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BUNDESTAG/3066: Heute im Bundestag Nr. 071 - 08.02.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 071
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 8. Februar 2012 Redaktionsschluss: 13:30 Uhr


1. Bundesregierung: Noch kein Zeitplan für Rückholung des Atommülls aus der Asse möglich
2. Analphabetismus ein Problem in der "Mitte der Gesellschaft"


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1. Bundesregierung: Noch kein Zeitplan für Rückholung des Atommülls aus der Asse möglich

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Berlin: (hib/AS) Die Bundesregierung kann derzeit noch keine Angaben darüber machen, wann mit der Rückholung des radioaktiven Abfalls aus dem Atommülllager Asse II begonnen werden kann. Gleichzeitig bekräftigte Ursula Heinen-Esser (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (BMU), am Mittwoch im Umweltausschuss aber den gemeinsamen Willen "die Abfälle aus der Asse herauszuholen." Sie machte deutlich, dass alle beteiligten Gruppen intensiv daran arbeiteten, das Verfahren zu beschleunigen, wies aber darauf hin, dass im Vorfeld noch viele Probleme geklärt werden müssten. "Es ist nicht einfach, denn es gibt viele Themen, die auf dem Weg dorthin noch liegen", sagte sie. Auch der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, sagte, dass man eine Beschleunigung der Maßnahmen brauche. Er machte allerdings nochmals deutlich, dass seine Behörde 2009 eine Anlage übernommen hätte, die in den keiner Weise den geltenden Sicherheitsanforderungen entsprochen hätte. Da für die Anlage seitdem die Vorschriften des Atomrechts gelten, müssten vielfältige Sicherheitsauflagen erfüllt werden. Neben der Herstellung der Betriebssicherheit, müssten auch die entsprechenden Maßnahmen für einen Notfall sichergestellt werden. "Es ist hinsichtlich der Sicherheit eine Menge erreicht worden, aber es hat bisher keine schnellere Öffnung der Kammer gegeben", räumte er ein. Hier läge man hinter dem Zeitplan zurück. Gleichzeitig berichtete er von den Ergebnissen eines Expertenworkshops zur Asse Mitte Januar, bei dem die Fachleute erklärt hätten, dass die Asse eine ausreichende Stabilität besitze und ein Zusammenbrechen der Grube nicht zu befürchten sei.

Die CDU/CSU-Fraktion wies bei der anschließenden Diskussion darauf hin, dass aus Sicherheitsgründen noch ein neuer Schacht gebaut werden müsste. Die Fraktion wollte zudem wissen, mit welchem Volumen an Abfall gerechnet werden und wo ein Zwischenlager geplant sei. König erklärte, dass das zu erwartende Abfallvolumen auf 100.000 Kubikmeter geschätzt werde. Zur Frage nach einem Zwischenlager sagte er, dass es sich bewährt habe, erst die Kriterien für einen Standort aufzustellen und danach einen entsprechenden Standort zu suchen.

Die SPD brachte zum Ausdruck, dass die Frage der Asse eine "dringliche Zusammenarbeit aller Fraktionen" erfordere. Ein Vertreter der Fraktion forderte, es müsse klar sein, wann die sogenannte Lenkungsgruppe mit Vertretern verschiedener Behörden und Bürgern zu einem Ergebnis komme. Seine Fraktion hätte dazu einen entsprechenden Vorschlag gemacht.

Die FDP erkundigte sich nach einem Notfallplan für die Sicherheit der Beschäftigten und wollte wissen, welche weiteren Infrastrukturmaßnahmen in der Asse geplant seien. König betonte, dass es bei den verschiedenen Arbeiten in der Asse zu "konkurrierenden Zielen" komme, die Sicherheit der Bergleute habe aber immer"oberste Priorität".

Der Vertreter der Fraktion Die Linke kritisierte, dass es keinen "Zielzeitraum" für die verschiedenen Arbeiten gebe. Dadurch gebe es auch keinen Entscheidungsdruck, der ein Verfahren beschleunigen könne. Auch Bündnis 90/Die Grünen wiesen darauf hin, dass die erste Kammeröffnung ursprünglich für Ende 2010 vorgesehen war und wollten wissen, wann es hier eine Entscheidung gebe. Ihre Fraktionskollegin warb im Ausschuss nochmals für einen gemeinsamen Antrag, um in dieser Frage "nach außen ein Bild der Gemeinsamkeit" zu zeigen.


