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BUNDESTAG/5395: Heute im Bundestag Nr. 595 - 11.11.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 595
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 11. November 2015, Redaktionsschluss: 17.02 Uhr

1. Lage im Osten unterschiedlich beurteilt
2. Kein EU-Beitritt zur EMRK
3. Anhörung zu Bausparkassen beschlossen
4. Fehlerhafte Lohnsteuerdaten
5. Alte Kleinwaffen werden vernichtet
6. Weniger Wohngeldempfänger


1. Lage im Osten unterschiedlich beurteilt

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Koalitions- und Oppositionsfraktionen haben ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung ein unterschiedliches Bild von der Lage in den neuen Ländern gezeichnet. Bei der Beratung des von der Bundesregierung als Unterrichtung vorgelegten Jahresberichts zum Stand der deutschen Einheit (18/6100) erklärte ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion am Mittwoch im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, die Entwicklung in den neue Ländern sei ein Erfolgsweg. Es gebe die blühenden Landschaften, auch wenn es durchaus noch Probleme zu lösen gebe. Dass die Wirtschaftskraft in den neuen Ländern immer noch hinter der der westdeutschen Bundesländer zurückbleibe, liege auch an den im Osten fehlenden Konzernzentralen. Würde es in den neuen Ländern Konzernzentralen geben, wäre die Wirtschaftskraft zehn Prozentpunkte höher.

Die SPD-Fraktion erklärte, die Wirtschaftskraft in den neuen Ländern habe sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Der Bericht der Bundesregierung sei beeindruckend, obwohl noch viel Arbeit zu leisten sei. Von der Einführung des Mindestlohns hätten gerade in Ostdeutschland viele Beschäftigte profitiert.

Die Linksfraktion sah dagegen viele Diskrepanzen bei der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in den alten und neuen Bundesländern. Seit zehn Jahre bleibe der Abstand bei der Wirtschaftskraft gleich. In jüngster Zeit sei es zu einer ungleichen Verteilung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr zum Nachteil des Ostens gekommen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte den Bericht der Bundesregierung als reine Faktensammlung in der Schlussfolgerung fehlen würden.

In ihrem Bericht schreibt die Bundesregierung von einem beachtlichen Aufholwachstum in den neuen Ländern und bezeichnet den Aufbau Ost als "insgesamt gelungen". Allerdings wird auch eingeräumt, dass der Abstand in der durchschnittlichen Wirtschaftskraft zwischen den neuen und den alten Ländern auch heute noch groß sei. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner liege die Wirtschaftsleistung der neuen Länder bei rund 67 Prozent des Westniveaus. Auch bei der relativen Arbeitsproduktivität hätten die neuen Länder erst 71 Prozent des westdeutschen Niveaus erreicht. Die Gründe für den langsam verlaufenden Angleichungsprozess seien die geringere Exportquote der Unternehmen in den neuen Ländern, niedrigere Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft. Es gebe kein im deutschen Börsenleitindex DAX-30 notiertes Unternehmen. Mit Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU lehnte der Ausschuss zwei Anträge der Linksfraktion (18/6195, 18/4972) ab.

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2. Kein EU-Beitritt zur EMRK

Europa/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Professor Juliane Kokott, hält einen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) "bis auf Weiteres" für ausgeschlossen. Zwar habe die EU durch den Vertrag von Lissabon die Ermächtigungsgrundlage für einen solchen Beitritt geschaffen, sagte Kokott am Mittwochnachmittag im Europaausschuss. Doch habe der EuGH im Dezember vergangenen Jahres schwere Bedenken gegenüber dem Entwurf des Beitrittsübereinkommens geäußert und erklärt, dass er einen Beitritt in der von der EU geplanten Form für unvereinbar mit den unionsrechtlichen Vorschriften halte. Ein wichtiger Kritikpunkt sei, dass sich der EuGH in Falle eines Beitritts zur EMRK den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unterwerfen müsse. Auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union würde der Menschenrechtsaufsicht des Gerichthofes unterstellt. Dies liefe nach Ansicht der Richter wesentlichen Strukturprinzipien der EU zuwider.

