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BUNDESTAG/6444: Heute im Bundestag Nr. 196 - 27.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 196
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 27. März 2017, Redaktionsschluss: 15.33 Uhr

1. Wirtschaftsprotest gegen Meldepflichten
2. Zustimmung zum Strahlenschutzgesetz
3. Moscheevereinigung Ditib thematisiert
4. Abschiebungen nach Afghanistan


1. Wirtschaftsprotest gegen Meldepflichten

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben sich gegen ihrer Ansicht nach zu weitreichende Meldepflichten bei Geschäftsbeziehungen von Bankkunden ins Ausland gewandt. Es würden faktisch alle Wirtschaftsunterehmen in Nicht-EU- oder Nicht-EFTA-Staaten "unter Generalverdacht" gestellt, erklärten die Verbände in einer gemeinsam abgegebenen Stellungnahme in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag.

Grundlage der öffentlichen Anhörung war der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (18/11132). Mit dem Entwurf zieht die Bundesregierung die Konsequenzen aus der Veröffentlichung der sogenannten "Panama Papers". So sollen Steuerumgehungsmöglichkeiten mittels der Gründung und Nutzung von Briefkastenfirmen verhindert werden. Durch zusätzliche Auskunfts- und Informationspflichten sollen die Möglichkeiten der Finanzbehörden zur Feststellung von im Ausland angesiedelten Domizilgesellschaften (wie Briefkastenfirmen auch genannt werden) verbessert werden. Außerdem sieht der Entwurf die Aufhebung des bisher in Paragraf 30a der Abgabenordnung (AO) geregelten steuerlichen Bankgeheimnisses vor.

Die Spitzenverbände lehnten es ab, dass meldepflichtige Stellen wie Banken bei Verstößen gegen die Meldepflicht für entgangene Steuern haften sollen. Auch die Bundessteuerberaterkammer riet dazu, bei der Einführung neuer Meldepflichten darauf zu achten, die Meldepflichtigen nicht zu überlasten beziehungsweise "nichts Unmögliches von ihnen zu verlangen". Grundsätzlich stellte die Kammer fest: "Wir halten die derzeit zu beobachtende Tendenz, Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen außerhalb von EU oder EFTA unter der allgemeinen Überschrift von Transparenz mit immer mehr zusätzlichen sanktionsbewehrten Melde- und Berichtspflichten zu belegen, für bedenklich." Die Meldepflicht sei "sehr weitgehend ausgestaltet", wurde beklagt. Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/2877) erhobene Forderung nach einer Bundessteuerverwaltung lehnte die Steuerberaterkammer ab. Das sei keine Lösung des Problems.

Zustimmung für die Neuregelung gab es dagegen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der das Instrumentarium als "tauglich" bezeichnete, um wirtschaftliche Beteiligungen in Drittstaaten erfassen zu können. Die Anwendung nur auf Drittstaaten zu beziehen, könne jedoch problematisch sein, so der DGB. Die Regelung müsse flächendeckend angewendet werden. Für die Deutsche Steuer-Gewerkschaft handelt es sich bei Panama nur um "die Spitze des Eisbergs". Wie der DGB plädierte auch die Steuer-Gewerkschaft dafür, die Regelung nicht nur auf Drittstaaten anzuwenden.

Der Bankenfachverband, die die Interessen von 56 Kreditbanken vertritt, sprach in der Anhörung ein anderes Thema an. Nach den neuen Vorschriften sollen auch bei Kreditfinanzierungen regelmäßig die Steuer-Identifikationsnummern der Kunden erhoben werden müssen. Kreditkonten wie andere Konten zu behandeln, sei nicht nachvollziehbar, denn diese dienten nicht dem Zahlungsverkehr und nicht dem Einlagengeschäft. Daher könnten Kreditkonten auch keinen "Verfügungsberechtigten" haben. Wenn die Kunden bei Verbraucherkrediten oder Internetgeschäften ständig die Steuer-ID angeben müssten, könne dies zu zahlreichen Geschäftsabbrüchen führen. Dagegen begrüßte das Bundeszentralamt für Steuern die Verpflichtung der Kreditinstitute, bei Kontoeröffnungen die steuerlichen Identifikationsmarkmale des Kontoinhabers zu erfassen und zu übermitteln, da es tatsächlich Doppelgänger mit identischem Namen und Geburtsdatum gebe. Mit dem Gesetzentwurf würden die Möglichkeiten zur Feststellung entsprechender Sachverhalte und zur Beitreibung von Steuerforderungen wesentlich verbessert.

