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BUNDESTAG/3863: Heute im Bundestag Nr. 263 - 15.05.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 263
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 15. Mai 2013 Redaktionsschluss: 12:10 Uhr

1. Speyrer Forschungsinstitut soll Gesetze zur Terrorismusbekämpfung evaluieren
2. Pille danach bleibt rezeptpflichtig
3. Hightech-Strategie wird von Opposition kritisiert
4. Experten fordern weitere Verbesserungen bei der Eisenbahnregulierung



1. Speyrer Forschungsinstitut soll Gesetze zur Terrorismusbekämpfung evaluieren

Innenausschuss

Berlin: (hib/STO) Das Deutsche Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung (DFÖV) in Speyer soll unter Leitung von Professor Jan Ziekow als wissenschaftlicher Sachverständiger die Gesetze zur Terrorismusbekämpfung evaluieren. Einem entsprechenden Vorschlag des Bundesinnenministeriums stimmte der Innenausschuss am Mittwoch einstimmig zu.

Nach Artikel 9 des Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011 ist die Anwendung der durch dieses Gesetz sowie das Terrorismusbekämpfungsgesetz und das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz geschaffenen Vorschriften von der Bundesregierung vor dem 10. Januar 2016 zu evaluieren. Dies soll der Vorschrift zufolge unter Einbeziehung eines oder mehrerer wissenschaftlicher Sachverständiger erfolgen, die "im Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag bestellt werden".

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2. Pille danach bleibt rezeptpflichtig

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/SUK) Die schwarz-gelbe Koalition wird die Verschreibungspflicht von Notfallverhütungsmitteln nicht aufheben. Dies wurde in der Sitzung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch, 15. Mai 2013, deutlich. Mit ihrer Mehrheit erteilten Union und FDP zwei Anträgen auf Freigabe des Medikaments von SPD (11039) und Linken (17/12102) eine Absage.

Zur Begründung führte die CDU/CSU-Fraktion an, es seien in einer entsprechenden Anhörung wissenschaftlich aufbereitet Gründe angeführt worden, die gegen eine Freigabe sprächen. In Deutschland gebe es zwei Notfallkontrazeptiva. Eines davon, Ulipristal, sei im Vergleich zum zweiten Mittel Levonorgestrel ein "besseres Medikament", sei aber von der EU zugelassen. In Deutschland könne nur die Verschreibungspflicht von Levonorgestrel aufgehoben werden, dagegen sprächen aber stärkere Nebenwirkungen und eine schwächere Wirksamkeit. In England und Frankreich sei zudem mit der Freigabe der Notfallverhütung die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche angestiegen. Grundsätzlich, so die Union, sei eine ärztliche Beratung bei der Verwendung dieser Medikamente nötig.

Diese Sicht teilen auch die Liberalen. Die Fraktion betonte in der Sitzung, es sei problematisch, die Pille danach "mit Kopfschmerztabletten gleichzusetzen", dies werde mit einer Herausnahme aus der Verschreibungspflicht aber getan. Dreh- und Angelpunkt bei dieser Frage sei die Beratung - es sei nur schwer vorstellbar, dass diese "im Apothekenverkaufsraum" stattfinden könne.

Die Opposition hält diese Argumente für vorgeschoben. Die Linke betonte, ihr Antrag folge Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Fraktion fordert neben einer Aufhebung der Verschreibungspflicht auch, dass die Notfallverhütungsmittel bis zum 20. Lebensjahr erstattungsfähig sein sollen, damit Verhütung im Notfall "nicht eine Frage des Geldbeutels" sei. Bei den Gegnern der Freigabe spiele neben einer "berufsständischen Argumentation" auch das "ein oder andere Gramm an Ideologie" eine Rolle.

Die SPD-Fraktion wies in der Sitzung darauf hin, dass die Pille danach in 78 Ländern rezeptfrei sei und man dort nie von gesundheitlichen Beeinträchtigungen gehört habe. Dass man in Deutschland "plötzlich eine medizinische Gefahr" sehe, seien "vorrangig berufsständische Argumente". Es gebe "keinen Grund", die Rezeptfreiheit der Medikamente nicht zu wollen - es wäre gut, wenn man sich in Deutschland der Frage nach mehr sexueller Selbstbestimmung stellen würde.

Bündnis 90/die Grünen zeigten sich erstaunt darüber, dass Schwarz-Gelb den Apothekern die nötige Beratung nicht zutrauen würde. Die Koalition führe "fadenscheinige Argumente" an; die Gegner der Freigabe hätten vor allem berufsständische und wirtschaftliche Interessen. Davon dürfe man sich "nicht ernsthaft" bei der Entscheidung leiten lassen. Man sei froh um die niedrigen Abtreibungsraten in Deutschland und müsse "dafür sorgen, dass das so bleibt". Weil es aber insbesondere in einigen Landstrichen viele katholische Krankenhäuser gebe, sei der Zugang zu Notfallverhütungsmitteln "extrem erschwert" - dies könne zu ungewollten Schwangerschaften und Abbrüchen führen. Es gebe innerhalb der Ärzteschaft den Mythos, Ulipristal sei das bessere Medikament; dies lasse sie aus der Wirksamkeitsstudie aber nicht schließen. Es gebe bereits seit 2003 die Empfehlung des BfArM, das Präparat freizugeben und überdies genügend Erfahrungen mit dem Medikament.

