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BUNDESTAG/3102: Heute im Bundestag Nr. 107 - 05.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 107
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 5. März 2012 Redaktionsschluss: 15:50 Uhr


1. Bundesregierung will lokale Regelungen bei Hospiz- und Palliativstationen beibehalten
2. Wirtschaft lehnt absolute Energieeinsparziele ab
3. Öffentliche Anhörung zum Thema Tourismus und Wissenschaft
4. SPD will Neuregelung der Sicherungsverwahrung auf schwerste Gewalt- und Sexualtaten beschränken
5. Energiewende betrifft nur Deutschland
6. Regierung für nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen


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1. Bundesregierung will lokale Regelungen bei Hospiz- und Palliativstationen beibehalten

Petitionsausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung plant nicht, in der Frage der Bereitstellung von Hospizplätzen zu einer bundesweiten Regelung überzugehen. Das machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ulrike Flach (FDP), am Montag während der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. "Wir haben uns bewusst für eine lokale Regelung entschieden, die von den Ländern gesteuert wird", sagte Flach. Gerade im Falle von Hospiz- und Palliativstationen sei eine Regelung "vor Ort" am besten, betonte sie. Gleichzeitig sei es jedoch Aufgabe der Bundesregierung "entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen". Dies sei mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) 2009 auch geschehen, sagte die Staatssekretärin vor den Abgeordneten.

Anlass der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschuss war die Eingabe des Petenten Mark Carstens aus Bremen, in der eine "bundesweite bedarfsgerechte Versorgung mit Hospizplätzen" gefordert wird. Carstens beklagt, dass die "wirtschaftlichen Interessen" der entsprechenden Träger angesichts der in Paragraf 39a Satz 4 SGB V geregelten Finanzierung gegen den Ausbau von Hospizeinrichtungen gerichtet seien. Daher müssten die finanziellen Rahmenbedingungen zu stationären Hospizeinrichtungen neu strukturiert werden und die "derzeitige Verantwortung von gesellschaftlichen Problemen den wirtschaftlichen Trägern genommen werden", heißt es in der Petition.

Vor dem Petitionsausschuss sprach der Petent von seinen Erfahrungen während der letzten Lebensmonate seiner Mutter. Diese, so Carstens, sei 2009 mit 61 Jahren an Lungenkrebs erkrankt. Nachdem die zuständigen Ärzte Ende des Jahres erklärt hätten, nichts mehr für sie tun zu können, habe er einen stationären Hospizplatz beantragt, sagte der Petent. Bei dem einzigen Hospiz in Bremen habe es jedoch keinen freien Platz gegeben, was dazu geführt habe, dass seine Mutter bis kurz vor ihrem Tode mehrfach von Zuhause ins Krankenhaus und zurück verlegt wurde. "Dieser respektlose Umgang führte dazu, dass meine Mutter nie zur Ruhe kam", sagte Petent Carstens. Bei jeder Veränderung ihres Zustandes, so Carstens, habe er neue Anträge bei der Krankenkasse einreichen, Widersprüche einlegen und sich mit dem Sozialgesetzbuch auseinandersetzen müssen, "statt sich die Zeit zu geben, um gemeinsam voneinander Abschied zu nehmen".

Die Abgeordneten zeigten sich beeindruckt von den Ausführungen Carstens'. Es sei wichtig, dass das sensible Thema des Sterbens in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werde, sagte Stefanie Vogelsang (CDU/CSU). Sie verwies zugleich darauf, dass im Bereich der Hospizversorgung gesetzgeberisch in den vergangenen Jahren viel geleistet worden sei. Man könne jedoch die Entwicklungen "nicht von Null auf Hundert regeln". Auch Staatssekretärin Flach sprach von einem "deutlichen Sprung nach vorn" bei der Entwicklung der Hospizplatzangebote. "Wir wissen, dass es noch nicht genug sind, aber wir sind auf einen guten Weg", sagte sie.

Aus Sicht von Carstens ist die derzeitige Finanzierung von stationären Hospizen - 90 Prozent durch die Krankenkassen, 10 Prozent durch Spenden und ehrenamtliches Engagement - ein Grund dafür, dass insbesondere in Gegenden mit einer geringen Bevölkerungsdichte ein wirtschaftliches Betreiben von Hospizen kaum möglich sei. Auf die Anmerkung des FDP-Abgeordneten Jens Ackermann, dass die Hospizbewegung selbst keine Vollfinanzierung gewollt habe, sagte Carstens, dies sei ihm bewusst. Er stehe in Verbindung mit den Hospizverbänden, die eine 100-Prozent Finanzierung ablehnten, weil dies zu Lasten des Hospizgedankens gehe. Aus seiner Sicht müsse es hier jedoch zu einem Umdenken kommen: "Wir brauchen neue Konzepte und nicht mehr die Strukturen von 1950", forderte der Petent Carstens.


