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BUNDESTAG/5543: Heute im Bundestag Nr. 057 - 27.01.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 057
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 27. Januar 2016, Redaktionsschluss: 18.19 Uhr

1. Sorge um Menschenrechte in der Türkei
2. Änderung der Zivilprozessordnung
3. Wohlstandsbericht verlangt
4. Wachstum von 1,7 Prozent erwartet
5. Sprengung von Geldautomaten
6. Einreisen über Grenze zu Tschechien


1. Sorge um Menschenrechte in der Türkei

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Abgeordnete und Vertreter der Bundesregierung haben sich am Mittwochnachmittag im Entwicklungsausschuss besorgt über die Lage der Menschenrechte in der Türkei geäußert. So sprach ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes von einer sehr kritischen Entwicklung in den vergangenen Monaten. Im Zuge der Kämpfe in den kurdischen Gebieten im Südosten des Landes seien bereits mehr als 200 Zivilisten getötet und weit über 700 verletzt worden. Der Grund sei, dass anders als bei früheren Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der kurdischen PKK, die Kämpfe diesmal in den Städten stattfänden. Dies sei auf eine neue Taktik der PKK zurückzuführen, zu der die Organisation sich auch öffentlich bekannt habe. Die türkische Regierung reagiere auf die Besetzung einzelner Stadtviertel mit massiven militärischen Operationen, die an manchen Orten bereits mehrere Wochen andauerten. Darunter leide vor allem die Zivilbevölkerung, erklärte der Außenamts-Vertreter. Er sprach von mehreren zehntausend Menschen, die bereits vor den Kämpfen geflohen seien.

Als besorgniserregend bezeichnete er zudem die Lage der Meinungs- und Pressefreiheit im Land. In vielen türkischen Universitäten werde derzeit gegen Akademiker vorgegangen, die einen am 11. Januar 2016 veröffentlichten Friedensaufruf unterzeichnet hätten, berichtete er. Einige seien vorübergehend verhaftet worden wegen des Vorwurfs, den Terrorismus zu unterstützen. Andere Unterzeichner würden an den Universitäten ausgegrenzt oder sogar entlassen. Darüber hinaus drohe dem nach Berichten über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes nach Syrien inhaftierten Chefredakteur der oppositionellen Tageszeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, laut Antrag der Staatsanwaltschaft lebenslängliche Haft. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes betonte aber, dass das größte Problem nicht die relativ geringe Zahl der inhaftierten Journalisten in der Türkei sei, sondern das Klima der Angst, das inzwischen in den Redaktionen herrsche.

Vertreter der Fraktion von Union und Bündnis 90/Die Grünen warfen der türkischen Regierung vor, nicht mehr allein die PKK zu bekämpfen, sondern auch gegen andere kurdische Gruppierungen vorzugehen. Eine Vertreterin der Linksfraktion sprach von einem Kampf gegen die eigene Bevölkerung, gerade in den Gebieten, in denen die pro-kurdische Partei HDP bei den Wahlen im Juni und November 2015 ihre größten Wahlerfolge habe verzeichnen können. Sie forderte die Bundesregierung auf, mehr Druck auf die türkische Regierung auszuüben und die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei auszusetzen, solange sich an der Lage der Menschenrechte nichts ändere.

Die SPD-Fraktion betonte, es dürfe keinen Rabatt in Menschenrechtsfragen geben, auch wenn die Türkei derzeit eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise spiele. Ein Vertreter der Grünen-Fraktion zeigte sich zudem überrascht über die jüngsten Forderungen, die Türkei zum sicheren Herkunftsstaat zu erklären. Von der Bundesregierung verlangte er, auf Menschenrechtsverletzungen der Türkei "lauter" zu reagieren.

Abgeordnete mehrerer Fraktionen wiesen zudem besorgt auf einen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hin, demzufolge die Türkei syrische Flüchtlinge an der syrisch-türkischen Grenze illegal zurückweisen soll. Mehrere syrische Flüchtlinge hätten beschrieben, wie sie selbst oder andere Opfer illegaler Rückschiebungen nach Syrien geworden seien, teils unter Einsatz von Gewalt.

Diesen Bericht konnte der Vertreter des Auswärtigen Amtes nicht bestätigen. Die Bundesregierung, erklärte er, vertraue darauf, dass der türkische Staat sich an die internationalen Regeln halte. Bislang, betonte er, sei die Türkei zudem mit den mehr als zwei Millionen Flüchtlingen im Land sehr gut umgegangen.

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2. Änderung der Zivilprozessordnung

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Die Grünen wollen eine 2002 in Kraft getretene Bestimmung der Zivilprozessordnung wieder abschaffen und haben dazu einen Gesetzentwurf (18/7359) vorgelegt. Der damals in Paragraph 522 der Zivilprozessordnung eingefügte Absatz 2 sollte Berufungsgerichte entlasten. Er gibt ihnen die Möglichkeit, durch einstimmigen Beschluss eine Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Wegen der uneinheitlichen Anwendung kam es 2011 zu einer erneuten Reform, bei der diese Bestimmung enger gefasst wurde. Nach Einschätzung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat aber auch diese Neufassung die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. "Die Rechtsunsicherheit und Ungleichheit im Rechtsmittelrecht besteht fort", heißt es in dem Gesetzentwurf.

