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BUNDESTAG/5000: Heute im Bundestag Nr. 201 - 20.04.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 201
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 20. April 2015, Redaktionsschluss: 18.25 Uhr

1. Plädoyer für gute Bildung
2. Kritik am IT-Sicherheitsgesetz
3. Datei Check the Web
4. Verfahren zur Identifizierung
5. Aufarbeitung der NS-Vergangenheit


1. Plädoyer für gute Bildung

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) Manchmal beginnen auch Politikerstatements philosophisch: "Als ich über eine umfassende Gemeinsamkeit meines Ressorts nachgedacht habe, bin ich auf den Begriff Gemeinschaft gekommen", sagte der EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport, Tibor Navracsics, vor dem Ausschuss für Bildung und Forschung am Montagnachmittag. "Die Gemeinschaft oder community hält Herz und Seele zusammen und prägt die Jugend." Das Thema Bildung sei mit vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen verzahnt. Alles würde einander bedingen. Bildung könnte man nicht isoliert betrachten. Ihm ginge es darum, den Ausbau der Gemeinschaften und Zusammenschlüsse auf den verschiedenen Ebenen zu stärken, sei es regional, national und europaweit. Navracsics war auf Einladung des Ausschusses ins Berliner Paul-Löbe-Haus gekommen, um die europäische Sicht auf die Bildungs- und Forschungsarbeit vorzustellen. Der Ausschuss wollte mit seiner Einladung deutlich machen, wie wichtig ihm die enge Verzahnung in der Bildungs- und Forschungsarbeit mit der EU-Kommission sei - und das gerade weil Deutschland starke föderative Strukturen habe, die vor allem in der Bildung deutlich würden, wie die Ausschussvorsitzende Patricia Lips (CDU) betonte.

Navracsics machte deutlich, dass die europäische Bildungsarbeit zwei große Ziele und Funktionen habe. Das eine sei die Herstellung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Dazu müssten junge Menschen so ausgebildet werden, dass sie "beschäftigbar" gemacht werden und so die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union erhalten bleibe. Dazu gehöre es beispielsweise auch, die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren. Mittlerweile könnten viele europäische Länder dabei erhebliche Erfolge vorweisen.

Eine zweite große Herausforderung sei die soziale und demokratische Ausbildung junger Menschen. Angesichts der vielen terroristischen Anschläge in der letzten Zeit, sei dieses Ziel sehr in den Vordergrund gerückt. Die Anschläge seien überwiegend von benachteiligten und sozial frustrieten Jugendlichen ausgeübt worden. Die Fragen, die sich stellten, würden heißen: Wie können wir unsere Werte erhalten? Wie kann man Radikalisierung entgegen wirken? Wo liegt die Rolle von Schulen in der Bekämpfung von Extremismus? Was sind motivierende Beispiele? In diesem Zusammenhange betonte der Kommissar auch, dass ihn, wie vielen seiner Kollegen, die hohe Jugendarbeitslosigkeit insbesondere in Südeuropa beunruhige. Entsprechend fragten auch verschiedene Bundestagsabgeordnete nach dem Programm der "Jugendgarantie". Die "Jugendgarantie" ist ein neues Konzept zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Ihr Ziel ist, dass alle jungen Menschen unter 25 Jahren - ob beim Arbeitsamt gemeldet oder nicht - innerhalb von vier Monaten nach Abschluss ihrer Ausbildung oder nachdem sie arbeitslos geworden sind, ein konkretes und qualitativ hochwertiges Angebot erhalten. Es soll den jungen Menschen helfen, den richtigen Weg ins aktive Leben zu finden.

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2. Kritik am IT-Sicherheitsgesetz

Innenausschuss/Öffentliche Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Experten sehen Änderungs- und Ergänzungsbedarf bei dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes (18/4096). Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montag deutlich. Dabei begrüßte die überwiegende Mehrheit der geladenen Sachverständigen das Vorhaben der Regierung, gesetzliche Regelungen zur Verbesserung der IT-Sicherheit zu schaffen. Ziel der Regierungsinitiative ist es vor allem, "Kritische Infrastrukturen", also Einrichtungen, "die für das Funktionieren unseres Gemeinwesens zentral sind", wie die Regierung in dem Entwurf schreibt, besser vor Angriffen auf ihre informationstechnischen Systeme zu schützen. Dazu sollen deren Betreiber dem Entwurf zufolge künftig ein Mindestniveau an IT-Sicherheit einhalten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) IT-Sicherheitsvorfälle melden. Was konkret zu den Kritischen Infrastrukturen gehört, soll laut Entwurf in einer folgenden Rechtsverordnung festgeschrieben werden.

