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BUNDESTAG/8581: Heute im Bundestag Nr. 724 - 26.06.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 724
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 26. Juni 2019, Redaktionsschluss: 15.53 Uhr

1. Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele
2. Mindestabstände zu Windanlagen
3. FDP will Sozialmaßnahmen bündeln
4. Mit Freiheitszonen Gründer fördern
5. Bahnausbaustrecke Kehl-Appenweier
6. Kein Personalabbau bei Toll Collect
7. Bahnbrücken in Mecklenburg-Vorpommern


1. Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Ausschuss

Berlin: (hib/pst) Vor vier Jahren hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 beschlossen. Wie es um deren Umsetzung in Deutschland steht, dazu gab es in einem Fachgespräch des Umweltausschusses am Mittwoch, 26. Juni, recht unterschiedliche Ansichten.

Einig waren sich alle Experten in der Wertschätzung der Agenda 2030. Sie sei ein "Gewinn des Multilateralismus", sagte Professor Günther Bachmann vom Rat für Nachhaltige Entwicklung. Bei der Umsetzung in den einzelnen UN-Mitgliedsländern sei man allerdings "materiell nicht wirklich vorangekommen". Deutschland könne global am meisten erreichen, wenn es national seine Nachhaltigkeitsziele erreicht. "Nur so haben wir die Glaubwürdigkeit, Anderen Forderungen zu stellen", sagte Bachmann. Auf die Frage, wo er sich mehr Haushaltsmittel wünschen würde, nannte Bachmann die multilaterale Zusammenarbeit. "Viele kommen zu uns und fragen: Wie macht ihr das?" Diesen Wissensaustausch gelte es auszubauen und zu institutionalisieren.

"Vielschichtig und zum Teil ambivalent" nannte Dietmar Horn vom Bundesumweltministerium die Entwicklung seit Verabschiedung der Agenda 2030. Deutschland sei "auf manchen Feldern auf gutem Weg". So gebe es zahlreiche Initiativen und Projekte für nachhaltige Entwicklung von Kommunen, aber auch von Unternehmen. Im Rahmen des "Peer Review 2018", also der gegenseitigen Bewertung der Staaten, sei Deutschland aber auf den Weg gegeben worden, es werde seine Anstrengungen noch erhöhen müssen. Horn betonte, wichtig für eine gesellschaftliche Akzeptanz nachhaltiger Politik sei, dass niemand zurückgelassen wird.

Der Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Gottfried von Gemmingen-Guttenberg, knüpfte daran mit der Bemerkung an, dass nationales beziehungsweise lokales und internationales Handeln einander bedingten. Es gebe einige Punkte, in denen die Welt besonders hinter den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDG) zurückbleibt. Dazu gehöre die weiterhin wachsende Ungleichheit. Um diese Themen werde man sich besonders kümmern müssen, sagte Gemmingen-Guttenberg im Blick auf den im September anstehenden SDG-Gipfel der Vereinten Nationen.

Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung verwies auf eine an Kanzleramtsminister Helge Braun übergebene Erklärung von 125 Organisationen, in der es heiße: "Würde die ganze Welt so leben wie Deutschland, bräuchten wir drei Planeten". So liege der CO2-Ausstoß in Deutschland bei zehn Tonnen pro Kopf - "nachhaltig wäre ein Fünftel bis ein Viertel davon". Beim Müllaufkommen sei die Tendenz steigend, fuhr Maier fort. "Niemand in Europa produziert so viel Müll wie wir." In der Landwirtschaft belaste ein "überzogener Tierbestand" die Natur. "Wir werden in vielen zentralen Bereichen umsteuern müssen", mahnte Maier und nannte die Verkehrs-, Agrar- und Energiepolitik. Von der Politik höre er aber bisher nur Lippenbekenntnisse.

Die von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) eingangs gestellte Frage, wie die Agenda 2030 zum Rahmen jeder Regierungstätigkeit werden könne, wollte sich Professor Joachim Fetzer vom Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik nicht zueigen machen. Unter Berufung auf den Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft Alfred Müller-Armack, der die Verbindung von wirtschaftlicher und bürgerlicher Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit propagiert hatte, forderte Fetzer: "Wir sollten die Freiheit des Marktes und der Gesellschaft verbinden mit ökologisch-sozialem Handeln." Die Lebensformen der Menschen seien unterschiedlich, sagte Fetzer und warnte vor Konformitätsdruck. In der Agenda 2030 komme das Wort Freiheit ein einziges Mal vor, das Wort Selbstbestimmung nur im Zusammenhang mit Frauen und Mädchen. Bei einer einseitigen Fixierung auf Nachhaltigkeit "bekommen wir eine Gesellschaft, die wir nicht wollen".

