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BUNDESTAG/6624: Heute im Bundestag Nr. 377 - 19.06.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 377
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 19. Juni 2017, Redaktionsschluss: 18.05 Uhr

1. Viel Kritik an Internet-Löschpflicht
2. Opposition attackiert BND als willfährig
3. Rechenschaftsberichte von Parteien


1. Viel Kritik an Internet-Löschpflicht

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Sehr unterschiedlich bewerteten die Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Mit dem von der Bundesregierung (18/12727) und den Koalitionsfraktionen (18/12356) wortgleich eingebrachten Gesetzentwürfen "zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" soll die bereits jetzt bestehende Pflicht der Betreiber von Internet-Plattformen, offensichtlich rechtswidrige Inhalte zu löschen, wirksamer durchgesetzt werden. Insbesondere Twitter und Facebook kommen dieser Pflicht nach Erkenntnissen der Bundesregierung nur sehr unzureichend nach.

Mit dem neuen Gesetz sollen die Plattformbetreiber verpflichtet werden, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden vorzuhalten. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen demzufolge in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt beziehungsweise gesperrt werden. Für Verstöße sieht der Gesetzentwurf Bußgelder bis zur Höhe von fünf Millionen Euro vor. Für den Umgang mit den deutschen Behörden und Gerichten müssen die Plattformbetreiber einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen.

Die Beurteilung dieses Gesetzentwurfs in der Anhörung reichte von der Einschätzung einer Reihe von Experten, dass er in der jetzigen Form verfassungswidrig sei, bis zur Aussage des Hamburger Staatsanwalts Ulf Bornemann vom Deutschen Richterbund, der ihn mit geringen Einschränkungen begrüßte. Bornemann hob insbesondere die vorgesehene Verpflichtung hervor, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Da die großen Plattformen in den USA säßen, müssten für die Verfolgung strafbarer Äußerungen im Internet regelmäßig Rechtshilfeersuchen gestellt werden. Deren Bearbeitung dauere oft viele Monate. Das Gesetz würde daher die Strafverfolgung erheblich erleichtern. Bornemann schlug vor, die Auskunftspflicht des Plattform-Betreibers noch mit einem Bußgeld zu bewehren.

Der Berliner Richter Ulf Buermeyer stimmte Bornemann in diesem Punkt ausdrücklich zu. Ein wirksamer Kampf gegen Hass-Postings im Internet sei nur durch eine Unterstützung der Strafverfolgung möglich. Dagegen beurteilte Buermeyer die Löschpflichten als nachrangig. Selbst wenn die im Gesetzentwurf vorgesehenen Löschfristen eingehalten würden, könnten sich die Postings angesichts der Schnelligkeit in den Netzwerken weiter verbreiten. Außerdem könne niemand daran gehindert werden, ein gelöschtes Posting immer wieder neu einzustellen.

Als verfassungswidrigen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung bewertete Martin Drechsler von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter den Gesetzentwurf. Er plädierte dafür, dem freiwilligen Vorgehen gegen Hass im Internet, wie es seine Organisation seit eineinhalb Jahren betreibe, einen gesetzlichen Rahmen zu geben und es so zu stärken. Dies habe sich im Jugendmedienschutz bewährt.

Der Justiziar der gemeinsam von Bund und Ländern betriebenen Organisation jugendschutz.net, Holger Herzog, plädierte dagegen dafür, nur Zweifelsfälle an ein Selbstkontrollorgan auszulagern. Bei eindeutigen Rechtsverstößen sollte dagegen die Löschpflicht, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, beim Plattformbetreiber bleiben.

Der Mitarbeiter der Bundesdatenschutzbeauftragten, Diethelm Gerhold, bewertete den Gesetzentwurf generell positiv - mit einer wesentlichen Ausnahme. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Opfer von Hass-Postings Auskunft über den Urheber verlangen können. Dies ermögliche Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, warnte Gerhold. Er nannte das Beispiel eines Stalking-Opfers, das in einem Netzwerk den Stalker beschimpft. Dies könne dem Stalker einen Vorwand liefern, Auskunft über die Adresse seines Opfers zu verlangen.

Bernd Holznagel, Informations- und Medienrechtler in Münster, vermisst unter anderem eine Regelung, dass gelöschte Inhalte wieder eingestellt werden müssen, wenn sie sich nach einer Prüfung als doch nicht rechtswidrig herausgestellt haben. So, wie es sei, werde das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, sagte er voraus.

