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BUNDESTAG/7562: Heute im Bundestag Nr. 714 - 27.09.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 714
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 27. September 2018, Redaktionsschluss: 16.39 Uhr

1. Zeuge bestreitet Überwachung Amris
2. Grunderwerbsteuer nach Kinderzahl
3. Mehr Geld für Zentralrat der Juden
4. Politisch rechts motivierte Straftaten
5. Grüne wollen Freiwilligendienste ausbauen
6. Fortführung des Hochschulpaktes 2020


1. Zeuge bestreitet Überwachung Amris

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") hat ein ranghoher Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Einschätzung bekräftigt, dass der Fall des späteren Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri ein "Polizeisachverhalt" gewesen sei, mit dem sich seine Behörde "nur am Rande" befasst habe. "Wir waren nicht operativ an ihm dran", sagte der Leitende Regierungsdirektor Gilbert Siebertz in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 51-jährige ausgebildete Islamwissenschaftler ist seit Anfang 2015 in der für radikalislamische Bestrebungen zuständigen Abteilung 6 tätig, zunächst als Referatsleiter. Seit Mitte 2017 führt Siebertz eine Referatsgruppe im Bereich "operative Auswertung".

Entgegen anders lautenden Angaben habe der Verfassungsschutz Amri auch nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln "überwacht", betonte der Zeuge. Er räumte freilich ein, dass seine Behörde im Februar und März 2016 mehreren "geeigneten Quellen", also V-Leuten im radikalislamischen Milieu, Fotografien vorgelegt habe, auf denen Amri zu sehen war. Allerdings habe ihn keiner der Befragten erkannt. Auch habe der Verfassungsschutz V-Leute beauftragt, freilich ohne Erfolg, Amris Aufenthaltsort zu ermitteln und "näher an ihn heranzurücken". Weitere nachrichtendienstliche Mittel habe seine Behörde gegen den Tunesier, der im Dezember 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz den bislang opferreichsten radikalislamischen Anschlag in Deutschland verübte, nicht eingesetzt, betonte Siebertz. Insbesondere könne nach seinem Verständnis von einer "Überwachung" keine Rede sein.

Der Zeuge erläuterte in diesem Zusammenhang die Terminologie. Von einer "nachrichtendienstlichen Beobachtung" sei dann zu sprechen, wenn eine Person aufgrund erster Informationen in der Datenbank des Verfassungsschutzes registriert werde. Im Fall Amris erfolgte dies, wie eine Zeugin dem Ausschuss in der vorangegangenen Sitzung berichtet hatte, im Januar 2016, als aus Nordrhein-Westfalen ein Hinweis vorlag, dass sich der Mann mit der Planung eines Attentats beschäftige. Von einer "Überwachung" mit nachrichtendienstlichen Mitteln könnte nach den Worten des Zeugen aber nur dann die Rede sein, wenn der Verfassungsschutz Amri offensiv ausgespäht hätte. Dafür seien allerdings 2016 die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen und Berlin "federführend" zuständig gewesen.

Eigene Aktivitäten des Verfassungsschutzes hätten sich damit erübrigt. Seine Behörde sei davon ausgegangen, dass Amri "von der Polizei so umfassend bearbeitet wurde, dass nicht noch von unserer Seite zusätzliche Maßnahmen erforderlich waren". Sie habe ohnehin "zu keinem Zeitpunkt" Erkenntnisse gewonnen, die über den Informationsstand der Polizei hinausgingen: "Der Fall hatte keine besonders hohe Priorität im BfV, weil die Polizeibehörden die Person Amris mit Maßnahmen hinreichend abgedeckt hatten." Auch rückblickend könne er nicht erkennen, was der Verfassungsschutz 2016 anders hätte machen können. "Einen ähnlich gelagerten Fall würden wir heute wieder so bearbeiten", sagte Siebertz: "Wir waren in diesem Fall unterwegs wie in vielen vergleichbaren Fällen, die aber nicht mit einem Anschlag geendet haben."

Auch als die Polizei im Oktober 2016 die Beobachtung Amris einstellte weil sich der Verdacht der Vorbereitung eines Anschlags nicht hatte erhärten lassen, habe der Verfassungsschutz nicht ohne weiteres übernehmen können. Abhörmaßnahmen wären ohne diesen Verdacht nicht genehmigt worden. Dass Amri Salafist war, habe ohnehin festgestanden.

