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BUNDESTAG/3159: Heute im Bundestag Nr. 164 - 28.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 164
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 28. März 2012 Redaktionsschluss: 13:50 Uhr



1. Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression beschlossen
2. Linke: Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalvertrag ablehnen
3. Die Linke: Militärische Aktion gegenüber Iran ausschließen
4. Koalition will kleine Banken vor zu starker Aufsicht schützen
5. SPD-Fraktion will neuen Infrastrukturkonsens

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1. Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression beschlossen

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat am Mittwoch dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression (17/8683) zugestimmt. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP stimmten dem Entwurf zu, die Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Zuvor waren an dem Entwurf kleinere Änderungen technischer Natur vorgenommen worden. Angenommen wurde auch ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, mit dem die Bundesregierung beauftragt wird, von der nächsten Legislaturperiode an alle zwei Jahre jeweils zusammen mit dem Existenzminimumbericht einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression vorzulegen.

Die Unionsfraktion begründete den Gesetzentwurf mit dem Ziel, nicht gewollten heimlichen Steuererhöhungen durch Korrekturen des Tarifs entgegenwirken zu wollen. Kleinere und mittlere Einkommensbezieher würden besonders von der kalten Progression betroffen, und daher würden diese Gruppen durch den Gesetzentwurf die höchsten Entlastungen erhalten.

Die SPD-Fraktion widersprach dem von der Unionsfraktion erweckten Eindruck, es gebe verfassungsrechtliche Gründe für eine Steuerentlastung durch Anhebung des Grundfreibetrages. Dem sei aber nicht so. Es gebe allenfalls Schätzungen zur notwendigen Höhe des aus verfassungsrechtlichen Gründen steuerfrei zu stellenden Existenzminimums. Und den Effekt der kalten Progression habe es in den letzten Jahren nicht gegeben. Steuerliche Entlastungen seien in der Vergangenheit durch das Bürgerentlastungsgesetz erfolgt.

Die FDP-Fraktion entgegnete auf die Kritik der SPD, es gehe hier nicht um Steuersenkungen, sondern um den Verzicht auf Steuererhöhungen. Das sei etwas ganz anderes. Ein Verzicht auf Steuererhöhungen könne folglich auch nicht zu Steuermindereinnahmen führen.

Die Linksfraktion erklärte, die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auseinander. Diese Entwicklung werde durch den Gesetzentwurf noch verstärkt, weil es entgegen den Äußerungen der Koalition sehr wohl zu einer stärkeren Entlastung höherer Einkommen komme. Das eigentliche Problem, einen Knick im Tarifverlauf, gehe die Koalition nicht an. Notwendig sei aber ein linear-progressiver Tarif

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte eine Erhöhung des Grundfreibetrages auf 8.500 Euro und eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. 50 Prozent der im Koalitionsentwurf vorgesehenen Entlastungen kämen den oberen 20 Prozent der Einkommensbezieher zugute. Notwendig sei aber eine Mehrbelastung der oberen zehn Prozent, um die anderen 90 Prozent entlasten zu können.

Die Bundesregierung begründet ihren Entwurf damit, im System des progressiv gestalteten Einkommensteuertarifs profitiere der Staat von systembedingten Steuereinnahmen, die über den Effekt der kalten Progression entstehen würden. Es solle jedoch verhindert werden, "dass Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, zu einem höheren Durchschnittssteuersatz führen".Daher ist eine stufenweise Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags in zwei Schritten zum 1. Januar 2013 auf 8.130 Euro und zum 1. Januar 2014 auf 8.354 Euro (insgesamt plus 350 Euro) vorgesehen. Die Anhebung orientiert sich an der voraussichtlichen Entwicklung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums. Auch der Tarifverlauf soll prozentual wie der Grundfreibetrag um 4,4 Prozent angepasst werden. Ohne Anpassung des Tarifverlaufs käme es durch die alleinige Anhebung des Grundfreibetrags bei konstantem Eingangssteuersatz zu einer nicht gewollten "Stauchung" des Tarifs innerhalb der ersten Progressionszone und damit zu einem Anstieg der Progression, wird erläutert.

In der Begründung des Gesetzentwurfs verweist die Bundesregierung auf die positiven Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzungen. Dessen Prognosen würden für die nächsten Jahre den Spielraum eröffnen, den Bürgern in zwei Schritten inflationsbedingte Mehreinnahmen in einem Volumen von sechs Milliarden Euro zurückzugeben und das "im vollen Einklang mit der konsequenten weiteren Umsetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse". Im Verhältnis zur gezahlten Steuer soll die Entlastung der unteren Einkommensgruppen nach Angaben der Regierung am größten sein.