Um den Schutz der Bürger vor Cyberkriminalität zu verbessern, sollen Betreiber von Webseiten sowie Access-Provider der Vorlage entsprechend verpflichtet werden, IT-Sicherheit "nach dem Stand der Technik" zu gewährleisten. Zudem sollen sie IT-Sicherheitsvorfälle, die zu einem unerlaubten Zugriff auf Systeme der Nutzer oder einer Beeinträchtigung der Verfügbarkeit führen können, unverzüglich über die Bundesnetzagentur an das BSI melden und betroffene Nutzer über bekannte Störungen ihrer Systeme informieren.

Iris Plöger vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte während der Anhörung, dass aus dem Entwurf nicht hervorgehe, welche Bereiche und Unternehmen zu den "Kritischen Infrastrukturen" gehören. Auch was die Meldepflicht angeht, so stünden "Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis", kritisierte sie. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum sich das Gesetz lediglich an private Betreiber kritischer Infrastrukturen richte. Der Kritik an der fehlenden Klarstellung, wer zu den Kritischen Infrastrukturen gehört, schloss sich Axel Wehling vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft an. Skeptisch bewertete er auch die Regelung, wonach das BSI Meldungen über Angriffe an Dritte weitergeben könne. Eine solche Meldung, solle künftig tatsächlich möglich sein, müsse so erfolgen, "das kein Rückschluss auf das betroffenene Unternehmen möglich ist", forderte er.

Aus Sicht von Professor Gerrit Hornung von der Universität Passaus ist die Bestimmtheit bei der Beschreibung der Kritischen Infrastrukturen "gerade noch gewahrt". Dennoch sei es sinnvoll, die Kriterien für deren Auswahl in das Gesetz einzufügen, sagte er. Auch Professor Alexander Roßnagel von der Universität Kassel nannte die Definition der kritischen Infrastrukturen im Gesetz "ausreichend". Zugleich forderte er, die Information der Öffentlichkeit über Schutzlücken in IT-Systemen zu verbessern. "Die Information muss die Regel, die Verweigerung die Ausnahme sein", forderte Roßnagel. Der IT-Rechtsexperte Hornung bemängelte die fehlenden Sanktionen gegenüber den Unternehmen bei ausbleibender Information über erkannte Sicherheitslücken. Solche Sanktionen sehe auch die europäische IT-Sicherheitsregelung vor, die derzeit in Arbeit sei, sagte er.

Den Fokus auf die Hersteller von Hart- und Softwareprodukten richtete Thomas Tschersich von der Deutschen Telekom AG. Man könne nicht Telekommunikationsanbietern aufbürden, Sicherheitsrisiken bei solchen Produkten zu beheben, sagte der Telekom-Vertreter. Zugleich nannte er die im Entwurf enthaltene Meldepflicht über unerlaubte Zugriffe auf Nutzersysteme "zielführend und sinnvoll". Eine Meldepflicht für "potentielle Möglichkeiten einer Verwundbarkeit" führe jedoch "ins Uferlose", befand Tschersich.

Als schärfster Kritiker der geplanten Regelung erwies sich Linus Neumann von Chaos Computer Club. Die dadurch geschaffene Bürokratie gehe zu Lasten pro-aktiver Schutzmaßnahmen, bemängelte er. Außerdem sehe der Entwurf lediglich Unternehmen als schützenswert an. Den großflächigen Angriffen auf Privatpersonen und den daraus resultierenden Schäden werde jedoch nicht entgegen getreten. Neumann wandte sich zugleich gegen die Installation des BSI als zentrale Meldestelle. Als dem Bundesinnenministerium unterstellte Behörde könne es zu Interessenkonflikten kommen, so Neumann unter Verweis auf Medienmeldungen, das BSI sei an der Entwicklung des "Bundestrojaners" beteiligt.

