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BUNDESTAG/9106: Heute im Bundestag Nr. 1253 - 08.11.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1253
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 8. November 2019, Redaktionsschluss: 10.10 Uhr

1. Kennverhältnisse unter der Lupe
2. Umstände der Festnahme Amris
3. Förderung regionaler Wertschöpfungsketten


1. Kennverhältnisse unter der Lupe

Verteidigung/Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) Freundschaften und Bekanntschaften an der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums sind bei der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses des Verteidigungsausschusses unter dem Vorsitz von Wolfgang Hellmich (SPD) in den Mittelpunkt der Zeugenvernehmungen gerückt. Die Abgeordneten nehmen die Praxis der Auftragsvergabe an externe Unterstützer und Berater und ausdrücklich auch "persönliche Kennverhältnisse" unter die Lupe.

Die damalige Ministerin Ursula von der Leyen engagierte zum 1. August 2014 die Unternehmensberaterin Katrin Suder als Staatssekretärin. Sie sollte den Rüstungsbereich gründlich umkrempeln und auf Vordermann bringen. Bis dahin hatte sie seit mehreren Jahren das Berliner Büro des Beratungs-Konzerns McKinsey geleitet. Als engen Mitarbeiter holte sich die neue Staatssekretärin den Unternehmensberater Gundbert Scherf ins Haus. Er war jahrelang ihr Kollege bei McKinsey gewesen. Er besetzte mit gut einer Handvoll von Mitarbeitern die neu geschaffene Stelle des Beauftragten für die strategische Steuerung der Rüstung.

Suder habe ihn wegen seiner fachlichen Qualität gefragt, sagte Scherf den Abgeordneten. Dann sei eine formale Bewerbung erfolgt. Er habe sich mit seinem Einkommen verschlechtert und keine Rückkehr-Garantie zu seinem alten Arbeitgeber gehabt. Allerdings kehrte er nach erfolgreicher Bewerbung Anfang 2017 zu McKinsey zurück. Bei zwei Veranstaltungen mit 1400 Teilnehmern in Koblenz, dem Sitz des Beschaffungsamtes der Bundeswehr, und 200 in Bonn wollte Scherf führenden Leuten die neue Strategie im Rüstungsbereich schmackhaft machen, wie seiner Darstellung zu entnehmen war.

Für die Moderation wurde die Firma LEAD verpflichtet - in Person von Oliver Triebel. Beide kannten sich von McKinsey. Scherf erklärte, die Initiative sei von ihm ausgegangen, aber nicht die Beauftragung selbst. Er habe Triebel angesprochen, weil der eine ähnliche Aktion im Auswärtigen Amt schon erfolgreich über die Bühne gebracht habe. Triebel nannte als seine Kompetenzbereiche Veränderungsmanagement und Führungskräfteentwicklung. Er wolle bei Mitarbeitern eine Verhaltensänderung bewirken und sie motivieren. Seine Aufgabe habe er darin gesehen, die Ziele der neuen Staatssekretärin umzusetzen. Zu ihr habe er ein "berufliches Vertrauensverhältnis" gehabt.

Die Vergabe für diesen Auftrag erfolgte freihändig, weil das Volumen mit 14.000 Euro unter der Grenze blieb, die eine Ausschreibung erforderlich machte. Das galt indes nicht für zwei Folgeaufträge mit jeweils über 100.000 Euro. Es ging um Mitarbeiter-Befragungen und Workshops. Ob dabei gegen die Vergabe-Vorgaben verstoßen wurde, zählt zu Untersuchungs-Fragen des Ausschusses.

Zu Beginn seiner Zeugenbefragungen hatte sich der Ausschuss mit Vergaben befasst, bei denen der Bundesrechnungshof Rechts- und Regelverstöße moniert hatte. Ein Auftrag führte zum Unternehmen Accenture und seinem Repräsentanten Timo Noetzel. Der hatte zum 10. September 2016 zur Taufe seiner fünf Kinder eingeladen. Einer der Paten: Gundbert Scherf. Ein anderer Pate: General Erhard Bühler, damals Abteilungsleiter Planung im Verteidigungsministerium. Unter den Gästen: Katrin Suder.

