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BUNDESTAG/3927: Heute im Bundestag Nr. 327 - 12.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 327
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 12. Juni 2013 Redaktionsschluss: 16:10 Uhr

1. Europäische Bankenaufsicht bei EZB beschlossen
2. Mindestpersonalbemessung in Krankenhäusern unter Experten umstritten
3. Koalition: Herausforderungen der "vierten industriellen Revolution"
4. Bundestag gibt grünes Licht für Euro-Beitritt Lettlands
5. Linke stellt Missbilligungsantrag gegen de Maizière



1. Europäische Bankenaufsicht bei EZB beschlossen

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Bisher national wahrgenommene Aufgaben der Bankenaufsicht sollen in Zukunft von der Europäischen Zentralbank (EZB) übernommen werden. Der Finanzausschuss stimmte am Mittwoch Nachmittag einem von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP und von der Bundesregierung gleichlautend eingebrachten Entwurf für ein Gesetz zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (17/13470, 17/13829, 17/13901) zu. Für den Gesetzentwurf stimmten neben den Koalitionsfraktionen auch die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Linksfraktion lehnte ab.

Nachdem es in der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf verfassungsrechtliche Bedenken gegeben hatte, verständigten sich die Fraktionen auf eine gemeinsame Erklärung für das Protokoll, wonach es sich bei dem Gesetz nicht um eine Präjudizierung anderer Fälle handele. Ein Sprecher der FDP-Fraktion bezeichnete das Gesetz in diesem Zusammenhang als "Ausnahmefall".

Ein Sprecher der CDU/CSU erklärte zur Neuregelung insgesamt, man erwarte, dass die Bankenaufsicht in Europa an Qualität gewinnen werde. Ein Sprecher der SPD-Fraktion forderte, die "unheilige Allianz zwischen maroden Staaten und maroden Banken" in Europa müsse durch eine Bankenunion zerschlagen werden. Die bei der EZB zusammengefasste Geldpolitik und Bankenaufsicht müsse aber wieder getrennt werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigte sich erfreut, dass auf dem Weg zu einer starken Bankenaufsicht jetzt ein wichtiger Schritt gemacht werde.

Die Linksfraktion kritisierte die Begrenzung der Bankenaufsicht auf die Eurozone, wodurch der wichtige Finanzplatz London nicht erfasst werde. Außerdem gebe es keine richtige Trennung zwischen Geldpolitik und Aufsicht bei der EZB, sagte ein Sprecher der Linksfraktion, der eine Schwächung der Bankenaufsicht erwartete.

Mit dem Gesetz soll die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der deutsche Vertreter im Europäischen Rat dem Vorschlag der Kommission zur Bankenaufsicht (SSM-Verordnung) seine förmliche Zustimmung erteilen darf. Dem neuen einheitlichen Aufsichtsmechanismus werden automatisch sämtliche Eurozonen-Mitgliedsländer angehören. Nicht-Eurozonen-Mitgliedstaaten können freiwillig teilnehmen. Der Gesetzentwurf steht an diesem Freitag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung an.

Wie in der Begründung des Gesetzentwurfs erläutert wird, konzentriert sich die direkte EZB-Aufsicht auf "bedeutende" Kreditinstitute der teilnehmenden Länder. Kreditinstitute oder Konzerne mit einer Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro oder mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eines Mitgliedslandes gelten grundsätzlich als bedeutend. Die direkte Aufsicht über die übrigen Kreditinstitute soll weiter durch die nationalen Bankenaufsichtsbehörden erfolgen.

Abgelehnt wurde ein von den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachter Antrag (17/11878), in dem beide Fraktionen "einen neuen Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte" fordern. Darin wird die Schaffung einer starken europäischen Bankenunion verlangt. Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen, "dass ein einheitlicher europäischer Aufsichtsmechanismus entsteht, der einer parlamentarischen Kontrolle unterliegt und das Prinzip der Subsidiarität in der direkten Aufsicht der Finanzinstitute wahrt". Bei einer Übernahme von Aufsichtsfunktionen durch die Europäische Zentralbank (EZB) müsse sichergestellt werden, "dass die strikte Trennung von Geldpolitik und Aufsichtsfunktion gewährleistet bleibt", fordern die Fraktionen, die in diesem Zusammenhang eine spätere Ausgliederung der Aufsichtseinheit in eine eigenständige europäische Aufsichtsbehörde anregen. Außerdem werden Regelungen zur Abwicklung maroder Banken gefordert. SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmten für den Antrag, die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP lehnten ab, während sich die Linksfraktion enthielt.

