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BUNDESTAG/4481: Heute im Bundestag Nr. 346 - 30.06.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 346
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 30. Juni 2014, Redaktionsschluss: 18.30 Uhr

1. Experten: TTIP birgt Chancen und Risiken
2. Drohneneinsatz bleibt umstritten
3. Grüne: Frauenquote von 40 Prozent
4. Verkehrsinfrastruktur im Saarland im Visier



1. Experten: TTIP birgt Chancen und Risiken

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Berlin: (hib/EIS) Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika wollen mit TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) einen gemeinsamen Markt schaffen. "Dieses Abkommen ist das größte seiner Art und führt dadurch zum weltgrößten Binnenmarkt", sagte Gitta Connemann (CDU) am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft unter ihrer Leitung. Der Abbau von Handelshemmnissen, um den Warenaustausch zwischen den USA und der EU zu erleichtern, soll die Wirtschaft beleben und zu mehr Arbeitsplätzen führen. Kritiker der Verhandlungen sehen bei der dafür notwendigen Harmonisierung von Standards und Normen Nachteile für die Verbraucher und den Wettbewerb. Durch die angestrebte Angleichung wird eine Absenkung des Niveaus von Rechten und Regeln befürchtet.

Der Sachverständige Ulrich Weigl betonte aus Sicht der Europäischen Kommission zunächst die "enormen Chancen für die USA und die EU", die in dem Abkommen liegen. Die EU sei mit einem Ausfuhrvolumen von rund 120 Milliarden Euro im Jahr 2013 zum weltweit größten Exporteur von landwirtschaftlichen Waren und Lebensmitteln geworden. Die USA seien der wichtigste Markt für EU-Ausfuhren mit einem Anteil von 13 Prozent, was 2013 rund 15 Milliarden Euro ausmachte. Weigl sah den Vorteil für den Agrar- und Ernährungssektor bei Abschluss eines Abkommens darin, dass der Wegfall vergleichsweise hoher Zölle im Bereich der verarbeiteten Lebensmittel beiderseitig des Atlantiks Kosten für die Produzenten und den Handel einsparen helfe. Zudem bestehe die Chance, den Verwaltungs- und Kontrollaufwand in beiden Regionen, der zu unnötigen Kosten führe, zu senken. "Das kann zu einem Konjunkturanstoß bei sehr geringen Kosten für den Staatshaushalt führen", sagte Weigl.

Udo Hämmerling vom Deutschen Bauernverband wies darauf hin, dass für Deutschland der Agrarhandel mit den USA hinter dem Handel mit Russland zurückstehe, obwohl die USA ein viel größerer Markt seien und sich beide Länder gut ergänzen würden. So seien die Hauptimportprodukte nach Deutschland Eiweißfuttermittel, Nüsse und alkoholische Getränke, die wichtigsten Produkte im Agrarexport von Deutschland in die USA alkoholische Getränke, Kaffee, Backwaren, Milchprodukte und lebende Tiere. Einzig im Bereich der Fleischproduktion trieb es Hämmerling Sorgenfalten in die Stirn. "Fleisch muss als sensibles Produkt durch Importkontingente geschützt werden", forderte er mit Blick auf die derzeit geführten Verhandlungen. So lange es möglich sei, in den USA Hormone zur Wachstumsförderung bei der Nutztierhaltung zu verabreichen, gebe es Wettbewerbsnachteile, die durch hohe EU-Anforderungen nicht aufgeholt werden könnten. Bei Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch entstehe dadurch ein Produktionskostenunterschied von bis zu 80 Prozent.

Als Aufgabe für die Verhandlungsführer sah Tobias Andres von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie den Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse. Vor allem unterschiedliche Vorschriften und langwierige Zulassungsverfahren sowie fehlende Anerkennungen von Standards würden Unternehmen den US-Marktzugang erschweren. Auch gelte es, die unterschiedlichen Traditionen in beiden Wirtschaftsräumen zu überbrücken. "Denn in den USA gibt es einen nachsorgenden Verbraucherschutz, der im Nachgang prüft, ob die Produkte marktgerecht sind", erläuterte Andres. In der EU werde hingegen der vorsorgende Verbraucherschutz verfolgt, der den Unternehmen eine hohe Herstellungsqualität zu höheren Kosten abverlange. In den USA werde hingegen Lebensmittelsicherheit durch ein umfassenderes Klage- und Haftungsrecht sichergestellt.

