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BUNDESTAG/8237: Heute im Bundestag Nr. 373 - 04.04.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 373
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 4. April 2019, Redaktionsschluss: 17.49 Uhr

1. Klärung der Identität Amris
2. FDP: Elternunabhängiges Baukasten-BAföG


1. Klärung der Identität Amris

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Eine Zeugin aus dem Bundeskriminalamt (BKA) hat dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") die Vorgänge geschildert, die zur Klärung der Identität des späteren Attentäters Anis Amri in ihrer Behörde führten. Der Weg zu Amri habe über dessen engen Vertrauten Bilel ben Ammar geführt, auf den das BKA im Zusammenhang mit einem Ermittlungsvorgang unter dem Codenamen "Eisbär" aufmerksam geworden sei, berichtete Kriminalhauptkommissarin Karin van Elkan in ihrer Vernehmung am Donnerstag. Die heute 41-Jährige ist seit 1997 beim BKA und dort seit 2000 in der Staatsschutz-Abteilung tätig.

Im Februar 2015 habe ihre Behörde einen "Gefahrenabwehr-Vorgang" mit der Bezeichnung "Lacrima" eingeleitet, der sich gegen den deutschen Islam-Terroristen Dennis Cuspert richtete, führte die Zeugin aus. Der gebürtige Berliner war 2012 zunächst nach Libyen und dann weiter zum sogenannten Islamischen Staat nach Syrien ausgereist, von wo aus er wilde Drohungen gegen Deutschland und deutsche Bürger ausstieß sowie Aufrufe zum Heiligen Krieg lancierte. Die Bezeichnung "Lacrima", lateinisch und italienisch für "Träne", erklärte die Zeugin damit, dass sich Cuspert eine "Knastträne" ins Gesicht hatte tätowieren lassen.

Bei der Überwachung seiner Mobilfunknummer fiel den Fahndern am 8. Juli 2015 ein Anruf von einem Handy auf, das sich dem damals in Berlin lebenden Tunesier Sabou Saidani zuordnen ließ. Saidani war am 24. Oktober 2014 gemeinsam mit sechs Landsleuten, unter ihnen auch der spätere Amri-Vertraute Ben Ammar, aus der Schweiz eingereist. Von ihm führte die Spur zu zwei weiteren Tunesiern, mit denen er eng befreundet war und gemeinsam Kampfsport trainierte. Zwischen dem 2. und dem 5. Oktober 2015 führte das Trio, wie die Ermittler feststellten, einen regen Telefonverkehr, in dem unter anderem die Rede davon war, "Berlin in die Luft zu sprengen".

Das BKA eröffnete daraufhin am 15. Oktober 2015 den Ermittlungsvorgang "Eisbär", der sich gegen die drei Tunesier richtete. Nach der Erinnerung der Zeugin erklärte sich die Bezeichnung "Eisbär" damit, dass die Verdächtigen in Berlin lebten, wo es einen bekannten gleichnamigen Eishockeyverein gibt. Am 24. November 2015 habe Ben Ammar bei Saidani angerufen und von ihm eine Information zur Weiterleitung an einen Dritten entgegengenommen. Er sei seither im Zusammenhang mit "Eisbär" als "Nachrichtenmittler" geführt worden.

Aus der Überwachung Ben Ammars hätten sich erstmals Hinweise auf dessen Freund "Anis in Dortmund" sowie einen vermeintlich geplanten Anschlag ergeben. Im Gespräch mit seinem Landsmann Habib Selim, der gemeinsam mit ihm und der übrigen "Reisegruppe" nach Deutschland gekommen war, habe Ben Ammar über einen "schönen Tod" räsoniert, eine Reise nach Dortmund angekündigt und erwähnt, dass er aus Tunesien eine "Sache" erwarte, die ihm in einer Berliner Moschee übergeben werden solle. Die Ermittler schlossen daraus, dass Ben Ammer in Dortmund ein Attentat verüben wollte. Bei der Durchsuchung der Moschee fand sich in der Tat ein Koffer, der indes keinen Sprengstoff, sondern Datteln und Rosenwasser enthielt.

Anfang Dezember 2015 rief "Anis" bei Ben Ammar an, kündigte seinen Besuch an und teilte mit, dass er ihm über sein Facebook-Profil "Anis Anis" eine Freundschaftsanfrage geschickt habe. Als die Polizei daraufhin am 6. Dezember Ben Ammar in seiner Flüchtlingsunterkunft aufsuchte, traf sie dessen Bekannten dort an, der sich als Ägypter vorstellte, und bei dem sich Unterlagen über zwei verschiedene Aliasnamen fanden. Der Abgleich mit Informationen aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Italien sowie mit Fotos auf dem Facebook-Profil habe zu der Feststellung geführt, dass Anis Amri der korrekte Name des bislang unter diversen Identitäten bekannten Asylbewerbers war.

