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BUNDESTAG/3024: Heute im Bundestag Nr. 029 - 19.01.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 029
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 19. Januar 2012 Redaktionsschluss: 16:00 Uhr


1. Abgeordnete untersuchen Enteignungsfragen rund um die Salzrechte
2. Union und Liberale: Tourismus für Menschenrechte nutzen
3. Union und FDP wollen die Potenziale älterer Menschen nutzen
4. Neue Verordnung für das Betanken von Kraftfahrzeugen und Lagern von Kraftstoffen
5. Im Bundestag notiert: Stand der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im Ausland


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1. Abgeordnete untersuchen Enteignungsfragen rund um die Salzrechte

1. Untersuchungsausschuss (Gorleben)

Berlin: (hib/JR) Der Erste Untersuchungsausschuss hat sich am Donnerstag mit den Enteignungsdebatten der neunziger Jahre auseinandergesetzt. Hierfür vernahmen die Abgeordneten Walter Kühne, Regierungsdirektor im Arbeitskreis Recht der nuklearen Ver- und Entsorgung im Bundesumweltministerium. Kühne arbeitete seinerzeit als Referent in der Rechtsabteilung des Ministeriums. "Die Frage der faktischen Beschaffung der Salzrechte war nicht Aufgabe des Rechtsreferats", sagte Kühne gleich zu Eingang seiner Vernehmung.

Der Bund verfügt in Gorleben für eine Erkundung des Salzstocks nicht über alle Salzrechte. Einige private Rechteinhaber verweigern die Herausgabe bis heute. "Wir haben mit dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) überlegt, wie man die Salzrechte erlangen kann", sagte Kühne. "So wurde die Begründung einer Untersuchung aus wissenschaftlichen Zwecken erörtert. Dies ist aber von uns verneint worden."

Der Gorleben-Ausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung für Gorleben als einzigen Erkundungsstandort für ein atomares Endlager zu Einflussnahmen oder Manipulationen seitens der Politik gekommen ist.

Auf Vorhalt eines selbst verfassten Vermerks, wonach das Vorliegen von Enteignungsvorschriften das Erwerben der Salzrechte erleichtern würde, sagte Kühne: "Wenn es keine Vorschriften gibt, ist die Stellung des Rechteinhabers absolut." Mit entsprechenden Vorschriften wären Verhandlungen möglicherweise anders verlaufen.

Kühne betonte, man sei im Bundesumweltministerium (BMU) immer davon ausgegangen, für den Zeitraum der Erkundung nur Nutzungsrechte erwerben zu wollen. "Es widerspricht dem Ziel, wenn endgültige Rechte erworben werden. Das Ergebnis war ja immer noch offen."

Einen weiteren Schwerpunkt der Zeugenbefragung bildete der Umfang der geplanten Erkundung im Gorlebener Salzstock. Auf Grund fehlender Salzrechte hatte sich das BfS in den neunziger Jahren dafür ausgesprochen, sich bei der Erkundung vorerst auf die Nordostpassage zu beschränken. "Man hat im Rahmenbetriebsplan die Erkundung der Südwest-Route aus fachlichen Erwägungen heraus genommen. Das war das Stichwort 'Konzeptänderung'". Schließlich sei nur die Reihenfolge der Erkundungsbereiche geändert worden. Abgeordnete konfrontierten Kühne mit Vermerken, wonach in seinem Beisein ein Wissenschaftler des BfS seine Bedenken dazu geäußert hatte. "Ich weiß nicht mehr, was ich damals mitbekommen habe", sagte Kühne.

Ferner untersuchten die Ausschussmitglieder Gespräche, welche die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) mit Vertretern der Energieversorgungsunternehmen (EVU) zwischen 1996 und 1997 geführt hatten. Ein damaliger Vermerk des BMU beschrieb die Zweifel der EVU ob der Belastbarkeit einer auf den Nordosten beschränkten Erkundung. Dies hätten sie für ein Erkundungsrisiko gehalten und für ein Moratorium plädiert. "Die Überlegungen der EVU sind nicht durchschlagend gewesen", sagte Kühne. Diese hätten Kostengesichtspunkte vorgetragen.