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2. Grunderwerbsteuer nach Kinderzahl

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Grunderwerbsteuer soll in Zukunft gestaffelt nach der Kinderzahl der Käufer erhoben werden. Dies verlangt die AfD-Fraktion in einem Antrag (19/4546). Die Abgeordneten fordern, dass für Familien mit einem Kind die Grunderwerbsteuer auf die Hälfte gesenkt wird. Bei zwei Kinder soll die Steuer um 75 Prozent reduziert werden und ab drei Kindern komplett entfallen.

Die AfD-Fraktion bezeichnet die Familienpolitik in Deutschland als gescheitert. Kinder würden ein Armutsrisiko bedeuten. Das familienpolitische Ziel der Erhöhung der Geburtenrate sei nicht erreicht worden.

Der Erwerb einer eigenen Wohnung oder eines Hauses könne gerade für Familien für eine finanzielle Entlastung sorgen, argumentiert die AfD-Fraktion. Um Wohneigentum zu erwerben, müsse jedoch eine Eigenkapitalquote von 20 bis 30 Prozent erreicht werden. Die meisten Familien seien niemals in der Lage, eine solche Summe an Eigenkapital anzusparen, zumal bei steigenden Immobilienpreisen die Kaufnebenkosten proportional mitsteigen würden. Die Grunderwerbsteuer gehöre zum größten Kostenblock der Kaufnebenkosten.

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3. Mehr Geld für Zentralrat der Juden

Inneres und Heimat/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/AW) Zur Erfüllung seiner Aufgaben sollen die Staatsleistungen für den Zentralrat der Juden ab dem Haushaltsjahr 2018 um drei auf insgesamt 13 Millionen Euro erhöht werden. Dies sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/4457) zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland vom 6. Juli 2018 vor. Die Erhöhung der jährlichen Staatsleistung wird mit den wachsenden Aufgaben und den neuen Anforderungen der jüdischen Gemeinschaft begründet. Der Vertrag wurde erstmals 2003 ausgehandelt und regelt die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Zentralrat.

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4. Politisch rechts motivierte Straftaten

Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke will wissen, wie viele Fälle politisch rechts motivierter Kriminalität es nach Kenntnis der Bundesregierung im August dieses Jahres in Deutschland gegeben hat. Ferner erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (19/4510) unter anderem danach, wie viele Tatverdächtige im Zusammenhang mit diesen Fällen ermittelt wurden.

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5. Grüne wollen Freiwilligendienste ausbauen

Kultur und Medien/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will die Freiwilligendienste ausbauen. In ihrem entsprechenden Antrag (19/4551) fordert sie die Bundesregierung auf, gemäß der hohen Nachfrage, zusätzliche 100.000 Plätze in den nationalen und internationalen Freiwilligendiensten zu fördern. Das Taschengeld soll in allen Freiwilligendiensten das gleiche sein. Zudem soll bei seinem Auslaufen das Sonderprogramm "Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug" in alle Freiwilligenprogramme überführt werden.

Zudem wollen die Grünen zusätzliche Anreize für den Dienst in den Freiwilligendiensten schaffen. So soll beispielsweise allen Freiwilligen unter 27 Jahren nach Abschluss der Dienstzeit ein kostenloses Interrailticket zur Verfügung gestellt und Vergünstigungen für Freiwillige in Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie im Öffentlichen Personennahverkehr gewährt werden.

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6. Fortführung des Hochschulpaktes 2020

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Der Bund muss ein verlässlicher Partner der Hochschulen sein. Deshalb soll er Ländern auch nach dem Hochschulpakt 2020 die Beteiligung an der Finanzierung des Hochschulsystems auf dem bestehenden Niveau zusichern. Die FDP-Fraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag (19/4545) auf, auf Basis des Artikels 91b GG mit den Ländern eine auf Dauer angelegte Nachfolgevereinbarung des Hochschulpakt 2020 zu verhandeln, die eine Verstetigung der Bundesmittel auf dem bestehenden Niveau vorsieht. Dabei soll eine erhöhte Finanzierungsbeteiligung der Länder angestrebt werden. Um Spielräume des Haushaltsgesetzgebers zu erhalten und die Länder im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabe stärker an der Finanzierung der Hochschulen zu beteiligen, sollen nach Ansicht der FDP die Mittel nominell, also ohne automatische Dynamisierung, verstetigt werden. Eine Evaluation der Höhe der Mittelzuweisungen soll spätestens nach fünf Jahren erfolgen.