"Das Zurückdrängen des Konzepts des Vorsorgeprinzips ist Ziel der US-Wirtschaft", warnte Virginia Robnett von der Coalition for Sensible Safeguards vom Center for Effective Government aus Washington D.C. im Hinblick auf den Verbraucherschutz. Das sei in den USA in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert worden und könnte im Nachgang von TTIP in Europa zur Behinderung neuer Verbraucherschutzregelungen führen. Grundsätzliche Kritik äußerte Robnett auch am "Notice-and-comment"-System, das im Vorfeld von regulatorischen Vorhaben die Öffentlichkeit beteiligen soll. "Die Wirtschaft kommentiert sehr viel. Die Behörden müssen darauf intensiv eingehen und nehmen deren Standpunkte häufig schon vorweg auf." Auf diese Weise könne fast keine neue Regel mehr ausgeführt werden, ohne dass am Ende geklagt werde. Dadurch würden die Behörden zögerlicher und langsamer. Das "Notice-and-comment"-System richte sich somit stark zugunsten der regulierten Industrien aus.

Nikolai Soukup von der Arbeiterkammer Wien, Abteilung EU und Internationales, argwöhnte, dass das Ankommen zur Umgehung des nationalen Rechts durch Schiedsgerichte genutzt wird. "Dieses System ist intransparent und ohne Möglichkeit der Berufung", sagte er. Die Staaten müssten in Schiedsgerichtsverfahren ihre souveränen Rechte gegenüber Konzernen rechtfertigen. Auch derzeit in dieser Frage diskutierte Reformvorschläge beurteilte Soukup als unzureichend. Ein Problem, das auch Markus Krajewski von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sah. "Jedes Investitionsschutzabkommen birgt das Potenzial für Klagen", sagte er. In seiner Stellungnahme sah er es als denkbar an, dass bei Gesetzgebungsprozessen auch die Frage auftauchen wird, ob ein Gesetzesvorhaben Klagen ausländischer Investoren befürchten lässt. Auf diese Weise könnte die Furcht vor Investitionsschiedsverfahren indirekt auf den Gesetzgebungsprozess Auswirkungen haben.

Aus sozialpolitischer Sicht gab Arnd Spahn von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau zu bedenken, dass medizinische und rehabilitative Leistungen aus dem Anwendungsbereich des Abkommens herausgenommen werden müssen. "Wir befürchten, dass es zu einem Wettbewerb kommt", sagte er. Doch ein kommerzieller Wettbewerb mit dem amerikanischen System müsse verhindert werden.

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2. Drohneneinsatz bleibt umstritten

Verteidigungsausschuss (Öffentliche Anhörung)

Berlin: (hib/AW) Die Beschaffung von sogenannten Kampfdrohnen für die Bundeswehr ist weiterhin umstritten. Die wurde während einer Anhörung des Verteidigungsausschusses am Montag deutlich. Der Ausschuss hatte neun Sachverständige geladen, um sie zu völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Aspekten des Einsatzes von "unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben", zu befragen.

Die beiden Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und Thilo Marauhn von der Justus Liebig Universität Gießen führten aus, dass gegen den Einsatz von Kampfdrohnen prinzipiell keine völkerrechtlichen Bedenken bestehen. Ein Drohneneinsatz sei nach dem humanitären Völkerrecht nicht anders zu bewerten, wie der Einsatz eines bemannten Kampfflugzeuges. Für den Drohneneinsatz würden die gleichen rechtlichen Vorgaben gelten, sagte von Heinegg. Dies schließe beispielsweise sogenannte extralegale Tötungen aus oder Einsätze, bei denen im Vergleich zum militärischen Nutzen unverhältnismäßig viele getötete Zivilisten erwartet werden. Thilo Marauhn schloss sich dieser Sichtweise an. Er verwies darauf, dass das Bedienungspersonal von Drohnen am Boden in jedem Fall auch über den Kombattantenstatus verfügen müsste, da die Drohnen selbst und auch lenkende Bodenstation umgekehrt ein legitimes militärisches Ziel darstellten.

Übereinstimmend für die Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen plädierten Generalleutnant Hans-Werner Fritz, Befehlshaber beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Oberstleutnant André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, und der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus. Alle drei argumentierten mit der Fürsorgepflicht des Staates für seine Soldaten. Wenn das Parlament die Streitkräfte in einen Auslandeinsatz entsendet, müsse Sorge dafür getragen werden, dass die Soldaten bestmöglich ausgerüstet und geschützt seien. Dazu gehöre nicht nur die Fähigkeit zur Feindaufklärung sondern auch zur Bekämpfung des Feindes bei möglichst geringer Gefährdung der Soldaten. Dies sei durch den Einsatz von Drohnen besser zu gewährleisten als etwa durch den Einsatz von Flugzeugen, Hubschraubern und Kampfflugzeugen. Fritz und Wüstner verwiesen auf eigene Erfahrungen aus dem Einsatz in Afghanistan. So könnten Gegner in einem Feuergefecht schneller und sicherer bekämpft werden, wenn sich über dem Kampfgebiet Drohnen im Einsatz befinden. Fritz und Wüstner argumentierten, dass auch ein Einsatz von Kampfdrohnen den jeweils gelten Einsatzregeln (rules of engagement) der Bundeswehr oder der Nato unterworfen seien. Die Bundeswehr habe sich immer an diese Regeln gehalten und daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern, sagte Fritz. Königshaus betonte, er könne prinzipiell keine ethischen Probleme erkennen beim Einsatz von Drohnen. Dieser unterscheide sich letztlich nicht vom Einsatz anderer Waffensysteme. Umgekehrt seien die eigenen Soldaten aber besser geschützt.

