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BUNDESTAG/5369: Heute im Bundestag Nr. 569 - 04.11.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 569
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 04. November 2015, Redaktionsschluss: 12.07 Uhr

1. Portoerhöhung stößt auf Kritik
2. Arbeitsministerium beziffert Mehrkosten
3. Kommunen müssen weiter zahlen
4. Wissenschaftliche Verantwortung
5. Kein Strafrecht bei Sterbehilfe


1. Portoerhöhung stößt auf Kritik

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die von der Deutschen Post AG geplante Erhöhung des Briefportos zum 1. Januar 2016 ist im Ausschuss für Wirtschaft und Energie auf Kritik gestoßen. Das Unternehmen will den Preis für den Standardbrief um 13 Prozent von derzeit 62 Cent auf dann 70 Cent erhöhen.

Die CDU/CSU-Fraktion sprach in der Sitzung des Ausschusses am Mittwoch von einer "signifikanten Erhöhung". Ein Sprecher der Fraktion erklärte, vor der Änderung der Post-Regulierungsverordnung in diesem Jahr wäre eine Erhöhung dieses Ausmaßes nicht möglich gewesen. Nach Angaben der Bundesregierung wurde die Post-Regulierungsverordnung zur Sicherstellung des Universaldienstes (flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen) geändert. Dem regulierten Unternehmen Deutsche Post AG werde damit eine höhere Umsatzrendite zugestanden, um auf die wirtschaftlichen Herausforderungen wachsender digitaler Konkurrenz angemessen reagieren zu können. Der Briefmarkt ist rückläufig. Die Preise müssen auch weiterhin von der Bundesnetzagentur genehmigt werden.

Die SPD-Fraktion verwies auf Beschwerden über den Universaldienst. Es werde Klage geführt, dass die Zustellung an sechs Tagen in der Woche nicht mehr zuverlässig erfolge und immer weniger Briefkästen auch sonntags geleert würden. Unabhängige Laufzeitmessungen fänden nicht mehr statt, so dass man nicht wisse, ob 95 Prozent der Briefe tatsächlich am folgenden Tag beim Empfänger seien.

Die Linksfraktion hatte den Eindruck, "dass bei der Post nicht alles in Ordnung ist". Das Unternehmen gliedere Teile aus und wolle niedrigere Löhne zahlen, wolle aber zugleich die Preise erhöhen. Die Deutsche Post AG mache drei Milliarden Euro Gewinn, erklärte ein Sprecher der Linksfraktion. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erinnerte an eine frühere Äußerung der Bundesregierung, wonach eine "moderate" Preiserhöhung zu erwarten sei. Ein Plus von 13 Prozent für den Standardbrief sei aber nicht moderat. Die Post habe außerdem die Briefmarken mit dem neuen Porto schon drucken lassen, ehe die Bundesnetzagentur die Preise genehmigt habe. Es bestehe der Verdacht auf eine Quersubventionierung aus den Briefportoerlösen für den hart umkämpften Paketmarkt.

Die Bundesregierung erklärte, die geplante Preiserhöhung für alle Briefprodukte mache im Durchschnitt sieben Prozent aus. Die Angaben von Bündnis 90/Die Grünen, dass Großkunden verschont würden, seien auch nicht richtig. In diesem Segment sollten die Preise um vier Prozent steigen. Die Regierung verwies darauf, dass die Briefpreise in Deutschland im internationalen Vergleich auch nach einer möglichen Portoanhebung immer noch moderat seien. Zum Teil viel höher seien die Preise in Dänemark (1,34 Euro), Finnland (1,10), Italien (0,80), Vereinigtes Königreich (0,78) und Frankreich (0,76). Dass die Briefmarken mit dem neuen Porto schon gedruckt seien, stieß bei der Bundesregierung auf Missfallen. Zum Vorwurf der Quersubventionierung hieß es, potenziell höhere Einnahmen im Briefsektor dürften nicht zu wettbewerbswidrigen Preisstrategien in anderen Segmenten missbraucht werden.