Noetzel hatte vor dem Ausschuss von einer engen Freundschaft mit Scherf gesprochen. Doch der meinte bei seiner Aussage, das sei eine "sehr subjektive Einschätzung". Sie hätten sich mal zum Abendessen oder zu einem Glas Wein getroffen, aber nie im häuslichen Umfeld. Sie seien sich bisweilen beruflich über den Weg gelaufen. Dass er Taufpate war, wurde erst beim Nachhaken der Abgeordneten klar. Er habe die Anfrage als "ehrenwert" empfunden, sagte er. Um Geschäftliches sei es nie gegangen, versicherte Scherf. Zu dem Zeitpunkt sei schon klar gewesen, dass er wieder aus dem Ministerium ausscheiden werde. Noetzel habe "keinerlei Erwartungshaltung" gehabt.

Bei einer anderen Personalie habe er nur noch die Einarbeitungsphase erlebt, sagte Scherf: Ulrich Meister, offenbar eine Duz-Bekanntschaft von Suder, wurde zum Geschäftsführer der bundeseigenen BWI GmbH bestellt, dem IT-Dienstleister der Bundeswehr. Ende Juni 2018 wurde Meister vom Aufsichtsrat freigestellt - unter anderem weil er freihändig einen millionenschweren Auftrag an die Firma Orphoz vergeben habe, eine hundertprozentige Tochter von McKinsey. So jedenfalls hatte es Aufsichtsratsmitglied Klaus-Hardy Mühleck dem Ausschuss geschildert.

Bisher letzter im Reigen der Zeugen war Björn Seibert, zuletzt Chef des Leitungsstabs im Ministerium und jetzt nach Brüssel in das Team der designierten Kommissionspräsidentin von der Leyen gewechselt. Mit ihr und mit Suder arbeitete er im Ministerium eng zusammen. Bei vielen Fragen der Abgeordneten musste er nach eigener Darstellung mangels Erinnerungsvermögens passen. Aber er hatte noch genau im Kopf, dass die damalige Ministerin mit "großer Betroffenheit" auf die Rügen des Rechnungshofs reagierte. Nach seinem Gefühl habe es in der Leitung des Ministeriums keinerlei Kenntnis über Vergaberechtsverstöße gegeben.

Dass sich Suder, die im April 2018 aus ihrem Amt ausschied, und Noetzel kannten, habe er gewusst, sagte Seibert. Zu Noetzel habe er "ein Nicht-Verhältnis" gehabt - keinerlei Kontakte bei der Arbeit oder privat: "Das hat sich nicht ergeben."

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2. Umstände der Festnahme Amris

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Ein Beamter der Bundespolizei hat dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") die Umstände geschildert, die im Sommer 2016 zur Festnahme des späteren Attentäters Anis Amri auf dem Busbahnhof in Friedrichshafen geführt haben. Die beabsichtigte Ausreise in die Schweiz sei Amri wegen der Vorwürfe der Urkundenfälschung, des Drogenbesitzes und des illegalen Aufenthalts untersagt worden, sagte Polizeioberkommissar Volker Schotten in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 27-jährige Zeuge ist nach eigenen Worten seit Abschluss seiner Ausbildung 2014 im "grenzpolizeilichen Bereich" eingesetzt.

Bei Beginn seines Nachtdienstes am Abend des 29. Juli 2016, berichtete Schotten, habe er eine Mail vorgefunden mit dem Hinweis, eine "verdächtige Person" werde möglicherweise versuchen, in einem Flixbus aus München das Land zu verlassen. Der Auftrag habe gelautet, den Mann zu überprüfen, nicht, ihn auf jeden Fall festzunehmen und an der Ausreise zu hindern. Die Abfrage der einschlägigen polizeilichen Datenbanken habe ergeben, dass es sich um einen islamistischen Gefährder handelte, gegen den damals obendrein ein Verfahren wegen Körperverletzung anhängig war. Auch Lichtbilder des Verdächtigen lagen vor.