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2. Wirtschaft lehnt absolute Energieeinsparziele ab

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (Anhörung)

Berlin: (hib/HLE) Die Industrie hat vor zu scharfen Verpflichtungen zur Energieeinsparung und Energieeffizienz gewarnt. In einer Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum EU-Vorschlag für eine Energieeffizienzrichtlinie am Montag lehnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) "absolute Energieeinsparziele ab, da diese nicht mit dem zyklischen Konjunkturverlauf zu vereinbaren sind, ohne dass dies zu Lasten der Wirtschaftskraft europäischer Unternehmen geht". Der Richtlinien-Vorschlag soll die EU zu einer Senkung des Primärenergieverbrauchs bis zum Jahre 2020 befähigen. Gegenstand der Anhörung waren außerdem Anträge der Oppositionsfraktionen SPD (17/8159), Die Linke (17/8457) und Bündnis 90/Die Grünen (17/7462), in denen eine wirkungsvolle Ausgestaltung der EU-Richtlinie und eine wirkungsvolle Energieeffizienz gefordert wird.

Von der Wirtschaftsvereinigung Stahl hieß es, die deutsche Stahlindustrie habe ihren spezifischen Primärenergieverbrauch seit 1960 um annähernd 40 Prozent gesenkt. "Der Bedarf an Kohlenstoffträgern für den Eisenerz Reduktionsprozess im Hochofen sowie an Schmelzstrom für Elektrolichtbogenofen lässt sich allerdings aus chemischen und physikalischen Gründen kaum noch weiter verringern", hieß es in der Stellungnahme. Die Energieeinsparpotenziale der Stahlindustrie lägen weit unter den von der Politik angestrebten Steigerungsraten. "Vor diesem Hintergrund dürfen die Anforderungen gegenüber energieintensiven Industrien wie der Stahlindustrie nicht überspannt werden", wurde gewarnt.

"Insgesamt setzt der Entwurf zu stark auf starre Planvorgaben und zu wenig auf flexible und effiziente Marktelemente", hieß es vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Daher halte man "überhaupt nichts von dieser Art Verpflichtung". Die Kupfer verarbeitenden "Wieland-Werke" (Ulm) erklärten: "Pauschal für alle Unternehmen sind solche festen Vorgaben kontraproduktiv." Das Ziel der EU-Richtline sei "sehr sportlich".

Dagegen hieß es von der Prognos AG: "Das mittelfristige Ziel der EU, 20 Prozent Primärenergie einzusparen, liegt in guter Übereinstimmung mit den nationalen Zielen Deutschlands für diesen Bereich und erfordert aus deutscher Sicht kaum zusätzliche Anstrengungen gegenüber dem ohnehin angestrebten nationalen Zielpfad." Anders als die Industrievertreter ging die deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz davon aus, dass durch Endenergie-Effizienzmaßnahmen bis 2020 bis zu 14 Prozent des Endenergieverbrauchs eingespart werden könnten. Allein mittels Stromeffizienzmaßnahmen könne auf die Kapazität von mindestens zehn Kernkraftwerken verzichtet werden. Durch Wärmeeffizienzmaßnahmen seien weitere Einsparungen möglich. Zur Energieeffizienz hieß es insgesamt: "Der schlafende Riese kann sofort als 'kalte Reserve' geweckt werden."

Die Bundesvereinigung der Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft wies allerdings darauf hin, dass wirtschaftliche und soziale Gründe Umfang und Tiefe der energetischen Modernisierungsmaßnahmen an Wohngebäuden begrenzen würden. Das Unternehmen "Kofler Energies" sieht Einsparpotenziale in öffentlichen Gebäuden von mehr als 50 Prozent bei Vollsanierung. Bei einer Modernisierung der Anlagentechnik seien 20 bis 40 Prozent möglich. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg sah die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für Gebäudesanierungen "als ein wirkungsvolles Instrument zur Beschleunigung der energetischen Sanierung" an.

Die Firma "Bosch und Siemens Hausgeräte" wies auf einen ganz anderen Aspekt hin: Mit 55 Terrawattstunden im Jahr würden fast 40 Prozent des privaten Stromverbrauchs in Deutschland auf Elektro-Hausgeräte entfallen. Durch die lange Nutzungsdauer würden Kaufentscheidungen lange nachwirken. So würden Geschirrspüler zwölf Jahre lang genutzt, Gefriergeräte 17 Jahre. Moderne Hausgeräte würden jedoch nur noch die Hälfte, zum Teil sogar nur ein Drittel des Stroms verbrauchen. "Insgesamt ließen sich durch den Austausch dieser sehr alten Geräte in den Haushalten jährlich rund 15 Terrawattstunden Strom einsparen", hieß es in der Stellungnahme der Firma. Um diese Potenziale zu heben, wurden Anreizprogramme empfohlen.


