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BUNDESTAG/6090: Heute im Bundestag Nr. 604 - 19.10.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 604
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 19. Oktober 2016, Redaktionsschluss: 13.54 Uhr

1. Kontrolle der Nachrichtendienste
2. Familienkassen werden gebündelt
3. Arbeitgeber: Zu wenig Digitalisierung
4. Generalbundesanwalt zu Fall Al-Bakr
5. Reform des Unterhaltsvorschusses
6. Ausweitung der Lkw-Maut begrüßt


1. Kontrolle der Nachrichtendienste

Inneres/Ausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss hat den Weg frei gemacht für den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zur "weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes" (18/9040). Gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedete das Gremium die Vorlage, die am Freitag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, am Mittwoch in modifizierter Fassung.

Mit der Neuregelung soll sichergestellt werden, dass die Kontrollrechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) "intensiver, koordinierter und kontinuierlicher wahrgenommen werden können". Auch soll "die Arbeit der weiteren gesetzlich verankerten Gremien mit Kontrollfunktion für die Tätigkeit der Nachrichtendienste, namentlich die der G 10-Kommission (...) und des Vertrauensgremiums (...), stärker mit der Tätigkeit des PKGr verknüpft werden.

Zu diesem Zweck sieht die Vorlage vor, das Amt eines hauptamtlichen "Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums" zu schaffen. Dieser soll das Kontrollgremium bei seiner Arbeit einschließlich der Koordinierung mit den anderen Gremien unterstützen und als dessen verlängerter Arm die Rechte des Kontrollgremiums gegenüber der Bundesregierung und den Nachrichtendiensten des Bundes "auch in strategischer Hinsicht wahrnehmen". Zuarbeiten soll ihm ein Mitarbeiterstab in der Bundestagsverwaltung.

Zudem sollen "weitere Regelungen zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle insbesondere hinsichtlich der praktischen Arbeit des Kontrollgremiums getroffen" werden, heißt es in der Vorlage weiter. Des Weiteren werde das Kontrollgremium jährlich eine öffentliche Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes durchführen. Außerdem werde die Möglichkeit einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren bei nicht geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten eingeführt. Darüber hinaus sollen klarstellende Regelungen zum Vorsitz und zu den Zutrittsrechten des Gremiums getroffen und die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung konkretisiert werden. Ferner soll der Schutz für Hinweisgeber aus den Nachrichtendiensten verbessert werden.

Mit den Stimmen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion hatte der Ausschuss zudem einen Änderungsantrag der Koalition verabschiedet. Danach soll das für die Wirtschaftspläne der Dienste zuständige "Vertrauensgremium" des Bundestages dem Ständigen Bevollmächtigten im Benehmen mit dem PKGr Aufträge erteilen können, "soweit sein Recht auf Kontrolle nach der Bundeshaushaltsordnung reicht".

Die CDU/CSU-Fraktion verwies im Ausschuss darauf, dass das PKGr genügend Befugnisse zur Kontrolle der Nachrichtendienste habe, es seinen Mitgliedern aber an der Zeit fehle, sie anzuwenden. Daher schaffe man die Position des Ständigen Bevollmächtigen. Auch werde der Gesetzentwurf für eine bessere Verzahnung mit dem Vertrauensgremium und der G10-Kommission des Bundestages sorgen, die über Beschränkungsmaßnahmen der Geheimdienste beim Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis entscheidet.

Die SPD-Fraktion wertete die Vorlage als hilfreich für die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland, der mit der Vorlage zu einen "Quantensprung" verholfen werde. Mit der Einrichtung des Ständigen Bevollmächtigen als "verlängertem Arm" des PKGr und seinem Arbeitsstab sorge man hier für eine "Qualitätssteigerung".

Die Fraktion Die Linke argumentierte, der Gesetzentwurf enthalte zwar einige Regelungen, die sinnvoll sein könnten, aber halbherzig seien. In wesentlichen Punkten bringe die Vorlage jedoch keine Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle. Auch in der Anhörung zu dem Gesetzentwurf sei deutlich geworden, dass das Instrument des Ständigen Bevollmächtigten kritisch gesehen werde.

Wie Die Linke forderte auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mehr Minderheitenrechte bei der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste. Ferner kritisierte sie, dass es disziplinarrechtlich sanktionsfrei bleiben könne, wenn etwa das PKGr belogen werde. Zugleich zeigte sie sich überzeugt, dass es auch in Zukunft zu Geheimdienstskandalen kommen werde.

