Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/4656: Heute im Bundestag Nr. 521 - 16.10.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 521
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 16. Oktober 2014, Redaktionsschluss: 10.25 Uhr

1. Wurde Edathy gewarnt?
2. Kritik an Frontex-Operation
3. Empfehlungen der Internet-Enquete
4. Berufliche Hürden für Tischlerinnen
5. Indikatorensystem für Wohlstand
6. Befristete Stellen in Jobcentern



1. Wurde Edathy gewarnt?

2. Untersuchungsausschuss

Berlin: (hib/AHE) Für den 2. Untersuchungsausschuss des Bundestages wird es schwer zu klären, ob der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy von Kinderporno-Ermittlungen gegen ihn erfahren hatte. Das zeichnet sich nach der zweiten öffentlichen Zeugenvernehmung am Mittwoch, 15. Oktober, ab.

Edathy hatte im Februar 2014 sein Mandat niedergelegt, kurz bevor die Staatsanwaltschaft Hannover sein Haus durchsuchen ließ. Die Aussagen von drei weiteren Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) ergaben zwar ebenso wenig wie die Aussagen ihrer drei Kollegen am 9. Oktober konkrete Anhaltspunkte für ein Leck. Doch wurde deutlich, dass viele Ermittlungsbehörden in ganz Deutschland Unterlagen erhalten hatten, in denen sich der Name Edathy befand.

Erste Zeugin war Kriminalkommissarin Julia Greiner. Sie hatte zusammen mit der in der Vorwoche befragten Kriminaloberkommissarin Julia Wiegand die "Operation Selm" bearbeitet, in deren Rahmen der Verdacht gegen Edathy aufgekommen war. Bei der Befragung von Wiegand war für die Abgeordneten und Beobachter nicht ganz klar geworden, ob das BKA eine Liste von Kunden eines kanadischen Kinderporno-Vertriebs mit Edathys Namen an alle 16 Landeskriminalämter (LKA) geschickt hatte. Wiegand war von Vielen so verstanden worden, dass jedes LKA nur eine Liste der Beschuldigten aus dem jeweiligen Bundesland erhalten hatte.

Greiner erklärte nun, eine Liste mit 136 Namen, deren Identität noch nicht abschließend geklärt war, sei zwar nach Bundesländern sortiert worden, aber dann am 15. Oktober 2013 komplett an all ihre Ansprechpartner in den Landesämtern gegangen. Sie führte dazu ermittlungstechnische Gründe an, die von ihren getrennt gehörten Vorgesetzten, dem Sachgebietsleiter Gunther Stahl und dem früheren stellvertretenden Leiter ihres Referats, Marco Herb, als sinnvoll bestätigt wurden.

Gut zwei Stunden nach dem Versand der Listen rief der Leiter des zuständigen Fachkommissariats im niedersächsischen Nienburg bei Greiner an und wies sie darauf hin, dass es sich bei dem Verdächtigen Edathy um einen Bundestagsabgeordneten handele. Bis dahin war das nach allen bisherigen Zeugenaussagen keinem der Beteiligten aufgefallen. Nun aber wurden Greiners und Wiegands Vorgesetzte bis in die BKA-Spitze sowie der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium Klaus-Dieter Fritsche über den Fall informiert. Verschiedene Dienststellen in der niedersächsischen Polizei und Justiz wurden mit dem Verfahren befasst.

Die komplette Liste mit allen über 800 deutschen Kundennamen aus dem kanadischen Großverfahren war bereits im Januar 2013 an die Staatsanwaltschaft Mainz gegangen. Damals war der Sachbearbeiterin Wiegand bei einer ersten flüchtigen Durchsicht der Name eines BKA-Kollegen aufgefallen. Um zu verhindern, dass dieser "Beamte X" Wind von der Sache bekommt, wurde der Fall vorrangig bearbeitet und den örtlich zuständigen Behörden übergeben. Deshalb, so die Zeugen übereinstimmend, habe das aus Kanada stammende Beweismaterial nur unbearbeitet und daher komplett übergeben werden können.

