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BUNDESTAG/8398: Heute im Bundestag Nr. 538 - 10.05.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 538
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 10. Mai 2019, Redaktionsschluss: 09.28 Uhr

1. Laute Alarmglocken im Ministerium
2. Beamter: Amri verübte Anschlag allein
3. Anhörung zum Kohleausstieg
4. Mittelstand auf Europa-Ebene fördern
5. Kontrollen an Grenze zu Österreich
6. Polizei- und Zolleinsätze im Ausland


1. Laute Alarmglocken im Ministerium

Verteidigung/Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) Nach der Veröffentlichung der massiven Vorwürfe des Bundesrechnungshofs über die Vergabepraxis von Beraterverträgen bei der Bundeswehr waren die verantwortlichen Stellen "gewahrschaut" - also deutlich gewarnt. So beschrieb es in Schifffahrtssprache Matthias Mantey vom Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) am Donnerstag (9. Mai 2019) bei seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD).

Manteys Behörde - er fungiert dort als Referatsleiter im Vergabebereich - hatte nach seiner Darstellung denn auch gemahnt, vor Vergaben an externe Unternehmen sensibler zu prüfen, ob die Bundeswehr die fraglichen Leistungen nicht selbst erbringen könne. Dass dies weitgehend unterblieben sei, hatte der Bundesrechnungshof unter anderem im August vergangenen Jahres beanstandet.

Freilich sind die Fragestellungen im Untersuchungsausschuss noch breiter gefächert. So soll auch ermittelt werden, ob bei der Vergabe von Beraterverträgen womöglich Vetternwirtschaft im Spiel gewesen ist.

Angesprochen wurde im Ausschuss, dass beim Ausbau der IT-Kapazitäten die Firma IBM in umstrittenen Vorgängen 2017 und 2018 den Zuschlag bekam. Mantey erschien dieses Vorgehen bei einer Überprüfung zunächst als "logisch". Das IT-System der Bundeswehr sei bei Software und Hardware aufgrund eines früheren Vertrages IBM-geprägt gewesen. Angesichts dieses "hinreichenden IBM-Produkt-Bezugs" habe es für ihn nahegelegen, bei Ausbau und Überarbeitung des Systems auf Unterstützung und Beratung dieses Unternehmens zu setzen.

Später habe er das anders gesehen und Verstöße gegen Vergabe-Vorgaben ausgemacht, sagte Mantey. Er verwies auf eine Verwaltungsermittlung, die nach der Rechnungshof-Schelte im Verteidigungsministerium eingeleitet worden sei. In dem Bericht seien auch "Kennverhältnisse" erwähnt worden.

Konteradmiral Michael Nelte, der den Stab Organisation und Revision im Ministerium leitete, berichtete, dass bei ihm "alle Alarmglocken laut geklingelt" hätten, als im August vergangenen Jahres der Bericht des Rechnungshofs einging: "Ich habe in dieser Form und Schärfe noch nie einen Bericht des Bundesrechnungshofs gesehen." Eine sofort eingeleitete Ad-hoc-Revision habe erhebliche Verstöße ans Tageslicht gebracht.

Eine unmittelbare Reaktion sei gewesen, sich mit sechs externen Beratern, die im Ministerium per "dienstpostenähnlichen Konstruktionen" arbeiteten, zu befassen. So seien ihnen die Türschilder entzogen worden, auf denen nicht zu erkennen war, dass es sich um Externe handelte. Nach Neltes Worten wurde auf diese Weise ihre "zu tiefe Integration" in die Organisation des Ministeriums beendet. Er beschrieb einen "Extremfall": "Es kann nicht sein, dass externe Berater sich selbst beauftragen."

Das damals noch neue Compliance-Management des Ministeriums war in die Aufarbeitung der Berater-Affäre nicht eingebunden, sagte der damalige Chef, Brigadegeneral Friedhelm Tränapp. "Wir hatten keine Ermittlungsbefugnisse", erklärte er den Abgeordneten. Hinweise, die bei ihm zum Externen-Problem eingegangenen seien, habe er an die zuständigen Referate weitergeleitet.

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2. Beamter: Amri verübte Anschlag allein

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Ein leitender Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) hat vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") die Einschätzung bekräftigt, dass Anis Amri, der Urheber des Berliner Terroranschlags im Dezember 2016, die Tat allein verübt hat. Zugleich verteidigte Polizeidirektor Martin Kurzhals am Donnerstag die polizeilichen Ermittlungen nach dem Attentat gegen den Verdacht, sie seien von vornherein einseitig auf die Einzeltäterthese fokussiert gewesen. Der Zeuge Kurzhals war bereits am 21. März ein erstes Mal vor dem Ausschuss aufgetreten.

Alle bekannten Hinweise sprächen dafür, dass sich Amri erst Ende Oktober oder Anfang November 2016, also relativ kurzfristig, entschlossen habe, einen Lastwagen zu kapern und damit einen Weihnachtsmarkt zu überrollen, betonte Kurzhals. Es sei hier "kein linearer Verlauf eines lange angelegten Netzwerkplans" zu erkennen: "Daher ist die Durchführung eine Einzeltat", wenn es auch Unterstützer und Ermutiger gegeben habe. Gewiss habe Amri über Kontakte im radikalislamischen Milieu verfügt. Es sei aber nicht immer einfach, zu erkennen, inwiefern es sich bei einem solchen Freundeskreis um ein "inkriminiertes" Netzwerk, einen Zusammenschluss also zur Begehung von Straftaten, handele: "Es war nicht so, dass wir wirklich ein starkes Netzwerk hatten, das Amri unterstützt hat."