Schließlich beleuchteten die Abgeordneten eine interministerielle Debatte über die rechtliche Einordnung. Während das BMU in den Neunziger Jahren für die Anwendung des Bergrechts plädierte, bestand das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) auf Atomrecht. "Das ist eine rein politische Angelegenheit. Die Erkundung von atomaren Endlagern ist ein gewisser Fremdkörper im Bergrecht. Wo, ist egal. Es geht um den materiellen Inhalt." Angesprochen auf den Einlenkungsprozess des BMU, antwortete Kühne, er könne sich daran nicht erinnern. "Ich weiß, dass das BMWi es nicht in seinem Bergrecht haben wollte." Abgeordnete hielten Kühne einen Vermerk aus dieser Debatte vor, auf dem sich der handschriftliche Zusatz des damaligen Unterabteilungsleiters im BMU, Arnulf Mattings, befand, in dem er vorschlug, einen Ergebnisvermerk aus den Akten zu entfernen. Es handelte sich um eine Jahre zurück liegende Absprache auf Abteilungsleiterebene zwischen BMWi und BMU, wonach das BMU eine Enteignung der Salzrechte nach Bergrecht nicht fordern würde. "Ich erinnere mich nicht, diesen Vermerk gesehen zu haben", sagte Kühne. Immerhin habe er den Brief samt Mattings Zusatz zu den Akten genommen. "Wenn ich alles hinterfragen würde, hätte ich viel zu tun." Allerdings sei der Vorschlag kein üblicher Vorgang. "Ich nehme nichts aus den Akten."

Auf die Frage von Abgeordneten, warum der Ausschuss bisher keine Protokolle oder Vermerke über die Gespräche Angela Merkels mit den EVU gefunden habe, antwortete Kühne lediglich: "Ich habe an den maßgeblichen Gesprächen nicht teilgenommen. Ich und meine Vorgesetzen haben alle Unterlagen zu den Akten gegeben, die zu den Akten sollten."


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2. Union und Liberale: Tourismus für Menschenrechte nutzen

Menschenrechte und humanitäre Hilfe/Antrag

Berlin: (hib/BOB) Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Dialog mit den Tourismusunternehmen und ihren Branchenverbänden zum Thema Menschenrechte zu intensivieren und über die aktuellen internationalen Vereinbarungen zur menschenrechtlichen Unternehmensverantwortung zu informieren. CDU/CSU und FDP haben zu diesem Thema einen Antrag (17/8347) eingebracht. Sie stellen fest, trotz positiver Auswirkungen des Tourismus auf die menschenrechtliche Situation in den Zielländern seien touristische Vorhaben stets auf ihre menschenrechtliche Konformität hin zu prüfen. Touristische Vorhaben könnten Menschenrechte gefährden, insbesondere durch die Umsiedlung der Bevölkerung für Bauprojekte, die Missachtung von Rechten indigener Völker oder durch den häufig hohen Wasserverbrauch von Hotelanlagen. Nach Ansicht von Union und Liberalen gefährden solche Vorhaben das Recht der Bevölkerung auf Nahrung und Wasser. Darüber hinaus sei darauf zu achten, dass die Mitarbeiter in Tourismusbetrieben weder sexuell noch in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werden.


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3. Union und FDP wollen die Potenziale älterer Menschen nutzen

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Koalitionsfraktionen wollen das gängige Altersbild auf den Prüfstand stellen und die Potenziale älterer Menschen zukünftig besser nutzen. Über den gemeinsamen Antrag von CDU/CSU und FDP (17/8345) berät der Bundestag heute in erster Lesung. Union und Liberale berufen sich auf die Ergebnisse des Sechsten Altenberichts der Bundesregierung (17/3815), über den das Parlament parallel berät. Menschen zwischen 60 und 80 Jahren, so argumentieren die Fraktionen, seien "heute meist geistig und körperlich fit; viele können und wollen sich engagieren. In der Öffentlichkeit werden diese Potenziale allerdings vielfach noch nicht wirklich wahrgenommen." Die Bundesregierung soll deshalb im Rahmen der Rundfunk- und Pressefreiheit geeignete Maßnahmen zur medialen Verbreitung positiver Altersbilder ergreifen.

Auf den Prüfstand müssen nach dem Willen der Koalitionsfraktionen auch die bestehenden Altersgrenzen in allen Lebensbereichen. Es sei zu klären, ob der Eintritt in den Ruhestand flexibler gestaltet werden kann. Dies werde von vielen Menschen gewünscht. Die durch den demografischen Wandel frei werdenden Mittel im Bildungswesen sollen in die Weiterbildung der Altersgruppe über 40 Jahre investiert werden. Bildung können nicht länger auf die erste Lebenshälfte beschränkt werden. Dies müsse auch für die Weiterqualifizierung im Arbeitsleben gelten. Der Bund müsse als Arbeitgeber eine Vorbildfunktion für die freie Wirtschaft übernehmen.