Grundsätzliche Kritik an dem Gesetzentwurf kam vom Netzwerk Steuergerechtigkeit und von "WEED - Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung". Briefkastenfirmen seien ein ungelöstes Problem: "Briefkastenfirmen untergraben die Integrität der Finanz- und Steuersysteme und schaden so massiv der Allgemeinheit." Auch nach der geplanten Neuregelung werde es möglich bleiben, in EU-Staaten wie Malta anonyme Briefkastenfirmen zu gründen. Das seien Lücken, die geschlossen werden müssten. Markus Henn vom Netzwerk Steuergerechtigkeit wies darauf hin, dass es auf den Britischen Jungferninseln 400.000 Briefkastenfirmen gebe.

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft begrüßte in der Anhörung ausdrücklich die geplante Abschaffung des Paragrafen 30a (Bankgeheimnis), während Banken- und Unternehmensverbände in ihren Stellungnahmen dagegen protestierten. Wenn das Bankgeheimnis aufgehoben werde, drohe eine nachhaltige Beschädigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kreditinstituten und Kunden, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Bankenverbände. Nach Angaben der Kreditwirtschaft werden private Kapitalerträge seit Einführung der Abgeltungsteuer 2009 "lückenlos erfasst". Eine Verkürzung von Steuern in diesem Bereich sei "faktisch ausgeschlossen".

Mit einem anderen Thema befasste sich die Stellungnahme des Fondsverbandes BVI. Er bat darum, den Beginn der Investmentsteuerreform um ein Jahr zu verschieben. Angesichts der Komplexität der Neuregelungen sei eine Umsetzung in diesem Jahr nicht mehr zu schaffen. Auch seien viele Umsetzungsfragen noch offen. Auch der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft nahm zur Investmentsteuerreform Stellung und warnte vor "Kollateralschäden".

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2. Zustimmung zum Strahlenschutzgesetz

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/EB) Experten befürworten mehrheitlich eine Gesetzesnovelle der Bundesregierung im Bereich des Strahlenschutzes (18/11241), schlagen aber Nachbesserungen zu Detailregelungen vor. Ziel der Vorlage ist es laut Regierung, den Strahlenschutz zu verbessern, übersichtlich zu gestalten sowie unnötige bürokratische Hemmnisse abzubauen. "Wesentliche und grundrechtsrelevante Aspekte des Strahlenschutzes" sollen mit der Novellierung auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage gestellt werden. Bislang ist das Strahlenschutzrecht in der Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung geregelt. Die Überwachung der Umweltradioaktivität sowie Maßnahmen bei radiologischen Notfällen behandelt seit 1986 das Strahlenschutzvorsorgegesetz.

Christoph Coch vom "Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studien" lobte die Einführung von Fristen für die Genehmigung von medizinischen Forschungsvorhaben, die ionisierende Strahlung einsetzen. Das seien Fortschritte für den Patientenschutz sowie für die Forschung. Jedoch sollten die Fristen nicht wie vorgesehen als "Soll-Regelung", sondern verbindlich festgeschrieben und den Regelungen des Arzneimittelrechts sowie des Medizinprodukterechts angepasst werden, forderte er.

