, fügte er hinzu. Fernzüge in Richtung Italien endeten sämtlich in Innsbruck (Österreich). Abgesehen davon würden Reisende auf die allgemein bekannten Hygieneregeln hingewiesen. Auf die Frage, wer denn einen eventuellen Stopp eines Zuges veranlassen könne, sagte der Staatssekretär, die Züge würden von der Bundespolizei kontrolliert. Bei Verdachtsfällen würden auch die Länderpolizeien informiert, die dann weitere Maßnahmen ergreifen würden.

Noch nicht überschaubar sind seiner Aussage nach die wirtschaftlichen Auswirkungen der Epidemie. Besonders stark betroffen seien aber die Luftverkehrsunternehmen. Am Freitag, so kündigte Ferlemann an, werde es dazu eine Sitzung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geben. Es sei mit gravierenden Auswirkungen auf die Branche zu rechnen, sagte er. Das gelte auch für die Kreuzfahrtbranche und Reedereien. Es müsse darüber geredet werden, wie dort geholfen werden kann, sagte Ferlemann. Gleichwohl gebe es derzeit keine Tendenz, die zum 1. April geplante Erhöhung der Luftverkehrsteuer zu verschieben, machte er deutlich.

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3. Regelung zu Sterbehilfe

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sieht gegenwärtig keinen Handlungsbedarf aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe. Der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange (SPD) erläuterte am Mittwoch im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, dass mit dem Urteil wieder der Zustand vor der Regelung im Jahr 2015 eingetreten sei. Wie Lange sagte, hat sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) für Gruppenanträge von Abgeordneten des Bundestages für eine Regelung der Sterbehilfe ausgesprochen. Es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, das weitere Vorgehen festzulegen. Weiter sagte Lange, es gebe zu der Thematik auch wegen ihrer Komplexität keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht habe auch keine Blaupause für eine Neuregelung vorgegeben.

Lange erstattete auf Antrag der FDP-Fraktion einen Bericht der Bundesregierung zum weiteren Vorgehen in Sachen Sterbehilfe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 26. Februar 2020. Der Staatssekretär ging ausführlich auf das Urteil ein und beantwortete Fragen von Abgeordneten zum weiteren Vorgehen. Nach der Entscheidung des Zweiten Senats ist das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dem Urteil zufolge ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Das in Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verstoße gegen das Grundgesetz. Dem Gesetzgeber sei jedoch nicht untersagt, die Suizidhilfe zu regulieren. Er müsse dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.

Zu Beginn der Sitzung hatte der Ausschuss nach kontroverser Diskussion mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung der FDP einen Antrag der Grünen zur Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Qualitätssicherung im familiengerichtlichen Verfahren abgelehnt. Dem Antrag (19/8586) zufolge soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, die Qualifizierung von Richterinnen und Richtern gesetzlich zu verankern. Zudem soll das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geändert werden. Ebenfalls abgelehnt wurde die Einbeziehung eines Antrags der FDP in eine bereits terminierte öffentliche Anhörung zu Gesetzentwürfen zur Änderung der Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Erneut abgesetzt wurde mit den Stimmen der Koalition die Beschlussfassung über die Terminierung der dem Grunde nach beschlossenen öffentlichen Anhörung zu Gesetzentwürfen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Stärkung der Kinderrechte (19/10622, 19/10552). Schriftlich lag den Abgeordneten der Vorbericht des Bundesjustizministeriums zur Sitzung des EU-Rats "Justiz und Inneres" am 12. und 13. März vor, die nach Auskunft von Staatssekretär Lange entfällt.

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4. FDP-Antrag zu Messstellen abgelehnt

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Ausschuss

Berlin: (hib/LBR) Die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit haben am Mittwochmorgen einen Antrag der FDP-Fraktion (19/17514) diskutiert, der die Bundesregierung auffordert, zusammen mit den Bundesländern auf eine Überprüfung der Funktionalität sämtlicher Grundwassermessstellen hinzuwirken. Der Antrag wurden von allen Fraktionen außer der der AfD abgelehnt.

Die Liberalen fordern in dem Antrag, insbesondere die Messstellen, die der Nitratberichterstattung dienen, hinsichtlich einer Beeinflussung durch außerlandwirtschaftliche Eintragsquellen zu überprüfen. Ziel müsse es sein, die Grundwasserqualität engmaschig zu kontrollieren. Die Abgeordneten begründen die Initiative damit, dass die im Referentenentwurf geplanten Anpassungen zur Düngeverordnung "zu keiner ausreichenden Verbesserung der gemessenen Nitratbelastung" führten. Aufgrund der föderalen Strukturen herrsche eine große Intransparenz bezüglich der Messtiefen, Messmethoden und Messintervalle an den einzelnen Grundwassermessstellen, heißt es in dem Antrag. Auch eine Vergleichbarkeit auf europäischer Ebene sei kaum möglich, schreibt die Fraktion. Daher müsse die Nitratmessstellendichte in jedem Bundesland signifikant erhöht werden und die beim Umweltbundesamt vorhandene digitale Datenbank für Grundwassermessstellen vervollständigt und erweitert werden.

In der Diskussion im Ausschuss sagte eine Vertreterin der Unionsfraktion, dass der Antrag deutlich zu spät komme. Ein Vertreter der AfD befand, der Antrag gehe in die richtige Richtung, um ein einheitliches, dichtes Messsystem zu bekommen.

