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BUNDESTAG/6281: Heute im Bundestag Nr. 033 - 20.01.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 033
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 20. Januar 2017, Redaktionsschluss: 09.23 Uhr

1. Autoverband: Dieseltechnik unverzichtbar
2. Staatssekretäre:Cum/Ex-Deals stets illegal
3. Gewalttäter im Dienste des Verfassungsschutz


1. Autoverband: Dieseltechnik unverzichtbar

5. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/STU) Die deutsche Automobilindustrie hält die Dieseltechnologie "mindestens mittelfristig" für unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen. Das betonte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann, am späten Donnerstagabend im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Wissmann verwies auf den im Vergleich zum Diesel um 10 bis 15 Prozent höheren Ausstoß des Klimagases CO2 von Ottomotoren. Es werde aber insbesondere bei kleineren Fahrzeugen in den nächsten zehn Jahren immer schwerer, die "Dieselpopulation" für die Kunden bezahlbar zu halten, sagte Wissmann voraus.

Der VW-Skandal kam für Wissmann im September 2015 "absolut überraschend und ohne Vorwarnung". Dass es eine illegale Software zum Abschalten der Abgasreinigung gebe, sei ihm weder bekannt gewesen, noch habe er Signale in diese Richtung gehabt. Die Affäre habe ihn persönlich zentral getroffen, weil er sich seit 2007 als VDA-Präsident bemühe, Vertrauen für die Autoindustrie zu schaffen. Manipulationen wie im Fall VW widersprächen dem Selbstverständnis der Branche. Der VDA war laut Wissmann nicht an die vom Verkehrsministerium eingesetzten Untersuchungskommission beteiligt.

Einfluss versuchte der VDA dagegen bei den Regelungen für den künftigen Testzyklus RDE (Real Driving Emissions) zu nehmen. Für diese Straßentests standen kurz nach Bekanntwerden des VW-Skandals auf europäischer Ebene die Schlussverhandlungen für die Grenzwerte an. Der VDA setzte sich für einen Faktor von 3,5 in einer ersten Stufe und eine weitere Stufe nach fünf Jahren ein. Vereinbart wurden letztlich ein Faktor von 2,1 ab Herbst 2017 und 1,5 ab 2020. Das bedeutet, dass der Grenzwert für Stickoxid im realen Fahrbetrieb dann um 50 Prozent überschritten werden darf. Wissmann bezeichnete die Vorgaben als "wahnsinnig hart", aber "noch machbar".

Der Ausschuss tagte insgesamt fast 15 Stunden. Acht Zeugen wurden befragt, allen voran der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn. Letzter Zeuge war Daimler-Cheflobbyist Eckart von Klaeden. Der frühere Staatsminister im Kanzleramt beklagte immer kürzere Vorlaufzeiten neuer Vorgaben aus der EU. Es gebe eine Asynchronität zwischen Entwicklung und Produktion einerseits sowie immer kürzer werdenden europäischen Gesetzgebung. Bei der RDE-Gesetzgebung hatte Daimler wie auch der VDA die Sorge, dass die Vorstellungen der EU-Kommission nicht zu erfüllen seien. Deshalb hatte sich der Konzern mit einem Schreiben auch ans Kanzleramt gewandt.

Zuvor hatte der Ausschuss am Abend einen Vertreter von Opel geladen. Der Rüsselsheimer Hersteller war bei den Tests der Untersuchungskommission durch eine besonders weitgehende Nutzung sogenannter Thermofenster aufgefallen. So wurde bei einem Modell die Abgasreinigung bereits bei weniger als 17 Grad Celsius reduziert. Der Leiter für Fragen der Typgenehmigung, Andreas Dindorf, erklärte, dass dies rechtlich nicht angreifbar sei, räumte aber ein, dass die entsprechende EU-Verordnung von 2007 "sehr unpräzise" sei. Demnach muss die Abgasnachbehandlung bei "normalen" Betriebszuständen funktionieren, kann aber aus Gründen des Motorschutzes abgeschaltet werden. Wie andere Hersteller hatte sich Opel freiwillig zur Nachrüstung bereiterklärt.