Eine fatale, wenn auch unbeabsichtigte Wirkung sieht Christian Mihr von "Reporter ohne Grenzen" in der Verwendung unbestimmter Begriffe. So habe Weißrussland sich bei einer weitgehenden Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet bereits auf den deutschen Gesetzentwurf berufen. Mihr empfahl, den Gesetzentwurf ganz zu verwerfen, um keinen gefährlichen Präzedenzfall für andere Länder zu schaffen.

Bernhard Rohleder vom Internet-Branchenverband Bitkom äußerte die Befürchtung, dass die Netzwerkbetreiber, um sicher zu gehen, auch rechtlich unbedenkliche Debattenbeiträge entfernen werden. Damit werde das Gesetz "mehr Schaden als Nutzen" anrichten. Rohleder plädierte dafür, das Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode neu aufzugreifen. "Sorgfalt geht vor Schnelligkeit", mahnte Rohleder.

Vor nicht beabsichtigten Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit warnte auch Wolfgang Schulz, Medienrechtler am Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Netzwerke Algorithmen für die Entscheidung einsetzten, ob etwas zu löschen ist. Schulz riet, auf "regulierte Selbstregulierung" zu setzen, also einen rechtlichen Rahmen für die Selbstkontrolle. Sein Institut habe in einer europaweiten Untersuchung festgestellt, dass diese sehr effektiv sein könne, wenn sie richtig geregelt ist.

Der Kölner Medienrechtler Rolf Schwartmann unterstützte diesen Ansatz. Eine solche Lösung könne in den bestehenden Gesetzentwurf eingebaut werden. Dies sei auch in der knappen Zeit bis zur nächsten Woche, der letzten in dieser Legislaturperiode, noch machbar. In vorliegender Form sei der Gesetzentwurf nicht verfassungsgemäß, urteilte er, aber das sei noch heilbar.

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2. Opposition attackiert BND als willfährig

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist nach Einschätzung von Linksfraktion und Grünen Teil einer "weltweiten Überwachungsstruktur" unter Führung der amerikanischen National Security Agency (NSA) und hat jahrelang in vielfacher Weise gegen das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis verstoßen. Zu diesem Befund gelangen die Oppositionsvertreter im 1. Untersuchungsausschuss ("NSA") in einem Sondervotum, das am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Beide Fraktionen würdigen den seit März 2014 fast drei Jahre lang tätigen Ausschuss als "wichtig und ausgesprochen erfolgreich", wobei sie zugleich das Verhalten der Bundesregierung scharf kritisieren. Diese haben die Aufklärung "aktiv" hintertrieben.

"Viele Geheimeinstufungen von Akten und Vorgängen lassen sich nur durch den Grad der politischen Peinlichkeit erklären, die ein Bekanntwerden des eingestuften Vorgangs der Bundesregierung verursacht hätte", formulieren die Verfasser. So seien von vornherein Akten in großem Umfang geschwärzt und zahlreiche Sitzungen als "streng geheim" eingestuft worden, oftmals ohne erkennbar zwingende Rechtfertigung. Dahingegen hätten Vertreter der Exekutive Auschussmitgliedern "mehrfach pauschal unterstellt", Geheimnisse zu verraten und ihnen sogar "mit strafrechtlichen Ermittlungen gedroht". Der Ausschussmehrheit von Union und SPD werfen die Verfasser des Sondervotums vor, als "Schutztruppe der Regierung" agiert zu haben.

Nach dem Urteil von Linken und Grünen kommt dem Ausschuss das Verdienst zu, den Vorwurf der "anlasslosen Massenüberwachung", den der US-Geheimdienstkritiker Edward Snowden 2013 gegen die NSA erhoben hat, im wesentlichen bestätigt und darüber hinaus "eine ganze Reihe von zusätzlichen Problemfeldern, Informationen und skandalösen Verfehlungen an die Öffentlichkeit" gebracht zu haben. Mit Bedauern vermerken die Autoren des Berichts, dass eine "direkte Massenüberwachung" durch die NSA in Deutschland oder von Deutschland aus "nicht näher" habe aufgeklärt werden können, weil Akten und Zeugen aus England und den USA nicht erreichbar gewesen seien, und weil die Bundesregierung dem Gremium fast alle Akten mit Bezug zu ausländischen westlichen Geheimdiensten vorenthalten habe: "Es gab aber auch keinerlei Anlass und keine Zeugenaussage, die Grund böten, am Wahrheitsgehalt der Snowden-Dokumente zu zweifeln."