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2. Mindestpersonalbemessung in Krankenhäusern unter Experten umstritten

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/SUK) Die Personalausstattung im Pflegebereich stellt sich in einigen deutschen Kliniken als problematisch dar. Dies wurde in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch, 12. Juni 2013, deutlich. Ob eine Mindestpersonalbemessung dabei aber Abhilfe schaffen kann, ist unter Experten höchst strittig. Gegenstand der Anhörung war ein Gesetzentwurf der Linksfraktion (17/12095) zu einer gesetzlichen Mindestpersonalbemessung.

So sagte Wulf-Dietrich Leber für den GKV-Spitzenverband, er sei "skeptisch" gegenüber einer Lösung des Problems mit "groben Ziffern". Mehr Pflegekräfte in einem Krankenhaus würden nicht automatisch mehr Pflege am Patienten bedeuten, häufig seien strukturelle Veränderungen - etwa in der Ausstattung der Häuser mit Fahrstühlen - sinnvoller. Dennoch sei eine "unterbesetzte Nachtschicht" genauso gefährlich wie mangelnde Hygiene. Grundsätzlich sei aber eine Mindestpersonalbemessung "nicht vereinbar" mit dem geltenden Fallpauschalensystem.

Auch der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, sagte, es sei "unbestritten", dass es in deutschen Krankenhäusern hohe Anforderungen an das Pflegepersonal gebe; die Arbeitsbelastung sei hoch. Normzahlen für den Einsatz von Pflegepersonal passten aber nicht in das System, das jetzige Vergütungssystem würde dem widersprechen. Zudem sei eine genaue Erfassung des Pflegebedarfs nicht möglich, da in Krankenhäusern ärztliche und pflegerische Leistungen in unterschiedlicher Weise zusammenwirken würden. Grundsätzlich seien Träger und Geschäftsführer der Kliniken dafür verantwortlich, für eine sachgerechte Personalausstattung zu sorgen - und es gebe "keine Anhaltspunkte" dafür, dass sie dies nicht täten.

Für den Bundesverband Deutscher Privatkliniken sagte Thomas Bublitz, es sei problematisch, wie in dem Antrag gefordert, Kliniken zur Einstellung von Personal zu verpflichten und sie zu sanktionieren, wenn sie dies nicht täten. Beides könne Kliniken "an den Rand des finanziellen Ruins" treiben. Man könne dagegen davon ausgehen, dass Patienten nicht in Kliniken "mit unhaltbaren Pflegezuständen" gehen würden; dies würde sich herumsprechen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft und der Deutsche Pflegerat dagegen plädierten klar für eine gesetzliche Mindestpersonalbemessung. Auch Marco Frank führte für den DGB aus, zwischen 1999 und 2009 seien mehr als 10.000 Vollzeitstellen im Pflegebereich abgebaut worden, dies entspreche 28 Prozent weniger Pflegepersonal. Es gebe eine "massive Unterdeckung", die auf dem Rücken von Angestellten und Patienten ausgetragen werde: Das Pflegepersonal sei unter Zeitdruck und könne häufig den Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. Auch Peter Tackenberg vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe unterstrich, aus zahlreichen Umfragen und Studien ergebe sich ein zum Teil "erschreckender Befund" der Unzufriedenheit vieler Pflegekräfte.

