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BUNDESTAG/6395: Heute im Bundestag Nr. 147 - 09.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 147
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 09. März 2017, Redaktionsschluss: 11.19 Uhr

1. Notfallvertretung durch Gatten umstritten
2. Grüne fordern Quote in der Wissenschaft
3. Wahlen zum Entsorgungsfonds
4. Novelle zu Sicherheitsüberprüfungen


1. Notfallvertretung durch Gatten umstritten

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Der Bundesrat will in ein Gesetz fassen, was die Mehrheit der Deutschen ohnehin für geltendes Recht hält: Dass nämlich der Ehegatte für einen entscheiden kann, wenn man dringend ärztlicher Hilfe bedarf, aber nicht in der Lage ist, selbst über die Art der Behandlung zu entscheiden. Der Gesetzentwurf des Bundesrates (18/10485) "zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten" war am Mittwoch Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses.

Kern der von den Ländern gewollten Neuregelung ist ein automatisches Vertretungsrecht des Ehepartners in medizinischen und damit zusammenhängenden finanziellen Angelegenheiten für den Fall, dass der andere Ehepartner durch Unfall oder plötzliche schwere Erkrankung entscheidungsunfähig ist und keine Vertetungsvollmacht vorhanden ist. Gleiches soll für eingetragene Lebenspartner gelten. Bisher muss das Betreuungsgericht einen Betreuer bestellen, der dann auch der Ehe- oder Lebenspartner sein kann.

Dem Gesetzentwurf zufolge soll künftig grundsätzlich angenommen werden, dass eine Vertretungsvollmacht für den Gatten besteht, sofern keine entgegenstehende Erklärung des Verunglückten oder Erkrankten vorliegt. Ärzte sollen dem Partner gegenüber von der Schweigepflicht entbunden werden. Diese "Vollmachtsvermutung" soll es allerdings nicht geben, wenn die Partner getrennt leben. Inzwischen liegt auch ein Änderungsvorschlag der Bundesregierung auf dem Tisch. Er sieht eine Beschränkung der Vollmacht auf die reine Gesundheitssorge vor. Über eine Vertretung auch in finanziellen Dingen soll demnach weiterhin das Betreuungsgericht entscheiden.

Die Berliner Repräsentantin der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Christine Eberle, begrüßte zwar diese Einschränkung. Die Möglichkeiten, missbräuchlich von der Vollmacht Gebrauch zu machen, würden damit geringer. Beseitigt seien sie aber bei Weitem nicht. Ihre Organisation habe bei der Beratung zu Patientenvollmachten die Erfahrung gemacht, dass "keinesfalls immer der Ehepartner bevollmächtigt" werde, sagte Eberle. Der vorgesehene Vorrang einer Vertretungsvollmacht vor der automatischen Vertretung durch den Ehepartner nütze wenig, da Ärzte und Ehepartner keinen Zugang zum Vorsorgeregister hätten. Eberles Empfehlung lautete daher, "ganz auf eine gesetzliche Neuregelung zu verzichten.

Wolfgang Schwackenberg vom Familienausschuss des Deutschen Anwaltsvereins kam zu demselben Schluss. Für den Arzt im Krankenhaus sei es eine "in der Kürze der Zeit unlösbare Aufgabe", festzustellen, ob der Vollmacht des Ehepartners nichts entgegensteht. Es gebe eine erhebliche Gefahr des Missbrauchs, etwa durch getrennt lebende Ehepartner. Besser sei es, die Zahl der Vertretungsvollmachten zu steigern.

Auch Stephan Sigusch, Vorstandsmitglied des Betreuungsgerichtstages e.V. sowie Vertreter der Bundeskonferenz der Betreuungsvereine, meinte, man solle die Neuregelung "besser lassen". Die Dinge seien "nach jetzigem Recht hinreichend geregelt". "Das Betreuungsgericht kann im Notfall sehr schnell eine Entscheidung treffen", merkte Sigusch an.