Kokott betonte indes, sie halte einen Beitritt für möglich, wenn einige technische Details im Entwurf geändert würden. Ein Beitritt zur EMRK sei "gut und geboten", die Entscheidung des EuGH "symbolisch schlecht". Dennoch hält die Generalanwältin die Auswirkungen auf den Einzelnen in der Praxis für begrenzt, da die Grundrechte-Charta der Europäischen Union sich bereits an der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta orientiere.

Kokott äußerte sich im Ausschuss auch zum EuGH-Urteil im Fall Alimanovic vom 15. September 2015. Danach können die EU-Staaten Unionsbürger auch dann von beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausschließen, wenn sie arbeitssuchend sind und aufgrund der Arbeitssuche ein Aufenthaltsrecht haben. Nach einem Zeitraum von sechs Monaten nach der letzten Beschäftigung können dem Antragsteller jegliche Sozialleistungen durch die Mitgliedstaaten verweigert werden. Kokott betonte, damit habe der EuGH die bisher "sehr unionsbürgerfreundliche Rechtsprechung" präzisiert und eingeschränkt. Die Lösung sei wegen der beschlossenen Einzelfallprüfung praxistauglich und zeige Verständnis für die Mitgliedstaaten, die Sozialtourismus verhindern wollten.

Als dritten Punkt ging Kokott auf Fragen zum Transatlantischen Handelsabkommen (TTIP) ein. Zum weit verbreiteten Misstrauen gegenüber dem Investorenschutz und den damit verbundenen Schiedsgerichten zur Schlichtung von Konflikten zwischen Investoren und Staaten, sagte die Anwältin, die Kritik beziehe die Reformen der vergangenen Jahre oft nur ungenügend ein. So könnten Schiedsgerichtsverfahren heute unter Umständen sogar transparenter sein als Verfahren am EuGH oder an deutschen Gerichten. Zum Vorschlag von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, ein internationales Investitionsgericht mit fest ernannten, qualifizierten Richtern und Berufungsmöglichkeiten zu schaffen, äußerte sich Kokott indes skeptisch. Die Frage sei, ob eine solche Institution unionsrechtlich überhaupt zulässig wäre und die nötige Akzeptanz erhalten würde. So berge ein Investitionsgericht das große Potenzial eines Konfliktes mit dem Europäischen Gerichtshof.

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3. Anhörung zu Bausparkassen beschlossen

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss wird am Montag, den 23. November, eine öffentliche Anhörung zu den deutschen Bausparkassen durchführen. Dies beschloss der Ausschuss in seiner Sitzung am Mittwoch. Grundlage der Anhörung ist der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen (18/6418). Mit der Gesetzesänderung sollen die durch das anhaltend niedrige Kapitalmarktzinsniveau vor neuen Herausforderungen stehenden Bausparkassen gestärkt werden, in dem sie auch das Pfandbriefgeschäft betreiben dürfen. Die Bausparkassen erhalten außerdem die Möglichkeit, in höherem Umfang als bisher sonstige Baudarlehen neben den eigentlichen Bausparkassendarlehen zu gewähren.

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4. Fehlerhafte Lohnsteuerdaten

Finanzen/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Nach einer Software-Aktualisierung sind 82.339 Datensätze der Meldebehörden von der Finanzverwaltung nicht korrekt weiterverarbeitet worden und haben zu fehlerhaften Angaben für den Lohnsteuerabzug geführt. Dies teilte die Bundesregierung in einer Antwort (18/6507) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/6351) mit. Insgesamt seien 28.287 Arbeitnehmer betroffen gewesen, deren Arbeitgeber aufgrund der übermittelten fehlerhaften Daten zum Teil zu viel Lohnsteuer vom Gehalt abgezogen hatten. Die Finanzverwaltung arbeitet an Maßnahmen, um ähnliche Fehler in Zukunft zu vereiden. An dem Elektronischen Lohnsteuerabzugsverfahren nehmen insgesamt 38,5 Millionen Arbeitnehmer teil.