Auch in der Zivilgesellschaft sollen die Potenziale der älteren Generation nach Ansicht von Union und Liberalen besser genutzt werden. Die Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement müsse weiter ausgebaut werden. Mit dem Bundesfreiwilligendienst sei ein wichtiger Schritt gemacht worden.

Nachbesserungsbedarf sehen die Koalitionäre auch im Bereich der Gesundheitspolitik. Sie fordern die Regierung deshalb auf, die Gesundheitsförderung und Prävention durch Projekte zu verbessern. Die bislang unterschiedlichen Ausbildungen in der Alten-, Gesundheits-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sollen in einem einheitlichen Berufsgesetz zusammengeführt werden. Zudem müsse der Pflegebedürftigkeitsbegriff weiterentwickelt werden. Dieser müsse neben der körperlichen auch die psychisch kognitive Beeinträchtigung des Pflegebedürftigen berücksichtigen.

Verstärkt soll sich die Bundesregierung nach Ansicht von CDU/CSU und FDP auch für eine barrierefreie Infrastruktur einsetzen, um Menschen mit Behinderung die Teilnahme am Leben zu ermöglichen. So soll unter anderem geprüft werden, ob und welchem Umfang das KfW-Programm "Altersgerechtes Umbauen" fortgeführt werden kann.


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4. Neue Verordnung für das Betanken von Kraftfahrzeugen und Lagern von Kraftstoffen

Umwelt/Verordnung

Berlin: (hib/AS) Benzindämpfe, die beim Betanken von Kraftfahrzeugen entstehen, sollen in Zukunft zurückgehalten werden. Das ist Ziel einer Verordnung der Bundesregierung (17/8321), mit der eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (2009/126/EG)

über die sogenannte Phase II der Benzindampf-Rückgewinnung umgesetzt werden soll. In den Mitgliedstaaten musste die Richtlinie bis 1. Januar 2012 in nationales Recht umgesetzt werden.

Für die Mehrheit der Tankstellen wurden diese Regelungen bereits mit der bestehenden Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen (21.BImSchV) vorgeschrieben. Die Verordnung betrifft vor allem kleinere Tankstellen mit einem Jahresumsatz von 100 bis 1000 Kubikmeter Ottokraftstoff. Die Mehrheit dieser Tankstellen sind bereits mit dem erforderlichen Gasrückführungssystem ausgestattet. Den verbleibenden 100 Tankstellen wurde eine Frist bis 2018 eingeräumt. Die Verordnung sieht weiter vor, dass die Verbraucher mit Plaketten an den Zapfsäulen über die installierten Systeme informiert werden sollen. Mit der Verordnung wird außerdem die bereits bestehende Verordnung zur Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen und Lagern von Ottokraftstoffen (20. BlmSchV) um Biokraftstoffe und Rohbenzin erweitert.


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5. Im Bundestag notiert: Stand der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im Ausland

Umwelt/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AS) Der Stand der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im Ausland ist Gegenstand einer Kleinen Anfrage (17/8327) der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Die Grünen möchten wissen, wie viel Plutonium abgebrannte Brennelemente aus deutschen Leistungsreaktoren enthalten, die zur Wiederaufbereitung nach Großbritannien und Frankreich geschickt worden sind. Außerdem fragen die Abgeordneten wie viel bereits abgetrenntes Plutonium, das von deutschen Energieversorgern genutzt worden sein soll, derzeit noch in Großbritannien lagert. Außerdem möchten die Grünen eine Antwort auf die Frage, wie viele abgebrannte Brennelemente aus Deutschland in Großbritannien bis Ende 2010 noch nicht wiederaufbereitet worden waren und welchen Plutoniuminhalt sie besaßen. In ihrer Vorbemerkung schreibt die Fraktion, dass sich Deutschland bislang weigere, in seinen Deklarationen an die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO)

Angaben zu im Ausland gelagertem Plutonium zu machen, das ursprünglich aus Deutschland kam.


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 029 - 19. Januar 2012 - 16:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2012