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BUNDESTAG/5646: Heute im Bundestag Nr. 160 - 16.03.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 160
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 16. März 2016, Redaktionsschluss: 12.02 Uhr

1. Forschungstransfer soll besser werden
2. Regierung zieht Lehren aus Ebola-Epidemie


1. Forschungstransfer soll besser werden

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROl) Der Transfer von Forschungsergebnissen und Innovationen in die Gesundheitsversorgung muss beschleunigt und verbessert werden. Darüber waren sich alle Sachverständigen einig, die am Mittwochvormittag zum Öffentlichen Fachgespräch "Stärkung und Beschleunigung des Transfers von Forschungsergebnissen und Innovationen in die Gesundheitsforschung" auf Einladung des Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in Berlin gekommen waren.

Marco Alves, Ärzte ohne Grenzen, machte deutlich, dass die Ärzte fast täglich an ihre Grenzen stoßen würden, da es sehr viele armutsassoziierte und vernachlässigte Krankheiten wie Buruli Ulcer oder die Afrikanische Schlafkrankheit gebe, die kaum behandelbar seien, weil Impfstoffe und Therapiemöglichkeiten fehlten. Aber auch der Anstieg von Antibiotikaresistenzen sei eine ernste Gefahr. Der Mangel sei insgesamt das Resultat eines Marktversagens des derzeitigen medizinischen Forschungssystems, da die Forschung und Entwicklung nur dann wirksame Anreize setze, wenn die Produkte am Ende lukrativ vertrieben werden könnten.

Professor Gerd Antes, Cochrane Deutschland, Universität Freiburg, forderte unter anderem, dass sich die Gesundheitsforschung und -versorgung grundsätzlich am Patienten orientieren müsste und nicht durch wirtschaftliche Interessen geleitet werden dürfe. Alle medizinischen Maßnahmen müssten zudem einem einheitlichen Regelwerk unterliegen, das sich an internationalen wissenschaftlichen Standards orientiert. Es dürfe keine Ausnahme für spezielle Hersteller geben.

Eine stärke Etablierung von interdisziplinären Forschungsinfrastrukturen und eine Optimierung der Kommunikationsstrukturen forderte Professor Jürgen Popp vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien. Er sprach sich für eine Forschung unter einem Dach aus. Die interdisziplinäre und transsektorale Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Vertretern der Industrie und Anwendern aus der Medizin könne den Prozess nachhaltig fördern.

Das Anliegen, die Effizienz und Effektivität des Transfers von Forschungsergebnissen maßgeblich zu steigern, begrüßte auch Professor Thomas Schmitz-Rode, Direktor des Instituts für Angewandte Medizintechnik der Medizinischen Fakultät im Helmholtz-Institut der RWTH Aachen. Er betonte, dass die steigenden Anforderungen und die zunehmende Komplexität entlang der Innovationskette das Innovationssystem bedrohe. Er führte aus, dass 68 Prozent der Medizintechnik exportiert werde. Deutschland stehe dabei für komplexe Lösungen und für die Beherrschung von Komplexität. Um den globalen Herausforderungen standzuhalten, müssten interdisziplinäre Kooperationen in Zukunft viel mehr angestrebt werden als bisher.

Katrin Sternberg, Aesculap AG, sagte, dass aufgrund der rasant zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit und der Herausforderung für Medizintechnikunternehmen exponentiell zu wachsen, beschleunigte Innovationsprozesse nötig seien. Neben den technologiegetriebenen Innovationen seien vor allem auf den klinischen Bedarf ausgerichtete Innovationen wichtig, aus denen Medizinprodukte mit einem nachweisbaren und langfristigen Patientennutzen resultieren.

Frank Wissing, Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland, hob hervor, dass insbesondere die frühen klinischen Studienphasen für den Erkenntnistransfer in der Universitätsmedizin wichtig seien. Diese Studien seien jedoch sehr schwer durch industrielle Partner zu fördern. Gleichzeitig stünden aber zu wenige universitäre Mittel oder öffentliches Fördergelder zur Verfügung. Diesen Flaschenhals gelte es zu beseitigen.

Um "die Innovationspipeline zu verbreitern und die Qualität zu erhöhen" setzte sich Rolf Zettl vom Berliner Institut für Gesundheitsforschung dafür ein, die "guten und sinnvollen Ansätze und Förderinstrumente" zu einer Gesamtstrategie zusammen zuführen. Zudem müsse eine Professionalisierung in den akademischen Einrichtungen stattfinden.