Zum Ende des Jahres 2020 läuft mit dem Hochschulpakt 2020 das umfassendste gemeinsame Förderprogramm von Bund und Ländern für den Hochschulsektor aus. In den drei Programmphasen seit 2007 werden Bund und Länder über die Gesamtlaufzeit bis 2023 zusammen voraussichtlich 38,5 Milliarden Euro bereitgestellt haben. Der Bund trägt daran mit voraussichtlich 20,2 Milliarden Euro den größten Teil der Finanzierung. Dafür haben die Hochschulen in den ersten beiden Programmphasen bis 2015 rund 900.000 zusätzliche Studienanfänger im Vergleich zum Referenzjahr 2005 aufgenommen.

Nach dem anfänglichen Ziel des schnellen Aufbaus von mehr Studienplätzen muss es nach Ansicht der FDP-Fraktion nun darum gehen, die Qualität zu steigern. Die Zahl der Studienanfänger als singulärer Parameter für die Zuweisung von Mitteln aus dem Hochschulpakt 2020 habe für die Länder und die Hochschulen in den vergangenen Jahren Fehlanreize gesetzt. So belohne der Hochschulpakt 2020 finanziell eine größtmögliche Anzahl immatrikulierter Studienanfänger, ungeachtet der Qualität der Ausbildung und des späteren Studienverlaufs bzw. -erfolgs der Studenten. Auch bei einem Studienorts- oder Studiengangswechsel verblieben die Mittel des Hochschulpakts im Bundesland der Hochschule, an der das Studium ursprünglich aufgenommen worden sei. Ebenso ungeeignet sei das Kriterium der Anzahl der Absolventen, das finanzielle Anreize für ein Absenken der Prüfungsanforderungen setze.

Für die Nachfolgevereinbarung zum Hochschulpakt 2020 sei ein Paradigmenwechsel erforderlich. Mittelzuweisungen an die Länder und Hochschulen sollten auf der Basis qualitätsorientierter Kriterien, wie beispielsweise digitalisierter Lehrangebote oder einer verringerten Studienabbruchquote, erfolgen. Dabei soll die Nachfolgevereinbarung des Hochschulpakts 2020 die Hochschulen unterstützen, sich auf die Herausforderungen heterogener Studierendenkohorten und die Ausgestaltung des digitalen Wandels vorbereiten. Die Zuweisungen von Bundesmitteln aus dem Hochschulpakt an die Länder sollen dabei an individuelle und messbare Zielvereinbarungen zwischen dem Bund und dem jeweiligen Land gekoppelt werden, fordert die FDP.

Um Transparenz über die eingesetzten Mittel von Bund und Ländern zu schaffen, soll die Nachfolgevereinbarung des Hochschulpakts 2020 eine wirksame Kontrolle der Mittelzuweisungen an die Hochschulen sicherstellen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung eine Reform des Hochschulzulassungsrechts in den Ländern anstoßen. Die Kapazitätsverordnungen der Länder würden es den Hochschulen erschweren, zusätzliche Mittel für bessere Betreuungsverhältnisse einzusetzen.

In den Verhandlungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) über eine Nachfolgevereinbarung des Hochschulpakts 2020 fänden wesentliche Vorfestlegungen mit erheblicher mehrjähriger Wirkung auf den Bundeshaushalt statt. Da der Haushaltsgesetzgeber keine realistische Möglichkeit habe, Ergebnisse der GWK-Verhandlungen nachzuverhandeln, sei eine frühzeitige und umfassende Information des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung geboten. Auf parlamentarische Anfragen gäbe die Bundesregierung keine hinreichende Auskunft über ihre Positionierung in den Verhandlungen zur Nachfolgevereinbarung des Hochschulpakts 2020, kritisiert die FDP.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 714 - 27. September 2018 - 16.39 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2018

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