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2. Familienkassen werden gebündelt

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Das System der Kindergeldzahlungen an die Beschäftigten des Bundes wird neu organisiert und vereinfacht. Der Finanzausschuss stimmte in seiner Sitzung am Mittwoch dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes (18/9441) zu, nachdem die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zuvor noch zwei Änderungsanträge eingebracht hatten, denen der Ausschuss zustimmte. Statt der bisher zuständigen insgesamt 8.000 unterschiedlichen Kindergeldkassen soll für das Kindergeld in Zukunft entweder die Bundesagentur für Arbeit oder das Bundesverwaltungsamt zuständig sein, regelt der Entwurf, dem die Fraktionen CDU/CSU und SPD zustimmten, während sich die Linksfraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielten.

Nach Angaben der Bundesregierung wird in Deutschland für mehr als 16 Millionen Kinder Kindergeld gezahlt. Das Auszahlungsvolumen habe 2015 über 39 Milliarden Euro betragen. Festgesetzt und ausgezahlt werde das Kindergeld von den Familienkassen. Neben den 14 Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit, die das Kindergeld für rund 87 Prozent aller Kinder in Deutschland bearbeiten würden, gebe es über 8.000 einzelne Familienkassen des öffentlichen Dienstes für die übrigen 13 Prozent (Kinder von öffentlichen Bediensteten). "Bei einer derart hohen Anzahl von Familienkassen sind die Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung und ein moderner Verwaltungsaufwand nur schwer zu erreichen", begründet die Bundesregierung ihr Vorhaben. Die öffentlichen Arbeitgeber von Ländern und Kommunen sollen ebenfalls die Möglichkeit erhalten, Zuständigkeit und Fallbearbeitung an die Bundesagentur für Arbeit abzugeben.

Die CDU/CSU-Fraktion sprach von einem guten Gesetz, das strukturelle Verbesserungen schaffen werde. Damit könne die Verwaltung schlanker werden. Auch die SPD-Fraktion betonte, mit den Veränderungen könne die Verwaltung bürgerfreundlicher, effizienter und wirtschaftlicher werden. Dass es 8.000 Familienkassen gebe, sei ein "Irrsinn". Die Fraktion Die Linke bezeichnete es als sinnvoll, dass die Zahl der Familienkassen reduziert werden soll. Die Fraktion zeigte sich aber skeptisch, ob es zu den von der Regierung erwarteten Einsparungen kommen werde. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte, der Gesetzentwurf gehe in die richtige Richtung, aber man habe sich mehr gewünscht.

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3. Arbeitgeber: Zu wenig Digitalisierung

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Nach Ansicht der deutschen Arbeitgeber besteht auf mehreren Feldern in Politik und Gesellschaft großer Handlungsbedarf. Man dürfe nicht warten, bis die Folgen und Kollateralschäden eingetreten seien, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, am Mittwoch im Gespräch mit den Abgeordneten des Ausschusses für Wirtschaft und Energie unter Vorsitz von Peter Ramsauer (CSU). Neben der demografischen Entwicklung, auf die mit verschiedenen Maßnahmen wie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte und stärkere Nutzung des Arbeitskräftepotenzials in Deutschland geantwortet werden müsse, nannte Kramer das Bildungssystem, das er für stark unterfinanziert hält. Er befürwortete daher eine Aufhebung des bisher im Grundgesetz-Artikel 91b verankerten Kooperationsverbots, damit der Bund stärker zur Bildungsfinanzierung beitragen könne. Außerdem sorgte sich Kramer um die Wettbewerbsfähigkeit, die durch über dem Produktivitätszuwachs liegende Lohnsteigerungen in Gefahr geraten könne. Er kritisierte auch Sozialbeitragssatzsteigerungen. Der Gesamtbeitrag werde bald wieder über 40 Prozent liegen.

Die Digitalisierung betreffe nicht nur die Industrie, sondern die gesamte Gesellschaft, so dass er lieber von "Gesellschaft 4.0" statt nur von "Industrie 4.0" spreche, so Kramer. An den Schulen finde die Digitalisierung mit Ausnahme weniger engagierter Einzelfälle nicht statt, beklagte er. Das Spielen mit einem Handy sei keine Digitalisierung. Als letzten Punkt sprach der Arbeitgeberpräsident europäische Fragen an. Nach seinem Eindruck werden die europäische Handlungsfähigkeit und der solide Euro derzeit mehr geschwächt statt gestärkt.

In der Diskussion äußerte ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion die Sorge, dass die digitale Arbeitswelt mit regulatorischen Rezepten aus dem 19. Jahrhundert überzogen werden könne. Außerdem appellierte die Fraktion an die Unternehmen, mehr Mittel für die Forschung einzusetzen. Die gute wirtschaftliche Lage müsse genutzt werden.

Die SPD-Fraktion griff den Komplex "Gesellschaft 4.0" auf und erinnerte mit einem Beispiel aus der Raumfahrt daran, dass staatliche Investitionen Voraussetzung für Innovationen seien und Strukturen schaffen würden, in denen Unternehmen sich entwickeln könnten. So werde die Ariane-Rakete staatlich finanziert. Die Raketenentwicklung habe zu zahlreichen Innovationen geführt. Die SPD-Fraktion wies auch auf die Stärkung der Binnenkaufkraft hin. Stundenlöhne von 3,50 Euro seien Gesichte, nachdem der Mindestlohn eingeführt worden sei.