Der Antrag der Linken wurde mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung von SPD und Bündnisgrünen abgelehnt, der Antrag der SPD scheiterte an den Stimmen von Union und FDP gegen SPD und Grüne bei Enthaltung der Linken.

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3. Hightech-Strategie wird von Opposition kritisiert

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) "Die Hightech-Strategie ist ein neuer Ansatz zur Innovationspolitik", sagte der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) vor dem Ausschuss für Bildung und Forschung am Mittwochvormittag. Er stellte im Berliner Paul-Löbe-Haus noch einmal die zentralen Punkte der Strategie dar, die die Bundesregierung seit 2006 auflegt. Vorlage zu der Diskussion im Ausschuss war die bereits am 30. März 2012 veröffentlichte Unterrichtung der Bundesregierung "Zukunftsprojekte der Hightech-Strategie" (17/9261). Dabei geht es im Wesentlichen um die Felder Klima und Energie, Gesundheit in einer Gesellschaft des längeren Lebens, Sichere und nachhaltige Mobilität, Kommunikation zwischen Menschen, Unternehmen und Internet und das Thema Sicherheit in der digitalen Welt.

Rachel betonte den Erfolg der Strategie, deren Etat zuletzt auf 27 Milliarden Euro von 2010 bis 2013 erhöht worden sei. "Deutschland gehört zu den innovativsten Ländern dieser Welt", sagte er und betonte, dass Deutschland innerhalb der EU hinter Schweden den zweiten Platz in der Innovationsforschung einnähme. Im Zeitraum zwischen 2005 bis 2001 habe sich die Zahl der Beschäftigten im Forschungs- und Innovationsbereich von 475.000 auf 567.000 Menschen erhöht.

Die Vertreter der Koalitionsfraktionen lobten die Hightech-Strategie ebenfalls. Der Vertreter der CDU betonte, dass die Union mit der Förderungsstrategie die Wissenschaft nicht ökonomisieren wollen, sondern es sollten neben der Förderung der Grundlagenforschung und der Ressortforschung vor allem Investitionshemmnisse abgebaut werden. Die FDP sieht den Gewinn der Strategie auch in der Bündelung der einzelnen Forschungsfelder.

Ein ganz anderes Bild von der Hightech-Strategie zeichnete die Opposition. Der Vertreter der SPD warf der Bundesregierung vor, dass das Programm kaum strategisch ausgerichtet sei und "viel Wein in alten Schläuche" enthielte. Zudem werde die Dienstleistungs- und Arbeitsforschung in dem Programm fast gar nicht berücksichtigt. Auch die Linke blies in ein ähnliches Horn und mahnte, dass viel zu wenig kleine und mittlere Unternehmen berücksichtigt würden. Die Rednerin der Grünen wehrte sich ebenso wie andere Vertreter der Opposition gegen den Vorwurf, die Hightech-Strategie werde nur aus Oppositionsreflexen kritisiert. Sie führte ein Papier der Industrie- und Handelskammer (IHK) vom April 2013 an. Darin hatte die IHK die Hightech-Strategie in wichtigen Punkten kritisiert und von "brach liegendem Potenzial" gesprochen. IHK-Präsident Eric Schweitzer hatte unter anderem zu bedenken gegeben: "Die Innovationspolitik der Bundesregierung muss gerade für den Mittelstand transparenter sein und die Erfahrungen der Unternehmen nutzen." Zudem bezog sich die Vertreterin der Grünen auch auf die Expertenkommission der Bundesregierung, die den Mitteleinsatz der Hightech-Strategie als "nicht transparent" bezeichnet habe.

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4. Experten fordern weitere Verbesserungen bei der Eisenbahnregulierung

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Anhörung)

Berlin: (hib/MIK) Bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/12726) zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich fordern die meisten Experten noch Verbesserungen. Dies wurde am Mittwochmorgen bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung deutlich. Mit dem Gesetzentwurf will die Regierung den Wettbewerb auf der Schiene stärken und die Effizienz im Eisenbahnsektor erhöhen. Um dies zu erreichen, will sie die Entgelte für die Nutzung einer Eisenbahninfrastruktur regulieren und den Zugang der Nutzer zu Schienen und Bahnhöfen verbessern. Außerdem sollen die Befugnisse der Bundesnetzagentur gestärkt werden.