Jede der Stellen, bei der Edathys Name auftauchte, hätte darauf aufmerksam werden und erkennen können, um wen es sich dabei handelt. Und überall dort hätte es daraufhin ein Leck geben können. Möglicherweise hat Edathy aber auch durch eine Pressemeldung der kanadischen Polizei vom 14. November 2013 von dem Verfahren gegen den Kinderporno-Vertrieb, dessen Kunde er war, erfahren und seine Schlüsse daraus gezogen.

Edathy selbst könnte sich am 18. Dezember vor dem 2. Untersuchungsausschuss dazu äußern. Denn unmittelbar vor der öffentlichen Zeugenvernehmung hatte der Ausschuss in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, ihn zu diesem Termin vorzuladen. Möglich ist aber auch, dass Edathy jede Aussage verweigert. Als Beschuldigter in einem Strafverfahren hätte er das Recht dazu, sofern er sich mit einer Aussage selbst belastet.

*

2. Kritik an Frontex-Operation

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesrepublik wird sich voraussichtlich mit Hubschraubern und sogenannten "Debriefern" an der geplanten Operation "Triton" der EU-Grenzschutzorganisation Frontex beteiligen, die Anfang November anlaufen soll. Das teilte ein Vertreter des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in der Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe mit. Bei Debriefern handelt es sich um Beamte, die unter anderem ankommende Geflüchtete registrieren. Ziel der Operation der EU-Grenzschutzagentur sei der Schutz und die Überwachung der Außengrenzen. Laut Bundesregierung sollen aber auch Kapazitäten zur Rettung von Schiffbrüchigen vorhanden seien. Der genaue Operationsplan sei aber noch nicht bekannt, da dieser noch zwischen Italien und Frontex ausgehandelt werde. Die monatlichen Kosten der Operation bezifferte der Vertreter des Innenministeriums auf 2,9 Millionen Euro.

Ein Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte, dass die Frontex-Operation keinen Ersatz für die italienische Marineoperation "Mare Nostrum" (Unser Meer) darstelle. Die italienische Regierung hatte in Reaktion auf den Untergang eines Schiffes mit Geflüchteten im Oktober 2013, bei dem mehr als 360 Menschen starben, die Marine angewiesen, Flüchtende auf dem Meer zu retten. Die Operation soll bald auslaufen. Italien hatte die Europäische Union dazu aufgefordert, die Aktion, die rund neun Millionen Euro pro Monat kosten soll, zu übernehmen. Ein Vertreter der Fraktion Die Linke tadelte, dass "Mare Nostrum" eingestellt werde, weil die EU dafür kein Geld bereitstellen wolle. Die Frontext-Operation sei hingegen eine "neue Flüchtlingsjagd". Ein Vertreter der SPD-Fraktion betonte ebenfalls die positive Wirkung von "Mare Nostrum" und hob hervor, dass Abschreckung gegenüber Flüchtenden nicht helfen werde. Vielmehr müsse die Verteilung besser organisiert und die Aufnahmekontingente erhöht werden. Ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion verwies in Bezug auf die Flüchtlingsproblematik auf die afrikanischen Staaten, die ebenfalls Verantwortung übernehmen müssten. So solle sich etwa die Afrikanische Union des Themas annehmen.

Eine Vertreterin des Auswärtigen Amtes berichtete in diesem Kontext, dass die Bundesregierung daran arbeite, insbesondere in nordafrikanischen Mittelmeeranrainerstaaten einerseits den Grenzschutz und die Verfolgung von Schleusern zu verbessern, andererseits nationale Asylsysteme aufzubauen. Dazu sollen demnächst Fortbildungen für Vertreter aus Tunesien und Marokko stattfinden. Vertreter der beiden Oppositionsfraktionen kritisierten, dass in den bisherigen Transitstaaten, zum Beispiel in Marokko, der Umgang mit Migranten derzeit nicht den deutschen Menschenrechtsstandards entspräche.

*

3. Empfehlungen der Internet-Enquete

Ausschuss Digitale Agenda/Antrag

Berlin: (hib/HAU) Bei der Weiterentwicklung der Digitalen Agenda sollen die im Zuge der rund dreijährigen Arbeit der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" erarbeiteten Handlungsempfehlungen berücksichtigt werden. Das fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/2880), der am Donnerstag im Plenum des Bundestags beraten wird.