Im Zuge der parlamentarischen Ermittlungen trat zusehends die Rolle des BND in den Vordergrund, den die Verfasser des Sondervotums "einen willfährigen Dienstleister der NSA" nennen. In der Kooperation mit dem US-Geheimdienst bei der Überwachung satelliten- und kabelgestützter Datenverkehre habe der BND vielfach "ohne Rechtsgrundlage" agiert, das Fernmeldegeheimnis "über Jahre unbefugt gebrochen", "andauernden Rechtsbruch billigend in Kauf genommen", "vorsätzlich an den Kontrollgremien vorbeigearbeitet" sowie "rechtswidrig" Daten erfasst und verarbeitet.

So seien in der gemeinsam mit der NSA betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling monatlich rund 1,3 Milliarden Daten an den befreundeten Geheimdienst weitergegeben worden, wobei "unzulässig" zwischen Inhalts- und Metadaten unterschieden worden sei. Metadaten, die Auskunft über Zeitpunkt, Dauer, Ort und Teilnehmer einer Kommunikation geben, "wurden massenhaft erfasst und verarbeitet, die Rohdatenströme ganzer Kommunikationsstrecken automatisiert an die NSA weitergeleitet". Dies sei "unverhältnismäßig und offenkundig rechtswidrig" gewesen.

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3. Rechenschaftsberichte von Parteien

Bundestagsnachrichten/Unterrichtung

Berlin: (hib/STO) Die fünf im Bundestag vertretenen Parteien haben im Jahr 2015 Gesamteinnahmen von zusammen 427,22 Millionen Euro verzeichnet. Dies geht aus den als Unterrichtung durch den Bundestagspräsidenten (18/12720) vorgelegten Rechenschaftsberichten von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und CSU für 2015 hervor.

Danach beliefen sich bei der CDU im Jahr 2015 die Einnahmen der Gesamtpartei auf 143,36 Millionen Euro und die Ausgaben auf 121,52 Millionen Euro, womit die Partei einen Überschuss von 21,85 Millionen Euro verbuchte. Bei der SPD standen Einnahmen in Höhe von 156,84 Millionen Euro Ausgaben in Höhe von 133,71 Millionen Euro gegenüber, was zu einem Überschuss von 23,13 Millionen Euro führte. Bei den Grünen lagen die Einnahmen in Höhe von 40 Millionen Euro um 8,96 Millionen Euro über den Ausgaben in Höhe von 31,04 Millionen Euro. Die Linke weist in ihrem Bericht bei Einnahmen in Höhe von 27,95 Millionen Euro und Ausgaben in Höhe von 22,41 Millionen Euro einen Überschuss von 5,53 Millionen Euro aus. Die CSU kam mit Einnahmen von 59,08 Millionen Euro und Ausgaben von 44,61 Millionen Euro auf einen Überschuss von 14,47 Millionen Euro.

An staatlichen Mitteln erhielt die CDU im Jahr 2015 laut Vorlage 49,26 Millionen Euro. Die SPD bekam staatliche Mittel in Höhe von 50,08 Millionen Euro. Die Grünen kamen auf 15,1 Millionen Euro an staatlichen Mitteln. Die Linke verbuchte staatliche Mittel in Höhe von 10,96 Millionen Euro und die CSU in Höhe von 13,42 Millionen Euro.

Spenden von natürlichen Personen bekam die CDU den Angaben zufolge in Höhe von 13,32 Millionen Euro und von juristischen Personen in Höhe von 6,39 Millionen Euro. Bei der SPD beliefen sich die Spenden natürlicher Personen auf 8,03 Millionen Euro und die Spenden juristischer Personen auf 1,8 Millionen Euro. Die Grünen kamen auf 3,61 Millionen Euro an Spenden natürlicher Personen und 580.000 Euro an Spenden juristischer Personen. Die Linke verzeichnete Spenden von natürlichen Personen in Höhe von 1,9 Millionen Euro und Spenden von juristischen Personen in Höhe von 1.700 Euro. Die CSU verbuchte 3,78 Millionen Euro an Spenden natürlicher Personen und 2,19 Millionen Euro an Spenden juristischer Personen.

Die Zahl ihrer Mitglieder Ende 2015 gibt die CDU mit 444.438 Menschen an und die SPD mit 442.814. Die Grünen verzeichneten Ende 2015 laut Bericht 59.418 Mitglieder. Der Partei Die Linke gehörten zu diesem Zeitpunkt 58.989 Mitglieder und der CSU 143.972 an.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 377 - 19. Juni 2017 - 18.05 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2017

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