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3. Öffentliche Anhörung zum Thema Tourismus und Wissenschaft

Ausschuss für Tourismus

Berlin: (hib/MPI) Mit dem Thema Tourismus und Wissenschaft beschäftigt sich der Tourismusausschuss am Mittwoch, 7. März, in einer öffentlichen Anhörung. Zur Sprache kommen sollen die Aspekte Ausbildung, Forschung und Wissenstransfer. Als Sachverständige sind zu der um 16 Uhr beginnenden zweistündigen Veranstaltung geladen: Professor Armin Brysch von der Fakultät für Tourismus an der Hochschule Kempten, der Leiter des Instituts für Management und Tourismus an der Fachhochschule Westküste (Heide), Professor Bernd Eisenstein, Professor Torsten Fischer vom Baltic College Schwerin, Professor Sven Gross von der Hochschule Harz und de Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswirtschaft (DGT), Professor Harald Pechlaner von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Die Anhörung findet im Sitzungssaal E 200 im Paul-Löbe-Haus statt. Interessierte Zuhörer werden gebeten, sich beim Ausschuss unter tourismusausschuss@bundestag.de anzumelden.


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4. SPD will Neuregelung der Sicherungsverwahrung auf schwerste Gewalt- und Sexualtaten beschränken

Recht/Antrag

Berlin: (hib/BOB) Nach Ansicht der SPD soll der Referentenentwurf der Bundesregierung zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes zwischen Strafvollzug und Sicherungsverwahrung auf schwerste Gewalt- und Sexualtaten beschränkt werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Neuregelung vom Bundesverfassungsgericht erneut für verfassungswidrig erklärt wird, betonten die Sozialdemokraten in einen Antrag (17/8760). Nach ihrer Ansicht sollten deshalb die Taten für die Sicherungsverwahrung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen auf Straftaten beschränkt werden, die gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung noch einmal den besonderen Charakter der Sicherverwahrung deutlich gemacht, betont die SPD.

Bei Personen, die eine Straftat begangen hätten, die die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen würde, sollte das Gericht die nachträgliche Therapieunterbringung anordnen, erklären die Sozialdemokraten. Dies sei immer dann der Fall, wenn nach der Verurteilung Tatsachen erkennbar würden, wonach bei dem Betreffenden eine psychische Störung vorliege und aus konkreten Umständen in seiner Personen oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten sei, dass infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begangen werden, erklärt die SPD. Bis Mai 2013 hat die Bundesregierung Zeit für die Neuregelung.


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5. Energiewende betrifft nur Deutschland

Wirtschaft und Technologie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat der Übernahme einer Exportkreditgarantie für den Bau des dritten Blocks des brasilianischen Kernkraftwerks Angra (Angra 3) grundsätzlich zugestimmt. Der Reaktor entspreche dem Stand der Technik der in Westeuropa eingesetzten Druckwasserreaktoren. Eine endgültige Zusage werde es aber erst nach Vorlage eines weiteren unabhängigen Gutachtens geben, schreibt die Regierung in ihrer Antwort (17/8718) auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion (17/8627). In dem Gutachten soll unter anderem festgestellt werden, "ob und wie die Erkenntnisse aus der Havarie von Fukushima beim Bau des Kernkraftwerks Angra 3 berücksichtigt werden". Das Gutachten soll noch im ersten Quartal dieses Jahres vorliegen.

Die Regierung verteidigt die Übernahme von Exportkreditgarantien mit dem Hinweis, es würden "deutsche Exporte und Wertschöpfung gefördert und Arbeitsplätze in Deutschland gesichert". Auf die Frage, ob die Übernahme der Bürgschaft im Widerspruch zur Energiewende stehe, heißt es: "Die von der Bundesregierung beschlossene Energiewende betrifft die Stromerzeugung im Inland. Es liegt in der souveränen Entscheidung anderer Staaten zur Ausgestaltung ihrer Energiepolitik einen anderen Energiemix zu wählen."


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6. Regierung für nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen

Wirtschaft und Technologie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung setzt sich für eine nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen in Israel und in den palästinensischen Gebieten ein. "Dazu zählt, dass nur in dem Maße Wasser aus dem Grundwasservorkommen entnommen wird, wie sich dieses durch Niederschlag wieder auffüllt", schreibt die Regierung in ihrer Antwort (17/8712) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/8422). seit über zwei Jahrzehnten trage Deutschland zur Stärkung des Wasser- und Abwassersektors in den palästinensischen Gebieten bei, könne mit der Entwicklungszusammenarbeit aber keine unbefriedigenden Rahmenbedingungen ändern. Die Entwicklungszusammenarbeit habe aber wichtige Beiträge zur Versorgung der Menschen geleistet. Davon profitierten allein in den Bezirken Ramallah und Nablus knapp 120.000 Menschen.


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 107 - 5. März 2012 - 15:50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2012