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2. Regierung zieht Lehren aus Ebola-Epidemie

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Die Bundesregierung will das Management bei globalen Gesundheitskrisen weiter verbessern und damit Lehren aus der Ebola-Epidemie ziehen, die zwischen Januar 2014 und November 2015 in Westafrika mindestens 11.300 Todesopfer gefordert hat. Seit Beginn des Jahres sei eine multidisziplinäre schnelle Expertengruppe einsatzfähig, die schon bei ersten Anzeichen eines Krankheitsausbruchs in den Partnerländern Unterstützung leisten könne, berichtete ein Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) am Mittwochmorgen im Entwicklungsausschuss. Außerdem wolle die Bundesregierung bis 2019 150 Millionen Euro pro Jahr in das Sonderprogramm "Gesundheit für Afrika" investieren, das die Stabilisierung und nachhaltige Stärkung von Gesundheitssystemen in den afrikanischen Partnerländern, besonders aber in den am meisten von Ebola betroffenen westafrikanischen Ländern, zum Ziel habe.

Wie der Regierungsvertreter weiter betonte, arbeite die Koalition derzeit zudem an einer Roadmap für den Aufbau robuster Gesundheitssysteme in den Entwicklungsländern. Eine der Prioritäten solle auf der Schaffung von Basisgesundheitsystemen liegen. Umgesetzt werden solle die Roadmap gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft, den Partnerländern sowie den großen Fonds, etwa dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria und der Impfallianz GAVI. Ein erster Entwurf solle im April fertig sein.

Eine Vertreterin des Auswärtigen Amtes wies auf Einrichtung des Europäischen Medizinischen Korps durch die Europäische Union hin. Im dessen Rahmen könnten die EU-Mitgliedstaaten und andere teilnehmende europäische Länder ab sofort medizinische Teams und Ressourcen für die schnelle Entsendung im Frühstadium eines Notfalls bereitstellen. So werde eine noch zügigere Reaktion gewährleistet. Darüber hinaus arbeite die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Aufbau einer "Global Health Emergency Workforce", die im Seuchenfall mobilisiert werden könne. Bedauern äußerte sie über die Tatsache, dass in den WHO-Notfallfonds, für den die WHO-Mitglieder im vergangenen Frühjahr Beiträge in Höhe von 100 Millionen US-Dollar zugesagt hätten, bisher nur 26,6 Milliarden US-Dollar eingezahlt worden seien.

Aus den Reihen der Linksfraktion stieß dieser Umstand ebenfalls auf Kritik. Die mangelnde Bereitschaft der Geber spreche nicht gerade dafür, dass die internationale Gemeinschaft aus den Erfahrungen mit Ebola gelernt habe, hieß es. Auch im Hinblick auf die Stärkung der WHO und den Aufbau von Basisgesundheitssystemen in den Entwicklungsländern geschehe noch viel zu wenig.

Eine Vertreterin der SPD-Fraktion bezweifelte zudem, dass die Ebola-Epidemie in Westafrika tatsächlich völlig zum Erliegen gekommen sei. Die Frage sei, ob das Augenmerk heute noch groß genug sei, um jeden Fall zu entdecken. Außerdem wies sie darauf hin, dass 500 medizinische Fachkräfte im Kampf gegen Ebola selbst der Krankheit zum Opfer gefallen seien. Sie würden nun bei der Bekämpfung anderer Krankheiten fehlen.

Ein Vertreter der Grünen-Fraktion nannte die Maßnahmen der Bundesregierung einen Schritt in die richtige Richtung, bezweifelte jedoch, dass die Weltgemeinschaft auf vergleichbare Gesundheitskrisen wie die Ebola-Epidemie inzwischen eingestellt sei.

Union und SPD verwiesen in diesem Zusammenhang auf die Ausbreitung des Zika-Virus in Süd- und Mittelamerika, das im Verdacht steht, in der Frühschwangerschaft Fehlbildungen bei Kindern hervorzurufen. Mit Blick auf die Olympischen Spiele, die im Sommer in Brasilien stattfinden, müsse sehr genau geschaut werden, wie Sportler und Besucher geschützt und eine weitere Ausbreitung verhindert werden könne.

Ein Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums sagte dazu, der Kontakt zu den Sportverbänden sei sehr eng, diese würden umfangreich informiert. Die WHO habe zudem einen Notfallplan entwickelt, der sich schwerpunktmäßig auf die Aufklärung und den Schutz der Bevölkerung sowie die weitere Erforschung des Virus konzentriere. Das Risiko, in Deutschland an Zika zu erkranken, bezeichnete er als gering. Allerdings könne es durch Reiserückkehrer zu lokalen Übertragungen kommen. Bislang gebe es 28 gemeldete Zika-Fälle in Deutschland. Vorausgesetzt der Bundesrat stimme zu, werde es ab dem 1. Mai in Deutschland eine Meldepflicht für Zika-Fälle geben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 160 - 16. März 2016 - 12.02 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2016

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