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2. Analphabetismus ein Problem in der "Mitte der Gesellschaft"

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/TYH) Es gibt Fortschritte, aber noch immer eine deutliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Darin waren sich die Sachverständigen bei einem öffentlichen Fachgespräch zum Thema Alphabetisierung am Mittwochvormittag im Bildungsausschuss weitgehend einig. Ende vergangenen Jahres haben sich Bund und Länder auf eine nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung verständigt. Die SPD-Fraktion hatte bereits im Frühjahr einen Antrag (17/5914) vorgelegt, in dem sie die Bundesregierung unter anderem dazu auffordert, 20 Millionen Euro für einen Grundbildungspakt von Bund, Ländern und Kommunen zur Verfügung zu stellen.

Die 2010 vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene "leo. Level-One Studie" hat ergeben, dass in Deutschland rund 7,5 Millionen Analphabeten zwischen 18 und 65 Jahren leben. Sie können einzelne Sätze lesen oder schreiben, jedoch keine Texte. Rund vier Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten im engeren Sinne: Sie können einzelne Wörter lesen und schreiben, aber keine ganzen Sätze. Von ihnen sind laut Studie etwa 57 Prozent erwerbstätig. Wie Professor Anke Grotlüschen, die die Studie geleitet hat, dem Ausschuss mitteilte, sind dabei vor allem an- und ungelernte Arbeitnehmer betroffen. Das Berufsbildungssystem sei hingegen "einigermaßen erfolgreich".

Dennoch gebe es auch unter den Auszubildenden funktionale Analphabeten, betonte Günter Lambertz vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Ein Großteil von ihnen bestehe jedoch die Prüfung am Ende der Ausbildung. Dies zeige, dass Hilfe und Druck durch Unternehmen durchaus Erfolg haben können. Jedoch wies Lambertz zugleich darauf hin, dass das Thema Analphabetismus im eigenen Betrieb bei zahlreichen Unternehmen auf Unverständnis stoße.

"Das Problem trifft die Mitte der Gesellschaft", sagte Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund Bundesvorstand. Von dem Ziel der Weltalphabetisierungsdekade von 2003 bis 2012, die Zahl der Analphabeten zu halbieren, sei Deutschland weit entfernt. Die von Bund und Ländern beschlossene nationale Strategie begrüßte er nachdrücklich, betonte jedoch, dass sie hinter den Anforderungen zurückbleibe. Vor allem fehlten eigene Ansätze der Länder. Zudem sei die Bundesagentur für Arbeit in der Pflicht, die derzeit vor allem kurzfristige Hilfen finanziere. "Die Maßnahmen greifen ins Leere, wenn die betreffende Person nicht anständig lesen und schreiben kann", betonte Anbuhl.

Bei der nationalen Strategie dürfe es nicht allein um das Lesen und Schreiben lernen gehen, betonte Ulrich Aengenvoort vom Deutschen Volkshochschul-Verband. Ziel müsse vielmehr sein, die volle berufliche, gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe der Betroffenen zu gewährleisten. Ein flächendeckendes, wohnortnahes Grundbildungsangebot sei notwendig, das alle Lebensbereiche umfasse und von allen gesellschaftlichen Kräften getragen werde. Dazu seien unter anderem neue Kursleiter, ein gemeinsames Curriculum und Schwerpunkteinrichtungen nötig.

Die Länder müssten sich der Herausforderung stellen, bundesweit rund 100.000 Kursplätze zur Verfügung zu stellen, sagte Peter Hubertus, Geschäftsführer des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung. Wichtig sei zudem die Einrichtung von Clearingstellen, die die Aktivitäten von Bund und Ländern zusammenführen. "Es dürfen keine Parallelstrukturen aufgebaut werden", betonte er. Zudem forderte er eine "verlässliche Grundbildungsinfrastruktur". Bislang seien die Fördermaßnahmen vom Bund vor allem projektbezogen.

Jörg Maas von der Stiftung Lesen wies darauf hin, dass jeder fünfte 15-Jährige ein defizitäres Textverständnis habe. Diese Jugendlichen liefen Gefahr, irgendwann als Analphabeten in der Statistik aufzutauchen. Er forderte Kontinuität in der Alphabetisierung, die bereits bei der frühkindlichen Bildung anfangen müsse und nicht nur die 18- bis 65-Jährigen im Blick habe.

Auf das Thema Alphabetisierungsarbeit bei Migranten machte Carola Cichos vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufmerksam. Laut leo-Studie haben 4,4 Millionen Analphabeten Deutsch als Muttersprache, 3,1 Millionen haben eine andere Sprache als Erstsprache. Pro Jahr besuchten jedoch nur 12.000 von ihnen einen Alphabetisierungskurs, sagte Cichos. Da herrsche eine große Diskrepanz.


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 071 - 8. Februar 2012 - 13:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2012