Abgelehnt wurde mit Mehrheit der Koalition ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion, in dem die Argumentation der Regierung, es gebe einen dringenden Entlastungsbedarf, als "Irreführung" zurückgewiesen wird. Steuersenkungen seien angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte die falsche Priorität: "Die Konsolidierung der Haushalte und die Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Staates müssen Vorrang vor schuldenfinanzierten Steuersenkungen erhalten."

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2. Linke: Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalvertrag ablehnen

Haushalt/Anträge

Berlin: (hib/MIK) Der Bundestag soll den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalvertrag ablehnen. Dies fordert die Fraktion Die Linke in zwei Anträgen (17/9146, 17/9147), die am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werden.

Deshalb soll die Bundesregierung die Ratifizierung des ESM-Vertrages nicht weiter verfolgen und auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten, deren Regierung den ESM-Vertrag unterzeichnet haben, dafür werben, dass ihre Parlamente den Vertrag nicht ratifizieren. Weiter soll sie sich für ein sofortiges Ende der "krisenverschärfenden Kürzungspolitik" und für eine einmalige EU-weite Vermögensabgabe zur Krisenfinanzierung einsetzen sowie parallel dazu einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem in Deutschland die Vermögenssteuer als Millionärssteuer wieder eingeführt wird. Um die Inlandsnachfrage zu erhöhen und die Leistungsbilanzungleichheit abzubauen, soll die Regierung unverzüglich Gesetzentwürfe zu einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde vorlegen und sich dafür einsetzen, dass die Finanzmärkte streng reguliert werden.

Die Bundesregierung soll auch die Ratifizierung des "Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion" (Fiskalvertrag) nicht weiter verfolgen, fordert die Linksfraktion in einem weiteren Antrag. Stattdessen soll sie die "wirklichen" Krisenursachen bekämpfen und sich unter anderem dafür einsetzen, dass die öffentlichen Haushalte der Eurozone vom Diktat der Finanzmärkte befreit werden, in dem eine Bank für öffentliche Anleihen ohne Umweg über private Banken und ohne Zinsaufschlag den Staaten Kredit einräumt. Die Regierung soll sich zudem dafür einsetzen, dass bei überschuldeten Staaten ein ausreichender Schuldenschnitt erfolgt, lautet eine weitere Forderung der Linksfraktion.

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3. Die Linke: Militärische Aktion gegenüber Iran ausschließen

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/BOB) Deutschland soll verbindlich erklären, dass es sich nicht an einer militärischen Aktion gegen den Iran beteiligen wird. Wie aus einem Antrag der Fraktion Die Linke (17/9065) weiter hervor geht, betrifft dies auch die Einräumung von Überflugrechten. Die Bundesrepublik soll auch ihr Veto gegen eine Beteiligung der Nato einlegen. Ferner müsse die EU sich dafür einsetzen, dass die Ende Januar dieses Jahres beschlossenen, auf die iranische Öl- und Finanzwirtschaft zielenden Handelssanktionen zurückzunehmen sind. Die Bundesregierung müsse für einen Verhandlungsansatz plädieren, der aktiv iranische Sicherheitsinteressen aufgreife und Sicherheitsgarantien für Iran und Israel beinhalte. Ziel könne ein Nichtangriffsabkommen zwischen den USA, Israel und Iran sein.

Das Recht Irans auf die zivile Nutzung der Atomenergie sei nach dem Atomwaffensperrvertrag "unstrittig". Anlass für die neuen Sanktionen sei der letzte Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) vom Ende November vorigen Jahres, in dem die Wiener Behörde Vermutungen über ein möglichen Atomwaffenprogramm des Iran anstellt. "Eigene Hinweise für die Existenz eines aktuellen iranischen Atomwaffenprogramms hat die IAEO allerdings nicht", erklärt die Linksfraktion. Sie fordert, im Gouverneursrat der IAEO eine Entscheidung herbeizuführen, nach der künftig in IAEO-Berichten keine Anschuldigungen aufgenommen werden, die ausschließlich von nationalen Geheimdiensten stammten und nicht durch eigene Befunde oder Informationen der IAEO gestützt werden.

