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BUNDESTAG/3961: Heute im Bundestag Nr. 361 - 26.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 361
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 26. Juni 2013 Redaktionsschluss: 16:30 Uhr

1. Experten uneinig über Bedeutung und Zukunft des europäischen Emissionshandelssystems
2. Bündnis 90/Die Grünen: Steuerpflicht soll an Staatsbürgerschaft geknüpft werden
3. Linksfraktion fordert EU-Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge
4. Im Bundestag notiert: Verkehrsprojekte im Freistaat Sachsen



1. Experten uneinig über Bedeutung und Zukunft des europäischen Emissionshandelssystems

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Anhörung)

Berlin: (hib/AS) Der aktuelle Zustand des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) und die Frage, wie dieses Klimaschutzinstrument in Zukunft ausgestaltet werden soll, wurde bei einer Anhörung des Umweltausschusses unterschiedlich bewertet. Hintergrund der Anhörung ist die Tatsache, dass der Preis für CO2-Emissionszertifikate in den vergangenen Monaten auf einen Tiefststand gesunken ist. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben daher zwei Anträge (17/13193, 17/13907) eingebracht, in denen die Abgeordneten fordern, überschüssige Zertifikate vom Markt zu nehmen, um den Emissionshandel wieder zu stärken.

Felix Christian Matthes vom Öko-Institut konstatierte, dass sich das EU ETS in einer tiefen Krise befinde. Es gebe einen Überschuss von rund 2 Milliarden Zertifikaten. Dafür gebe es zwei Gründe: Zum einen die Wirtschaftskrise, die zu einem Überschuss von 500 Millionen Zertifikaten geführt habe. Der größere Teil von 1,5 Milliarden Zertifikaten sei darauf zurückzuführen, dass eine große Zahl von Zertifikaten aus dem sogenannten Clean Developement Mechanism zugeflossen seien. Industrieländer können mit diesen CDM-Zertifikaten Klimaschutzprojekte in weniger entwickelten Ländern unterstützen und bekommen diese gutgeschrieben. Den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bezeichnete er als nicht ursächlich für den Preisverfall der CO2-Zertifikate.

Die Wirtschaft wünscht sich hinsichtlich des ETS stabile Rahmenbedingungen, erklärte Michael Niese von der WirtschaftsVereinigung Metalle. Er bezeichnete die Erfahrungen seiner Branche mit dem ETS als "nicht unbedingt positiv" und kritisierte dabei "überlappende Klimaschutzziele mit überlappenden Instrumenten". Das sogenannte carbon leakage, die Verlagerung von Produktionsstandorten aufgrund hoher Kosten für CO2-Zertifikate, sei Realität, erklärte er. Hinsichtlich des geforderten backloadings, der Rücknahme von Zertifikaten, sagte er: "Die Analyse ist richtig, die Medizin ist falsch."

Eine zu hohe Ausstattung mit Emissionsrechten ist nach Auffassung von Professor Joachim Weimann nicht das Problem des EU ETS. Er sieht vielmehr ein "in hohem Maße ineffizientes und schädliches Nebeneinander von Emissionshandel und dem Erneuerbaren-Energien Gesetz (EEG)". Er wies darauf hin, dass die Menge der Emissionsrechte eine politische Entscheidung sei, um ein ökologisches Ziel zu erreichen. Das sogenannte "cap" sei eine Mengenrestriktion, so dass es keine Überausstattung geben könne.

Für die Organisation "Brot für die Welt" formulierte Thomas Hirsch fünf Fragen, darunter die, ob der EU ETS seine Funktion als Lenkungsinstrument ambitionierter europäischer Klimaziele erfülle und eine glaubwürdige Antwort auf die Anforderung an Europa sei, das 2-Grad-Ziel zu erfüllen. Er stellte fest, dass der EU ETS in seiner jetzigen Form "kein gutes Beispiel zur Nachahmung sei". Der Angebotsüberschuss zeige, dass Investoren sich an kurzfristigen und nicht an langfristigen Zielen orientierten. Der Preisverfall an Zertifikaten habe zudem erhebliche Mindereinnahmen beim Energie- und Klimafonds (EKF) zur Folge gehabt. Jutta Kill vom World Rainforest Movement erläuterte, dass sich der EU ETS nicht zu einem globalen Handelssystem entwickelt habe und sieht als Gründe, die fehlende Flexibilität, den Emissionshandel an veränderte Bedingungen anzupassen sowie strukturelle Probleme. Sie warnte, dass für Verbesserungen beim Klimaschutz auf europäischer Ebene die Zeit knapp werde. Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 und eine neue Europäische Kommission ließen kaum neue Impulse auf europäischer Ebene erwarten. Daher bedürfe es nationaler Alternativen. Als "dramatisch" bezeichnete Tina Löffelsend den Zustand des EU ETS. Er werde seiner Aufgabe nicht gerecht und sei damit momentan "Ausdruck der europäischen Klimapolitik insgesamt". Mit Blick auf die Industrie sagte sie, dass es im Moment nicht sehr wahrscheinlich sei, dass die Industrie durch den EU ETS große Mehrkosten habe. "Es zahlen nur kleine Stromverbraucher für CO2-Ziele, sagte Löffelsend. Gleichzeitig kritisierte sie, dass Deutschland nicht mehr die Rolle als Vorreiter des Klimaschutzes spiele: "Es ist dramatisch, dass die Stimme des größten Mitgliedslandes verstummt ist."