Die Geologin Stephanie Hurst (Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft) betonte, dass die Vorlage erstmals den Schutz vor dem Edelgas Radon umfassend regle. "Es ist davon auszugehen, dass ein Referenzwert von 300 Bq/m für die meisten Gebäude unter vertretbarem Aufwand erreichbar wäre", sagte sie. Um den Radonschutz in die Praxis umzusetzen, sollte das Gesetz durch eine Informationskampagne flankiert werden, empfahl sie.

Ein eigenständiges Strahlenschutzgesetz schaffe stringente Regelungen und vermeide doppelte Arbeit bei, sagte Thomas Jung vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Der überwiegende Anteil der Strahlenexposition stamme aus natürlichen Quellen und der Medizin. Die Novelle trage somit der tatsächlichen Strahlenexposition der Bevölkerung Rechnung, betonte Jung.

Dem schloss sich Joachim Breckow vom Institut für Medizinische Physik und Strahlenschutz (IMPS) der TH Mittelhessen (THM) an. "Grenzwerte spielen in der öffentlichen Debatte eine große Rolle, sind aber nur eine Säule des Strahlenschutzes", betonte er. Der größte Teil der Maßnahmen im Strahlenschutz spiele sich weit unterhalb von Grenzwerten ab. Das Gesetz stärke die Prinzipien der "Optimierung" und der Rechtfertigung", die im Strahlenschutz unterhalb von Grenzwerten maßgeblich sei.

Heinz-W. Drotleff (TÜV NORD EnSys GmbH) forderte, dass der Gesetzgeber klare und detaillierte Regelungen für die Freigabe von Materialien beim Abbau kerntechnischer Anlagen formulieren solle. Laut § 68 der Gesetzentwurfs ist die Bundesregierung ermächtigt, die Freigabe radioaktiver Stoffe in einer Verordnung zu regeln.

Kritisch äußerte sich Wolfgang Hoffmann vom "Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland " (BUND). "Die Novelle hängt den wissenschaftlichen Erkenntnissen zehn bis 15 Jahre hinterher", sagte er. Hoffmann forderte unter anderem, die Schutzziele auf die Unversehrtheit nachfolgender Generationen zu erweitern und die Schutzvorschriften für Schwangere zu erhöhen. Die Regelungen für den Radonschutz seien begrüßenswert, sollten aber von 300 auf 50 Bequerel pro Kubikmeter reduziert werden, sagte er.

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3. Moscheevereinigung Ditib thematisiert

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Die Moscheevereinigung Ditib als politische Außenstelle Ankaras" lautet der Titel einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/11571). Wie die Fraktion darin schreibt, ist die 1984 in Deutschland gegründete Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (Ditib) der größte Islamverband in der Bundesrepublik. Ditib sei immer eng an das türkische Religionsamt Diyanet gekoppelt gewesen. Über Diyanet, "direkt dem türkischen Ministerpräsidialamt unterstellt", sei Ditib inzwischen "der verlängerte Arm der AKP-Regierung und Erdogans in Deutschland". Wissen will die Fraktion unter anderem, inwieweit die Bundesregierung Kenntnisse hat, "ob Ditib mehr ein nationaler Interessenverband ist, der nicht dadurch zur Religionsgemeinschaft wird, dass er sich auch um die Förderung eines in seiner Nation vorherrschenden Bekenntnisses bemüht".

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4. Abschiebungen nach Afghanistan

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Abschiebungen nach Afghanistan thematisiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/11570). Darin erkundigt sie sich bei der Bundesregierung, wie viele Abschiebungen und wie viele geförderte freiwillige Ausreisen nach Afghanistan es in den vergangenen zwölf Monaten gab. Auch möchte sie wissen, wie viele afghanische Staatsangehörige aktuell in Deutschland leben und wie viele Asylanträge und -entscheidungen es seit Anfang 2015 bei Asylsuchenden aus Afghanistan gab. Ferner fragt sie unter anderem, wie viele afghanische Staatsangehörige derzeit ausreisepflichtig sind und was über "die Gründe des weiter andauernden Aufenthalts trotz Ausreisepflicht" bekannt ist.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 196 - 27. März 2017 - 15.33 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2017

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