Der Antrag suggeriere, dass nicht wissenschaftlich gearbeitet werde, wichtiger sei es, die Ursache der hohen Nitratbelastung zu bekämpfen, sagte ein Vertreter der Linken. Ein Vertreter der SPD-Fraktion sagte, das Nitratverletzungsverfahren habe mit den Messstellen nichts zu tun, es brauche viel mehr eine einheitliche Lösung für Messstellen auf europäischer Ebene. Eine Vertreterin der Grünen befand , der Antrag sei kontraproduktiv.

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5. Fristverlängerung für Kita-Ausbau

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Die Frist für Bewilligungen von Bundesmitteln durch die Länder zum Ausbau der Kindertagsbetreuung soll bis Ende 2020 verlängert werden. Der Familienausschuss verabschiedete den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/17293) am Mittwoch ohne Aussprache in der durch den Ausschuss geänderten Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der Linken, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP gegen das Votum der AfD-Fraktion. Ursprünglich lief die Frist für Bewilligungen von Bundesmitteln Ende 2019 aus und die bis dahin nicht bewilligten Gelder wären an jene Länder umverteilt worden, die die bereitgestellten Mittel bereits zu 100 Prozent bewilligt haben. Ebenfalls um ein Jahr verlängert werden soll durch die Gesetzesänderung die Frist für die Auflösung des Sondervermögens "Kinderbetreuungsausbau". Das Sondervermögen soll nun erst Ende 2025 aufgelöst werden.

Die Bundesregierung folgt mit ihrer Gesetzesinitiative einem Umlaufbeschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz, die darauf verwiesen hatte, dass Städte, Gemeinden und Jugendämter vor großen Herausforderungen in der Umsetzung des Investitionsprogramms stünden. Aktuell zeichne sich unter anderem vermehrt die Notwendigkeit zu aufwendigen Neubaulösungen zur Deckung des quantitativen und qualitativen Bedarfs an Kita-Plätzen ab. Vor allem in Ballungsräumen bestehe die Schwierigkeit, geeignete Grundstücke oder Liegenschaften für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen zu finden. Darüber hinaus bestehe ein erheblicher zeitlicher Aufwand für die Ausschreibungsverfahren, hinzu kämen Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft und im Handwerk.

Mit der Annahme eines Änderungsantrages von CDU/CSU und SPD durch den Familienausschuss gegen die Stimmen der AfD sollen zudem Änderungen am Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und am Gesetz eines Sondervermögens "Kommunalinvestitionsförderungsfonds" vorgenommen werden. So sollen die Förderzeiträume für das Infrastrukturprogramm und das Schulsanierungsprogramm um ebenfalls ein Jahr verlängert werden, um den vollständigen Abruf von Geldern aus dem Sondervermögen in Höhe von insgesamt sieben Milliarden Euro zu gewährleisten. Ebenfalls geändert wird durch den Änderungsantrag das Opferentschädigungsgesetz. So wird im Gesetzestext präzisiert, dass Ausländer über dieselben Ansprüche gemäß dieses Gesetzes verfügen wie deutsche Staatsbürger.

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6. Konsequenzen aus Klima-Gutachten

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/PEZ) Die Fraktionen im Wirtschaftsausschuss haben unterschiedliche Schlüsse aus zwei Gutachten gezogen, die der Bundesregierung vorhersagen, die selbst gesteckten Klimaziele bis 2030 zu verfehlen. So bewertete der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Marco Wanderwitz (CDU), die Ergebnisse durchaus positiv. Man gelange dank des Klimaschutzpakets in nahe Reichweite der Ziele für 2030, sagte er im Ausschuss am Mittwoch. Klar sei, dass die Programme weiter entwickelt werden müssten, entsprechende Monitorings seien ohnehin vereinbart.

Das eine Gutachten hatte die Prognos AG im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt, das andere das Öko-Institut e.V. im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Beide kommen zu ähnlichen Ergebnissen; Deutschland wird demnach seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 51 beziehungsweise 52 Prozent senken. Dies werde dem Ziel der Bundesregierung zu 95 Prozent gerecht, sagte Wanderwitz.

Auch ein Vertreter der Fraktion CDU/CSU zeigte sich optimistisch. Die Gutachten belegten, dass die Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung wirken. Er thematisierte vor allem die erwartete Lücke im Verkehrsbereich und eventuelle Chancen synthetischer Kraftstoffe. Ein SPD-Vertreter verwies auf die Impulse, die das geplante Gebäudeenergiegesetz setzen könne. Diese Möglichkeiten müsse man nutzen. Voraussetzung für das weitgehende Erreichen der Klimaziele sei auch, dass man mit dem Ausbau erneuerbarer Energien vorankomme, mahnte der Abgeordnete an.

AfD- und FDP-Fraktion stellten Fragen nach den Kosten der Gutachten; Wanderwitz kündigte an, diese schriftlich nachzureichen. Die FDP wollte zudem wissen, wie genau die Ergebnisse weiterverfolgt würden. Die Linksfraktion kritisierte die Bewertung der Regierungsfraktionen und erklärte, es gehe nicht darum, ob, sondern wie das Klimaschutzpaket funktioniere. Außerdem seien viele Aspekte noch mit Fragezeichen behaftet, wovon auch die möglichen CO2-Einsparungen abhingen. Eine Vertreterin der Grünen schließlich sah vor allem beim Ausbau erneuerbarer Energien Handlungsbedarf. Würden die Abstandsregelungen für Windenergie so umgesetzt wie derzeit geplant, könnte dies zu einer größeren Lücke zwischen Klimaziel und tatsächlicher Emissionsreduzierung führen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 276 - 11. März 2020 - 12.13 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2020

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