BSI-Präsident Michael Hange sagte hingegen, sein Amt sehe sich bereit für die aktiv-präventive Rolle, die das Gesetz dem BSI zuweise. Hange lobte den Entwurf. Er sei ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der IT-Sicherheit "sowohl für Kritische Infrastrukturen aber auch für die Bürger als Internetnutzer".

Professor Jochen Schiller von der Freien Universität Berlin rückte kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in den Mittelpunkt des Interesses. Diese seien in dem Entwurf nicht erfasst, was aus seiner Sicht sogar nachvollziehbar ist. Dennoch dürfe man nicht der Fehleinschätzung unterliegen, KMUs bedürften keines Schutzes. Es seien manchmal kleine Schräubchen, deren Manipulation das große Gebilde ins Wanken bringen könne, sagte Schiller und sprach sich für eine dahingehende Anpassung des Gesetzes "in einem weiteren Schritt" aus.

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3. Datei Check the Web

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Um die Datei "Check the Web" (CtW) geht es in der Antwort der Bundesregierung (18/4582) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/4413). Wie die Abgeordneten darin schrieben, speichert Europol "in dem im Jahr 2007 vom Bundeskriminalamt (BKA) initiierten Europol-Projekt 'Check the Web'" umfangreiche Informationen zu Personen, Sachen und Vorgängen. Im Rahmen von "Check the Web" würden das Internet durchsucht und auffällige Postings auch gespeichert. Gesammelt würden Informationen von "Webseiten und Verlautbarungen von Organisationen/Personen aus dem Phänomenbereich des Islamistischen Terrorismus".

Wie die Regierung in ihrer Antwort erläutert, enthält die Datei CtW "strukturiert abgelegte Informationen zu im Internet veröffentlichten Videos, Audiodateien, Textveröffentlichungen und Erklärungen". Die den Veröffentlichungen zugeordneten Organisationen und Personen seien mit den gespeicherten Veröffentlichungen verknüpft und enthielten weitere Hintergrundinformationen. Die in den Mitgliedstaaten vorliegenden Auswertungen zu einzelnen Veröffentlichungen könnten ebenfalls an CtW angeliefert werden. Weiterhin enthalte die Datenbank Informationen zu relevanten Personen, Organisationen, Medienstellen und Internetseiten aus dem Bereich des religiös motivierten Terrorismus. Nach Angaben von Europol vom 16. März 2015 enthalte das CtW-Portal mehr als 10.000 elektronische Dokumente und Individuen.

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4. Verfahren zur Identifizierung

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Zur Feststellung der Identität beziehungsweise Nationalität ausländischer Staatsbürger, die Voraussetzung für die Ausstellung von Heimreisedokumenten ist, haben sich laut Bundesregierung Anhörungen vor entsandten Delegationen des mutmaßlichen Herkunftslandes als wirksames Verfahren etabliert. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/4595) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/4346) erläutert, werden im Aufgabenbereich der Bundespolizei solche Delegationen immer formal auf diplomatischem Weg eingeladen und von den kontaktierten Staaten entsandt. Die Delegationen bestünden regelmäßig aus Vertretern der für Migrationsangelegenheiten zuständigen Behörden. Als weiteres wirksames Verfahren zur Feststellung der Identität beziehungsweise Nationalität haben sich der Vorlage zufolge Anhörungen vor Vertretern der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des mutmaßlichen Herkunftslandes etabliert.

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5. Aufarbeitung der NS-Vergangenheit

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Umgang mit Verschlusssachen in Ministerien und Behörden des Bundes bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit" lautet der Titel einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/4628). Darin erkundigen sich die Abgeordneten danach, in welchem Umfang "Akten mit NS-Bezug den diversen Historikerkommissionen und Forschungsprojekten zur Organisationsgeschichte und NS-Vergangenheit in Ministerien und Behörden des Bundes aus Geheimhaltungsgründen nicht zur Verfügung gestellt" wurden. Auch möchten sie unter anderem wissen, in welchen Fällen es in den vergangenen Jahren Schutzfristverlängerungen beziehungsweise Verschlusssachen-Neueinstufungen bei Akten mit NS-Bezug im Verantwortungsbereich des Bundes gab.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 201 - 20. April 2015 - 18.25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2015

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