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2. Bündnis 90/Die Grünen: Steuerpflicht soll an Staatsbürgerschaft geknüpft werden

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Steuerpflicht soll an die deutsche Staatsbürgerschaft geknüpft werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (17/14133) die Vorlage eines Gesetzentwurfs, "der für deutsche Staatsangehörige die Staatsangehörigkeit zu einem Kriterium für das Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht im Bereich der Personensteuern in Deutschland macht". Damit könne Steuerflucht durch Wohnsitzverlegung unterbunden werden.

Wie die Abgeordneten in ihrem Antrag erläutern, ist es vermögenden Privatpersonen durchaus möglich, sich durch eine Verlagerung des Wohnsitzes in Niedrigsteuerländer wie die Schweiz oder Monaco der deutschen Steuerpflicht zu entziehen. Die bekannten Fälle von Prominenten hält die Fraktion nur für die "Spitze des Eisbergs" und kritisiert: "Wohlhabende Bürger handeln verantwortungslos, wenn sie ihren Wohnsitz aus steuerlichen Gründen verlagern, weil sie sich weigern, dem Gemeinwesen, das ihren Aufstieg mit ermöglicht hat, zu einem fairen Anteil an ihren Gewinnen partizipieren zu lassen. Es ist unsolidarisch gegenüber den Durchschnittsverdienern in Deutschland, die diese Möglichkeit nicht haben, und aufgrund dieses Verhaltens eine höhere Steuerlast tragen müssen."

Nach dem Vorbild der USA, wo diese Regelung existiert, sollen großzügige Freibeträge eingeführt werden, die dafür sorgen, dass der größte Teil der im Ausland lebenden Staatsbürger von der Regelung nicht berührt wird und der Bürokratieaufwand gering beleibt. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, soll es eine Anrechenbarkeit von im Ausland gezahlten Steuern geben. "Durch diese Ausgestaltung betrifft die Besteuerung nach Staatsangehörigkeit zielgenau nur diejenigen, die offenbar ihren Wohnsitz aus rein steuerlichen Gründen verlegt haben: Gutverdiener, die in Gebiete mit niedrigen Steuersätzen auswandern", schreibt die Fraktion. Bei den Freibeträgen soll eine Orientierung am amerikanischen Modell (100.000 Dollar pro Jahr) erfolgen.

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3. Linksfraktion fordert EU-Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke fordert eine großzügigere Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Europa. "Die Anrainerstaaten Syriens sind als Aufnahmestaaten überlastet und benötigen dringend unsere Solidarität", heißt es in einem Antrag (17/13933), der am Freitag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem auf, sich "weiterhin gemeinsam mit UNHCR gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten nachdrücklich" dafür einzusetzen, "dass schnell eine gemeinsame europäische Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge, die in Nachbarstaaten Syriens geflohen sind, ergriffen wird". Unabhängig davon soll auf nationaler Ebene der mit den Bundesländern abgestimmte Beschluss zur vorübergehenden Aufnahme von 5.000 syrischen Flüchtlingen in Deutschland "möglichst zügig" umgesetzt werden, wobei eine "besondere Schutzbedürftigkeit" das zentrale Kriterium sein soll. Außerdem soll sich die Bundesregierung unter anderem gegenüber den Bundesländern dafür einsetzen, dass der Abschiebstopp nach Syrien verlängert und "die Auslegungs- und Ermessensspielräume für die Gewährung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen für hier lebende Syrer großzügig ausgeschöpft werden".

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4. Im Bundestag notiert: Verkehrsprojekte im Freistaat Sachsen

Verkehr und Bau/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Über den Sachstand wichtiger Verkehrsprojekte im Freistaat Sachsen will sich die SPD-Fraktion in einer Kleinen Anfrage (17/14025) informieren. Die Abgeordneten haben dazu 84 Fragen erarbeitet, zu denen die Bundesregierung Stellung nehmen soll.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 361 - 26. Juni 2013 - 16:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2013