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BUNDESTAG/9007: Heute im Bundestag Nr. 1153 - 18.10.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1153
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 18. Oktober 2019, Redaktionsschluss: 10.01 Uhr

1. Ex-Staatssekretärin verteidigt Abschiebung
2. Geschäftsführer stolpert über Vertrag
3. Verordnung zu Innovationsausschreibungen
4. Bundesrat will PTA-Gesetzentwurf ändern
5. Großspenden für SSW und MLPD
6. 166.000 Opioidabhängige in Deutschland


1. Ex-Staatssekretärin verteidigt Abschiebung

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID Vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") hat die ehemalige Innen-Staatssekretärin Emily Haber die Entscheidung verteidigt, knapp sechs Wochen nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche einen engen Vertrauten des Attentäters Anis Amri abzuschieben. "Für uns war der ausländerrechtliche Umgang mit dem Fall Amri eine dramatische Warnung, wie dringlich die Durchsetzung der Ausreisepflicht bei Gefährdern ist", sagte sie in ihrer Vernehmung am Donnerstag. Die islamistische Gesinnung des Tunesiers Bilel Ben Ammar habe außer Frage gestanden.

Ben Ammar saß im Januar 2017 hinter Gittern, weil das Amtsgericht Tiergarten einen Haftbefehl wegen mittelbarer Falschbeurkundung und Leistungserschleichung ausgestellt hatte. Angesichts der Geringfügigkeit dieser Delikte sei aber absehbar gewesen, dass sich die Untersuchungshaft nicht werde aufrechterhalten lassen. Bei einem Haftprüfungstermin am 23. Januar 2017 habe sich das Gericht lediglich eine Verlängerung bis zum 3. Februar abringen lassen. "Wir wollten alles in unserer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass Ben Ammar in Deutschland wieder auf freien Fuß kommt", betonte Haber, die seit dem Sommer 2018 als Botschafterin in Washington amtiert.

In Zusammenwirken mit dem ausländerrechtlich zuständigen Freistaat Sachsen habe das Innenministerium daher seit der ersten Januarhälfte die Abschiebung vorbereitet. Am 5. Januar sei Ben Ammars Asylantrag abgelehnt worden, seit dem 14. Januar sei er vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Die endgültige Entscheidung sei aber erst am 20. Januar gefallen, nachdem das Bundeskriminalamt auch in einer zweiten Vernehmung Ben Ammars keinen gerichtsfesten Beleg für eine Mithilfe am Anschlag habe ermitteln können.

Zuvor hatte sich ein Referatsleiter aus dem Bundesinnenministerium selbstkritisch zur Abschiebung Ben Ammars geäußert. "Wenn Sie mich fragen, ob wir ihn doch nicht noch hätten behalten können, würde ich Ihnen aus der heutigen Sicht recht geben", sagte Ministerialrat Jens Koch. Der heute 47-jährige Zeuge führt das für internationalen Terrorismus zuständige Referat ÖS II/2 und hatte damals die Abschiebung Ben Ammars energisch befürwortet. Auch Koch betonte, dass sich der Verdacht, dieser sei am Attentat seines Freundes Amri beteiligt gewesen, trotz intensiver Ermittlungen nicht habe erhärten lassen: "Der lügt wie gedruckt, wir werden aus dem keine brauchbare Aussage herauskriegen", habe er aus dem Bundeskriminalamt gehört.

Er habe daher keinen Grund gesehen, Ben Ammar im Land zu behalten: "Wenn die mir sagen, das wird nix - ich bin nicht der Oberermittler." Auf Ben Ammar sei damit erstmals eine Grundsatzentscheidung des Innen- und des Justizministeriums angewandt worden, in Fällen, in denen einem ausländischen islamistischen Gefährder mit Mitteln des Strafrechts nicht beizukommen war, vorrangig dessen Abschiebung zu betreiben: "Aus der damaligen Sicht war nicht meine Hauptsorge, einen wichtigen Zeugen abzuschieben", sagte Koch.

Sein Albtraumszenario sei ein anderes gewesen: "Der geht beim Haftprüfungstermin zur Tür hinaus, und wenn der dann noch eine Tat begeht, weiß ich nicht, wie ich das erklären soll. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass wir das machen und dass wir das mit Bravour machen. Das mag mein Fehler gewesen sein. Die Idee, dass es Sinn machen könnte, den Menschen noch länger im Land zu halten, die hatte ich einfach nicht."