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2. Arbeitsministerium beziffert Mehrkosten

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) rechnet zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms mit Mehrkosten von rund 2,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Das führten Regierungsvertreter am Mittwochvormittag im Ausschuss für Arbeit und Soziales aus. Sie betonten zugleich, dass es sich dabei bisher um Berechnungen des Ministeriums handele und man vor der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses zum Etat für 2016 noch keine definitiven Aussagen zum Haushalt machen könne. Nach den Kalkulationen des BMAS, die von 800.000 Flüchtlingen in diesem und im nächsten Jahr ausgehen, müssten die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik um rund 800 Millionen Euro und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um rund 1,7 Milliarden Euro gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsentwurf aufgestockt werden, um die Herausforderungen der Zuwanderung zu bewältigen. Dazu gehöre auch die Bewilligung von 2.800 neuen Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit, von denen 2.000 unbefristet angelegt seien, hieß es von Seiten der Bundesregierung.

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3. Kommunen müssen weiter zahlen

Verkehr und digitale Infrastruktur/Ausschuss

Die Kommunen werden nicht von der Pflicht befreit, sich mit einem Drittel an den Kosten an dem Bau von Bahnübergängen und Brücken an Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen zu beteiligen. Einen entsprechenden Antrag der Fraktion Die Linke (18/3051) lehnte der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur am Mittwochvormittag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen ab.

Die Linke fordert in ihrer Initiative die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf mit der Befreiung von den Kosten für die Kommunen vorzulegen, da viele Kommunen nicht in der Lage seien, diesen finanziellen Belastungen nachzukommen. In einigen Fällen überstiegen die finanziellen Aufwendungen die Haushaltsbudgets der Kommunen um ein Mehrfaches. In der Folge führe das dazu, dass Strecken mangels Verkehrssicherheit nicht freigegeben werden könnten. Wirtschaftlich notwendig Reaktivierungen oder Ertüchtigungen würden von den Kommunen häufig abgelehnt. Insgesamt müssten die Kommunen im Jahr 2015 einen Betrag von 50 Millionen Euro schultern. Hierbei seien die Kosten, die für die Kommunen auf den Strecken von nichtbundeseigenen Eisenbahnen anfielen, nicht berücksichtigt.

Die Koalition begründete ihre Ablehnung vor allem damit, dass die bisherige Regelung sachgerecht sei. Die Grünen regte an zunächst die Einordnung der Straßen zu überdenken.

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4. Wissenschaftliche Verantwortung

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) Seit längerem gibt es in Deutschland eine Diskussion zum Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Freiheit und Verantwortung. In nahezu allen Wissenschaftsgebieten bestehe die Gefahr, dass nützliche Forschungsergebnisse auch zu schädlichen Zwecken missbraucht werden können. Darin waren sich alle Experten einig, die am Mittwochvormittag beim öffentlichen Fachgespräch zum Thema "Wissenschaftliche Verantwortung" auf Einladung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Berliner Paul-Löbe-Haus diskutierten.

Professor Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie der Philipps-Universität Marburg unterstützte in seinem Statement unter anderem die von der Deutschen Forschungsgesellschaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina erhobene Forderung nach der Einrichtung von lokalen Kommissionen an verschiedenen Forschungsinstituten, die sich mit dem Thema Ethik in der Forschung beschäftigen sollen.

Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär a. D und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, begrüßte, dass das Thema Ethik und Verantwortung in den Wissenschaften nun breit diskutiert werde. Das sei vor dreißig Jahren keineswegs so gewesen. Er schlug die Einrichtung einer Dual Use Research of Concern (DURC) Kommission vor, also einer Kommission, die auf gesetzlicher Grundlage einzelne besonders sicherheitsrelevanter Forschungsvorhaben bewertet.

