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BUNDESTAG/6625: Heute im Bundestag Nr. 378 - 20.06.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 378
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 20. Juni 2017, Redaktionsschluss: 09.25 Uhr

1. Kritik an Jugendstärkungsgesetz
2. Anerkennungsgesetz ist erfolgreich


1. Kritik an Jugendstärkungsgesetz

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Anhörung

Berlin: (hib/AW) Bei Experten stößt das geplante Kinder- und Jugendstärkungsgesetz überwiegend auf Kritik. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (18/12330) und einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Stark ins eigene Leben - Wirksame Hilfen für junge Menschen" (18/12374) deutlich.

Nach Ansicht des Soziologen Wolfgang Hammer entspricht der Gesetzentwurf nicht dem Forschungsstand und dem Erfahrungswissen über Stärken und Fehlentwicklungen. So finde beispielsweise der 15. Kinder- und Jugendbericht nahezu keine Berücksichtigung. Hammer forderte, das Gesetzgebungsverfahren zu stoppen und in der kommenden Legislaturperiode eine Enquete-Kommission für eine breit angelegte Reform der Kinder- und Jugendhilfe. So weit wollte Jörg M. Fegert von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie zwar nicht gehen. Die konkreten Verbesserungen im Gesetzentwurf vor allem für Pflegekinder sollten umgesetzt werden. Allerdings kritisierte er, dass mit dem Gesetzgebungsverfahren die ursprüngliche anvisierte "Große Lösung" bei der Reform des Achten Sozialgesetzbuches aus Anlass der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und der UN-Behindertenrechtskonvention nicht realisiert werde. In der kommenden Legislaturperiode müsse sich der Gesetzgeber diesem Problem erneut annehmen.

Die Familientherapeutin Marie-Luise Conen hingegen monierte die Regelungen des Gesetzentwurfes zu Pflegekindern. Er komme erneut nicht der Forderung von Experten nach, Kinder und ihre Herkunftsfamilien zu stärken. Es fehle eine verbindliche Regelung, die eine gezielte Rückführung von Kindern aus Pflegefamilien in ihre Herkunftsfamilien ermögliche. Der Gesetzentwurf schwäche die Stellung der leiblichen Eltern in einem hohen Maß und ignoriere die Bindungen der Kinder zu ihnen. Deutschland sei mit einer Rückführungsquote von fünf Prozent ein Schlusslicht im internationalen Vergleich. Auch der Sozialpädagoge Reinhard Wiesner von der Freien Universität Berlin mahnte an, dass der Staat zunächst die Verpflichtung habe, die strukturellen Rahmenbedingungen für die Herkunftsfamilien zu verbessern. Statt dessen verlagere sich der Schutz von Kindern zunehmend in Richtung sozialer Kontrolle.

Positiv bewertet wurde von den Sachverständigen die Einrichtung von Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe. Der Rechtswissenschaftler Ludwig Salgo von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main plädierte allerdings dafür, aus der Kann-Bestimmung im Gesetzentwurf eine Soll-Bestimmung zu machen. Alles andere wäre "kleinlich". Unabhängige Ombudsstellen hätten sich bewährt und seien anerkannt.

Der Rechtsanwalt Thomas Mörsberger bemängelte prinzipiell eine ausufernde Bürokratie in der Kinder- und Jugendarbeit und bei der Arbeit mit Familien. Dies monierten auch Lisi Maier vom Deutschen Bundesjugendring und Stefan Funck vom Landesjugendamt des Saarlandes am Beispiel der ehrenamtlichen Jugendarbeit. So erschwere die geplante Ausweitung der Meldepflichten für erlaubnispflichtige Einrichtungen auch auf nicht erlaubnispflichtige Einrichtungen die ehrenamtliche Arbeit unnötig und stehe in keinem Verhältnis zum Regelungsbedarf.

Auf Ablehnung stieß die geplante Öffnungsklausel für die Bundesländer bei vorläufigen Leistungen an unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Nach dieser Regelung könnte die Kostenerstattung der Länder an die Kommunen vom Abschluss eines Rahmenvertrages abhängig gemacht werden, monierten Ulrike Schwarz vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Sonja Schmidt von der Diakonie Deutschland. Diese Regelung sei diskriminierend und führe zu einer Zwei-Klassen-Jugendhilfe, sagte Schwarz.

Nach Ansicht der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände kommt auf die Kommunen als Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe eine massive Ausgabenerhöhung durch das Gesetzesvorhaben zu. Die Kosten seien im Entwurf nicht korrekt benannt. "Wir erwarten volle Kostentransparenz und einen vollständigen Ausgleich der finanziellen Mehrbelastungen für die Kommunen", sagte Stefan Hahn vom Deutschen Städtetag.