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2. Geschäftsführer stolpert über Vertrag

Verteidigung/Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) ) Ein intern umstrittener Beratervertrag, vergeben von der bundeseigenen BWI GmbH, dem IT-Dienstleister für den zivilen Bereich der Bundeswehr, ist zeitweise in den Vordergrund der Zeugenbefragung im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses gerückt. Das Gremium nimmt die Vergabepraxis an externe Unternehmen unter die Lupe. Der damalige BWI-Geschäftsführer Ulrich Meister war Ende Juni 2018 freigestellt worden - unter anderem, weil er freihändig einen Vertrag an eine Tochter der Firma McKinsey vergeben habe. So jedenfalls schilderte dies Aufsichtsratsmitglied Klaus-Hardy Mühleck bei der Sitzung unter dem Vorsitz von Wolfgang Hellmich (SPD).

Er habe den Eindruck gehabt, dass diese Personalie bei der seinerzeitigen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht eben auf Wohlwollen gestoßen sei, sagte Mühleck. Meister war zu Amtszeiten der damaligen Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder an seinen Geschäftsführer-Job gekommen. Der enge Kontakt zwischen Suder und Meister habe ihm "nicht so gepasst", bekannte Mühleck, bis Oktober 2018 für zwei Jahre oberster IT-Verantwortlicher im Verteidigungsministerium. So habe Meister bei Besprechungen häufiger erklärt, er habe "das schon mit der Katrin abgestimmt". Wobei Mühleck der Staatssekretärin bescheinigte, eine "fachlich exzellente Frau" zu sein

Immerhin hatte die ihn auch 2016 angerufen, ob er nicht die Leitung der neuen Abteilung CIT (Cyber- und Informationstechnik) im Ministerium übernehmen wolle. Er habe Suder vorher nicht gekannt. Doch dass sie von ihm gehört hatte, steht für ihn außer Frage: 35 Jahre Industrieerfahrung könne er vorweisen, IT-Chef bei VW und Daimler sei er gewesen. Er gelte hinter SAP-Gründer Hasso Plattner als zweitbedeutendster deutscher IT-Mann. Da habe er seinem Land etwas zurückgeben wollen und für maximal zwei Jahre zugesagt.

Er war ein ungewöhnlicher Abteilungsleiter. Auf Verwaltungsvorgänge wolle er sich nicht einlassen, habe er von vornherein klargestellt. Die großen Planungslinien waren offenbar seine Sache. Am liebsten war er auf internationalem Parkett unterwegs, Kontaktpflege und Ausloten von gemeinsamen Projekten innerhalb der Nato, aber auch etwa mit Israel oder Japan. Dass in seiner Dienstzeit IT-Berater verpflichtet wurden unter Missachtung von Recht und Regeln, wie der Bundesrechnungshof gerügt hat und weshalb der Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde: Damit sei er nicht befasst gewesen.

Die Verwaltungsarbeit nahm ihm sein Stellvertreter, General Michael Heinz Färber, ab. Der war auch schon als sein Nachfolger ausgeguckt. Die Beförderung sei bereits vom Bundespräsidenten unterschrieben worden, berichtete Färber. Doch dann habe ihn von der Leyen erst durch einen Staatssekretär und dann persönlich wissen lassen, dass aus der Beförderung zunächst einmal nichts werde - zu seinem persönlichen Schutz. Denn die Beförderung, so die Begründung, wäre zusammengefallen mit den Turbulenzen um den Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, der im November 2018 in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde.

Zu der Zeit kochte das beanstandete Vorgehen beim Aufbau einer einheitlichen Digital-Plattform an Externe als Berater-Affäre hoch. Färber versicherte als Zeuge, von der Rechtmäßigkeit der Vergaben, die durch das Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) erfolgten, sei er überzeugt gewesen. Nach seiner Ansicht habe es zunächst in der Startphase auch keine andere Wahl gegeben, als externe Unterstützung zu nutzen. Schritt für Schritt hätten dann die Aufgaben von eigenen Kräften übernommen werden sollen. Die grundlegende Neuordnung der Bundeswehr-IT sei "dringend notwendig und überfällig gewesen".

Frage für den Ausschuss war, wie eng die externen Berater in die Struktur des Verteidigungsministeriums eingebunden waren. Von eigenen Büros mit Türschildern war die Rede. Einer von ihnen, Rüdiger Kloevekorn, bestätigte den Abgeordneten, dass ihm E-Mail-Adressen des Ministeriums zugewiesen waren. Sache des Ministeriums sei das gewesen. Offen blieb, ob Berater an Leistungsbeschreibungen beteiligt waren, die zu einem Auftrag an sie führten. Für sich verneinte Kloevekorn dies. Färber versicherte, Entscheidungen seien niemals durch Amtsfremde getroffen worden.