Auch der Motorenexperte Georg Wachtmeister fand, dass die EU-Vorschrift "schwammig" formuliert ist. Sie sei "ein großes Scheunentor", sagte der Münchner Professor. Wachtmeister war als technischer Sachverhalt Mitglied der Untersuchungskommission. Er verteidigte, dass das Verkehrsministerium und Kraftfahrt-Bundesamt abgesehen von VW nicht zu Nachrüstungen gezwungen habe, sondern auf Freiwilligkeit setzte. Rechtlich hätte man wohl nicht gegen die Hersteller gewonnen, sie aber "ein bisschen bei der Ehre gepackt".

Im Fall Opel erklärte Wachtmeister, der dort verwendete SCR-Kat, der mittels Harnstofflösung Stickoxide neutralisiert, sei zu klein geraten. Opel-Vertreter Dindorf entgegnete, dies sei widerlegt. Die Existenz von illegalen Abschalteinrichtungen wie im Fall VW war dem Experten unbekannt. "Um Gottes Willen, was machen die da", habe er gedacht.

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2. Staatssekretäre:Cum/Ex-Deals stets illegal

4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex)/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die sogenannten Cum/Ex-Deals, mit denen eine nur einmal abgeführte Steuer doppelt erstattet wurde, für illegal gehalten und alles versucht, sie zu verbieten. Das erklärten zwei ehemalige Staatssekretäre des BMF in der öffentlichen Sitzung des 4. Untersuchungsausschuss des Bundestages. Mit der Vernehmung von Axel Nawrath und Jörg Asmussen verlagerte der Ausschuss seine Zeugenbefragung auf die politische Ebene. Das Gremium tagte unter dem Vorsitz von Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU).

Nawrath war von 2006 bis 2009 als Staatssekretär unter anderem zuständig für Steuern. In diese Zeit fallen die erfolglosen Versuche des Ministeriums, die Cum/Ex-Praxis zu unterbinden. Nach seinen Worten war ihm Cum/Ex zu seiner Zeit als Staatssekretär kein Begriff. Das Problem der mehrfach ausgestellten Steuerbescheinigungen zu Lasten des Fiskus sei allerdings bekannt gewesen und sei auch mit dem Jahressteuergesetz 2007 aufgegriffen worden.

Damals sei versucht worden, eine Lösung für die unbefriedigenden Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Blick auf die Frage des Eigentums zu finden. Der BFH habe versucht, die Vorgaben des Gesetzgebers zu umgehen. Mit dem Jahressteuergesetz habe man eine technische Lösung dagegen setzen wollen, ohne die Frage des Eigentums neu zu deuten. Zur nachträglichen Kritik an dem Gesetz sagte Nawrath, es habe während des Gesetzgebungsverfahrens zu keiner Zeit Hinweise oder Bedenken gegeben, dass damit Cum/Ex-Geschäfte nicht völlig unterbunden werden könnten. "Hätten wir das gewusst, hätten wir was anderes gemacht." Trotzdem seien jene, die geglaubt hätten, das Gesetz ermuntere solche Deals, heute strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Denn es stehe fest, dass ausländische Banken nicht steuererstattungsberechtigt sind.

Das Verhältnis zum BFH war laut Nawrath getrübt. Es sei gewesen, "wie ein Treffen von Nord- und Südkorea an der Demarkationslinie". Jedesmal, wenn ein Gesetz gemacht worden sei, habe der BFH es ausgehebelt. Dabei würden Gesetze "für Menschen gemacht, die gesetzestreu sind, und nicht für Menschen mit krimineller Energie", sagte Nawrath. Das sei das Dilemma im Steuerrecht gewesen.

Zur umstrittenen Beschäftigung des Steuerexperten Arnold Ramackers in der Steuerabteilung des BMF sagte Nawrath, er habe nicht gewusst, dass dieser während seiner Beurlaubung von 2008 bis 2009 für die Bankenverbände gearbeitet habe und von diesen bezahlt worden sei. Ramackers sei ein "untadeliger Mitarbeiter" gewesen, diese ihm jetzt bekannt gewordene Konstellation "überrascht mich".

Auch Asmussen bezeichnete die Cum/Ex-Deals als "immer klar illegal". Er sei beruflich 2009 das erste Mal mit dem Thema konfrontiert worden. Anlass sei das BMF-Schreiben von 2009 zur Steuergestaltung bei Leerverkäufen gewesen, sagte er vor dem Ausschuss. Mit dem Schreiben war die Berufsträgerbescheinigung eingeführt worden, um die Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, was letztlich erst mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz von 2011 klappte. Das Schreiben sei aber nicht in seine Zuständigkeit gefallen, sondern in die der Steuerabteilung. "Für mich ist das Ganze ein Steuerthema", sagte er. In seinem Bereich habe es keine Steuerkompetenz gegeben.

Asmussen begann seine Karriere im BMF 1996 und war von 2008 bis 2011 Staatssekretär unter Peer Steinbrück (SPD) und unter Wolfgang Schäuble (CDU). Er war unter anderen für die Finanzmarktpolitik zuständig. Berichte über Steuerausfälle in Milliardenhöhe durch Cum/Ex-Transaktionen wollte Asmussen nicht kommentieren. Seines Wissens gebe es keine gesicherten Zahlen aus der Steuerverwaltung und dem BMF in diesem Zusammenhang.

Angesprochen auf die Zusammenarbeit mit der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin sagte er, er habe der Behörde keine Weisung in Bezug auf mögliche Missstände gegeben. Bei der BaFin gebe es bisher keine Steuerkompetenz, dies könne man aber ändern, so wie die Aufgaben der Behörde in der Vergangenheit schrittweise erweitert worden seien. Er wisse auch nicht, ob die BaFin Kenntnis von den Steuergestaltungen hatte, an ihn sei jedenfalls nichts herangetragen worden. Dazu komme, dass die Auffassung des BMF nicht die gängige Rechtsmeinung des BFH sei, die Finanzmarktaufsicht sich aber an diese Rechtsmeinung halte.

Hans-Jörg Vetter, bis November 2016 Vorstandsvorsitzender der baden-württembergischen Landesbank LBBW, gab zu Protokoll, dass das Institut von 2007 bis 2009 Cum/Ex-Geschäfte gemacht habe. Vetter hatte die Bank 2009 mitten in der Finanzkrise übernommen und erfolgreich saniert. Von dem Thema Cum/Ex habe er erstmals Mitte 2009 erfahren, und ab diesem Zeitpunkt habe es keine derartigen Geschäfte mehr gegeben. Ein Jahr später habe Cum/Ex dann auf der Agenda gestanden, und es seien Gutachten beauftragt worden. Anfang 2013 sei das Thema erneut aufgegriffen worden, und er habe die Vorgänge erneut überprüfen lassen. Auslöser sei unter anderem ein Urteil des Finanzgerichts Hessen gewesen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse seien an die Staatsanwaltschaft und die Finanzbehörden gemeldet worden, und es seien 150 Millionen Euro Körperschaftsteuer nachbezahlt worden. Dabei sei es um die Reputation der LBBW gegangen.

Zurzeit laufe ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Bank, sagte Vetter. Bisher sei bekannt, dass die zweite Führungsebene in die Geschäfte verwickelt sei. Er gehe aber davon aus, dass auch der Vorstand eingeweiht war. Bei den internen Untersuchungen seien auch Cum/Ex-Gutachten von KPMG und PwC aus den Jahren 2007 und 2008 sowie eines von Freshfields von 2011 gefunden worden. Generell habe er sich von Geschäften dieser Art zurückgehalten. "Einmal abführen und zweimal erstatten, da braucht man nicht diskutieren", sagte Vetter. Zum ähnlich gelagerten Thema Cum/Cum sagte Vetter, dazu könne er angesichts der vielen Varianten nichts sagen, bevor er nicht von der BaFin eine Definition dieser Geschäfte bekommen habe. "Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir da was gemacht haben", sagte Vetter.

Zuvor hatte der Ausschuss den früheren Leiter des Aktieneigenhandels der WestLB, Markus Bolder vernommen. Bolder, der 2007 aus der Bank ausgeschieden war, sagte aus, dass Cum/Ex-Geschäfte, wie sie in der Presse dargestellt würden, seines Wissens in der WestLB nicht getätigt worden sein. Cum/Ex sei für ihn kein Begriff gewesen. Das Thema Dividendenstripping sei ihm allerdings bekannt gewesen, da die Bank schon im Jahr 2000 Arbitrage-Geschäfte ausgeführt habe. Dass dabei Steuerbescheide doppelt ausgestellt worden seien, sei im Handel kein Thema gewesen. Von den Handelspartnern habe keiner gesagt, dass er sich die Kapitalertragssteuer auch erstatten lasse. Es sei deshalb so gut wie unmöglich gewesen, solche Transaktionen zu erkennen.

Für die Arbitrage-Geschäfte habe er jedes Jahr ein Budget bekommen, dass seine Mitarbeiter zum Kauf von Aktien eingesetzt hätten. Es treffe zu, dass alle Mitarbeiter im Bilde waren, aber dies betreffe die Arbitragegeschäfte. Cum/Ex-Transaktionen seien es nicht gewesen, denn dies impliziere, dass man von den doppelten Steuererstattungen wusste. "Dem ist nicht so", erklärte Bolder. Solche Geschäfte wären auch nicht genehmigt worden. Zudem sei die Bank immer auf der Käuferseite aufgetreten, "dass es plötzlich Leerverkäufe gab, konnten wir nicht sehen." Daher sei es durchaus möglich, "dass wir Käufer eines Cum/Ex-Geschäfts waren".

Es habe allerdings einen Fall gegeben, bei dem er Anzeichen für ein solches Geschäft bemerkt habe. Auf Nachfrage sei ihm gesagt jedoch worden, dass alles in Ordnung sei und von einem BFH-Urteil gedeckt wäre. Da sei er wohl "blauäugig" gewesen, sagte Bolder, der auch die Existenz diverser Gutachten zu Cum/Ex-Geschäften bestätigte. Letztendlich müssten sich die ausländischen Banken, die von diesen Deals profitiert hätten, dazu äußern. "Der Schlüssel ist die ausländische Bank."

Der ebenfalls als Zeuge geladene Werner Taiber, von 2006 bis 2012 Mitglied des Vorstands der WestLB, machte von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Sein Anwalt verwies zur Begründung auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen mehrere Vorstände der Bank im Zusammenhang mit Cum/Ex-Geschäften.

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3. Gewalttäter im Dienste des Verfassungsschutz

3. Untersuchungsausschuss (NSU)/Ausschuss

Berlin: (hib/FZA) Der Neonazi und einstige V-Mann Carsten Szczepanski alias "Piatto" war eine gute Quelle. Das attestiert jedenfalls der ehemalige stellvertretende Leiter des Verfassungsschutz Brandenburg, Jörg Milbradt, der als Zeuge vor dem 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) des Bundestages unter Vorsitz von Clemens Binninger auftrat.

Milbradt, der mittlerweile Rentner ist, war von 1991 bis 2004 für den Verfassungsschutz Brandenburg tätig. Die anhaltende öffentliche Kritik an seinem einstigen Arbeitgeber im Zuge der Enthüllungen um die rechte Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) teilt Milbradt offenkundig nicht. Den Vorwurf, die Verfassungsschutzbehörden hätten die Gefahren des Rechtsterrorismus in Deutschland verharmlost oder diesen sogar aktiv begünstigt, könne er für seine Behörde nicht gelten lassen. Im Gegenteil habe man in Brandenburg bereits früh Ansätze rechtsterroristischer Strukturen erkannt und sei dagegen vorgegangen, sagte Milbradt.

Auch den umstrittenen V-Mann Piatto alias Szczepanski nahm Milbradt in Schutz. Die Informationen, die Piatto geliefert habe, seien unter anderem Grundlage für mehrere erfolgreiche Verbotsverfahren gegen rechtsextreme Vereinigungen gewesen, so auch gegen den deutschen Ableger des internationalen Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour", an dessen Aufbau Szczepanski selbst beteiligt gewesen sein soll und zu dem auch mutmaßliche Unterstützter des NSU wie der sächsische Neonazi Jan Werner gehörten.

Tatsächlich war Szczepanski bis zu seiner Enttarnung im Sommer 2000 einer der umtriebigsten Spitzel im rechtsextremen Milieu. Anfang der 1990er Jahre war er unter anderem Rädelsführer eines deutschen Ablegers des Ku Klux Klan und stieg bald darauf zu einer der einflussreichsten Figuren in der militanten Neonaziszene auf - einschließlich bester Kontakte ins Ausland. Im Februar 1995 wurde er wegen versuchten Mordes an einem nigerianisch-stämmigen Lehrer zu acht Jahren Haft verurteilt. Das hielt den brandenburgischen Verfassungsschutz jedoch nicht davon ab, Szczepanski aus der Untersuchungshaft heraus als Informanten zu werben und ihn später unter anderem als Funktionär in die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) einzuschleusen.

Ein Umstand, für den der Vorsitzende Binninger deutliche Kritik fand. Das Anwerben eines Gewalttäters wie Szczepanski überschreite eine rote Linie, sagte Binninger und verwies auf eine entsprechende Gesetzesänderung, die auf Empfehlung des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages angestoßen worden ist. Danach ist es mittlerweile verboten, verurteilte Straftäter als Informanten zu werben. Milbradt wiederum betonte, seine Behörde sei nicht selbst auf Szczepanski zugegangen, vielmehr habe der sich aus der Haft heraus selbst als Quelle angeboten. Die Rekrutierung Szczepanskis sei zwar ein "offenkundiges moralisches Übel" gewesen, aus damaliger Sicht jedoch ein notwendiges.

Wie ebenfalls durch die Untersuchungen im NSU-Komplex bekannt geworden ist, lieferte Szczepanski im Auftrag des Verfassungsschutzes zwischen August und Oktober 1998 auch Informationen über das NSU-Trio, zu einem Zeitpunkt also, als die Gruppe gerade erst untergetaucht war und lange bevor sie ihre ersten Mordanschläge an insgesamt neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin beging. Szczepanski berichtete damals von drei sächsischen Skinheads, die auf der Flucht seien und sich nach Südafrika absetzen wollten. Die drei stünden in Kontakt mit Jan Werner, der ihnen Waffen für Überfälle besorgen solle.

Der Auftrag für diese Informationsbeschaffung kam, wie Mildbradt jetzt vor dem Ausschuss bestätigte, direkt vom Verfassungsschutz. In diesem Zusammenhang fragten die Abgeordneten auch nach einer SMS, die Jan Werner am 25. August 1998 an Szczepanskis Diensthandy geschrieben haben soll und in der Werner fragt: "Hallo, was ist mit dem Bums?". Naheliegend sei, so befand auch Milbradt, dass es dabei um die besagte Waffenbeschaffung ging. Weitere Hintergründe zu der SMS konnte der Zeuge allerdings nicht liefern. Er bestätigte nur, was vor ihm schon andere Verfassungsschützer ausgesagt haben: Die fragliche SMS habe Szczepanski nie erreicht. Sein Handy sei kurz zuvor abgeschaltet und ausgetauscht worden, weil es bei einer Telefonüberwachung von Werner durch das BKA aufgetaucht war und eine Enttarnung des V-Manns drohte.

Milbradt gab ebenfalls an, der Verfassungsschutz habe damals keinerlei Einfluss auf die Haftbedingungen seines V-Manns genommen, sondern einzig finanzielle Zuwendungen geleistet. Die Gefängnisleitung sei über Szczepanskis Tätigkeit als Spitzel informiert gewesen. Auffällig ist, dass Szczepanski ungewöhnlich früh Freigang bekam und zudem scheinbar unbehelligt aus dem Gefängnis heraus die rechtsextreme Zeitschrift "United Skins" vertreiben konnte. Der Ausschuss konfrontierte Milbradt außerdem mit dem nicht weiter belegten Vorwurf, Szczepanski habe bereits vor 1994 für eine andere Verfassungsschutzbehörde als Informant gearbeitet. Dafür gebe es keinerlei Hinweise.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 033 - 20. Januar 2017 - 09.23 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2017

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