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2. Anerkennungsgesetz ist erfolgreich

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Unterrichtung

Berlin: (hib/ROL) Einen Zugewinn an Integration und positive Beschäftigungseffekte stellt die Bundesregierung fünf Jahre nach Einführung des Anerkennungsgesetzes fest. Diese Effekte seien durch die deutlich verbesserten Zugangsmöglichkeiten in ein Anerkennungsverfahren wie auch durch gestärkte Begleitstrukturen erzielt worden. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Unterrichtung (18/12756). Das "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen" schaffe den Rahmen dafür, dass immer mehr Unternehmen heute Menschen mit ausländischen Berufsabschlüssen beschäftigen würden. Die Ergebnisse der Wirkungsanalyse der Evaluation und des Monitorings zur Umsetzung des Anerkennungsgesetzes lieferten den Nachweis, dass die Ziele des Gesetzgebers erfüllt worden seien und dass durch Anerkennung eine bessere Integration in Beschäftigung gelinge. Die Evaluation erfülle nachweislich auch eine wichtige Funktion als Instrument für eine gesteuerte Zuwanderung in Bildung und Beschäftigung. Mit den Ergebnissen werde erstmals eine umfängliche Wirkungsanalyse zum Instrument der Berufsanerkennung vorgelegt.

Drei Viertel der Anträge seien von Personen gestellt worden, die vorher keinen Verfahrenszugang gehabt hätten oder die von verbesserten Verfahrensregelungen profitierten. So seien allein die Besuchszahlen des Portals "Anerkennung in Deutschland" kontinuierlich gestiegen, im Dezember 2016 sei die Marke von insgesamt 5 Millionen Besuchen überschritten worden. Gut zur Hälfte stammten die Anerkennungsanträge aus der EU. 2015 habe die Ablehnungsquote mit 2,6 Prozent unter dem Niveau der Vorjahre gelegen.

Zum Befragungszeitpunkt im Sommer 2016 seien 88 Prozent der Befragten erwerbstätig, bei der Antragstellung seien es nur knapp 58 Prozent gewesen. Der Anteil der geringfügig Beschäftigten unter den Erwerbstätigen sei mit 3 Prozent deutlich niedriger als zum Zeitpunkt der Antragstellung (13 Prozent) gewesen. Schließlich hätten sich nach der Anerkennung knapp 73 Prozent der Erwerbstätigen als qualifikationsadäquat beschäftigt. Von den zum Zeitpunkt der Antragstellung Erwerbstätigen seien es nur 59 Prozent gewesen.

Erfolgreiche Berufsanerkennung schaffe qualifikationsgerechte Beschäftigung. Die "Investition" in ein Anerkennungsverfahren ermögliche dem Einzelnen den Zugang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, den deutlichen Anstieg des Einkommens und neue Beschäftigungsperspektiven. Das durchschnittliche monatliche Brutto-Arbeitseinkommen der Erwerbstätigen sei rund 1.000 Euro höher als zum Zeitpunkt der Antragstellung. Auch hätten drei Viertel der Befragten die persönliche berufliche Situation positiver als zum Zeitpunkt der Antragstellung eingeschätzt.

Wie aus den Ergebnissen der standardisierten Befragung hervorgehe, komme vor allem den sozialen Netzwerken eine wichtige Rolle in der Beschaffung von Informationen zu. Allerdings sei nicht immer gewährleistet, dass die Informationen stets hinreichend differenziert ausfielen. Die Bundesregierung macht zudem darauf aufmerksam, dass vor allem Unternehmen mit Fachkräftebedarf umfassend über die Möglichkeiten des Anerkennungsgesetzes aufgeklärt werden sollten. Besonders wichtig sei die Unterstützung auch in Branchen, in denen der Fachkräftebedarf noch nicht so gravierend sei. Denn dort reiche die Anerkennung als alleiniger Stimulus für eigeninitiatives Vorgehen der Unternehmen aus.

Außerdem zeige sich, dass finanzielle Unterstützung im Anerkennungsverfahren eine wichtige Rolle spielen kann. Die Interviews mit erfolgreichen Antragstellenden legten nahe, dass die Verfahrenskosten in vielen anderen Fällen ein Hindernis darstellen könnte. Zu begrüßen sei daher, dass neben den Regelinstrumenten des Bundes und anderen Finanzierungshilfen seit Dezember 2016 auch bundesweit Kostenzuschüsse für ein Anerkennungsverfahren gewährt werden können.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 378 - 20. Juni 2017 - 09.25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2017

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