Susanne Henckel von Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des SPNV sieht "noch erhebliche Defizite" bei der angedachten Regulierung. Sie kritisierte vor allem in ihrer Stellungnahme, dass es weiterhin keine Trennung zwischen Netz und Betrieb geben soll und die Gewinnabführungsverträge zwischen den Infrastrukturgesellschaften des DB-Konzerns und der DB-Holding weiterhin unangetastet bleiben sollen. Dies müsse jedoch unterbunden werden, damit die Gewinne der Eisenbahninfrastrukturgesellschaften (EIU), die überwiegend aus den Nutzungsentgelten des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) gespeist würden, den EIU für die große Herausforderung der Infrastrukturerhaltung sowie dem Ausbau zur Verfügung ständen. Eine gelungene Regulierung müsse sich vor allem daran messen lassen, ob weiter steigende Infrastrukturpreise verhindert werden könnten.

Für Professor Kay Mitusch vom Karlsruher Institut für Technologie wird mit dem Gesetzentwurf ein entscheidender Schritt zum Abbau des Informationsmonopols und zum Abbau des grundlegenden Steuerungsdefizits der DB Infrastrukturunternehmen getan. Die Kontrollinstanzen der Kapitalmärkte seien bei DB und DB Netz weitgehend außer Kraft gesetzt, ohne dass es einen Ersatz dafür gäbe. Dies könne so nicht weitergehen, schreibt er in seiner Stellungnahme. Die Bahn sei nicht irgendeine unbedeutende Branche. Es gebe hohe gesellschaftliche und politische Ansprüche an den Verkehrsträger Schiene. Dafür werde die Bahn mit hohen Steuermitteln unterstützt. Die Baukostenzuschüsse des Bundes und die Regionalisierungsmittel würden sich auf rund elf Milliarden Euro pro Jahr addieren. Ein Unternehmen, das derart aus Steuermitteln finanziert werde, könne nicht hinsichtlich des effizienten Einsatzes dieser Mittel als "Black Box" behandelt werden.

Frank Miram, Deutsche Bahn AG, wies darauf hin, dass sich der Wettbewerb sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt habe. Die DB AG erkenne die Notwendigkeit einer effektiven Regulierung der wettbewerblichen Engpassfaktoren zur Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs im Eisenbahnsektor seit jeher an, heißt es in seiner Stellungnahme weiter. Es sei aber festzuhalten, dass Regulierung kein Selbstzweck sei. Nur wenn tatsächlich ein Marktversagen vorliege, seien Eingriffe zu rechtfertigen. An dem Gesetzentwurf kritisierte er vor allem, dass europäische Vorgaben nicht ausreichend berücksichtig seien. Nur mit der Umsetzung der EU-Vorgaben würde die Konsistenz zwischen nationalem und europäischem Recht sichergestellt.

Alexander Kirfel vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen begrüßte, dass die Kosten der Eisenbahninfrastrukturunternehmen einer Effizienzkontrolle im Zuge einer Anreizregulierung unterzogen werden sollen. Er habe allerdings beim Gesetzentwurf gravierende Kritikpunkte, die unter anderem in den Vorschriften zu Rangierdienstleistungen zu finden seien.

Für Engelbert Recker von Mofair bleiben durch den Gesetzentwurf die Möglichkeiten der Deutschen Bahn zur Diskriminierung ihrer Wettbewerber erhalten. Formal werde die Regulierung insbesondere durch eine Ausweitung der Kompetenzen der Bundesnetzagentur verschärft, gleichzeitig werde aber sichergestellt, dass die Regulierung in der Sache im Wesentlichen leerlaufe, heißt es in seiner Stellungnahme. So werde eine Genehmigungspflicht für die Trassenentgelte eingeführt. Gleichzeitig werde ein Großteil der Kosten der Eisenbahninfrastruktur von der Regulierung ausgenommen.

Professor Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin, sieht ein "erhebliches Verbesserungspotenzial" bei der Regulierung DB Netz AG. Insbesondere gelte es bei der Reform sicherzustellen, dass im Rahmen einer neugestalteten Regulierung eine langfristig effiziente Erhaltungsstrategie für das Netz implementiert werde.

Thomas Petersen, KCW GmbH, hält in seiner Stellungnahme den Gesetzentwurf für nicht zielführend, da die Erwartung an eine Senkung oder Stabilisierung der Infrastrukturentgelte nicht eintreten werde, weil die Gewinnabführungsverträge nicht angegangen würden. Petersen hält eine Verschärfung der Regulierung für notwendig, weil die heutigen Regelungen nicht verhindern könnten, dass die Trassen- und Stationspreise trotz gewaltiger Zuschüsse des Bundes kontinuierlich gestiegen seien. Dies habe dazu geführt, dass sich der Anteil der Infrastrukturentgelte bei den Gesamtkosten des Regionalverkehrs "signifikant" erhöht hätten. Dadurch sei der Spielraum der Länder bei den Bestellungen des SPNV deutlich eingeschränkt. Ihnen bleibe als einzige kostendämpfende Maßnahme, den Angebotsumfang zu reduzieren beziehungsweise abzubestellen. Wenn die Preisentwicklung so weitergehe, würden massive Kürzungen im SPNV-Angebot wie zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern Schule machen. Die Leidtragenden seien dann die Fahrgäste, insbesondere Geringverdiener und Schüler.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 263 - 15. Mai 2013 - 12:10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013