Die Fraktion Die Linke bezeichnete Regeln für die Wirtschaft als dringend erforderlich. Ein Beispiel sei der Mindestlohn, sagte ein Sprecher der Linksfraktion, der der Wirtschaft vorwarf, zu wenig an ihre gesellschaftliche Verantwortung zu denken. Angesichts hoher Gehälter und Versorgungsansprüche fehle ihm jedes Verständnis, wenn die Wirtschaft das ihrer Ansicht nach hohe Rentenniveau kritisiere. Seit dem Jahr 2000 habe es über einen langen Zeitraum faktisch Lohnstillstand gegeben, aber trotzdem seien die Investitionen nicht gestiegen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erinnerte an ihren vehementen Widerstand gegen das Rentenpaket. Denn durch das Paket komme es zu dem von Kramer kritisierten Anstieg der Rentenbeiträge. Zur Lösung der demografischen Probleme sei ein Einwanderungsgesetz notwendig, dessen Regeln sich an dem in Kanada praktizierten Punktesystem orientieren könnten. Aus dem derzeitigen Paragrafenchaos in Deutschland müsse eine "klare Linie" werden, forderte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Außerdem sprach sich die Fraktion für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung aus.

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4. Generalbundesanwalt zu Fall Al-Bakr

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/PST) Generalbundesanwalt Peter Frank hat im Rechtsausschuss zum Fall des mutmaßlichen Terroristen Dschaber al-Bakr, der sich in der Gefängniszelle erhängt hatte, Stellung bezogen. Dabei erläuterte er die Rechtslage, nach der auch bei der Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten zunächst die Landesbehörden für die Ermittlungen zuständig seien. Nur bei "besonderer Bedeutung" könne er als Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernehmen, wozu er allerdings einen Haftbefehl des Bundesgerichtshofs brauche. Dafür gebe es strenge Kriterien, die auch von der Rechtsprechung bestätigt seien. Sobald aufgrund der Ermittlungen in Chemnitz die erforderlichen gerichtsverwertbaren Erkenntnisse vorhanden gewesen seien, habe er den Fall übernommen, betonte Frank.

Dass der Beschuldigte al-Bakr auch danach in einem sächsischen Gefängnis verblieben sei, entspreche der gängigen Praxis. Die Bundesjustizbehörden verfügten über keine Haftanstalten, erläuterte Frank. Derzeit seien rund 80 Beschuldigte, gegen die er ermittle, in rund 40 Untersuchungsgefängnissen in ganz Deutschland untergebracht. Dazu, ob der sächsischen Justiz in diesem Fall Fehler unterlaufen seien, wollte Frank keine Stellung nehmen. Er wies aber darauf hin, dass die Unterbringung in einer speziellen Zelle für suizidgefährdete Personen einen schweren Eingriff in die Menschenrechte des Beschuldigten darstellten, weshalb hier sehr strenge Maßstäbe gälten.

Frank verteidigte vor dem Rechtsausschuss die Entscheidung, nach der die sächsische Polizei den zunächst gescheiterten Zugriff in Chemnitz durchgeführt hatte und nicht die Bundespolizei. Auch das entspreche der gängigen Praxis. Jedes Land habe dafür Spezialeinheiten, und die seien auch hier eingesetzt worden.

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5. Reform des Unterhaltsvorschusses

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Die geplante Reform des Unterhaltsvorschusses soll Anfang 2017 in Kraft treten. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Caren Marks (SPD), sagte am Mittwoch im Familienausschuss auf eine entsprechende Frage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, sie sei "optimistisch", dass das Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet werden kann. Marks konnte aber keinen konkreten Termin nennen, wann der Gesetzentwurf vorgelegt wird und wie sich die konkrete Kostenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen gestaltet. Bund und Länder hatten sich Ende vergangener Woche darauf geeinigt, dass die derzeitige Höchstbezugsdauer des Unterhaltsvorschusses von 72 Monaten entfristet und das Höchstbezugsalter des Kindes von zwölf auf 18 Jahre angehoben wird.

Alle Fraktionen im Familienausschuss begrüßten ausdrücklich die geplante Reform des Unterhaltsvorschusses. Einen Antrag der Linksfraktion zur Verbesserung der Lebenssituation von Alleinerziehenden (18/6651) lehnte der Ausschuss hingegen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Grünen ab. Die Linken hatten neben der Reform des Unterhaltsvorschusses unter anderem eine Weiterentwicklung von Kindergeld und Kinderzuschlag zu einer Kindergrundsicherung gefordert, den Ausbau der sozialen Infrastruktur für Familien, Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie bei der beruflichen Qualifikation von Alleinerziehenden.