Dieser Sichtweise hielt Steffi Ober vom Naturschutzbund Deutschland entgegen, es gehe auch um "die Freiheit und Würde der Menschen, die nach uns kommen". Daraus ergebe sich "die Verpflichtung, weiter zu denken" und "nicht immer Nachhaltigkeit abzuwägen gegen Wirtschaftsförderung". Die Ökologie und der planetarischen Grenzen seien "der Rahmen, an dem wir uns orientieren müssen". An der Politik bemängelte Ober ein "Denken in Ressort-Zuständigkeiten". Hier seien neue Ansätze gefragt. Als Beispiel für Fehlentwicklungen nannte sie immer neue Zulassungsrekorde für SUVs. Hier hätte die Politik längst eingreifen müssen, meinte Ober, stattdessen hätten aber "immer wieder diejenigen mit nicht nachhaltigen Wirtschaftsmodellen die Oberhand".

Björn Peters vom Peters Coll. Forschungs- und Beratungsinstitut für Energiewirtschaft und Politik nannte die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele "eine gute Basis", der die deutsche Politik aber oft zuwiderlaufe. So habe der großflächige Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung viel natürlichen Lebensraum vernichtet. Auch der Ausbau der Windenergie greife nachhaltig in die Natur ein. Trotz des Ausbaus der Windkraft in Deutschland seien aber die CO2-Emissionen durch die Energieerzeugung in den letzten zehn Jahren konstant geblieben. Peters plädierte dafür, sich hier für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele Frankreich zum Vorbild zu nehmen. Diese als Plädoyer für Kernenergie zu verstehende Aussage stieß bei einigen Abgeordneten auf entschiedenen Widerspruch. Dem hielt Peters entgegen, viele Diskussionen beruhten auf dem Wissensstand der 1980er Jahre. Moderne Kerntechnik produziere nicht nur keinen Atommüll, sondern könne sogar vorhandenen Atommüll unschädlich machen.

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2. Mindestabstände zu Windanlagen

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PEZ) Die FDP-Fraktion möchte die Abstandsregelungen zu Windanlagen auf eine rechtssichere Grundlage stellen. Ländern solle per Gesetz wie schon bis 2015 die Befugnis eingeräumt werden, Mindestabstände insbesondere zur Wohnbebauung festlegen zu dürfen. So könne man zu mehr Akzeptanz von Windanlagen in der Bevölkerung beitragen, erklären die Abgeordneten. Sie haben dazu den "Entwurf eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen" (10/11094) vorgelegt.

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3. FDP will Sozialmaßnahmen bündeln

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Antrag

Berlin: (hib/PEZ) Die FDP-Fraktion möchte mit einem "liberalen Bürgergeld" eine transparente und leistungsorientierte Grundsicherung schaffen. In dieser Maßnahme sollten ein gestärktes Wohngeld und andere steuerfinanzierte Leistungen zusammenfließen, erklären die Abgeordneten in einem Antrag (19/11107). Das liberale Bürgergeld mache den Sozialstaat transparenter, einfacher und zielgenauer. Zur Begründung verweisen die Abgeordneten auf Schwierigkeiten bei der bisherigen Wohngeldregelung wie das häufige Heraus- und wieder Hineinfallen auf oder in das Instrument. Andere Sozialleistungen seien schlecht aufeinander abgestimmt und sorgten in manchem Zusammenwirken dafür, dass sich für bestimmte Zielgruppen eine Ausweitung der Arbeitszeit oder eine Lohnerhöhung kaum auszahle.

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung dazu auf, das Instrument eines Bürgergelds zu schaffen. Dazu solle es eine unbürokratische Einkommensüberprüfung geben, in dem bei Zustimmung der Betroffenen eine freiwillige Übertragung der Informationen durch den Arbeitgeber ermöglicht wird, heißt es weiter.