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4. Koalition will kleine Banken vor zu starker Aufsicht schützen

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Eine Überregulierung kleiner und ausschließlich regional tätiger deutscher Sparkassen, Genossenschaften und Privatbanken durch europäische Aufsichtsbehörden soll vermieden werden. Dieses Ziel verfolgt ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP zur Stärkung und effizienten Ausgestaltung der europäischen Finanzaufsicht (17/9151), der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht. Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Deutsche Bundesbank in der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision, ESFS) ihre praktischen Erfahrungen und detaillierten Kenntnisse über die deutschen Finanzmarktstrukturen und die von ihnen beaufsichtigten Unternehmen aktiv einbringen. Die drei ihm Rahmen des ESFS geschaffenen Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESAs) sollen "insbesondere ihre harmonisierende Funktion ausfüllen und die EU-weit einheitliche Anwendung des europäischen Aufsichtsrechts sicherstellen". Außerdem soll die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Aufsichtstätigkeit insbesondere der Vielfalt und den mittelständischen Strukturen im europäischen Finanzmarkt angemessen Rechnung trägt. CDU/CSU- und FDP-Fraktion fordern, dass im ESA-Personalpool "in angemessenem Maße deutsche Mitarbeiter vertreten sind".

Beide Fraktionen zeigen sich in dem Antrag besorgt, "dass eine nicht ausreichende Beschränkung der Aufsichtstätigkeit der ESAs auf ihre harmonisierende Funktion dazu führt, dass der Vielfalt im europäischen Finanzmarkt und insbesondere den mittelständischen Strukturen sowie dem Grundsatz der abgestuften Aufsichtsintensität entsprechend der Risikostruktur des beaufsichtigten Finanzinstituts (Proportionalitätsgrundsatz) nicht angemessen Rechnung getragen wird". Dies könne zu einer Überregulierung kleiner und ausschließlich regional aktiver Institute führen. "Außerdem ist darauf zu achten, dass die bürokratische Belastung durch das aufsichtsrechtliche Meldewesen verhältnismäßig bleibt", wird gefordert.

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5. SPD-Fraktion will neuen Infrastrukturkonsens

Verkehr und Bau/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Für einen neuen Infrastrukturkonsens setzt sich die SPD-Fraktion in einem Antrag (17/9156) ein. Deshalb soll die Bundesregierung unter anderem dafür sorgen, dass Planfeststellungsverfahren beschleunigt werden, indem mögliche Alternativplanungen unter Beteiligung der Öffentlichkeit schon in der Vorphase vor Eröffnung des Verfahrens geprüft und zeitraubende Doppelungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung vermieden werden.

Außerdem sollen die Spielräume der Genehmigungsbehörden zur Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen für Beeinträchtigungen von Anwohnern erweitert werden, fordern die Abgeordneten weiter. Bei Enteignungsverfahren im Zuge von Planungen sollen soziale Härten vermieden werden. Deshalb sollen Entschädigungszahlungen für den Bau von Energieleitungen nicht mehr nur an Gemeinden, sondern auch direkt an betroffene Anwohnerinnen und Anwohner gezahlt werden können.

Im Bereich der Netz- und Bedarfsplanung für Bundesverkehrswege und Energieleitungen soll die Regierung im Bedarf für Infrastrukturprojekte transparent und unter Mitwirkung der Öffentlichkeit ermitteln, heißt es in dem Antrag weiter. Dazu sollen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit bei der Netzplanung und Bedarfsfeststellung "deutlich" verbessert werden. Die Öffentlichkeitsbeteiligung dürfe sich nicht allein auf Umweltverträglichkeitsprüfungen beziehen, sondern müsse alle Aspekte der Netzplanung, insbesondere deren Ziele, Prioritäten und mögliche Netzalternativen sowie ökonomische Fragen umfassen.

Im Bereich des Fachplanungsrechts soll die Regierung laut Antrag einen Gesetzentwurf vorlegen, der sicherstellt, dass Genehmigungsbehörden einen Bürgeranwalt mit entsprechendem Etat einsetzen, der die Bürger in allen Fragen der Beteiligung berät und auf die Einhaltung der Beteiligungsverfahren achtet. Auch hier soll die Öffentlichkeit schon im Vorfeld der Planfeststellung umfassend informiert und in allen wichtigen Entscheidungsprozesse eingezogen werden. Schließlich sollen im Bereich der Flughafen- und Routenplanung die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass bei der Planfeststellung von Flughäfen und neuen Landebahnen länderübergreifend alle von den An- und Abflugrouten betroffenen Gemeinden und deren Bürgerinnen und Bürger frühzeitig beteiligt werden.

Deutschland braucht eine leistungsfähige Infrastruktur, um auch künftig als moderner Industrie- und Dienstleistungsstandort wirtschaftlich erfolgreich zu sein und eine hohe Lebensqualität zu sichern, schreiben die Abgeordneten in der Begründung. Es müsse in Modernisierung und Ausbau der Energie- und Kommunikationsnetze und der Verkehrswege investiert werden. Neue Vorhaben brauchten aber die Akzeptanz der Bürger, die Projekte müssten umwelt- und sozialverträglich sein, und sie dürften nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg durchgesetzt werden.

Der SPD-Antrag wird am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 164 - 28. März 2012 - 13:50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2012