Union und SPD verwiesen darauf, dass etliche Forderungen der Linken nicht in den Kompetenzbereich des Bundes sondern der Ländern fielen und dass der Antrag keine Vorschläge zur Finanzierung enthalte. Die beiden Fraktionen betonten zudem, dass die Koalition in dieser Legislatur bereits für Verbesserungen für die Alleinerziehenden gesorgt habe, beispielsweise durch die Erhöhung des Entlastungsbetrages.

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6. Ausweitung der Lkw-Maut begrüßt

Verkehr und digitale Infrastruktur/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen wird von Experten begrüßt. Dies wurde am Mittwoch bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur deutlich. Dabei ging es um den Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (18/9440).

Bisher erhebt der Bund die Lkw-Maut auf rund 12.800 Kilometer Bundesautobahnen sowie auf rund 2.300 Kilometer autobahnähnlichen Bundesstraßen. Der Großteil der rund 40.000 Kilometer Bundesstraßen sei jedoch nicht mautpflichtig, obgleich Lkw sämtliche Bundesstraßen befahren und die Verkehrsinfrastruktur damit belasten würden, heißt es im Gesetzentwurf. Um die Finanzierung der Bundesfernstraßen zu verbessern und damit eine moderne, sichere und leistungsstarke Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu gewährleisten, soll die Nutzerfinanzierung konsequent vorangetrieben werden. Daher soll die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden.

Die Bundesregierung will zudem spätestens bis Ende 2017 eine Ausweitung der Maut auf kleinere Lkw (3,5 bis 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht) und auf Fernbusse sowie die Einbeziehung der Lärmkosten prüfen.

Professor Torsten R. Böger von der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft begrüßt vor allem die weitere Stärkung der Nutzerfinanzierung. Insgesamt werde mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der verkehrspolitische Ansatz eines schrittweisen Umstiegs von der Steuer- hin zu einer Nutzerfinanzierung systematisch durch die horizontale Verbreiterung der Maut gestärkt, schreibt er in seiner Stellungnahme.

Stefan Gerwens, Pro Mobilität, begrüßte, dass im Gesetzentwurf der technische und organisatorische Rahmen zur Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ab Mitte 2018 geschaffen werden soll. Änderungsbedarf sieht er nicht. Er wies darauf hin, dass die Ausweitung der Lkw-Maut vor allem im regionalen Verkehr zu höheren Kosten für die Wirtschaft führen werde. Durch die zusätzliche Mittel für Investitionen in die Fernstraßen werde es aber auch eine Qualitätsverbesserung der Infrastruktur geben.

Professor Torsten Beckers, TU Berlin, wies vor allem auf die Gefahr der Verdrängung der Verkehre auf das untergeordnete Straßennetz (Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen) hin. Es gebe bisher noch keine Abschätzungen darüber, in welchem Ausmaß derartige Verdrängungen zu erwarten seien.

Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund) sprach sich "grundsätzlich" für die Ausweitung aus. Ziel müsse es jedoch sein, die Lkw-Maut auf das gesamte öffentliche Straßennetz auszudehnen, um für die Infrastrukturen aller staatlichen Ebenen einschließlich der Länder und Kommunen zusätzlichen Mittel für die Verkehrsinfrastrukturfinanzierung zu erhalten. Durch die Ausdehnung der Lkw-Maut würde die Problematik der Ausweichverkehre für das Netz der Bundesfernstraßen hinfällig. Das Problem bleibe allerdings bezüglich des nachgeordneten Netzes der Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. Es sei wichtig, dass durch entsprechende Beschilderung deutlich gemacht werde, welche Straßen mautpflichtig seien und welche nicht. Frank Schmid von Schmid Mobility Solutions hielt die Problematik der Ausweichverkehr im Gesetz für regelbar.

Werner Reh vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hielt die geplante Änderung für richtig. Eine Einbeziehung der Straßen der Länder und teilweise auch der Kommunen sei mit Blick auf die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse geboten. Leider sei allerdings die Frage, ob auf allen Bundesstraßen einheitlich Mautsätze erhoben werden könnten bisher ungeklärt, schreibt Reh. Er sprach sich dafür aus, dass die Lärmkosten einbezogen werden und auch Fernbusse Mautpflichtig sein sollten.

Henryk Bolik von der Ingenieurgruppe IVV hielt eine weitere Differenzierung der Mautsätze für sinnvoll. Dies sei auch technisch möglich und Michael Korn, Alfen Consult, sprach sich für gleiche Mautsätze auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen aus. Dazu müsse aber gegebenenfalls die Zustimmung der EU-Kommission eingeholt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 604 - 19. Oktober 2016 - 13.54 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2016

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