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5. Alte Kleinwaffen werden vernichtet

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Nach den Kleinwaffengrundsätzen der Bundesregierung müssen staatliche Empfänger von kleinen und leichten Waffen grundsätzlich eine Erklärung abgeben, in der sie sich verpflichten, dass sie die durch die Neubeschaffung zu ersetzenden Waffen vernichten. Diese Grundsätze seien seit dem 18. März 2015 in Kraft, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/6528) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/6352). Vor Verabschiedung der Kleinwaffengrundätze habe das Prinzip "Neu für Alt" gegolten. Dabei seien Antragsteller auf Exporte aufgefordert worden, Bestimmungen zur Vernichtung von alten Waffen in die Lieferverträge aufzunehmen. Eine zwingende Genehmigungsvoraussetzung sei dies nicht gewesen.

In der Antwort berichtet die Bundesregierung von einer Waffenvernichtungsaktion durch das mexikanische Militär am 3. August 2006. Dabei seien 650 Kurzwaffen und 650 Langwaffen vernichtet worden. Ein Angehöriger der deutschen Botschaft habe die Vernichtungsaktion beobachten können.

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6. Weniger Wohngeldempfänger

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Unterrichtung

Berlin: (hib/SCR) Die Zahl der Wohngeldempfänger ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Erhielten 2010 knapp über eine Million Haushalte Wohngeldzuschüsse, waren es Ende 2013 rund 665.000. Dies geht aus einer Unterrichtung des Bundesregierung (18/6540) über den Wohngeld- und Mietenbericht 2014 hervor. Den Rückgang begründet die Bundesregierung sowohl mit der Entwicklung am Arbeitsmarkt und der allgemein Einkommenssteigerung als auch mit der Streichung der Heizkostenkomponente 2011 und der jährlichen Regelbedarfserhöhung. Außer den Wohngeldempfängern erhielten 2013 weitere 3,9 Millionen Haushalte Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung nach Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch. Insgesamt übernahm die öffentliche Hand 2013 Wohnkosten von 16,5 Milliarden Euro, davon profitierten elf Prozent aller Haushalte.

Mit Bezug auf die Wohnungsmärkte sind laut Bundesregierung vor allem in wirtschaftsstarken Zuzugsräumen und vielen Groß- und Universitätsstädten weiterhin deutliche Mietsteigerungen und teils Wohnungsmarktengpässe zu verzeichnen. Gründe hierfür seien hohe Nettozuwanderungszahlen sowie eine durch die positive Konjunkturentwicklung gestiegene Nachfrage, denen viele Jahre eine zu geringe Bautätigkeit gegenüber gestanden habe, heißt es in dem Bericht.

Die Dynamik an den Wohnungsmärkten zeigt sich auch im Mietniveau. Die durchschnittliche Bruttokaltmiete betrug demnach 2014 im Schnitt 7,10 Euro je Quadratmeter. In dieser sind kalte Betriebskosten wie Wasser, Abwasser und Müllabfuhr eingerechnet. Mit Bezug auf die Nettokaltmiete zeigen sich laut Bericht deutliche regionale Unterschiede: In ländlichen Kreisen liegt sie im Schnitt bei 5,50 Euro pro Quadratmeter, in städtischen Umlandkreisen bei 6,70 Euro, in Hochschulstandorten bei 8,49 Euro und in Metropolkernen bei 8,79 Euro. In München lag der Quadratmetermietzins bei Erst- und Wiedervermietung bei bis zu 13,99 Euro.

Über die Zeit gesehen ist der Mietindex des Verbraucherpreisindex zwischen 2011 und 2014 um 1,3 Prozent jährlich gestiegen. Damit habe sich die "gemäßigte Entwicklung der Bestandsmieten" fortgesetzt, heißt es in dem Bericht. Anders sieht es bei Erst- und Wiedervermietungen aus. Hier war zwischen 2011 und 2014 eine jährliche Steigerung von 3,4 Prozent zu verzeichnen. Metropolkerne (knapp fünf Prozent jährlich) und Universitätsstädte (ebenfalls knapp fünf Prozent mit Ausnahme von 2014) entwickelten sich überdurchschnittlich.

Die Mietbelastung, das Verhältnis von bruttowarmen Mietausgaben zum Haushaltseinkommen, lag 2013 im Schnitt bei 29 Prozent. Überdurchschnittlich viel für die Miete wandten mit 34 Prozent Ein-Personen-Haushalte auf. Auch Rentnerhaushalte lagen mit 33 Prozent über dem Schnitt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 595 - 11. November 2015 - 17.02 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2015

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