Das heiße aber keineswegs, betonte Kurzhals, dass die Polizeibehörden später "nicht in alle Richtungen ermittelt" hätten. Die Besondere Aufbau-Organisation (BAO) "City", die Stunden nach dem Anschlag gebildet wurde, um die Vorgeschichte zu klären, verdiene "Hochachtung" für ihre umfassenden und nach allen Seiten ausgreifenden Bemühungen. Sie habe einen "niemals enden wollenden Strom an Informationen" zu verarbeiten gehabt, "der über uns hereinbrach". Die Beamten seien vielfach "bis ans Limit" oder darüber hinaus gegangen, um den Fall auszuermitteln. Dennoch habe niemand eine "Richtung vorgegeben, in die ermittelt werden muss oder gesagt: An dem Punkt machen wir nicht mehr weiter".

An der frühzeitigen Abschiebung des engsten Amri-Freundes Bilel ben Ammar findet Kurzhals daher nach wie vor nichts auszusetzen. Sie sei "in der Polizei nicht kontrovers diskutiert worden" und im übrigen "keine einsame Entscheidung", sondern mit dem Generalbundesanwalt abgestimmt gewesen. Ben Ammar, der den Abend vor dem Anschlag gemeinsam mit Amri verbracht hatte, war nach nur zwei Vernehmungen durch die Polizei am 1. Februar 2017 in ein Flugzeug nach Tunesien gesetzt worden: "Zu dem Zeitpunkt haben wir ihn nicht als Goldklumpen betrachtet."

Seine eigenen Erwartungen an die Befragung Ben Ammars, räumte der Zeuge ein, seien "am Anfang riesengroß" gewesen, dann aber bald enttäuscht worden, weil sich der Mann als "notorischer Lügner" entpuppt habe. Ohnehin habe sich der Kenntnisstand, über den die Behörden zum Zeitpunkt der Abschiebung Ben Ammars verfügten, seither nicht erweitert.

"Unser Ziel in der BAO 'City' war immer, Hintermänner und Mittäter zu finden", hatte zuvor auch ein anderer BKA-Zeuge, Kriminalhauptkommissar A. S., erklärt. Er selbst hätte liebend gern Amris Hintermann dingfest gemacht. Allein sei es nicht gelungen, irgendeinem der Kontaktleute Amris eine direkte Tatbeteiligung oder Beihilfe nachzuweisen: "Ich würde Ihnen auch gerne andere Ergebnisse präsentieren."

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3. Anhörung zum Kohleausstieg

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/PEZ) Der Wirtschaftsausschuss hält am Mittwoch, 15. Mai 2019, eine öffentliche Anhörung zum geplanten Kohleausstieg ab. Die Sitzung im Europasaal des Paul-Löbe-Hauses beginnt um 11 Uhr und soll bis 13 Uhr dauern.

Grundlage der Anhörung sind mehrere Oppositionsanträge zum Thema. So will die AfD-Fraktion einen Ausstieg aus dem Kohleausstieg (19/7720), die FDP-Fraktion einen "Kohleausstieg mit Verantwortung Weitsicht - sicher, bezahlbar und europäisch" (19/7696) und die Linksfraktion einen schnellen und sozial gerechten Kohleausstieg (19/7703). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen drängt beim Ausstieg auf mehr Tempo (19/7733).

Als Sachverständige sind geladen: Ulrich Altstetter (WirtschaftsVereinigung Metalle e.V.), Charlotte Kreuter-Kirchhof (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Staatsminister Oliver Schenk (Chef der Staatskanzlei des Freistaats Sachsen), Patrick Graichen (Agora Energiewende), Alexander Bercht (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie), Hans-Günter Appel (Stromverbraucherschutz NAEB e.V.), Oliver Holtemöller (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle), Volker Quaschning (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin), Tina Löffelsend (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.) und Detlef Raphael (Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände).

Zuhörer werden gebeten, sich im Sekretariat des Ausschusses mit vollständigem Namen und Geburtsdatum per E-Mail (wirtschaftsausschuss@bundestag.de) anzumelden. Außerdem sind das Datum und das Thema der Anhörung anzugeben. Zur Sitzung muss das Personaldokument mitgebracht werden.

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4. Mittelstand auf Europa-Ebene fördern

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/PEZ) Die FDP-Fraktion will den Mittelstand verstärkt auf europäischer Ebene fördern. In einem Antrag (19/9936) fordern die Abgeordneten die Einführung einer eigenen Definition und Kategorisierung von großen mittelständischen Betrieben und Unternehmen. Firmen, die darunter fallen, sollten in der Förder- und Beihilfestruktur gesondert betrachtet werden. Bei einer langfristigen Strategieentwicklung müssten Schwerpunkte auf die Erleichterung von Unternehmensgründungen, auf Nachfolgeregelungen und etwa auf die Situation Selbstständiger gelegt werden. Ziel sei, eine Politik des "think small first" zu betreiben, heißt es zur Begründung.

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5. Kontrollen an Grenze zu Österreich

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) "Kontrollen an der deutschen Binnen-Grenze zu Österreich beenden" lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/9951). Danach soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, "die gegenwärtig verstetigten Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze in dieser Form nicht länger fortzuführen". Missbilligen soll der Bundestag der Vorlage zufolge "die Ankündigung des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat, die bereits seit weit über drei Jahren dauernden Kontrollen an der deutschen Binnen-Grenze zu Österreich weiterhin (vorläufig bis zum November 2019) zu verlängern".

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6. Polizei- und Zolleinsätze im Ausland

Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Polizei- und Zolleinsätze im Ausland" im ersten Quartal dieses Jahres thematisiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (19/9873). Unter anderem wollen die Abgeordneten wissen, wie die Bundesregierung die politische und militärische Gefährdungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten bewertet.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 538 - 10. Mai 2019 - 09.28 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2019

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