Mit Ausnahme der Vollmacht auch für finanzielle Angelegenheiten, die sämtliche Sachverständige ablehnten, gab es aber auch Zustimmung zu dem Gesetzesvorhaben. Peter Winterstein, Vorsitzender des Betreuungsgerichtstages, verwies auf die Schwierigkeit der geltenden Rechtslage. Der Arzt müsse den mutmaßlichen Willen des Patienten erfüllen, habe dafür bei nicht ansprechbaren Patienten aber "wenig Anhaltspunkte". Dies sei gerade für Kliniken auch Haftungsrisiken verbunden. Mit der Neuregelung habe der Arzt eine Person, an die er sich wenden kann.

Der Göttinger Rechtsprofessor Volker Lipp nannte als einen Punkt, der für die Neuregelung spricht, dass er "der Vorstellung der Bevölkerung entspricht". Der Bundesrat verweist in seinem Gesetzentwurf auf eine Umfrage, nach der achtzig Prozent der Befragten "glauben, sie hätten schon jetzt ein solches Vertretungsrecht im Notfall". Allerdings hält Lipp weitere Änderungen am Gesetzentwurf für erforderlich, um "unkontrollierter Fremdbestimmung" entgegenzuwirken.

Wenig kontrovers wurde die in dem Gesetzentwurf mit enthaltene Vergütungserhöhung für gerichtlich bestellte Betreuer diskutiert. Es habe seit elf Jahren keine Anpassung der Stundensätze gegeben, sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen, Thorsten Becker. Obwohl sein Verband deutlich mehr als die vorgesehenen 15 Prozent Erhöhung für angebracht hält, sprach sich Becker dafür aus. Wenn sie nicht mehr in dieser Legislaturperiode erfolge, drohe ein "großer Flurschaden". Von der 6.750 Mitgliedern seines Verbandes gingen tausend in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand. Es sei aber wegen der schlechten Bezahlung schon jetzt schwer, Nachwuchs zu finden.

Nicht minder dramatisch schilderten die Vertreter der ehrenamtlich organisierten Betreuungsvereine, Stephan Sigusch sowie Barbara Dannhäuser vom Katholischen Verband für soziale Dienste, die Situation. Die Betreuungsvereine kämen zunehmend an ihre Grenzen, sagte Dannhäuser, einige hätten sich schon aufgelöst. Um überhaupt die Aufgaben erfüllen zu können, arbeiteten die von den Vereinen angestellten Betreuer deutlich mehr, als sie bezahlt bekommen.

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2. Grüne fordern Quote in der Wissenschaft

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen machen sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung stark. Bis heute seien Frauen im Wissenschaftssystem eklatant unterrepräsentiert, heißt es in einem Antrag (18/11412), der am heutigen Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Je höher die Karrierestufe, desto dünner sei die Luft für Frauen. Trotz leichter Verbesserungen sind die Chancen eines männlichen Hochschulabsolventen auf eine Professur deutlich höher als für eine Hochschulabsolventin.

Um diese Situation zu ändern, fordern die Grünen eine Quote von "mindestens 40 Prozent jedes Geschlechts auf allen Ebenen und in allen Fachbereichen". Dadurch soll die Chancengerechtigkeit in der Wissenschaft gefördert werden. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bräuchten ambitionierte qualitative und quantitative Ziele und müssten zu messbaren und realistischen Steigerungsquoten des Frauenanteils verpflichtet werden. Im Fall einer mangelnden Umsetzung sollte dies nicht nur dokumentiert, sondern auch finanziell sanktioniert werden. Im Fall einer besonders guten "Gleichstellungsperformance" könne diese auch belohnt werden.

Zudem soll das Kaskadenmodell auf das die Forschungsorganisationen verpflichtet sind, verbindlicher ausgestaltet werden. Das Modell sieht vor, dass die Anzahl von Wissenschaftlerinnen in den einzelnen Karrierestufen genauso hoch ist wie in der darunter liegenden Qualifikationsstufe. Um dieses Ziel verbindlicher zu gestalten, soll bei einer Fortsetzung des Pakts für Forschung und Innovationen ab 2021 ein Teil der Finanzierung der Forschungsorganisationen daran gekoppelt werden, inwieweit die 2017 für 2021 angepeilten Zielquoten erreicht wurden.