Der doppelstöckige Bus, in dem Amri saß, traf kurz nach Mitternacht in Friedrichshafen ein. Gemeinsam mit einem Kollegen, berichtete der Zeuge, habe er die Insassen in Augenschein genommen und einige Personalien überprüft. Beide hätten unabhängig voneinander den Gesuchten im hinteren Teil des Busoberdecks erkannt. Er habe Englisch mit den Beamten gesprochen, einen Fahrschein nach Zürich und einen italienischen Personalausweis vorgewiesen und erklärt, er wolle seine Familie in Rom besuchen.

Da schnell erkennbar gewesen sei, dass mit der Prüfziffer des Personaldokuments etwas nicht stimmte, sei Amri gebeten worden, die Beamten zur weiteren Feststellung seiner Identität auf die Wache zu begleiten. Er habe sich zunächst "kooperativ" gezeigt und nur gebeten, dafür zu sorgen, dass der Bus solange auf ihn wartete. Beim Abtasten im Polizeirevier sei ein weiterer gefälschter Personalausweis zutage gekommen sowie ein länglicher Gegenstand, den die Beamten für verdächtig im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes hielten. Amri habe angegeben, es handele sich um eine Wurzel, die im arabischen Kulturraum zum Zähneputzen benutzt werde.

Als die Beamten ihm eröffneten, dass seine Reise beendet sei, habe sich Amri nicht mehr so kooperativ verhalten. Er sei immer unruhiger geworden und habe in seiner Zelle ein ums andere Mal die Alarmklingel betätigt. Währenddessen habe der Dienstgruppenleiter der in Friedrichshafen eingesetzten Beamten von Konstanz aus Rücksprache mit der baden-württembergischen Landespolizei sowie den Landeskriminalämtern in Berlin und Nordrhein-Westfalen gehalten. Für den Vorgesetzten sei schnell klar gewesen, dass Amri unbedingt die Ausreise zu versagen war. Diskussionen habe es zunächst aber über die Rechtsgrundlage einer solchen Maßnahme gegeben.

Der Zeuge machte allerdings geltend, dass Amri über keine gültigen Dokumente für die Einreise in die Schweiz verfügte. Daher sei es ohnehin unumgänglich gewesen, ihn am Verlassen Deutschlands zu hindern. Wenige Stunden nach seiner Festnahme wurde Amri der baden-württembergischen Polizei überstellt, die ihn zwei Tage lang in Ravensburg in Gewahrsam hielt.

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3. Förderung regionaler Wertschöpfungsketten

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/PEZ) Gezielte Investitionen in die Wirtschaftsentwicklung strukturschwacher Regionen fordern die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (19/14843). Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) beispielsweise solle in solchen Gegenden stärker bekannt gemacht werden und künftig ein zweckgebundenes Kontingent für Kooperationsprojekte zwischen Unternehmen bereitstellen. Dafür solle das ZIM-Fördervolumen insgesamt um 50 Millionen Euro angehoben werden.

Um regionale Wertschöpfungsketten zu unterstützen, müssten Betriebe mit Regionalvermarktung gezielt gefördert werden. Die Abgeordneten denken außerdem an ein Bundesprogramm speziell zur Förderung direktverarbeitender und -vermarktender Betriebe. Kommunen und Länder könnte beim Aufbau von Netzwerken geholfen werden, um so Unternehmen Neuansiedlungen zu erleichtern.

Der Anschluss an die Wissensgesellschaft und der Aufbau regionaler Wirtschaftsketten in Zukunftsfeldern sei ein entscheidendes Kriterium für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in ländlich geprägten Regionen, heißt es zur Begründung.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1253 - 8. November 2019 - 10.10 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2019

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