Dieser Argumentation widersprachen Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung e.V., Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mit dem Schutz der Soldaten ließe sich letztendlich der Einsatz jedes Waffensystems rechtfertigen, kritisierte Schörnig. Der Einsatz von Drohnen werde die Kriegsführung revolutionieren und drastisch verändern. Schörnig warnte zugleich davor, die Debatte über unbemannte Systeme nur auf Luftfahrzeuge zu beschränken. In den kommenden Jahren würden zunehmend mehr Systeme auch für die Land- und Seekriegsführung entwickelt. Marischka bezweifelte sogar, dass die Soldaten durch den Einsatz von Drohnen wirklich wirkungsvoller geschützt werden könnten. Dieser Beweis sei noch nicht erbracht worden. So gerieten die Soldaten der US-Streitkräfte in Afghanistan trotz des massiven Einsatzes von Drohnen auch weiterhin in Hinterhalte. Zudem sei zu befürchten, dass die Hemmschwelle für militärisches Vorgehen gesenkt werde durch den für die eigenen Soldaten vermeintlich ungefährlichen Drohneneinsatz. Dickow warnte davor, dass Drohnen zunehmend autonomer konzipiert würden, um beispielweise die große Menge an Aufklärungsdaten auszuwerten. Dickow appellierte an die Bundesregierung, sich für eine Ächtung von Drohnen einzusetzen, die automatisiert einen möglichen Gegner im Einsatzgebiet bekämpfen können. Grundsätzlich sollte die Bundeswehr nur Aufklärungsdrohnen einsetzen und keine Kampfdrohnen.

Der Luftfahrtrechtler Elmar M. Giemulla von der Technischen Universität Berlin verwies darauf, dass unbemannte Luftfahrzeuge in absehbarer Zeit keine Zulassung für die Teilnahme am allgemeinen Luftverkehr erhalten werden. Dies sei viel zu gefährlich. Allerdings sei eine solche Zulassung auch nicht zwingend notwendig. Kleinere Drohnensysteme wie beispielsweise die in Afghanistan eingesetzte Heron 1 könnten zerlegt und im Einsatzgebiet fliegen. Größere Systeme wie der Euro-Hawk könnten in speziell gesperrten Lufträumen aufsteigen und dann in einer Höhe fliegen, in denen ansonsten kein Luftverkehr stattfindet.

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3. Grüne: Frauenquote von 40 Prozent

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/JBB) Eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Gesetzentwurf (18/18178). Genauer fordert die Fraktion eine Mindestquote für beide Geschlechter. Diese Vorgaben müssten sowohl für private Unternehmen als auch für Unternehmen mit Bundesbeteiligung gelten, entsprechend solle das Bundesgremienbesetzungsgesetz geändert werden.

Gerade der Anteil von Frauen in Führungspositionen sei in Deutschland nach wie vor gering, schreibt die Fraktion. Die Führungsebene sei fest in Männerhand. So wiesen die Vorstände der 200 größten Unternehmen Deutschlands nur eine Frauenquote von vier Prozent auf. Vorstandsvorsitzende seien weiterhin rein männlich besetzt. Zudem hätten Frauen aufgrund der "gläsernen Decke" wenig Möglichkeiten, aus den unteren Führungsebenen aufzusteigen. Auch bei Unternehmen des Bundes sehe es nicht besser aus. Die Unternehmen mit Bundesbeteiligung müssten eine Vorbildfunktion wahrnehmen und eine Mindestquote einführen.

Dabei schade fortlaufende "Diskriminierung" den Unternehmen. Durch Gleichstellung würden kreative Potentiale gewonnen, so die Fraktion. Eine hohe Frauenerwerbstätigkeit erhöhe zudem die Arbeitsdynamik in den Unternehmen.

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4. Verkehrsinfrastruktur im Saarland im Visier

Verkehr und digitale Infrastruktur/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Über die Planung und Finanzierung der bundeseigenen Verkehrsinfrastruktur im Saarland will sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (18/1907) informieren. Die Bundesregierung soll mitteilen, welche Straßenbauprojekte das Saarland zum Bundesverkehrswegeplan 2003 angemeldet hatte und welche davon bisher realisiert wurden. Weiter interessiert die Abgeordneten unter anderem, wann kurzfristig nötige Sanierungen voraussichtlich umgesetzt werden und wie hoch die Kosten dafür sind.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 346 - 30. Juni 2014 - 18.30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2014