Professor Jörg Hacker, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften machte deutlich, dass die Dual-Use-Problematik kein spezifisches Phänomen der Lebenswissenschaften sei, sondern nahezu alle Wissenschaftsbereiche betreffe. Auch er warb für die flächendeckenden Kommissionen.

Professor Christian Kreiß, Lehrstuhl für Finanzierung und Wirtschaftspolitik, Hochschule für Wirtschaft und Technik Aalen ging auf die Vernetzung von Geldinteressen und wissenschaftlicher Verantwortung ein. Die aktuelle VW-Affäre zur Manipulation wissenschaftlicher Daten zeige, was geschehen könne, wenn in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Großunternehmen bei den wissenschaftlichen Ergebnissen Interessenkonflikte zwischen Wahrheit und Gewinn auftreten. Er forderte untern anderem eine stärkere Grundfinanzierung, um Einflüsse aus der Industrie, die oft lediglich profitorientiert seien, besser begegnen zu können.

Professor Thomas C. Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) unterstrich, dass letztlich vor allem der einzelne Wissenschaftler die Verantwortung für seine Experimente trage. Dieser müsse aber in der Ausbildung besser darauf vorbereitet und sensibilisiert werden als bisher.

Priv. Doz. Dr med. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Leiter des RKI-Zentrums für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene, betonte, dass man die Entscheidung, ob man risikobehaftete Forschung betreiben solle, letztlich nur am Einzelfall entscheiden könnte. Auch wenn er die Einrichtung eines Gremiums zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung unterstütze, unterstrich er auch, dass eine rechtssichere Regelung in Gestalt einer Aufzählung sämtlicher grundsätzlich mit Risiken durch Missbrauch behafteten Wissenschaftsbereiche unüberschaubar komplex und kaum umsetzbar wäre.

Diese Haltung unterstrich in gewisser Weise auch Professor Jochen Taupitz, Geschäftsführender Direktor Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik (IMGB) der Universitäten Heidelberg und Mannheim. Der Gesetzgeber sei im Bereich der Biosecurity, wo es vor allem um Terrorismusbekämpfung gehe, überfordert alles gesetzgeberisch zu formulieren und empfahl deshalb vielmehr, den in der Wissenschaft begonnen Prozess zunächst zu beobachten und nach vier Jahren einer Evaluation zu unterziehen.

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5. Kein Strafrecht bei Sterbehilfe

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) In der Debatte um den assistierten Suizid fordert eine Gruppe von Abgeordneten, auf jedwede strafrechtliche Regelung dieser Form von Sterbehilfe zu verzichten. In einem Antrag (18/6546) von Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen), Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und 35 weiteren Abgeordneten heißt es, dass neue Straftatbestände "nicht erforderlich" seien. Der Antrag wird am Freitag zusammen mit den vier Gruppenentwürfen zum assistierten Suizid um die Abgeordneten Brand-Griese (18/5373), Hintze-Reimann (18/5374), Künast-Sitte (18/5375) und Sensburg-Dörflinger (18/5376) abschließend beraten.

Die Antragssteller argumentieren, dass der Gesetzgeber Menschen, die über einen Suizid nachdenken, nicht vorschreiben dürfe, an wen sie sich zu wenden haben, ganz gleich, ob es sich dabei um Angehörige, Ärzte oder Sterbehilfevereine handle. Eine Unterscheidung von zu verbietender gewerblicher und erlaubter, weil nicht-kommerzieller geschäftsmäßiger Sterbehilfe sei ebenfalls nicht tragfähig, da zumindest Ärzte immer auch gewerblich handelten.

Unseriöse Angebote könnten vielmehr gewerberechtlich reguliert werden. Wichtig seien zudem Regelungen im Arzneimittel- beziehungsweise Betäubungsmittelgesetz. "Diese haben auch bisher schon verhindert, dass organisierte Sterbehilfe in Deutschland zu einem Massenphänomen geworden ist", heißt es in dem Antrag.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 569 - 4. November 2015 - 12.07 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2015

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