Die Grünen fordern die Bundesregierung ferner auf, Geschlechterforschung zu stärken. Der Wissenschaftsrat soll mit einer Begutachtung der Situation der Geschlechterforschung in Deutschland beauftragt werden und einen partizipativen Agenda-Prozess einleiten. Dieser soll das Ziel haben, ein BMBF-Forschungsprogramm für das Wissensgebiet Geschlechterforschung aufzulegen. Bei diesem Prozess sollen Experten der Fachszene aktiv eingebunden werden. Außerdem setzen sich die Grünen dafür ein, einen Förderschwerpunkt Frauen- und Geschlechterforschung einzurichten. Damit sollen Maßnahmen gefördert werden, die der Verankerung der Geschlechterforschung an den Hochschulen dienen.

Die Grünen unterstreichen, dass die Fördersituation von Geschlechterforschung prekär sei. Es gebe auf diesem Gebiet in Deutschland keine systematische und kontinuierliche Forschungsförderung. Nur 0,4 Prozent der Professuren aller Hochschulen hätten eine Voll- oder Teildenomination für Frauen- und Geschlechterforschung. Wissenschaft lebe von den besten Ideen und Köpfen, von fairem Wettbewerb und vorurteilsfreier Neugierde. Sie sei darauf angewiesen, unvoreingenommen neue Erkenntnisse und kluge Talente zu fördern. Wissenspotenziale auszugrenzen, laufe dem zuwider und lähme Wissenschaft in ihrer Freiheit.

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3. Wahlen zum Entsorgungsfonds

Wirtschaft und Energie/Wahlvorschlag

Berlin: (hib/HLE) Die vier Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben einen gemeinsamen Wahlvorschlag für die Mitglieder des Kuratoriums der Stiftung "Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung" gemäß Paragraf 4 des Entsorgungsfondsgesetzes" vorgelegt (18/11406).

Als Mitglieder sind vorgeschlagen: CDU/CSU: Thomas Bareiß, Reinhard Brandl, Steffen Kanitz; SPD: Nina Scheer, Bernd Westphal; Die Linke: Hubertus Zdebel; Bündnis 90/Die Grünen: Jürgen Trittin.

Als Stellvertreter werden vorgeschlagen: CDU/CSU: Herlind Gundelach, Anja Weisgerber, André Berghegger; SPD: Hiltrud Lotze, Steffen-Claudio Lemme; Die Linke: Eva Bulling-Schröter; Bündnis 90/Die Grünen: Sylvia Kotting-Uhl.

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4. Novelle zu Sicherheitsüberprüfungen

Inneres/Unterrichtung

Berlin: (hib/STO) Sicherheitsüberprüfungen von Beschäftigten der Nachrichtendienste sind ein Thema der als Unterrichtung (18/11407) vorliegenden Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf einer Novelle des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (18/11281). Darin wandte sich der Bundesrat gegen die Verpflichtung dieser Beschäftigten, "sich ohne Zustimmung einer Wiederholungsüberprüfung zu unterziehen und an dieser mitzuwirken".

Dies widerspreche dem Freiwilligkeitscharakter des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens, hieß es in der Stellungnahme des Bundesrates. Zudem sei bei einem Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes, der sich einer Wiederholungsüberprüfung verweigert, fraglich, "ob hier die erforderliche Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit überhaupt gegeben ist".

Dagegen verweist die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung darauf, dass für alle Tätigkeiten bei einem Nachrichtendienst eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen erforderlich sei. "Beschäftigte der Nachrichtendienste des Bundes könnten somit bei fehlender Pflicht, ihre Sicherheitserklärung zu aktualisieren und sich ohne Zustimmung einer Wiederholungsüberprüfung zu unterziehen und an dieser mitzuwirken, missbräuchlich eine Versetzung in eine andere Behörde erzwingen", argumentiert die Bundesregierung. Das solle ausgeschlossen werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 147 - 9. März 2017 - 11.19 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2017

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