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4. Mit Freiheitszonen Gründer fördern

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/PEZ) Die FDP-Fraktion möchte Unternehmensgründungen und -nachfolgen besonders in Ostdeutschland erleichtern. Durch neu zu schaffende "Freiheitszonen" könne der Staat die regionale Wirtschaftsstruktur stärken und die Ansiedlung neuer Unternehmen vereinfachen, erklären die Abgeordneten in einem Antrag (19/11052). Solche Zonen sollten im Hinblick auf regulatorische Maßnahmen einen höheren Freiheitsgrad besitzen und besonders günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen bieten. "Durch die Konzentration auf bestimmte Bereiche können so schneller Lösungen entwickelt werden, welche später im ganzen Bundesgebiet zum Einsatz kommen können." Dabei sollten vor allem die ostdeutschen Bundesländer in den Fokus gestellt werden, heißt es weiter. Sie besäßen ein hohes Potenzial, um neue digitale und technologische Innovationen und dem Strukturwandel zu begegnen und der langsamen Anpassungsfähigkeit der Verwaltung entgegentreten zu können.

Die Bundesregierung solle nun in Zusammenarbeit mit den Ländern solche Freiheitszonen schaffen, die sich unter anderem durch eine regional und bedarfsorientierte Gründerförderung auszeichnen. Auch sollten Ansprchpartner organisiert werden, die Startups und Unternehmen vollumfänglich beraten.

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5. Bahnausbaustrecke Kehl-Appenweier

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung hat nach eigener Aussage im Zuge der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) keine Alternativen zur Ausbaustrecke Kehl-Appenweier geprüft. Das geht aus der Antwort der Regierung (19/10774) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/10399) hervor.

Laut der Antwort wurde in der am 22. Mai 1992 abgeschlossenen Vereinbarung von La Rochelle (Staatsvertrag zwischen der Französischen Republik und Deutschland vom 22. Mai 1992) festgelegt, dass auf deutscher Seite die "Verbindung Kehl zur Schnellbahnstrecke Karlsruhe-Basel bei Appenweier hergestellt und die Strecke Saarbrücken-Mannheim auf Hochgeschwindigkeitsbetrieb ausgebaut wird". Ergebnis der Bedarfsplanüberprüfung 2010 sei die Festlegung einer Ausbaugeschwindigkeit von 160 km/h auf der Strecke 4260 (Appenweier-Nord-Kehl Grenze) und von 180 km/h auf der neuen Verbindungskurve gewesen. Die Anmeldungen - unter anderem des Landes Baden-Württemberg und der Deutschen Bahn AG (DB AG) - zum BVWP 2030 hätten diesem Ergebnis entsprochen, heißt es.

Ein durchgehender Ausbau auf 200 km/h von Kehl bis zur Einfädelung in die Schnellfahrstrecke (SFS) Karlsruhe-Offenburg hätte laut Regierung eine zusätzliche Fahrzeitverkürzung von maximal einer Minute gebracht. "In Anbetracht der erheblich höheren Kosten für eine entsprechende Ertüchtigung der Strecke 4260 einschließlich der neuen Verbindungskurve wurde diese Lösung verworfen", heißt es in der Antwort. Die Trassierung der Strecke für 160 km/h und der neuen Verbindungskurve für 180 km/h stelle daher einen Kompromiss zwischen der Forderung einer möglichst großen Fahrzeitverkürzung und dem Erfordernis eines gesamtwirtschaftlich tragfähigen Maßnahmenzuschnitts dar.

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6. Kein Personalabbau bei Toll Collect

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Seit Übernahme des Mautbetreibers Toll Collect GmbH durch den Bund am 1. September 2018 wurden nach Angaben der Bundesregierung "weder Fachbereiche gezielt mit Personal verstärkt, noch gab es gezielten Stellenabbau". Vielmehr habe die Toll Collect GmbH, wie andere Unternehmen auch, minimalen Schwankungen bei der Anzahl des Personals, welche aus strukturellen Effekten resultierten, unterlägen, heißt es in der Antwort der Bundesregierung (19/10775) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/10175).

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7. Bahnbrücken in Mecklenburg-Vorpommern

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) In Mecklenburg-Vorpommern sind nach Angaben der Bundesregierung, die sich auf Auskünfte der Deutschen Bahn AG (DB AG) beruft, keine Stilllegungen von Bahnstrecken beabsichtigt. Das geht aus der Antwort der Regierung (19/10768) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/9909) hervor. In der Antwort listet die Regierung auch die Zustandskategorien der Bahnbrücken in Mecklenburg-Vorpommern auf. Basierend auf dem Infrastrukturkataster Stand 2018 gibt es danach in Mecklenburg-Vorpommern 14 Eisenbahnbrücken (rund 7,1 Prozent), die der Zustandskategorie 4 angehören und in den kommenden Jahren saniert werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 724 - 26. Juni 2019 - 15.53 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2019

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