Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/7176: Heute im Bundestag Nr. 325 - 17.05.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 325
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 17. Mai 2018, Redaktionsschluss: 16.17 Uhr

1. Zusätzliche Bundeskompetenzen umstritten
2. Allergieerkrankungen geben Rätsel auf
3. 104 Anträge auf Sterbehilfe


1. Zusätzliche Bundeskompetenzen umstritten

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) In einer Sachverständigenanhörung des 1. Untersuchungsausschusses ("Breitscheidplatz") ist es am Donnerstag zu einer Kontroverse über die Frage gekommen, ob zur besseren Abwehr terroristischer Gefahren der Bund gegenüber den Ländern mehr Kompetenzen erhalten müsse. Mehrere der zum Thema "Föderale Sicherheitsarchitektur" geladenen Experten erklärten eine stärkere Zentralisierung für geboten und auch verfassungsrechtlich machbar. Dagegen stand der Einwand, dass die im Umgang der Behörden mit dem späteren Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri festgestellten Fehler nicht auf strukturelle Ursachen, sondern auf Pannen im Verfahren zurückzuführen seien.

Der Mainzer Staatsrechtler Matthias Bäcker vertrat die Auffassung, dass das Grundgesetz für eine striktere Koordinierung zwischen Bund und Ländern und sogar "partielle Zentralisierung" der Terrorabwehr "erhebliche Spielräume" eröffne. So biete die Strafverfolgungsbefugnis von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft eine Handhabe, strafrechtliche Instrumente "sehr weit beim Bund zu zentralisieren" oder zumindest dem Bund im Rahmen einer "Mischverwaltung" Aufsichtsbefugnisse zuzuweisen. Ebenso ließe sich auf dem Feld der polizeilichen Prävention die Führungsrolle des Bundeskriminalamtes gegenüber den Landesbehörden weiter stärken. Zur Identifizierung sogenannter Gefährder sei ein länderübergreifend einheitliches Verfahren mittlerweile vereinbart; möglich wäre nach Ansicht Bäckers auch hier eine ausschließliche Bundeskompetenz.

Der ehemalige Chef der Berliner Landespolizeischule Otto Dreksler sprach sich für die Abschaffung der Landeskriminalämter sowie der Landesämter für Verfassungsschutz aus. Die Existenz dieser nachgeordneten Behörden habe eine "enorme Bremswirkung" und sei einer "gemeinsamen Lageerfassung und -beurteilung nicht dienlich". Die in den fünfziger Jahren konzipierte föderale Sicherheitsarchitektur sei den heutigen Herausforderungen, insbesondere der Doppelbedrohung durch radikalislamischen Terrorismus und Flüchtlingsströme, nicht mehr gewachsen. Der frühere Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm empfahl ein administratives Weisungsrecht des Bundesamtes gegenüber den Landesämtern für Verfassungsschutz.

Dagegen erklärte der ehemalige Vizepräsident des Bundeskriminalamts Jürgen Maurer, dass er sich in 35 Dienstjahren als "zentraler Polizist" von einem "föderalen Skeptiker" zu einem "glühenden Verfechter des Föderalismus" gewandelt habe. Die Notwendigkeit, in Gremien von Bund und Ländern Übereinkünfte zu finden, "hat uns genützt", sagte Maurer. Nicht von ungefähr sei in allen bisherigen Krisen der inneren Sicherheit abgesehen von der Bildung gemeinsamer Lagezentren an den Grundprinzipien des Föderalismus nicht gerüttelt worden. Die im Fall Amri gemachten Fehler wären nach Maurers Überzeugung durch andere Strukturen nicht zu vermeiden gewesen, sondern seien durch Defizite im Verfahrensablauf entstanden.

Ähnlich argumentierte der Freiburger Staatsrechtler Benjamin Rusteberg. Er wies darauf hin, dass schon die Ausstattung der unterschiedlichen Behörden in Bund und Ländern mit nicht kompatibler Informationstechnik erhebliche Fehlerquellen berge. So erfordere die Datenübermittlung eine Vielzahl von Übertragungsschritten, die jeder für sich fehleranfällig seien. Der Bayreuther Rechtswissenschaftler Heinrich Amadeus Wolff machte geltend, dass zahlreiche Gesetzesnovellen der vergangenen Jahre die Bundeskompetenzen bereits "bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen" ausgeweitet hätten.

*

2. Allergieerkrankungen geben Rätsel auf

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Allergische Erkrankungen sind nach Angaben der Bundesregierung "von großer bevölkerungsmedizinischer Relevanz". Laut Robert-Koch-Institut (RKI) werde bei 30 Prozent der 18- bis 79-jährigen Bevölkerung in Deutschland mindestens eine allergische Erkrankung im Verlauf des Lebens diagnostiziert, heißt es in der Antwort (19/2091) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/1864) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Das Problem werde angesichts der hohen Fallzahlen dieser "Volkskrankheit" und der teilweise deutlichen Einschränkungen der Lebensqualität, die damit einhergingen, sehr ernst genommen. Allergische Reaktionen seien fehlgeleitete Antworten des Immunsystems auf körperfremde, eigentlich unschädliche Substanzen. Neben genetischen Veranlagungen seien auch Umwelteinflüsse von Bedeutung.

Eine zufriedenstellende wissenschaftliche Erklärung für die Zunahme allergischer Erkrankungen in den Industrieländern gebe es bislang nicht. Diskutiert werde die sogenannte Hygiene-Hypothese. Dabei werde der Anstieg von Heuschnupfen und Asthma mit einer geringen Exposition mit Keimen, Parasiten und mikrobiellen Komponenten in früher Kindheit in Verbindung gebracht.

Studien deuteten ferner auf einen statistischen Zusammenhang zwischen steigender Stickstoffdioxid-Konzentration und allergischen Beschwerden hin. Die Belastung mit Stickstoffdioxid und Feinstaub sei in Deutschland aber rückläufig. Es gebe Hinweise darauf, dass Hitze, Ozon und Feinstaub die Morbidität für Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen könnten. Wissenschaftliche Studien enthielten auch Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Kohlenmonoxid und Allergien. Kohlenmonoxid habe als Luftschadstoff jedoch auch eine stark abnehmende Bedeutung.

*

3. 104 Anträge auf Sterbehilfe

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Seit dem 2. März 2017 sind beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 104 Anträge auf Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung gestellt worden. Bisher sei keine solche Erlaubnis erteilt oder versagt worden, heißt es in der Antwort (19/2090) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/1860) der FDP-Fraktion. Von den Antragstellern seien inzwischen 20 verstorben.

Am 2. März 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, in einem "extremen Einzelfall" dürfe der Staat den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermögliche. Die Bundesregierung weist in der Antwort daraufhin, dass, abgesehen von dieser extremen Notlage, auch nach Auffassung des BVerwG der Erwerb von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich nicht erlaubnisfähig sei.

Voraussetzung für eine solche Notlage sei, dass eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht zur Verfügung stehe. Von einer solchen Möglichkeit könne in der Regel dann ausgegangen werden, wenn der Betroffene sein Leben durch einen palliativ-medizinisch begleiteten Abbruch lebenserhaltender oder -verlängernder Behandlungen beenden könne.

Die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung sei in Deutschland verboten. Mit Blick auf diese Werteentscheidung des Bundestages sei es aus Sicht der Bundesregierung nicht vertretbar, auf die Inanspruchnahme eines solchen Angebotes in einem anderen Staat zu verweisen.

Was die rechtlichen und tatsächlichen Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des BVerwG betrifft, sind den Angaben zufolge die Beratungen der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 326 - 17. Mai 2018 - 16.17 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang