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BUNDESTAG/6135: Heute im Bundestag Nr. 649 - 07.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 649
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 07. November 2016, Redaktionsschluss: 16.22 Uhr

1. Anhörung zu Luftsicherheitsgesetz
2. Probleme mit den Bandbreiten


1. Anhörung zu Luftsicherheitsgesetz

Inneres/Anhörung

Berlin: (hib/STO) Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes (18/9752) stößt bei Experten auf unterschiedliche Einschätzungen. Dies wurde am Montag bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zu der Vorlage deutlich. Mit der Neuregelung soll das nationale Recht an die EU-Luftsicherheitsverordnung und ihre Durchführungsbestimmungen angepasst werden. Zugleich soll der Vorlage zufolge das Sicherheitsniveau im Bereich der Luftfracht erhöht werden.

So soll das Bundesinnenministerium unter bestimmten Voraussetzungen ein "Einflug-, Überflug-, Start- oder Frachtbeförderungsverbot für einzelne Luftfahrzeuge oder eine näher bestimmte Gruppe von Luftfahrzeugen" verhängen können. Laut Ministerium sollen zudem zum Schutz des zivilen Luftverkehrs vor Anschlägen durch mögliche Innentäter die Vorschriften für die Zuverlässigkeitsüberprüfung verschärft werden: Danach bedürfen künftig auch die Arbeitnehmer, für die bislang eine sogenannte beschäftigungsbezogene Überprüfung durch den Arbeitgeber ausreichend war, einer behördlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung. Dies betreffe insbesondere das im Frachtbereich tätige Personal.

Darüber hinaus wird den Angaben zufolge erstmals die Zulassung und Überwachung der an der sicheren Lieferkette für Luftfracht beteiligten Unternehmen im nationalen Recht geregelt. Gleichzeitig würden die Verfahren konkretisiert, mit denen die europäischen Bestimmungen zur Kontrolle der Luftfahrtunternehmen, die Luftfracht oder Luftpost von einem Drittstaaten-Flughafen in die EU befördern, in Deutschland umgesetzt werden. Mit der Einführung einer bundeseinheitlichen Zertifizierungs- und Zulassungspflicht für Luftsicherheitskontrolltechnik sollen schließlich einheitliche Qualitätsstandards in allen Bereichen sichergestellt werden, in denen diese besondere Technik zum Einsatz kommt.

Professor Hartmut Aden von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht kritisierte die vorgesehenen "Beleihungsregelungen" zur Übertragung hoheitlicher Aufgaben an Private. Hier sehe der Gesetzentwurf eine bedenkliche Ausweitung vor, "weil die Beleihung erstmals auch auf bewaffnete Mitarbeiter von Beliehenen ausgeweitet wird". In einem Flughafen steige aber mit der Zahl der Waffenträger "nicht unbedingt die Sicherheit". Vielmehr könne es auch "im Ergebnis unsicherer werden". Auch gebe es gute Gründe zu vermuten, dass eine solche Regelung verfassungswidrig ist.

Professor Frank Bätge von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen verwies darauf, dass es bereits derzeit Beleihungsmöglichkeiten im Bereich der Personen- und Gepäckkontrolle gebe. Dies werde "jetzt nicht unbeträchtlich ausgeweitet" auf Zulassungs- und Zertifizierungsüberprüfungen sowie auf den Streifendienst in diesem Bereich. Im Gesetzentwurf werde nicht dargestellt, warum man eine Beleihung in diesem Bereich zulasse. Das müsse man "kritisch überdenken".

Der Rechtsanwalt Professor Elmar Giemulla begrüßte, dass die Zuverlässigkeitsüberprüfung an die Stelle der beschäftigungsbezogene Überprüfung treten solle. Letztere reiche für die Angehörigen der Lieferkette wohl nicht mehr aus und stelle auch ein großes Haftungsrisiko für die betroffenen Unternehmen dar, argumentierte Giemulla. Er verwies zugleich darauf, dass man auch bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung eine föderale Struktur mit 16 unterschiedlichen Landesbehörden habe. Daher "wäre vorzuschlagen, dass dieses Thema hier zentralisiert wird".

Harald Olschok, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheitswirtschaft, sagte, seine Organisation begrüße grundsätzlich den Gesetzentwurf. Olschok machte allerdings zugleich deutlich, dass sich auch sein Verband eine stärkere Zentralisierung gewünscht hätte, wie sie Giemulla angesprochen habe.

Gerhard Ott, Geschäftsführer der Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München, betonte mit Blick auf die Zuverlässigkeitsüberprüfung, die "Schaffung der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit bei Straftaten" erleichtere die Entscheidungsfindung der Behörden sehr stark. Sie werde auch zu einer Vereinheitlichung der Entscheidungspraxis bei den Ländern führen.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, bemängelte, der Gesetzentwurf manifestiere die in Deutschland vorhandene Behördenstruktur. Die Gewerkschaft der Polizei vertrete die Auffassung, "dass wir hier eine Zentralstelle bräuchten" und verfolge den Ansatz "Sicherheit aus einer Hand".

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2. Probleme mit den Bandbreiten

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die Internetwirtschaft sieht Probleme, den Internetkunden eine bestimmte Bandbreite für ihren Internet-Zugang garantieren zu können. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie wiesen am Montag sechs Verbände in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf hin, "dass die bei den Endkunden zur Verfügung stehenden Bandbreiten von einer Vielzahl von technischen und physikalischen Details abhängig sind, die nur zum Teil im Verantwortungsbereich des jeweiligen Anbieters liegen". In der Anhörung ging es um den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (18/9951). Damit will die Bundesregierung die Netzneutralität sicherstellen. "Internetzugangsanbieter müssen den gesamten Datenverkehr ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung grundsätzlich gleich behandeln, ungeachtet des Senders, des Empfängers, des Inhalts, der Anwendung, des Dienstes oder des Endgerätes", heißt es. Mit dem Entwurf soll auch aufgrund der EU-Verordnung 2015/2120 eine ausreichende Transparenz gegenüber Endnutzern hergestellt werden. So müssen Endnutzer darüber informiert werden, wie sich die angewandte Verkehrsmanagementpraxis auf die Qualität des Internetzugangsdiensts, die Privatsphäre des Endnutzers und den Schutz personenbezogener Daten auswirken könnte und wie sich Dienste, über die sie einen Vertrag abschließen, auf die Qualität und Verfügbarkeit ihrer jeweiligen Internetzugangsdienste auswirken. Auch sollen neue Bußgeldtatbestände eingeführt werden. Wenn ein Dienstanbieter den Datenverkehr unzulässig beschränkt, können Bußgelder bis zu 500.000 Euro verhängt werden.

Allerdings begrüßte die Internetwirtschaft das geplante Produktinformationsblatt mit Angaben zur minimalen, normalerweise zur Verfügung stehenden und der maximalen Bandbreite des jeweiligen Produkts. Damit werde ein "noch nie dagewesene Transparenz" für die Verbraucher geschaffen. Dies sah Susanne Blohm (Verbraucherzentrale Bundesverband) anders. Sie sprach von "flächendeckenden Problemen" und zitierte eine Qualitätsstudie der Bundesnetzagentur, nach der 77,1 Prozent der Nutzer mindestens 50 Prozent der vermarkteten Datenübertragungsrate und nur 15,9 Prozent die volle vermarktete Datenübertragungsrate erhalten hätten. Es gebe jetzt zwar präzise Informationen, aber es "ergeben sich daraus für Verbraucher keine durchsetzbaren Rechte, falls es zu wiederholten Abweichungen der vertraglich vereinbarten Datenübertragungsrate kommt". Blohm verlangte einen besseren Schutz der Verbraucher vor "Mogelpackungen". Wegen neuer Dienste wie Streamingplattformen steige die Nachfrage der Verbraucher nach größeren Bandbreiten. Umso größer sei die Unzufriedenheit der Verbraucher, wenn die Dienste über den eigenen Anschluss nicht funktionieren würden, weil die vertraglich vereinbarte Datenübertragungsrate nicht zur Verfügung gestellt werden könne. Wilhelm Eschweiler (Bundesnetzagentur) bezeichnete ein Sonderkündigungsrecht für Verbraucher als nicht erforderlich. Die bestehenden Vorschriften zum Schutz der Verbraucher seien ausreichend.

Thomas Lohninger vom Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich kritisierte den Entwurf. Die vorgesehenen Strafbestimmungen seien lückenhaft, viel zu niedrig angesetzt "und tendenziös zum Vorteil der Telekomindustrie und zum Nachteil einer effektiven Rechtsdurchsetzung ausgestattet". Man müsse der Regulierungsbehörde die Rechte geben, die Netzneutralität durchzusetzen und nicht dem Gesetz die Zähne ziehen. Volker Tripp (Digitale Gesellschaft) bescheinigte dem Entwurf "eine Reihe sinnvoller Regelungsansätze". Gleichwohl seien Änderungen erforderlich. So sei der Umfang der neu zu schaffenden Ordnungswidrigkeitentatbestände zu gering.

Eine Rolle spielten in der Anhörung auch Probleme mit Drittanbietern für Spiele und Klingeltöne, mit denen häufig Abonnements zu Stande kommen, ohne dass die Telefonkunden dies ausdrücklich wollen ("Abofallen"). Solche ungewollten oder untergeschobenen Abonnements ließen sich in der Vergangenheit nur durch Drittanbietersperren bei der Telefongesellschaft wirkungsvoll unterbinden. Solveig Orlowski (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten) erklärte, die Mobilfunkanbieter hätten bereits freiwillige Maßnahmen eingeführt, um die durch Marktteilnehmer verursachten Missstände zu beheben. Durch das neue "Redirect"-Verfahren würden Verbraucher auf eine Internetseite im Verantwortungsbereich des Mobilfunkanbieters umgeleitet, auf der sie den Zahlungsvorgang ausdrücklich bestätigen müssten. "Das ungewollte Antippen von Bannern kann damit nicht mehr zur Aktivierung eines kostenpflichtigen Abonnements führen", sagte Orlowski. Fabian Riewerts (Deutsche Telekom) bestätigte, dass das "Redirect"-Verfahren gut funktioniere.

Professor Thomas Fetzer (Universität Mannheim) befasste sich mit der Frage, ob der Gesetzentwurf im Bundesrat zustimmungspflichtig sei oder ob es sich nur um ein Einspruchsgesetz handele. Die besseren Argumente würden gegen die Zustimmungsbedürftigkeit sprechen, fasste Fetzer das Ergebnis seiner Prüfung zusammen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 649 - 7. November 2016 - 16.22 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2016

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