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3. Verordnung zu Innovationsausschreibungen

Wirtschaft und Energie/Verordnung

Berlin: (hib/PEZ) Die Bundesregierung will mit Innovationsausschreibungen neue Preisgestaltungsmechanismen und Ausschreibungsmodalitäten im Bereich erneuerbarer Energien erproben. Dazu hat die Bundesregierung eine Verordnung (10/14065) vorgelegt, die Details dieser jährlichen Ausschreibungen zwischen 2019 und 2021 regeln soll. Ziel sei es, für mehr Wettbewerb und mehr Netz- und Systemdienlichkeit zu sorgen. Außerdem sollten Funktionsweise und Wirkungen von technologieneutralen Ausschreibungen für erneuerbare Energien getestet und die Ergebnisse evaluiert werden, erklärt die Bundesregierung weiter.

Erstmals soll es eine fixe Marktprämie geben, wie es aus dem Bereich der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bekannt ist. Dabei erhalten Betreiber einen im Rahmen der Innovationsausschreibung ermittelten festen Aufschlag. Dieser wird den Angaben zufolge zusätzlich auf die am Strommarkt erzielten Einnahmen gezahlt und ist immer gleich hoch. "Mit der fixen Prämie wird das volle Strompreisrisiko auf die Anlagenbetreiber übertragen", erklärt die Bundesregierung.

Ab 2020 sollen auch Anlagenkombinationen gefördert werden, ab 2021 dann ausschließlich Anlagekombinationen aus fluktuierenden und nicht fluktuierenden erneuerbaren Energien - also etwa Windkraft und Biomasse. So soll die Einspeisung stabilisiert werden.

Höhere Kosten für Verbraucher befürchtet die Bundesregierung nicht und verweist auf die im Gesamtkontext geringen Mengen, die ausgeschrieben würden. Außerdem schütze der Höchstwert vor zu hohen Geboten und die Zuschlagsbegrenzung schränke diesen bei ausbleibendem Wettbewerb weiterhin ein.

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4. Bundesrat will PTA-Gesetzentwurf ändern

Gesundheit/Unterrichtung

Berlin: (hib/PK) Der Bundesrat schlägt der Bundesregierung diverse Änderungen am Gesetzentwurf zur Reform der Ausbildung der pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) (19/13961) vor. Einige Vorschläge der Länder sollen übernommen oder geprüft werden, wie aus einer Unterrichtung durch die Bundesregierung (19/14088) hervorgeht. Das Gesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig.

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5. Großspenden für SSW und MLPD

Bundestagsnachrichten/Unterrichtung

Berlin: (hib/PK) Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) haben in den zurückliegenden Monaten Großspenden in Höhe von mehr als 50.000 Euro erhalten. Das geht aus einer Unterrichtung (19/14145) des Bundestagspräsidenten hervor.

Der (SSW) verbuchte im September eine Spende von rund 123.000 Euro des Kulturministeriums in Kopenhagen. Der SSW ist die Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Die MLPD erhielt im Juli eine Spende von einer Privatperson in Höhe von 50.055 Euro.

Gemäß Parteiengesetz sind Spenden von mehr als 50.000 Euro dem Bundestagspräsidenten unverzüglich anzuzeigen und von diesem zeitnah zu veröffentlichen.

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6. 166.000 Opioidabhängige in Deutschland

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Zahl der opioidabhängigen Menschen in Deutschland wird auf rund 166.000 geschätzt. Das geht aus der Antwort (19/13178) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/12706) der Linksfraktion hervor.

Die Gesamtzahl basiert auf einer Studie für das Jahr 2016. Wie die Autoren den Angaben zufolge berichten, zeigen sich im Vergleich zu früheren Schätzungen bezogen auf die vergangenen 20 Jahre nahezu keine Veränderungen in der Größenordnung.

Der Studie zufolge lebten die meisten Opioidabhängigen in Nordrhein-Westfalen (53.851), gefolgt von Baden-Württemberg (21.832) und Niedersachsen (16.794). Bezogen auf die Zahl der Einwohner lagen Bremen mit einer Rate von 5,5 Abhängigen auf 1.000 Einwohner, Hamburg (4,9) und Berlin (3,1) vorne.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1153 - 18. Oktober 2019 - 10.01 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2019

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