Angesichts der intensiven, unter Beteiligung von zahlreichen Experten sowie der Öffentlichkeit erarbeiteten Vorarbeit sei es unverständlich, warum nicht auf die - interfraktionell verabschiedeten und an zahlreichen Stellen sehr viel konkreteren - Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission zurückgegriffen worden sei, "auch um zu vermeiden, dass die nun vorgelegte 'Agenda' de facto einen Rückschritt hinter längst erarbeitete Positionen darstellt", schreiben die Abgeordneten.

Die Bundesregierung soll zudem darstellen, welche der in ihrer Digitalen Agenda genannten konkreten Vorhaben und Initiativen wann umgesetzt und wie finanziert werden sollen. Dies sei bislang ebenso unklar, wie die Rolle des gleichnamigen Ausschusses bei der weiteren parlamentarischen Begleitung der Digitalen Agenda, heißt es.

Nicht geklärt sei auch, wie Zivilgesellschaft und Stakeholder in den weiteren Arbeitsprozess einbezogen werden sollen. In dem Antrag fordern die Grünen, dass dies "dauerhaft und proaktiv" erfolgen müsse. Des Weiteren müssten der interessierten Öffentlichkeit geeignete Beteiligungstools zur Verfügung gestellt sowie in grundsätzlich öffentlichen Sitzungen beraten werden.

Was den Inhalt der Digitalen Agenda der Bundesregierung angeht, so seien die Reaktionen darauf größtenteils enttäuschend ausgefallen, schreiben die Abgeordneten in dem Antrag. "Diese Kritik ist berechtigt", urteilen sie. Die Agenda nenne zwar einige netzpolitische Themen. Die vorgeschlagenen Absichtsbekundungen seien in der Summe aber weit entfernt davon, eine umfassende und visionäre Politik für die digitale Gesellschaft und Wirtschaft zu entwerfen. "Den Herausforderungen des Digitalen Wandels der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft und der Notwendigkeit einer aktiven - auch gesetzgeberischen - politischen Begleitung dieses Wandels wird sie in keiner Weise gerecht", lautet das Fazit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

*

4. Berufliche Hürden für Tischlerinnen

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Um Hürden in Ausbildung und Beruf für Tischlerinnen in Deutschland geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/2798). Die Abgeordneten wollen erfahren, wie viele Auszubildende es im Tischlerhandwerk gibt, wie viele ihre Ausbildung seit 2003 abgeschlossen haben und wie lange die Verweildauer im gelernten Beruf ist. Die Angaben sollen getrennt für Männer und Frauen erfolgen. Auch werden Fragen zu selbstständigen Tischlerinnen und Tischlern gestellt. Wie die Abgeordneten schreiben, gelten aufgrund der hohen Belastungen für werdende Mütter meist ab Bekanntwerden der Schwangerschaft Beschäftigungsverbote. Während Arbeitnehmerinnen für diese Zeit Ausgleichszahlungen vom Arbeitgeber erhalten würden, würden diese Regelungen nicht für selbstständige Tischlerinnen gelten.

*

5. Indikatorensystem für Wohlstand

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Um die Einführung neuer Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/2796). Die Abgeordneten beziehen sich dabei auf die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität, die die Einführung neuer Indikatoren beziehungsweise eines Indikatorensystems vorgeschlagen hatte. Die Bundesregierung wird unter anderem gefragt, wann sie ein neues Indikatorensystem zur Entwicklung von Wohlstand und Lebensqualität einführen will.

*

6. Befristete Stellen in Jobcentern

Arbeit und Soziales/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (18/2779) zu befristeter Beschäftigung in Jobcentern gestellt. Unter anderem fragt sie die Bundesregierung, welche gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben zur Begrenzung von befristeten Stellen in Jobcentern existieren. Außerdem möchten die Abgeordneten wissen, wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Einhaltung der Vorgaben überprüft und wie hoch der Anteil von befristet Beschäftigten in Jobcentern ist.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 521 - 16. Oktober 2014 - 10.25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2014