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3. Wohlstandsbericht verlangt

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung soll zusammen mit dem Jahreswirtschaftsbericht 2017 auch einen Jahreswohlstandsbericht vorlegen. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/7368). Der Bericht soll vier Dimensionen beschreiben: eine ökologische Dimension (Indikatoren zum Verbrauch natürlicher Ressourcen und zur Biodiversität), eine soziale Dimension (Indikatoren zur Einkommensverteilung sowie zum Bildungs- oder Gesundheitszustand), eine ökonomische Dimension (Indikatoren zur Wohlfahrtsentwicklung und zur ökologischen Modernisierung der Wirtschaft) sowie eine gesellschaftliche Dimension (Indikatoren zur Lebenszufriedenheit und zur Good Governance).

Ein Wohlstandsbericht ermögliche eine wissenschaftlich fundierte Diskussion der Wirkungen der Regierungsarbeit auch auf die Bereiche, die im Jahreswirtschaftsbericht mit dessen Fokussierung auf das Wirtschaftswachstum ausgeblendet würden, erhoffen die Abgeordneten. Sie verweisen darauf, dass der wirtschaftliche Erfolg bei vielen Menschen nicht ankomme. Werder die Einkommen noch die Zukunftschancen seien fair verteilt. "Wir wirtschaften allzu oft auf Kosten von Mensch, Natur und Umwelt" wird kritisiert.

Der Maßstab Bruttoinlandsprodukt signalisiere aufgrund seiner "sozialen Gleichgültigkeit" einerseits und seiner "Naturvergessenheit" andererseits einen Wohlstand, der sich im Lichte einer Orientierung an gesamtgesellschaftlichem Wohlstand zunehmend als illusionär erweise. "Denn in der Regel wird ignoriert, dass das wirtschaftliche Wachstum sich massiv auf Vorleistungen aus dem sozialen System sowie dem ökologischen System stützt", wird kritisiert.

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4. Wachstum von 1,7 Prozent erwartet

Wirtschaft und Energie/Unterrichtung

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von real 1,7 Prozent. Damit soll der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts ähnlich hoch ausfallen wie im vergangenen Jahr (1,7 Prozent) beziehungsweise im Jahr 2014 (1,6 Prozent). Wie es in dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (18/7380) vorgelegten "Jahreswirtschaftsbericht 2016 - Zukunftsfähigkeit sichern - die Chancen des digitalen Wandels nutzen" weiter heißt, befindet sich Deutschland "auf einem soliden Wachstumskurs". Trotz des schwierigen internationalen Umfelds befinde sich die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Die realen Bruttolöhne hätten im vergangenen Jahr den höchsten Zuwachs seit mehr als zwei Jahrzehnten erzielt. Im vergangenen Jahr seien 43 Millionen Personen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, "mehr als jemals zuvor", wie die Regierung lobt.

Der Bericht geht auch auf den anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen ein. Die hohe Zuwanderung werde sich zunächst nur wenig auf den Arbeitsmarkt auswirken, wird prognostiziert. Aus dem Zustrom würden sich jedoch "neue, gewaltige Herausforderungen" ergeben. Für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive solle es eine zügige und nachhaltige Arbeitsmarktintegration geben.

Enorme Potenziale für zusätzliche Wertschöpfung bietet nach Ansicht der Bundesregierung die Digitalisierung. Die Unternehmen seien gefordert, ihre bisherigen Geschäftsmodelle zu hinterfragen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Bundesregierung sichert zu, den digitalen Wandel durch angemessene Infrastrukturen und ein "digital-freundliches Umfeld" zu sichern. Außerdem will die Regierung den Bürokratieabbau weiter vorantreiben und den Zugang zu Wagniskapital für innovative Gründungen erleichtern. Der Kurs einer wachstumsorientierten und nachhaltigen Finanzpolitik soll fortgesetzt, die Schuldenstandsquote auf weniger als 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert werden.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist wirtschaftliches Wachstum eine wesentliche Grundlage des Wohlstands in Deutschland: "Das Wirtschaftswachstum zu stärken ist daher ein wesentliches Ziel der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung. Neben der Höhe des Wachstums müsse auch die Wachstumsqualität im Fokus wirtschafts- und finanzpolitischer Erwägungen stehen. Es gehe um eine wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklung. Deutschland stehe zu seinen Klimaschutzzielen, wird versichert.

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5. Sprengung von Geldautomaten

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Um versuchte oder vollzogene Sprengungen von Geldautomaten geht es in der Antwort der Bundesregierung (18/7313) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/7145). Danach geht das Bundeskriminalamt davon aus, dass es im vergangenen Jahr mit Stand vom 23. Dezember zirka 130 entsprechende Fälle in Deutschland gegeben hat.

Zur Frage nach der regionalen Verteilung der Automatensprengungen schreibt die Bundesregierung, dass aktuell deutliche Schwerpunkte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu erkennen seien. Darüber hinaus seien auch Berlin, Brandenburg und Hessen überdurchschnittlich betroffen. Dies entspreche weitgehend auch den langjährigen Beobachtungen. Auffällig sei, dass die großen Flächenländer Baden-Württemberg und Bayern nur sehr selten betroffen sind.

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6. Einreisen über Grenze zu Tschechien

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Seit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen am 13. September vergangenen Jahres sind laut Bundesregierung bis zum 30. November rund 2.450 Menschen bei der unerlaubten Einreise über die deutsch-tschechische Grenze festgestellt worden. Wie die Regierung in ihrer Antwort (18/7312) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/7144) ferner ausführt, kam es im Jahr 2015 in keinem Fall zu einer Zurückweisung von Asylsuchenden an der deutsch-tschechischen Grenze. "Eine Zurückweisung von Personen, die im Rahmen der Grenzkontrolle um Asyl in Deutschland nachsuchen, erfolgt derzeit nicht", heißt es in der Antwort.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 057 - 27. Januar 2016 - 18.19 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2016

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