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3. Koalition: Herausforderungen der "vierten industriellen Revolution"

Wirtschaft und Technologie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung soll sich den Herausforderungen der "vierten industriellen Revolution" stellen und sich dafür einsetzen, im Rahmen der Hightech-Strategie das Zukunftsprojekt "Industrie 4.0" mit wichtigen Technologie-, Wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Standortperspektiven zu verbinden. Dies fordern die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP in einem gemeinsam eingebrachten Antrag (17/13889) mit dem Titel "Industrie 4.0 - Forschung, Entwicklung und Bildung für die Digitalisierung der Industrieproduktion". Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

In dem Antrag heißt es, Deutschland sei auf die Erforschung, Entwicklung und Fertigung von Produktions- und Fertigungstechnologien spezialisiert: "Es ist führender Fabrikausstatter in der Welt." Mit der vierten industriellen Revolution stehe die deutsche Industrieproduktion auch technisch vor neuen Herausforderungen. Die Digitalisierung er Produktion werde durch das "Internet der Dinge" und "Cyber Physical Systems (CPS) in Gang gesetzt. Vor allem durch den Einsatz von CPS müssten Produktverfahren verbessert und damit neue Produkte und Verfahren für den Export generiert werden. Vorgeschlagen wird von den Fraktionen eine duale Strategie: "Die deutsche Ausrüsterindustrie soll weiterhin führend auf dem Weltmarkt bleiben, indem sie zum Leitanbieter für intelligente Produktionstechnologien wird. Darüber hinaus soll Industrie 4.0 für die produzierende Wirtschaft Ausgangspunkt für die Schaffung von neuen intelligenten Produkten werden, die unter anderem durch die Verknüpfung mit wissensintensiven Dienstleistungen mit hohem Mehrwert und hoher Attraktivität für Kunden und Nutzer verbunden sind. Ziel ist es, neue Leitmärkte zu gestalten und zu bedienen."

Weiter heißt es, durch die Digitalisierung würden reale und virtuelle Welt zum "Internet der Dinge" zusammenwachsen. CPS sei ein zweiter Baustein dieser Digitalisierung. Damit werde es möglich, waren mit Sensoren wie Funkchips auszustatten: "Die Produktion wird dahingehend revolutioniert, dass das Werkstück ein digitales Produktgedächtnis bekommt und über die Bearbeitungsschritte in der Produktion bis hin zur Logistik festhält, was mit ihm in der Wertschöpfungskette passiert", schreiben die Fraktionen und erwarten: "Industrie 4.0 verändert die Form der bisher vorherrschenden Industrieproduktion. Die starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexiblen Großserienproduktion mündet in die sogenannte 'hybride Produktion', in denen Produktion und hochwertige Dienstleistungen gekoppelt werden. Kunden und Geschäftspartner werden in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse integriert."

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4. Bundestag gibt grünes Licht für Euro-Beitritt Lettlands

Europa/Antrag

Berlin: (hib/AS) Der Bundestag erklärt sein sogenanntes Einvernehmen darüber, dass die Bundesregierung im Europäischen Rat der Einführung des Euros in Lettland zustimmt. Dafür sprechen sich die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamen Antrag (17/13887) aus. "Lettland ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Europäische Währungsunion trotz ihrer schweren Krise nichts an Anziehungskraft eingebüßt hat", heißt es in der Stellungnahme der vier Fraktionen. Daraus geht auch hervor, dass Lettland die Beitrittskriterien des Vertrages von Maastricht, wie etwa ein hohes Maß an Preisstabilität, eine öffentliche Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit und nachhaltig gesunde Staatsfinanzen, vollständig erfüllt. Obwohl Lettland nach der Finanzkrise 2008 fast zahlungsunfähig war, sei es der Regierung gelungen, die staatliche Defizitquote von 8,1 Prozent auf 1,2 Prozent zu senken, heißt es in dem Antrag weiter.

Nach der Aussprache des Europäischen Rates über den Beitritt Lettlands zum Euro am 27. und 28. Juni erfolgt im Europäischen Parlament am 4. Juli eine Anhörung. Die formelle Entscheidung über den Euro-Beitritt des Landes ist für den 9. Juli geplant. Nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag (EUZBBG) vom April soll die Regierung vor dem Beitritt eines Landes zur Europäischen Währungsunion ein sogenanntes Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen.

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5. Linke stellt Missbilligungsantrag gegen de Maizière

Verteidigung/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Die Linke fordert den Bundestag auf, die Amtsführung von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zu missbilligen. Der Minister trage die Verantwortung für die "Verschwendung von Steuergeldern" bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk", schreibt die Fraktion ihren Antrag (17/13899). Zudem sei de Maizière mitverantwortlich für die fehlende Unterrichtung und die Desinformation des Bundestages und der Öffentlichkeit.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 327 - 12. Juni 2013 - 16:10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2013