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2. FDP: Elternunabhängiges Baukasten-BAföG

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Entkopplung individueller Bildungs- und Aufstiegschancen von der sozialen Herkunft ist Hauptaufgabe des BAföG. Damit unterstützt es ein Kernanliegen der Sozialen Marktwirtschaft: sozialen Aufstieg aufgrund eigener Leistungen. Das schreibt die FDP in ihrem Antrag (19/8956).

In seiner bisherigen Form werde das BAföG diesem Anspruch seit Jahren nicht mehr gerecht. Der 21. BAföG-Bericht der Bundesregierung zeige einen erheblichen Reformbedarf. Nur noch durchschnittlich 22 Prozent der förderberechtigten Studenten erhielten 2016 Leistungen nach dem BAföG - so wenige wie zuletzt im Jahr 2000. Diese Abwärtsbewegung setzte sich auch in 2017 nach Inkrafttreten des 25. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (25. BAföGÄndG) fort. Gemäß der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) sank die BAföG-Quote unter Studierenden mit "niedriger Bildungsherkunft" von 40 Prozent in 2012 auf 27 Prozent in 2016.

Nach Ansicht der FDP ist ein grundlegender Systemwechsel hin zu einer elternunabhängigen Ausbildungsförderung überfällig. So soll das BAföG wieder zum Bildungsaufstiegsgesetz Nr. 1 werden. Die FDP plädiert dafür, bereits zum Sommersemester 2020 ein elternunabhängiges Baukasten-BAföG für Studenten zu etablieren. Die Ausbildungsförderung soll genauso flexibel sein wie der individuelle Lebensentwurf junger Menschen. Mit verschiedenen Bausteinen könne sich jeder volljährige Student eine an die individuellen Bedürfnisse und die persönliche Situation angepasste Förderung zusammenstellen.

Das Baukasten-BAföG soll sich aus bis zu vier Bausteinen zusammensetzen: dem BAföG-Sockel, dem BAföG-Zuschuss, dem BAföG-Darlehen und Auslandsförderung. Alle Bausteine sollen unabhängig vom elterlichen Einkommen gewährt werden. Das Fundament der Förderung soll der BAföG-Sockel bilden, der bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres jedem volljährigen Studenten in Höhe von 200 Euro pro Monat zufließt. Zusätzlich kann ein monatlicher BAföG-Zuschuss über 200 Euro gewährt werden. Der BAföG-Zuschuss soll persönliches Engagement für den eigenen Lebensunterhalt, die Familie oder die Gesellschaft honorieren. Der BAföG-Zuschuss stehe daher allen Studenten zur Verfügung, die durchschnittlich mindestens 10 Stunden pro Woche einer Nebentätigkeit nachgehen oder sich in einem Ehrenamt einbringen. Studenten, die nahe Angehörige pflegen oder neben dem Studium eigene Kinder erziehen, sollen den BAföG-Zuschuss ebenso erhalten.

Nach Vorstellung der FDP können diese beiden Vollzuschuss-Bausteine Studenten flexibel mit weiteren Bausteinen kombinieren. Das zinsfreie, erst einkommensabhängig zurückzuzahlende BAföG-Darlehen erhält Studenten die Freiheit, ihren Lebensunterhalt nach eigenen Bedürfnissen zu finanzieren. Auch studienbedingte Auslandsaufenthalte sollen weiterhin gefördert werden. Um Studenten mehr finanziellen Freiraum zu ermöglichen, will die FDP den Einkommensfreibetrag erhöhen. Eigenes Einkommen aus Nebentätigkeiten soll bis 500 Euro pro Monat im Jahresdurchschnitt anrechnungsfrei bleiben. Jeder zusätzlich verdiente Euro soll nur zu 50 Prozent auf den BAföG-Zuschuss angerechnet werde. Zuwendungen aus Stipendien sollen zusätzlich zu übrigen Bausteinen ohne Anrechnung ausgezahlt werden.

Nach Auffassung der FDP darf die Wahl der Hochschule keine Frage der sozialen Herkunft sein. Rasant steigende Mieten an manchen Hochschulstandorten würden diese freie Wahl zunehmend einschränken. Eine reine Erhöhung der Wohnpauschale schaffe nicht mehr Wohnraum und löse somit nicht das Problem. An Hochschulstandorten mit besonders hohen Mieten soll nach Ansicht der FDP gezielt mehr studentischer Wohnraum geschaffen werden. Gemeinsam mit den Ländern soll die Bundesregierung daher einen Maßnahmenplan zur Schaffung studentischen Wohnraums auflegen, der auch auf einen wirksamen Bürokratieabbau im Wohnungsbau setzt und die Freigabe von Liegenschaften des Bundes für diese Zwecke anstrebt. Zudem bemängelt die FDP, dass das bisherige BAföG-Antragsverfahren bürokratisch und zeitaufwändig sei. Dem soll mit digitalen, medienbruchfreien und (teil-)automatisierten Antrags- und Verwaltungstools entgegengewirkt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 373 - 4. April 2019 - 17.49 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2019

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